Kapitel 22

 

 

Tom ging in einem schleichenden Schritt nach Hause. Es setzte ihm doch mehr zu, als er erwartet hatte: der barsche und viel zu schnelle Abschied von Donna.

Was meinte Cooper nur mit „ihre Augen“?

Er verdrängte den Satz, bevor er sich darüber unnötig Gedanken machen würde, und dachte daran, wie er denn Donna morgen in der Arbeit eine Freude machen könnte. Es wäre doch schön, wenn alle wüssten, dass sich zwischen ihnen viel Schönes entwickelt hatte.

Seine beiden Katzen begrüßten ihn mit einem freudigen Miau. Er lächelte und setzte sich aufs Sofa. Dabei ließ er die Musik laufen, die Donna gut gefallen hatte. Zur Beruhigung und um Gedanken einzusammeln. Viele waren ihm im Laufe der letzten fünfundzwanzig Stunden verloren gegangen.

Nach einer weiteren Stunde, in der er sich entspannte, duschte er sich, um wieder frisch zu werden. In den Minuten, in denen der Wasserstrahl auf seinen Körper niederprasselte, schwebte ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: Waren die fünfundzwanzig Stunden ein Traum oder waren sie tatsächlich Wirklichkeit?

Im Bad lag noch das Handtuch, welches Donna für ihren zauberhaften Körper zum Trocknen benutzt hatte. Ich werde es nie wieder waschen, dachte er verliebt wie ein Teenager. Er legte es ungewaschen ins Regal und wollte zumindest noch zwei bis drei Tage ihren Duft einatmen.

 

Tom saß auf dem Holzstuhl vor seinem Schreibtisch.

Was kann ich nur tun? Blumen? Welche? ... Rosen!  Was sonst!

Er holte sein Notebook aus der großen Schublade unter der Schreibtischplatte hervor. Er hatte sich geschworen, alle elektronischen Medien nur im absoluten Notfall zu benutzen. Dieser war nun eingetreten. Im Internet würde der Kauf eines Straußes roter Rosen kein großes Problem darstellen. Nachdem er online war, ging er auf die Seite eines Blumenhändlers, dem in allen Bundesstaaten viele kleinere Händler angeschlossen waren. Nach zehn Minuten hatte alles erledigt. Er hatte einen Strauß langstieliger roter Rosen für einhundertfünfundzwanzig Dollar gekauft. Fünfzig Stück. Eine kleine Nachricht tippte er auch ein. Sie würde als Kärtchen dem Strauß beiliegen.

 

Danke Donna,

für 25 Stunden Liebe, Leid und Freud

In Liebe Dein Tom

 

Er ging offline, klappte das Notebook zu und ließ es wieder in der Schreibtischschublade verschwinden. Nach dem wichtigen Kauf rief Tom sofort Shawn an. Er würde ihm viel zu erzählen haben. Wenn er es ihm überhaupt glaubte, denn, das was er erlebt hatte, sieht man sonst nur im Kino. Tom erlebte es nicht auf Zelluloid, sondern im realen Leben als Hauptdarsteller.

Sie verabredeten sich für acht Uhr in Rustys Drugstore.

 

In Mackville war Rustys Drugstore der Treffpunkt für alle Männer. Frauen waren auch an diesem Sonntagabend keine zu sehen. Es war wie immer eine tolle Stimmung bei Rusty Rosenbaum. Es gab nur noch wenige freie Plätze. Tom und Shawn nahmen auf zwei Barhockern platz und jeder trank eine Coke.

»Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Tom. Fang endlich an. Ich kann es nicht mehr erwarten. Deine Ankündigung, dass die Stunden mit Donna wie ein Hollywood-Movie waren, lässt mich nun schon lange genug im Ungewissen. Erzähle jetzt endlich.«

»Es begann gestern Nachmittag um kurz nach drei ...«, begann Tom, und endete nach einer knappen Stunde mit den Worten:  »Und heute Nachmittag, um kurz nach vier ist sie dann leider wieder  gefahren.«

Shawns Augen wurden während Toms Erzählung immer größer.

»Hallo Junge, geht’s dir gut!«

»Und das soll ich dir alles glauben? Das klingt für mich tatsächlich wie ein Kinostreifen und nicht wie eine reale Geschichte.«

»Es war zu schön, zu traurig, zu erotisch, zu außergewöhnlich, zu harmonisch zu ... zu ...  zu ... um wahr zu sein«, sagte Tom in Gedanken. »Aber ich habe nichts erfunden, Shawn. Diese Frau gibt es wirklich und sie trägt den Namen Donna Parrish.« Toms Augen funkelten.

»Dich scheint es ja heftig erwischt zu haben.«

»Ja, das kannst du laut sagen. Sie ist eine so tolle Frau, Shawn. Sie ist nicht nur außergewöhnlich schön, sondern genauso intelligent, als ob sie Harvard in diesem und bereits in einem vorherigen Leben besucht hat. Sie wusste alles und noch mehr. Es gab kein Thema, über das ich nicht mit ihr sprechen konnte. Ich hab‘ so etwas noch nie erlebt, Shawn. Sogar mit Filmen kannte sie sich besser aus als ich. Wenn man das alles zusammen betrachtet, scheint sie nicht von dieser Welt zu sein.«

Tom tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.

»Da kann ich wohl mit meinem Liebesroman einpacken«, sagte Shawn und lachte dabei.

»Ich gebe mich keiner Illusion hin, dass das immer so bleiben wird. Aber der Einstieg in ein neues Leben mit Donna an meiner Seite war trotz Trauer und Missverständnissen ein absoluter Traum.«

»Gut so, Tom. Der Alltag ändert vieles. Wie sieht’s mit ihrer Tochter aus. Denkst du, dass sie dich als zukünftigen Daddy anerkennen wird?«

»Das lasse ich auf mich zukommen. Wenn ich mit ihr ein paar Mal gesprochen und einige Tage verbracht habe, werden wir uns schon zusammenraufen. Wenn sie nur einige Züge ihrer Mutter hat, dann gibt es keinen Grund, warum wir beide uns nicht verstehen sollten.«

»Ich hoffe für dich, dass alles so läuft, wie du dir es wünscht. Deine Begeisterung bei allem, was du mir heute Abend erzählt hast, lässt sogar mich zweifeln, ob ich die Liebe nicht auch mal in der Realität erleben sollte. Die Romane geben mir Halt. Wenn ich nach der letzten Seite traurig bin, lese ich danach wieder einen mit Happyend. Dann geht’s mir wieder gut. Im Leben gibt es leider nicht immer ein Happyend. Das ist das Problem, dem ich bis jetzt erfolgreich aus dem Weg gegangen bin«, sagte Shawn mit beeindruckender Überzeugung.

Tom schwieg und dachte über Shawns Aussage nach. Er wollte jetzt zu einem anderen Thema kommen, der Abend war noch lang. Und morgen würde er sicher von ihr hören, wenn sie die fünfzig langstieligen Rosen im Copley Plaza Hotel überreicht bekam. Er freute sich schon jetzt, wieder ihre Stimme zu hören.

»Übrigens Happyend, Shawn. Von deinem Pferdeflüsterer war der Schluss ja sehr tränenreich. Sogar ich musste eine vergießen, als dieser Booker starb. Kein Happyend.«

Shawn nickte, und dachte an Tom und Donna. Er hoffte für ihn, dass er anstatt Tränen der Trauer zu vergießen, ein Happyend feiern konnte. Das Leben schreibt doch die schönsten Liebesgeschichten. Manchmal!

Blätter treiben im Wind
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