DONNERSTAG NACH INVOCAVIT

Am folgenden Morgen ließ Alheit zunächst alle guten Vorsätze beiseite. Als die anderen sich zum Musizieren in der Gaststube versammelten, setzte sie sich an die offene Tür ihrer Kammer und brachte ihre Näharbeit an der Cotte zu Ende, so schnell es ging. Sie lauschte auf die Musik, ob sie eine Melodie erkennen könnte, doch lange Zeit war nichts zu hören. Was mochten die da drinnen so Dringendes zu bereden haben?

Lenes hämisches Grinsen, als sie in Richtung Stadt vorbeischnürte, kostete Alheit den letzten Rest Geduld. Kaum war der Faden vernäht, stellte sie sich mit der Schalmei vor die Tür zum Schankraum und probierte die Weisen vom vergangenen Abend. Von drinnen kam keine Antwort. Je länger diese ausblieb, desto stärker zitterten Alheits kalte Finger. Schließlich brach mit einem Quieken ihre ungelenke Melodie ab.

Da öffnete sich die Tür zur Schankstube. Marjorie trat heraus, mit Katherine dicht auf ihren Fersen. ťKomm mit hinüber zu uns, da ist es wärmer.Ť Marjorie machte eine einladende Handbewegung.

ťSo kann der Kerl doch nicht mit mir umspringenŤ, beschwerte sich Alheit. ťIch bin genauso auf Geheiß des Herrn von Alzey hier wie Franz.Ť

Marjorie blieb ruhig. ťDas ist zwar richtig, aber Geschrei bringt dich nicht weiter.Ť Sie hatte gut reden, sie war ja in die erhabene Gesellschaft in der Gaststube aufgenommen.

ťOh doch!Ť, erwiderte Alheit. ťSie sollen keine Ruhe haben in ihrem Saal, bis sie mich hineinlassen.Ť Dennoch folgte sie Marjorie in ihr Quartier. Hier brannte das Feuer, das ihnen im Raum darüber noch ein wenig Wärme spendete.

ťKinderei. Hast du nichts Besseres, was du uns lehren kannst?Ť, fragte die Harfnerin.

ťIch bin hier, um zu lernenŤ, knurrte Alheit. ťWas kann ich schon, was andere Leute nicht können?Ť Sie stellte sich so nah wie möglich ans Feuer und rieb sich die Hände.

ťDie Schalmei blasenŤ, platzte Katherine heraus.

Alheit musterte die zarte Gestalt und das engelsgleiche Gesicht des jungen Mädchens. ťWeißt du, wie du damit aussiehst, Kind? Aufgeblasen wie ein Frosch und feuerrot wie ein Bauer, der zu lange in der Sonne war.Ť

Marjorie lachte. ťAber dir scheint das nichts auszumachen.Ť

Alheit antwortete nur mit einem dumpfen Laut. Eine alte Schachtel wie sie musste sich um ihr Aussehen keine Gedanken mehr machen. Sie reichte dem Mädchen das Instrument. Katherine setzte das Rohrblatt an, doch sie brachte keinen Ton heraus. Nach einigen vergeblichen Versuchen nahm sie wieder das Tamburin zur Hand. Alheit entschied sich für die Flöte.

ťDas hier sollen wir übenŤ, erklärte Marjorie. Sie spielte eine Melodie und sang dazu auf Lateinisch.

Etwas Ähnliches hatte Alheit schon gehört. Das war eines der Stücke, mit denen Franz sie gern abhängte. Wie gewohnt suchte sie eine langsamere Begleitstimme. Ihre Finger bewegten sich schon wieder leichter.

Bald erklangen im Hof Fetzen desselben Liedes, bunt durcheinander auf verschiedenen Instrumenten. Robert Piper kam herein zu ihnen, dicht gefolgt von Meister Wolfram und Israel. Doch die beiden wandten sich gleich wieder zum Gehen, als sie die Gesellschaft vor dem Kamin erblickten.

Robert rief ihnen noch nach: ťHe, bleibt doch hier!Ť, doch der Meister suchte für sich und seinen Schüler einen anderen Platz.

ťDie beiden Jungen werden den Bogen bald überspannenŤ, bemerkte Robert.

Alheit horchte auf. ťWieso, was hat es gegeben?Ť

ťJemand hatte Israels Instrumente weggenommen und zum letzten verbliebenen Schinken in Burkhards Keller gehängtŤ, erzählte Robert.

Nein, er brauchte keine Namen zu nennen. Alheit fielen etliche unschöne Benennungen für die Übeltäter ein.

Robert fuhr fort: ťBisher nimmt er das recht gelassen, und Meister Wolfram unterstützt ihn. Wenn nur nicht noch Schlimmeres nachkommt.Ť Er trillerte eine Einleitung, und sie spielten noch einmal zu viert das ganze Stück. Alheit hatte Mühe, sich im Ton Robert anzupassen, ohne ebenso schrill zu spielen wie er.

 

Wenig später kehrte Meister Wolfram zurück und rief seine Schüler wieder in die Gaststube. Mit viel weniger Zorn im Leib als am Morgen begann Alheit ihre neue Haube. Sie sollte ebenso viele Falten am Saum haben wie Marjories.

Als es bei den Franziskanern zur Sext läutete, trat ein knochiger kleiner Junge von der Küche auf den Hof. Mit offenem Mund blieb er an der Tür zur Gaststube stehen und lauschte der Musik. Er achtete nicht darauf, dass der Wein aus der schräg hängenden Kanne lief und das Brot aus dem Korb rutschte. Alheit legte ihre Näharbeit weg und nahm ihm das Mittagbrot ab. Der Junge stieß einen dumpfen Laut aus und stapfte davon.

 

Am Nachmittag musste Alheit länger warten, bis die Spielleute den Saal verließen. Immer angestrengter lauschte sie auf die Musik in der Gaststube. Die Falten ihrer Haube gerieten ihr dabei längst nicht mehr so fein, wie sie sich am Anfang vorgenommen hatte. Am Ende brachten Marjorie und Katherine nicht einmal viel Neues mit. Alheit fand sich schnell in die Begleitstimme des Liedes vom Vormittag.

ťNa also, ihr seid ja auch schon so weit.Ť Elbelin und Gottfrid waren den Klängen in das Kaminzimmer gefolgt.

ťSo schwierig ist es nun auch wieder nichtŤ, meinte Alheit.

ťIch weiß was Besseres!Ť, rief Elbelin und lief davon.Kurz darauf kam er mit seiner Sackpfeife und Gottfrids Schalmei wieder. ťHier, probiert das einmal.Ť

Marjorie rümpfte die Nase. ťDas wird ja eine recht laute Gesellschaft hier. Da kann ich mich nur zurückziehen.Ť Sie nahm ihr Instrument auf und ging.

Katherine dagegen klatschte in die Hände, als sie sah, was Elbelin dabeihatte. ťDas will ich probieren!Ť

ťIch auchŤ, murmelte Alheit. Oder hatte sie doch lauter gesprochen als beabsichtigt? Elbelin warf ihr einen fragenden Blick zu, als ob er sie gehört hätte. Als Alheit nichts weiter sagte, gab er Katherine den Dudelsack und zeigte ihr, wie sie ihn halten musste. Das ging nicht ohne Berührungen ab, wie Alheit missbilligend bemerkte. Die jungen Leute gaben sich anscheinend Mühe, damit es möglichst viele wurden.

Sie selbst achtete mehr darauf, was Elbelin da erklärte, und versuchte, es ohne Instrument nachzutun. Das hatte natürlich keinen Sinn, und als Katherine mit hochrotem Kopf den ersten lauten Heulton herausbrachte, gab sie befremdet auf. Sie erhob sich und verließ den Raum. Als sie die Tür schloss, glaubte sie Elbelin fragen zu hören: ťWillst du es auch einmal versuchen?Ť

Nein, jetzt nicht mehr.

Gerade auf der anderen Hofseite, auf dem schon recht abgetragenen Brennholzstapel bei der Küchentür, saß Franz und begleitete auf der Laute Marjorie, die ein herzzerreißendes Liebeslied sang. Zwar verstand Alheit die Worte nicht, aber die Musik und das Gesicht der Sängerin verrieten deutlich, worum es ging. Franz sah ebenfalls so entrückt aus wie ein musizierender Engel auf einem Altarbild.

Alheit wünschte sich etwas zum Werfen herbei.

Da sie nichts entdeckte, ging sie zum Hackklotz um die Ecke und zog das Beil heraus. Noch ehe sie das erste Stück Holz gespalten hatte, stand der schmächtige blonde Junge vor ihr, der so ungeschickt das Mittagbrot gebracht hatte. ťNein, das darfst du nicht!Ť, jammerte er. ťDas darf nur der Meister.Ť

Die Küchentür ging auf, die Köchin stellte zwei Eimer heraus und rief ungezielt in den Hof: ťKlaus! Wasser holen!Ť

Alheit ergriff die beiden Eimer und lief zum Tor hinaus. Nur weg hier, und vielleicht noch etwas Nützliches tun.

ťHe, das sind meineŤ, rief eine weinerliche Stimme hinter ihr her. Sie sah sich nicht um. Erst am Brunnen am oberen Ende der Färbergasse blieb sie stehen.

Der magere Küchenjunge schloss zu ihr auf. ťMeine!Ť, schluchzte er. ťMeine!Ť

Alheit nahm sich zusammen. Das Bürschchen hatte es nicht verdient, dass sie ihre Wut an ihm ausließ. ťLeih sie mir doch bitteŤ, sagte sie, ťnur, bis wir wieder an der Küchentür sind.Ť

Er sah sie misstrauisch an. ťWas willst du mit ihnen machen?Ť

ťWasser hineinfüllen.Ť

Zwei Frauen, die bereits am Brunnen standen und offenbar schon einen Eimer hinabgelassen hatten, schauten ihnen mit offenem Mund entgegen.

ťHat’s die Lisbeth doch nicht mehr ausgehaltenŤ, vermutete die eine.

Die andere schüttelte den Kopf. ťWenn, dann hat er sie fortgejagt, der Lump. Aber was macht der Bub noch da?Ť

ťIst er am Ende doch von ihm.Ť

ťKann man’s wissen?Ť

Alheit tat, als hörte sie nichts.

An ihrer Seite verhandelte Klaus noch immer. ťAber nur einen. Den anderen will ich tragen.Ť

Sie nickte abwesend. Die beiden Frauen zogen ihren Eimer wieder herauf und füllten noch zwei weitere. Dabei warfen sie immer wieder fragende Blicke auf Alheit. Als der letzte Eimer an der Kette nach oben schaukelte, fiel ihr etwas ein. Sie zog die Flöte aus dem Gürtel und spielte eine der Tanzweisen, die am vergangenen Abend in der Gaststube erklungen waren.

Für einen Augenblick flog ein Lächeln über die Gesichter der Frauen. Doch dann rief die eine: ťMaria, hilf!Ť Da zog auch die andere ein enttäuschtes Gesicht, holte hastig den Eimer ein und ging davon.

Zufrieden steckte Alheit die Flöte wieder ein und hängte den ersten ihrer Eimer an die Kette. Dann füllte sie den zweiten und gab ihn Klaus, damit er ihn nach Hause tragen konnte. Aber er wollte inzwischen etwas ganz anderes: ťSchenkst du mir deine Flöte?Ť

ťWo denkst du hin?Ť, fragte Alheit dagegen. ťDie brauche ich selbst noch.Ť

Der Junge seufzte und ließ Kopf und Schultern hängen.

Als sie die Herberge erreichten, war die übrige Gesellschaft offenbar in die Gaststube zurückgekehrt. Von dort hörte man wieder Musik. Noch immer niedergeschlagen trug Klaus die beiden Eimer Wasser in die Küche. Alheit ging die Treppe hinauf in ihr Quartier, uneins mit sich, was sie tun sollte.

Auf dem Lager gleich bei der Tür lag Elbelins Dudelsack, wie achtlos hingeworfen. Ohne lang zu überlegen, hob Alheit ihn auf und nahm ihn unter den Arm, wie sie glaubte, dass der Junge es vorhin gezeigt hatte. Das Holz war schwer, und sie musste darauf achten, dass sie mit der langen Bordunpfeife nicht an die Wand hinter ihr stieß. Nach einigem Probieren fand sie die richtige Haltung und blies den Sack auf. Die Pfeifen quietschten anfangs, doch dann gelang es ihr, so etwas wie Töne hervorzubringen. Der Bordunton schwankte wie das Geheul eines Hund. Sie musste mit aller Kraft weiterblasen, um das auszugleichen.

Irgendwann ging ihr der Atem aus.

ťHe, du kannst das ja schon beinah.Ť Auf der kleinen Plattform vor der Tür stand Elbelin und strahlte Alheit an. Vorsichtig nahm sie die Bordunpfeife von der Schulter. Ihr linker Arm schmerzte bis hinunter zum Handgelenk. Die Stille nach ihrem stümperhaften Gelärme tat den Ohren wohl. Nun wagten sich auch die anderen näher heran. Elbelin nahm ihr das Instrument ab und legte es sorgfältig beiseite. Dabei nickte er zufrieden.

Franz schüttelte missbilligend den Kopf, als er sich an ihr vorbeidrängte. Er packte die Laute in ihre Hülle und ging ohne ein Wort wieder hinaus.

Alheit folgte ihm. Dabei hörte sie noch immer den Bordun brummen, und die schrägen Töne, die ihre ungeübten Finger hervorgebracht hatten, klangen ihr in den Ohren. Was hatte sie nun wieder falsch gemacht? Sein empfindliches Gehör beleidigt? Immerhin hatte er auch ihre ersten Versuche auf der Schalmei ausgehalten, so lange, bis das, was sie spielte, als Musik durchgehen konnte.

Oder hatte sie gegen eine der vielen Regeln der Lotterzunft verstoßen? Sie schüttelte den Kopf. Elbelin hatte ihr das Instrument doch angeboten, wenn auch vor ein paar Stunden.

Jedenfalls hatte Franz mit seinem finsteren Gesicht ihre Begeisterung zunichtegemacht, wie ein kalter Luftzug einen aufgegangenen Teig wieder zusammenfallen lässt. Alheit hatte schon überlegt, ob sie nicht ein gebrauchtes Instrument kaufen konnte. Der eine Händler in der Gasse gerade abseits des Marktplatzes hatte ihr doch so etwas angeboten. Aber jetzt

 

Draußen hatte die Sonne inzwischen das allgegenwärtige Grau vertrieben. Ein roter Kater aalte sich in einem Lichtfleck auf dem Hof. Doch von solchen Kleinigkeiten ließ sich Alheit nicht ablenken. Sie beobachtete, wie sich die Musiker ebenfalls sonnige Plätze suchten, fern von ihr, und unbekümmert weiterspielten.

Elbelin sprang in langen Sätzen über den Hof zu seinem Gefährten. Alheit ertappte sich dabei, wie sie ihm nachschaute. Sie schüttelte den Kopf und sah sich nach etwas anderem um, das sich zu betrachten lohnte.

Doch es half nicht viel. Ihr Blick blieb nur an Katherine hängen, die sich von Gottfrid den Umgang mit dem Rebec erklären ließ. Das Instrument stand ihr gut, wie ein Engel, der vor der Muttergottes spielt, sah sie aus. Alheit konnte nicht sagen, ob sie sich ungeschickt anstellte. Gottfrid jedenfalls korrigierte immer wieder ihre Handhaltung auf den Saiten, den Winkel, in dem sie den birnenförmigen Korpus gegen ihre Schulter hielt, die Bogenführung. Katherine hörte ihm aufmerksam und mit strahlendem Lächeln zu. Gottfrid erwiderte dieses Strahlen. Die beiden schienen ihre Umgebung völlig vergessen zu haben.

Natürlich erschien kurz darauf Elbelin an ihrer Seite und gab seine eigenen guten Ratschläge dazu. Gottfrid wies ihn offenbar zurecht, denn er wandte sich bald mit betont beleidigtem Gesicht ab.

Nach und nach wurden auch andere auf die beiden aufmerksam. Robert Piper stand in der Tür zum Schankraum und betrachtete das Paar mit unbewegter Miene. Seine Frau dagegen spielte eifrig auf der Harfe, als erwartete sie, dass die anderen alle zu ihr kämen. Franz ließ sich auch gleich bei ihr nieder und sang zu dem, was sie da spielte. Alheit kannte die Melodie, und sie war ziemlich sicher, dass Franz an manchen Stellen den Text selbst zusammenflickte.

Wollte sie noch länger hier herumstehen und zuschauen? Obwohl ihr eine innere Stimme sagte, dass sie keine gute Musik zustande bringen würde, eilte sie die Treppe hinunter und stellte sich mit der Flöte zu den beiden.

Es dauerte ein wenig, bis sie den Ton fand. Marjorie und Franz legten die Stirn in Falten, brachen aber nicht ab. Robert hob den Kopf und grinste herüber. Erst als das Stück zu Ende war, nahm Marjorie die Harfe auf und ging zu ihrer Tochter. Zwar zog sie die Mundwinkel nach oben, doch dieses Lächeln erschien Alheit nicht echt.

Die jungen Leute wirkten eher irritiert als erfreut, dass die Harfnerin zu ihnen stieß. Sie fassten sich aber schnell und spielten gemeinsam die Motette, die sie den ganzen Tag geübt hatten. Dabei fand sich auch der Rest der Gruppe ein. Alheit stellte sich neben Elbelin, der die höchste Stimme sang, und versuchte, seiner Melodie auf der Flöte zu folgen.

ťGut, dass dich unser Meister nicht gehört hatŤ, raunte Robert ihr am Ende des Stückes zu. ťDer würde dir auf der Stelle die Flöte wegnehmen und sie verbrennen.Ť

Alheit sah sich nach Meister Wolfram um. War er wirklich nicht dabei gewesen? Auf dem Hof zumindest konnte sie ihn nicht entdecken.

In die Stille am Ende des Stücks zupfte Israel erwartungsvoll eine Einleitung. Die Harfnerin nahm sie auf und ging zu einem ausgefeilten Troubadourlied über. Nach einer kurzen Pause schloss sich Gottfrid an. Tamas fidelte schräg dazwischen, bis er seinen Platz in der Melodie gefunden hatte. Doch noch ehe alle eingefallen waren, wurden sie von einem misstönenden Scheppern aus der Küche unterbrochen. Klaus schlug mit der Schöpfkelle auf einen Kessel ein, um anzuzeigen, dass das Essen fertig war.

ťSchadeŤ, sagte Franz.

Israel spielte einen abschließenden Lauf, brachte sein Instrument in die Gaststube und verließ den Hof.

Tamas erschien nicht zum Essen. Zunächst achtete niemand darauf. Alheit glaubte, von draußen die Fidel zu hören. Doch das mochte Einbildung sein, denn in diesen Tagen erklang im Wilden Mann immer und überall Musik. Kurz bevor Burkhard abräumte, füllte Lene eine Schüssel und einen Becher und trug sie hinaus.

Wenig später kam sie mit Tamas zurück.

ťWo warst du?Ť, fragte Elbelin verwundert.

ťBär muss tanzenŤ, erklärte der Ungar.

ťAber

Ť, setzte Marjorie an.

ťBär muss üben, wie wir auch.Ť Tamas tat, als streiche er seine Fidel, und lachte in sich hinein.

ťDas will ich sehenŤ, rief Katherine und sprang auf.

Ihre Mutter sah sie streng an.

ťIst schon dunkelŤ, sagte Tamas, ťmach ich morgen wieder. Dann alle kommen.Ť Er beschrieb einen weiten Kreis mit dem Arm, um die ganze Gesellschaft einzuladen.

 

Nach dem Essen, als die Spielleute sich zufrieden und erschöpft ans Erzählen machen wollten, rief Meister Wolfram seine Schüler noch einmal zur Ordnung. Sie spielten vor, was sie sich am Nachmittag angeeignet hatten. Mit bedenklichem Gesicht sah der Meister von einem zum anderen, korrigierte Kleinigkeiten oder ließ den Vortrag kopfschüttelnd über sich ergehen. Dann setzte er die Gruppe so zusammen, dass jeder einmal die führende Stimme erhielt und die anderen ihn begleiteten. Das gelang nun schon ein wenig besser als am ersten Tag, so schien es jedenfalls Alheit.

Während sie noch spielten, betrat Heinrich von Alzey den Raum. Beim Klappen der Tür geriet die Melodie ins Wanken, doch der Ritter winkte ihnen, weiterzuspielen. Er hörte strahlend zu und wiegte sich leise im Takt.

Zu guter Letzt nickte Meister Wolfram eher grimmig als zufrieden. ťBesser wird es heute wohl nicht mehr. – Gott grüße Euch, Herr Ritter.Ť

ťGott grüße Euch, werter Meister. Ich bin beeindruckt von den Fertigkeiten Eurer Schüler. Da wird es ein Leichtes sein, die Bitte der Stiftsherren von St. Paulus zu erfüllen.Ť Er machte eine bedeutungsvolle Pause. ťSie suchen zwei gute Musici, die am Sonntag und den kommenden Feiertagen zu ihrer Erbauung spielen.Ť

Wolfram richtete sich kerzengerade auf. Robert spitzte etwas weniger offensichtlich die Ohren. Doch Herr Heinrich deutete zwei andere heraus. ťElbelin und Gottfrid, kommt bitte morgen früh zu mir, ich werde euch den Stiftsherren vorstellen.Ť

Wolfram schien mit einem Mal mehr Schwierigkeiten mit seiner Laute zu haben als sonst. Er begleitete jeden Handgriff beim Einpacken mit leisen Flüchen. Franz ging zu ihm und zupfte das widerspenstige Ende der Filzdecke zurecht, das nicht in den Kasten passen wollte. Der Sänger stieß ihn grob zur Seite. Also wandte Franz sich achselzuckend ab und verließ den Raum.

Franz trug seine Laute die Treppe hinauf und hörte, wie Robert unter ihm das Kaminzimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. Wolfram war offenbar nicht mit ihm zurückgekehrt, sondern gab sich noch Mühe, die Entscheidung ihres Gastgebers umzustoßen.