SAMSTAG VOR REMINISCERE

Am nächsten Morgen eilten Tamas und Lene davon, als ob nichts gewesen wäre, um Futter für den Bären zu besorgen. Dafür brachte die Neugier noch vor dem Frühstück die Bewohner des Erdgeschosses nach oben. Franz erklärte in kurzen Worten, was geschehen war, wie ein entfernter Verwandter, der in einem Trauerhaus die Nachbarn in Empfang nimmt. Als Letzter zog sich Wolfram mühsam die Treppe hinauf. Offenbar machte ihm die morgendliche Kälte zu schaffen.

Elbelin saß auf seinem Lager und betrachtete die Überreste seines Instruments im Morgenlicht ebenso ratlos wie am Vorabend im Kerzenschein.

Katherine rief: ťWer kann dich so hassen?Ť Sie machte einen Schritt auf Elbelin zu, hielt jedoch inne, als er sich nicht rührte.

Ihre Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. ťNimm es nicht so schwer, ElbelinŤ, sagte sie obenhin. ťSo etwas kommt vor.Ť

Er schüttelte stumm den Kopf.

ťEin Unglück oder ein Versehen war das nichtŤ, wandte Alheit ein. Sie hielt Marjorie das Anblasrohr unter die Nase.

ťFie! Was ist das?Ť

ťBärendreck?Ť, vermutete Alheit.

Da hob Elbelin den Kopf. ťDer Ungar? Kann das sein?Ť

ťWer kommt sonst so nahe an das Vieh heran?Ť, fragte Alheit dagegen.

ťEs ist zahm und angekettetŤ, warf Katherine von der Tür her ein.

Ohne sie zu beachten, wechselte ihre Mutter das Thema: ťHast du Geld genug, um dich neu auszurüsten?Ť

Elbelin nickte zögernd. War das Geld nicht für etwas anderes bestimmt gewesen? Vor drei Tagen hatten die beiden Jungen doch von einer Harfe gesprochen.

ťNicht weit vom Marktplatz steht ein DudelsackbauerŤ, empfahl Marjorie. ťVielleicht kann er dein Instrument noch retten.Ť

Wieder nickte Elbelin.

Gottfrid murmelte: ťJohann Schure.Ť Es klang wie eine ablehnende Antwort.

Alheit wurde das Gefühl nicht los, dass die Engländerin sich bemühte, von einem heiklen Punkt abzulenken. Konnte nicht Robert Piper der Täter gewesen sein? Wegen Katherine? Wegen Marjorie? Wegen etwas, das sich im Schankraum ereignet hatte? Er stand auf der anderen Seite neben der Tür und schaute wie unbeteiligt zu.

Da kam Klaus mit Besteck klappernd in den Raum. ťIch soll euch holen. Der Haferbrei wird kalt.Ť

Widerstrebend nahmen sie ihre Instrumente auf. Der kleine Knecht wandte sich an Elbelin: ťUnd dir soll ich sagen, du sollst heute nicht mehr so mit dem Dudelsack herumlärmen. Die Köchin wird ganz krank davon.Ť

Alheit schaute auf. Was hatte das nun zu bedeuten? Gab es Streit in der Familie des Wirts, der an den Gästen ausgelassen wurde?

Marjorie sah das offenbar anders. ťSpielleute sind ein neidisches PackŤ, sagte sie. ťNie können sie sich vertragen.Ť Mit den anderen verließ sie den Raum.

Alheit nickte und folgte ihr geistesabwesend. Wer hatte etwas davon, dass Elbelin nicht mehr spielen konnte? Johann Schure, den die beiden Jungen wohl nicht besonders mochten? Und anscheinend war die Abneigung gegenseitig. Hatte er nicht Alheit vor Gottfrid gewarnt? Vielleicht hatte ihm dieser einmal einen üblen Streich gespielt. Dennoch würde Johann das Geld bekommen, das für einen anderen gedacht gewesen war.

Meister Wolfram, der nun keinen lautstarken Überfall mehr fürchten musste. Ebenso die anderen Musiker.

Franz. Für ihn bedeutete das nicht nur für einige Wochen Ruhe, sondern für längere Zeit. Wie sollte Alheit jetzt das Dudelsackspielen üben?

Und dabei dem Besitzer schöne Augen machen? Alheit biss sich auf die Lippen. Es half nichts, sie konnte den Gedanken nicht auslöschen. Franz hatte einen Grund – mehr als einen –, Elbelin zu schaden.

Was war mit Tamas, den Elbelin als Erstes verdächtigt hatte? Eifersucht wegen Lene würde ihn kaum zu einer solchen Tat treiben. Oder war sie es selbst gewesen, weil Elbelin nicht auf ihre Annäherungsversuche einging? Auch das konnte sich Alheit kaum vorstellen.

Als eine der Letzten betrat sie den Schankraum. Irgendjemand in ihrer Nähe roch streng nach – Wild? Jedenfalls nicht nach Pferd oder anderem Stallmist, auch nicht nach ranzigem Küchendunst oder als hätte er lange nicht mehr gebadet. Sie schaute sich nach Tamas um. Bär. Das war es. Aber der Ungar war noch im Stall bei seinem Tier.

Wer war sonst anwesend? Alheit runzelte die Stirn. Franz ging neben ihr. Robert trieb seine Familie vor ihnen her. Meister Wolfram folgte hinter ihnen, mit vorsichtigen Schritten.

Keiner von ihnen hatte mit dem Bären oder sonst einem Tier zu tun. Meister Wolfram besaß ein Pferd, doch darum kümmerten sich Knechte draußen vor der Stadt.

 

Meister Wolfram musste an diesem Tag an seinen Schülern verzweifeln. Keiner war bei der Sache. Auch Franz fiel es schwer, an etwas anderes zu denken als an den zerstörten Dudelsack. Alle Feindseligkeiten, die sich in den letzten Tagen ein wenig gelegt hatten, brachen wieder auf. Die Leute stellten sich an, als hätten sie nie etwas von dem gehört, was Meister Wolfram ihnen bisher erklärt hatte.

Zu allem Überfluss schmerzten Franz die Finger beim Greifen. Die vielen Pausen und Neueinsätze verbesserten das Gefühl nicht. Er überlegte kurz, ob er mit der Drehleier weiterspielen sollte. Doch einerseits fürchtete er den Streit, der in der heutigen Stimmung darüber entbrennen würde, und andererseits bezweifelte er, dass das Drücken der Tasten weniger schmerzhaft wäre.

Immer wieder rieb er sich verstohlen die Hände. Er wusste nicht, woher die Schmerzen kamen, denn er spielte nicht viel mehr als sonst. Trotzdem musste er etwas dagegen tun. Im Winterquartier hatte er sich daran gewöhnt, dass ihr Gastgeber für jedes kleine Leiden den passenden bissigen Scherz und eine ebenso scharfe Salbe hatte. Aber Philipp Steinhäuser saß fast drei Tagesreisen östlich in Lindenfels und flickte die Knochen der Burgbesatzung.

Erleichtert sah er auf, als Klaus das Mittagbrot hereinbrachte. Der Kleine stellte seine Last ab und schaute neugierig zu, wie die Spielleute ihre Instrumente beiseite legten.

Meister Wolfram packte ihn an der Schulter. ťDa ist ja der Lump! Dass du dich noch hier herein wagst!Ť

Der Junge heulte auf wie ein wildes Tier und riss sich los. In der Tür zum Hof stieß er mit Alheit zusammen, die eben hereinkam. Er trat und schlug um sich, aber sie hielt ihn fest.

ťWas ist denn los?Ť, fragte sie.

ťWas gibt es denn?Ť, fragte Burkhard an der Küchentür.

Da hörte Klaus auf zu heulen und zu schlagen. Angespannt blieb er bei Alheit stehen.

Meister Wolfram richtete sich auf. ťHast du noch nicht gehört, dass jemand Elbelins Dudelsack zerstört hat? Und dieser Jemand war kein anderer als dein Knecht Klaus!Ť

Aus der Runde kam Laute des Erstaunens.

ťGar nicht wahr!Ť, jammerte Klaus.

Burkhard schaute von einem zum anderen. ťWie kommst du darauf?Ť

ťIch habe ihn gestern Nachmittag, als es passiert ist, auf dem Dach herumklettern sehen wie ein Affe. So kommt er unbemerkt in alle Räume

Ť

Alheit schnappte nach Luft. Dann hatte sie ebenfalls Klaus gesehen. Aber er war nicht in ihrer Schlafkammer gewesen. Das sagte sie auch laut.

Meister Wolfram wischte ihren Einwand weg. ťDa wird nicht den ganzen Tag jemand gesessen haben.Ť

Burkhard sah Klaus finster an. ťDu hast auf dem Dach nichts zu suchen, und das weißt du.Ť

ťWenn es nur das wäreŤ, beharrte Meister Wolfram. ťWer soll Elbelin den Schaden ersetzen?Ť

ťDer ihn angerichtet hatŤ, entgegnete der Wirt auf der Stelle. ťWo ist der Dudelsack überhaupt?Ť

ťOben in der SchlafkammerŤ, antwortete Elbelin. ťKomm mit.Ť

Alheit musste die Tür freigeben. Sie nahm Klaus an der Hand, der sich widerstandslos mitziehen ließ, und folgte den Männern.

Burkhard betrachtete den Schaden, aber nicht lange. ťDa hat sich einer mit dem Messer zu schaffen gemacht. Das war nicht Klaus.Ť

ťWer denn sonst?Ť, fragte Meister Wolfram böse. ťIch verlange, dass der Kerl bestraft wird.Ť

ťGestern haben sich genug Leute über den Lärm aufgeregtŤ, erwiderte Burkhard. ťUnd bist du der Geschädigte?Ť

Während Alheit gespannt dem Wortwechsel folgte, ruckte Klaus kräftig an ihrer Hand. Noch ehe sie sich nach ihm umdrehen konnte, war er verschwunden, geräuschlos wie der rote Kater. ťHe!Ť, machte Alheit nicht besonders laut.

ťIch bin der GeschädigteŤ, sagte Elbelin, ťund ich glaube nicht, dass Klaus das hier angerichtet hat.Ť Er wies auf die gesammelten Bruchstücke.

ťNoch einmal: Wer dann?Ť, wiederholte Wolfram.

ťJemand, der genau weiß, wie man ein solches Instrument zerlegtŤ, antwortete Elbelin.

Alheit nickte.

ťDavon gibt es hier genugŤ, stellte Burkhard fest.

ťWillst du etwa deine Gäste verdächtigen? – Wo ist der Kerl überhaupt?Ť Wolfram wandte sich um.

Burkhard tat gleichgültig. ťAufs Dach geklettert wie ein Affe. Hol ihn herunter, wenn du kannst.Ť

Mit einem Fluch drängte sich Wolfram an Burkhard und Alheit vorbei und eilte mit holprigen Schritten die Treppe hinunter in den Hof. Statt zum Essen in den Schankraum hinkte er in sein Quartier. Lautes Rumpeln war zu hören. Offenbar machte er sich an seinen Instrumentenkisten zu schaffen.

Burkhard seufzte schwer und ging in die Küche.

 

Der Nachmittag wurde nach diesem Zwischenfall noch unangenehmer. Die ganze Gruppe schien erleichtert, als Meister Wolfram mit seinem üblichen lateinischen Spruch den Unterricht beendete. Noch ehe Franz seine schmerzende Hand richtig ausgeschüttelt und die Laute in ihre Hülle gepackt hatte, war außer Meister Wolfram, der ohnehin jeden Handgriff mit Bedacht ausführte, niemand mehr zu sehen. Diesmal versuchte Franz gar nicht erst, ihm zu helfen.

Draußen im Hof lief Alheit schon voller Ungeduld im Hof hin und her. Offenbar wollte sie genau wie die anderen hinaus in die Stadt, nicht mehr in der engen Herberge sitzen mit Menschen, die einander nicht trauten.

 

Vor allen anderen verließ Elbelin den Hof, dicht gefolgt von Gottfrid. Er steuerte zielstrebig den Stand des Dudelsackbauers an, auch wenn es nur Johann Schure war. Clovis von der Vesder hatte um diese Jahreszeit in den Städten Flanderns andere Gelegenheiten, seine Ware abzusetzen, als diese völlig unbekannte Spielmannsschule in Worms. Aber Johann baute auch keine schlechten Säcke. Und er wusste, was seine Arbeit wert war. Eigentlich hatte Elbelin auf seinen Teil des Geldes verzichten und Gottfrid ein gutes neues Rebec spendieren wollen. Das erschien ihm gescheiter, als die Heller, die Erzbischof Balduin ihnen zum Abschied geschenkt hatte, auf zwei Instrumente zu verteilen. Aber nun war es anders gekommen.

Der Händler begrüßte die beiden überschwänglich wie alte Freunde. ťJa, wen haben wir denn da? Elbelin und Gottfrid aus Flandern. Was kann ich euch Gutes tun?Ť

Ohne den Gruß zu erwidern, wickelte Elbelin das Bündel aus, das er im Arm trug. Dabei behielt er Johann scharf im Auge.

Dieser riss Mund und Augen auf. Doch der Schreck war offenbar rasch wieder verflogen. ťDa hast aber nicht bloß du draufgesessen. Ihr wart mindestens zu zweit, gib’s zu.Ť

ťDa hat ein Bär seine Spuren hinterlassen.Ť Elbelin pickte das Mundstück aus den Trümmern und hielt es Johann unter die Nase.

Der wich angewidert zurück. ťDas könnte es natürlich auch gewesen sein.Ť Er hob die Teile der zerbrochenen Spielpfeife und betrachtete sie prüfend. ťVon wem war denn das gute Stück? Clovis von der Vesder, natürlich.Ť Dann besah er sich den Bordun. ťAber da ist nichts mehr zu machen, nicht, wenn es nachher wieder klingen soll.Ť

Elbelin nickte. ťEtwas anderes habe ich auch nicht erwartet.Ť

ťBegrabt ihn würdig, und ich mache euch ein gutes Angebot für was Neues.Ť Johann schlug die Decke wieder über das Instrument. ťRequiescat in pacem.Ť

Als Elbelin das Bündel beiseitelegte, bekamen sie Gesellschaft. Mit fliegenden Ärmelstreifen eilte Katherine auf sie zu. ťGut, dass ihr da seidŤ, rief sie. ťMeine Mutter disputiert mit diesem bayrischen Harfenbauer wie ein Domscholaster. Ich glaube nicht, dass sie heute noch ein Ende findet.Ť

ťUnd dein Vater?Ť, fragte Johann stirnrunzelnd. Doch das ging im Gelächter der beiden Jungen unter.

ťLass mal sehen, was du da hastŤ, verlangte Elbelin.

ťWillst du auch eine Sackpfeife kaufen?Ť, wandte sich Johann an Katherine.

Sie schüttelte den Kopf. ťAber ich kann euch gern eine Weile zuhören.Ť

ťNicht wahr, so was ist doch spannender als eine Harfe.Ť Johanns Bemerkung klang fast wie ein Tadel. Er nahm einen seiner Dudelsäcke mit dunklem Holz und braunem Balg von der Leine und reichte ihn Elbelin. ťIch glaube, der steht dir gut, probier mal.Ť

Elbelin blies mächtig in das Mundstück. Der Balg füllte sich, doch es kam kein Ton heraus.

ťDu musst auch drücken, JungeŤ, belehrte ihn Johann und presste ihm den Ellenbogen nach innen. ťOhne Kraft wird das nichts.Ť

ťLass mich mal, Kleiner.Ť Gottfrid schob den Händler beiseite und nahm seinem Freund das Instrument ab.

ťAusgerechnet duŤ, keuchte Elbelin. ťDu hältst ja nicht mal eine Strophe auf der Flöte durch.Ť

Gottfrid stellte sich in Positur und begann zu pusten. Der Bordun sprang an, schließlich fand er auch einen Ton auf der Spielpfeife. Als er jedoch einen flotten Lauf probierte, geriet sein Klanggebäude ins Wanken.

Katherine kicherte. Gottfrids Gesicht färbte sich so rot wie sein Haar, und sein Spiel verklang in einem traurigen Quietschen.

ťIch glaube, du bleibst wirklich besser beim KleingestrichenenŤ, sagte Elbelin und streckte die Hand nach dem Sack aus.

Johann fragte scheinheilig dazwischen: ťSoll ich euch das Rohrblatt leichter einstellen?Ť

Elbelin schüttelte den Kopf. ťLass mal, wir werden uns schon einig.Ť Er nahm das Instrument wieder auf und blies. Diesmal fand er einen stabilen Ton und spielte ein getragenes Amen.

ťNa alsoŤ, sagte Johann. ťMeine Instrumente kann jeder spielen.Ť

ťIch auch?Ť, fragte Katherine.

ťNein, du nicht.Ť Kurz und kalt zerriss die Antwort die bisher heitere Stimmung.

Elbelin gab dem Händler sein Instrument zurück. ťIch überlege mir das noch einmal.Ť Er nahm das Bündel mit seinem zerstörten Dudelsack auf und ging. Gottfrid und Katherine eilten ihm nach.

ťÜberleg nicht zu langeŤ, rief Johann. Eine Weile schaute er hinter ihnen her. Dann wandte er sich an seinen Standnachbarn, der Fideln und Bögen verkaufte: ťWeißt du, wer das Mädchen ist?Ť

Der andere schüttelte den Kopf. ťKann mich nicht erinnern, dass ich sie schon mal getroffen hätte. Aber dieser Gottfrid sollte sein Geld bei mir lassen, nicht bei dir.Ť

 

Johann Schure entdeckte den Stand des bayrischen Harfenbauers bald. Noch verhandelte der Mann mit einem dünnen Kerlchen, das die Harfe neben ihm kaum überragte. Johann hielt sich in der Nähe, betrachtete die Waren der anderen Instrumentenbauer, bis der Kleine gegangen war. Dann fragte er: ťWar heute eine Spielfrau bei dir, die eine Harfe kaufen wollte?Ť

Rüdiger vom Lech nickte.

ťWeißt du, wer sie war?Ť

ťAus Schottland.Ť

ťHat sie eine Tochter?Ť

Rüdiger nickte wieder.

ťHat sie einen Mann?Ť

Nicken.

ťWie heißt er? Wo wohnt er?Ť

ťRobert Pfeifer, neben den Franziskanern.Ť

 

Nach dem Essen blieb es still in der Gaststube. Gedankenverloren betrachtete Franz seine Drehleier. Was würde er tun, wenn sich jemand so darüber hermachte wie über Elbelins Dudelsack? Er strich über den Deckel, ließ die Tasten leise klacken. Viel konnte er selbst richten, aber längst nicht alles. Die 70 Heller, die er von Herrn Heinrich von Alzey für ein neues Instrument erhalten hatte, müsste er darauf verwenden, das alte wiederherzustellen.

Er schüttelte den Kopf. Wichtiger war es, dafür zu sorgen, dass es nicht so weit kam. Aber wie? Er konnte den unförmigen Kasten nicht den ganzen Tag umgehängt lassen und gleichzeitig die Laute mit sich herumtragen. Dabei hatte kaum einer in der Runde das Herz, sein Instrument auch nur zum Essen beiseitezulegen.

ťWir sollten einen Wächter anstellenŤ, sagte Marjorie in die angespannte Stille.

Robert nickte. Er hatte zwar kein teures Instrument, um das er fürchten musste, aber Marjories Harfe war sehr anfällig für üble Streiche.

ťWie stellt ihr euch das vor?Ť, fragte Alheit dagegen. Sie hielt ihre Schalmei unschlüssig in der Hand, als ob sie nicht wüsste, wohin sie sie packen sollte. ťEr müsste Tag und Nacht drei Räume und den Stall bewachen.Ť

ťDas können wir nicht bezahlenŤ, sprang Gottfrid ihr bei.

ťUnd auf wen von uns soll der Wächter hören?Ť, fuhr Elbelin fort. ťDa sagt ihm Franz – nur zum Beispiel –, er soll den oberen Raum bewachen, dann kommt ein anderer und schickt ihn hinunter

Ť

Dafür, dass er der Geschädigte war, schien er sehr ruhig und überlegt.

Marjorie erwiderte: ťKostet ein neues Instrument so viel weniger? Und er soll natürlich dem folgen, auf den wir alle hören: Meister Wolfram.Ť

ťWir müssen sowieso ein neues Instrument bezahlenŤ, erinnerte Gottfrid.

Franz stellte sich vor, wie der steife Alte mit den Augengläsern einem Waffenknecht Anweisungen erteilte. Er schlug vor: ťDort in der Ecke steht eine eisenbeschlagene Truhe mit festen Schlössern

Ť

Weiter kam er nicht. ťWir sollen dem Juden unsere Instrumente in die Hände liefern?Ť, rief Gottfrid.

ťWas diese Sippschaft einmal in ihren Truhen hat, gibt sie nicht wieder herausŤ, pflichtete Elbelin ihm bei.

ťEr wird uns gar nicht erst heranlassenŤ, meinte Robert. ťGibt es hier keine Obrigkeit, die solche Unzucht zu verhindern hat? Wir sollten dem Vogt oder Schultheißen Bescheid geben.Ť

Lene widersprach sofort: ťUm uns Fahrende kümmert sich die Obrigkeit nicht, und das ist auch besser so.Ť

ťHerr Heinrich kommt doch sicher nochŤ, vermutete der Apotheker. ťWas sagt ihr dazu, Tamas? Meister Wolfram?Ť

Der Meister zuckte die Achseln und brummte. Es hörte sich an wie ťselber aufpassenŤ.

Tamas lachte, wie immer. ťWir legen Instrumente in Stall. Bär passt auf. Kostet nichts, hört nur auf mich.Ť

Nach kurzem Nachdenken erschien das allen als die beste Lösung. Pfeifend ging Tamas der Gruppe voran in den Stall. Dort stellte er sich zu seinem Mazko, fidelte und sang auf Ungarisch, damit das Vieh ruhig in seiner Ecke blieb. Lene dagegen behielt die Tür im Auge und verspottete alle, die eintraten, ob sie nun Angst zeigten oder nicht.

Elbelin brachte sein Bündel als Erster. Es war groß und schwer und schien außer seiner Rotta auch Gottfrids Instrumente zu enthalten. Alheit wunderte sich ein wenig, dass er so bereitwillig auf diesen Plan eingegangen war, obwohl doch der Ungar im Verdacht stand, seinen Dudelsack zerstört zu haben. Vermutlich hatten sich die beiden Jungen etwas Eigenes ausgedacht, um einem Einbrecher bei seinem nächsten Versuch das Leben schwer zu machen.

Dann kam Robert mit Marjories Harfe, angespannt beobachtet von seiner Frau, die jedoch keinen Fuß in den Stall setzte. Er dagegen stellte das Instrumenten ab, blieb dabei stehen und sah zu, wie Meister Wolfram nacheinander zwei Holzkästen hereinschleppte und sorgfältig aufeinandersetzte. Wie Franz zögernd, die Kiepe auf dem Rücken und die Drehleier im Arm, möglichst nah an der Wand zu den anderen Instrumenten schlich, hastig alles absetzte und wieder hinauseilte. Bei seinen schnellen Bewegungen hob der Bär den Kopf und brummte bedrohlich. Lene lachte umso lauter, Tamas verstellte seinem Tier die Sicht auf den Eindringling.

Dennoch kehrte Franz einige Zeit später mit Robert zurück. Sie trugen die schwere Truhe mit dem Vorhängeschloss, in der Israel seine Instrumente verwahrte.

ťBrauchen DeckeŤ, sagte Tamas, als alle gegangen waren. ťMachen großen Berg Heu über alles.Ť

Alheit brachte ihren abgewetztesten Filz zum Vorschein, und der Ungar schob mit Händen und Füßen Streu darauf.