XXII Quartett
Aquilon stand da und hielt Orns Ei: eine knapp fünfundzwanzig Zentimeter große Schale, die alles enthielt, was von einem tapferen Vogelpaar übriggeblieben war. Sie hatte ein weiches Tuch darum gewickelt, konnte sich aber nicht damit zufrieden geben, daß es so warm genug war, Sie drehte es ständig, um eine neue Stelle gegen ihren Körper zu pressen, so daß keine Seite abkühlte. Dies war eine unbegründete Furcht, denn die Luft war warm und die Erfordernisse des Eis waren nicht so kritisch; sie hatte den Verdacht, daß es bis zu einer halben Stunde bei normaler Temperatur überleben konnte, und vielleicht sogar länger. Alles, was es brauchte, war eine allgemeine milde Wärme, so wie sie von einem bekleideten menschlichen Körper hervorgerufen wurde.
Mach das meiner weiblichen Psyche klar, dachte sie. Orn war gestorben, um sie zu beschützen - weil sie das Ei hielt. Es war jetzt ihr Ei, von dem sie sich nicht trennen würde, bis es ausgeschlüpft war. Es konnte niemals genug Wärme dafür geben.
Rauch hüllte das Dinosauriertal ein. Bald würde die Enklave ein Meer aus glühender Asche sein - nur weil sie versucht hatte, den erbarmungslosen Agenten zu bekämpfen. Sie war jetzt eine Mörderin; nur ihretwegen hatten Orn und Circe diesen Agenten Taner angegriffen, der Subble so ähnlich war. Fast hätte sie, als sie ihn zum ersten Mal sah, kapituliert. Aber dann war sie sich klar darüber geworden, was seine Anwesenheit bedeutete.
Cal glaubte, daß es die Sache wert war. Aber sein analytisches Hirn war manchmal erschreckend. Selbst menschliche Kolonisation mit all ihren Ungerechtigkeiten wäre besser als dies gewesen. Warum war er es auf diese Weise angegangen?
Alles hatte sich falsch entwickelt. Die Liebesnacht mit Veg war ein Fehlschlag gewesen; sie wußte jetzt, daß sie ihn nicht liebte. Nicht auf diese Weise. Sie hatte Orn geliebt, auf eine gewisse Art - nur um ihn sterben zu sehen. So ein nobler Geist! Nun gab es nur noch das Ei.
Sie konnte nicht eng genug damit verbunden sein. Sie wiegte es mit einem Arm, griff mit dem anderen unter das Tuch und zwängte ihre Hand zwischen seine rauhe Oberfläche und ihren Unterleib. Sie fand die Verschlüsse ihrer Bluse, löste sie und machte dem Ei ihren Busen zugänglich. Noch immer war es nicht eng genug. Sie löste ihren Büstenhalter, zog ihn erst über die eine, dann über die andere Brust und ließ ihn einfach unterhalb ihrer Schultern hängen, während sich ihre weichen, elastischen Brüste nachgiebig gegen die Schale preßten. Dann war es ihr eng genug, fast.
Die Feuer stiegen hoch. Offene Flammen zeigten sich am Westrand und leckten nach den Zykas. Offensichtlich handelte es sich nicht um eine natürliche Feuersbrunst; sie nährte sich zu bereitwillig von grünem Holz und verzehrte sowohl lebendige Farne und Schachtelhalme als auch abgestorbene Überbleibsel auf dem Boden. Feuerzungen schlängelten sich über das Wasser und schickten Dampfwolken in die Höhe. Nein, dies war das Resultat einer Brandstiftung des Menschen, des Omnivoren. Wie sein Herr zerstörte es alles Lebende, das es berührte, und schändete das nicht Lebende.
Ihr Verstand ließ den Verdacht aufkommen, daß Cal recht hatte. Die Erde war von Anfang an bereit gewesen, auf Paläo einzurücken, und die Handlungen des Trios hatten wenig Einfluß auf diese Entscheidungen gehabt. Nur wenn sie einen zwingenden Grund zur Vorsicht geliefert hätten, wäre diese Vergewaltigung vereitelt worden. Krebserzeugende Vegetation, giftige Atmosphäre, superintelligente, nicht menschliche Gegner eins davon könnte es geschafft haben. Aber Dinosaurier? Sie waren lediglich eine vorübergehende Kuriosität, ein paläontologisches Phänomen. Tiere.
Tiere. Plötzlich machte sie sich klar, was es, dieses Feuer, in bezug auf das Leben, das Fühlen bedeutete. Es war nicht allein die Vernichtung eines Anachronismus. Es handelte sich um lebende Wesen.
Veg und Cal neben ihr hatten Ferngläser, und beide benutzten sie schweigend. Sie war mit dem Ei beschäftigt; ihr nacktes Fleisch umarmte es, gab ihm Wärme, bezog eine Art subtilen Trosts von ihm. Ihr würde nicht geholfen werden, Paläo würde nicht gerettet werden, nichts Nützliches würde dabei herauskommen, wenn sie den vergrößerten optischen Details vom Untergang des Königreichs der Reptilien als Zeuge beiwohnte. Sie brauchte kein Fernglas. Sie sah das orangefarbene Flackern in der Ferne, den schmutzigen Rauch, und das war schon zu viel. Die Lager, die sie errichtet hatten, das Floß, Orns Körper. alles in Brand gesetzt auf Geheiß des Omnivoren.
Sie drehte sich um, blickte auf Charybdis im Süden - und sah den Rauch auch dort. Sie hatten keinen Teil der Enklave übersehen! Aber sie hatte nicht gemerkt, daß einer der Agenten aufgebrochen war, um diese verwüstenden Brände zu legen.
Das Wasser kräuselte sich. Kreaturen schwammen vorbei, nach draußen, auf der Flucht vor der Hitze, obgleich es sicherlich keinen Ort gab, wohin sie gehen konnten. Fische, Reptilien - und letztere mußten auftauchen, um Luft zu holen. Ichthyosaurus mit dem monströsen Auge? Nein, dies war ein Paddler, Elasmo- saurus. Vielleicht derselbe, den sie und Orn bekämpft hatten. War das da eine Narbe an seinem Nacken? War er auf einem Auge blind?
Er passierte das Schiff, hastig, voller Furcht, bedauernswert.
Feuer badete ihn. Das Reptil wand sich im Wasser, verbrennend, sterbend, und der Geruch seines versengten Fleischs wurde über die kurze Entfernung zwischen ihnen zu ihr herübergetragen. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um den Agenten mit der Waffe zu sehen. Das dürfte Tamme sein, ein Omnivore in weiblicher Form. Natürlich würden diese Schlächter keinem großen schwimmenden Reptil das Entkommen gestatten, denn es könnte ja vielleicht einem mikroskopischen Manta als Wirtskörper dienen.
Sie preßte das Ei an sich. Wie konnte sie über ihre eigene Spezies zu Gericht sitzen? Sie selbst hatte getötet, eine sinnlose Geste, wie sich später herausgestellt hatte. Sie war ebenfalls ein Omnivore. Der Traum von der Seligkeit war auf grausame Weise beendet. Das Idyll von Paläo hatte sich als mörderische Naivität offenbart. Was nutzte es jetzt, Trauer um Elas, den einstmals feindlichen Plesiosaurier, zum empfinden? Er war weniger tückisch als der Mensch.
Sie hatte sie vorher gekannt. Sie hatte sie auf der Erde erlebt, diese Barbarei.
Sie hielt das Ei und fragte sich, ob es auf lange Sicht nicht gütiger war, es an Deck zu zerschmettern.
Veg stellte das Glas auf das Randgebiet des Tals ein, wider Willen fasziniert. Das Feuer verbrannte den Boden, selbst das Wasser. Die Linsen holten jedes Detail auf Armeslänge heran.
Erstaunlich, wie schnell und gleichmäßig die Feuer ausgebrochen waren, so angeordnet, daß sie sich über das ganze Tal ausbreiteten. Sie mußten Brandgranaten abgefeuert haben und sie immer noch abfeuern, denn in Intervallen traten neue Flammenzentren auf und beschleunigten den Todesmarsch in Orange.
Er hatte eine derartige Vernichtungsaktion schon einmal gesehen. Sie hatten seinen eigenen Wald verbrannt, auf der Erde, und zwar aus demselben Grund: um den Manta zu erwischen. Der Omnivore (jetzt dachte er in der Ausdrucksweise der Mantas!) war erbarmungslos. Er hatte gedacht, ihn abzuwehren, hier auf Paläo, aber es hatte nie eine Chance zum Erfolg gegeben.
Er warf einen Seitenblick auf Aquilon, das Glas vor dem Gesicht und nach vorne gerichtet. Sie stand neben ihm, wild und schön, und hielt das Ei, das sie gerettet hatte. Ein Tuch bedeckte es und ihre Schultern, obwohl die Luft warm war. Durch eine offene Kleiderfalte glaubte er erkennen zu können.
Ruckartig kehrte er zu seinem Glas zurück. Eine optische Täuschung, sicherlich. Aber verwirrenderweise brannten seine Augen plötzlich, und die Gläser schienen sich für einen Augenblick zu bewölken. Er erinnerte sich an seine Nacht mit Aquilon, deren Freude so schnell verblichen war. Es war so, als ob er mehr als eine bloße Frau erwartet hatte und darüber enttäuscht war, daß sie sich in der Dunkelheit unter der Teerhaut kaum als ätherisch herausgestellt hatte. Es kam ihm jetzt so vor, als ob es irgendeine gewesen sein könnte, die er dort umarmt hatte. Es sollte irgendeine gewesen sein, nur sie nicht.
Er erkannte jetzt, daß er eine Traum-Aquilon wollte, nicht die 'Quilon aus Fleisch und Blut. Aber der Traum war besudelt worden. Und seine Freundschaft zu Cal war herabgewürdigt worden.
Die Reptilien stürzten sich ins Wasser, versuchten dem Feuer zu entgehen, aber es verfolgte sie. Tricers, Knochenschädel, Struths und Ankys, gleichzeitig ertrinkend, Wasser und Flammen inhalierend. Unter ihnen, dessen war er sich sicher, befanden sich auch viele Säugetiere, zu klein, um zwischen den Giganten sichtbar zu werden. Und Vögel und Insekten.
Veg war, obwohl es so aussah, kein gewalttätiger Mensch. Aber wenn er eine echte Gelegenheit gehabt hätte, diese Schiffsladung von Killern auszulöschen, würde er es getan haben.
Er sah ein großes Schnabeltier, Para-irgendwas, durch den Rauch stürmen und ins Meer eintauchen. Für einen Augenblick nur zeigte sich der knochige Kamm über der Oberfläche, und selbst er schien Rauch abzusondern. Dann kam der Dinosaurier hoch, bäumte sich dem Himmel entgegen auf - und eine Flammenzunge schoß aus seinen Nasenlöchern. Er hatte etwas von der Chemikalie aufgeschnappt, und seine Lungen standen unter Feuer. Ein wahrhaftiger Drache für den Augenblick, so kam er in äußerster Agonie ums Leben.
Und weiter draußen auf dem Meer tauchte der Kopf von Brach auf, frei von Feuer. Aber der einfältige Klotz stürmte wieder in die falsche Richtung, der Feuersbrunst entgegen. Zurück! Zurück! gab ihm Veg zu verstehen, aber es half nichts. Riesenhaft stampfte er schwerfällig aus dem Wasser, während Feuer von seinem Rücken rann und die Konturen von Hals, Schwanz und säulenhaften Schenkeln hervorhob. Das winzige Hirn versuchte die Agonie zu begreifen, die die fünfzig Tonnen des Körpers umgab, konnte es jedoch nicht. Leuchtend hell brennend kippte Brach um wie ein gefällter Rotholzbaum und streckte vier Beine in die Luft.
Für eine lange Zeit beobachtete Veg das krampfhafte Zucken von Brachs rauchendem Schwanz, bis dieser Rauch schließlich in seine eigenen Augen und der Gestank davon in seine Nase zu geraten schien, und er weinte.
Cal beobachtete die Zerstörung der Reptilienenklave mit schweren Bedenken. Es stimmte, daß er dies vorhergesehen, sogar herbeigeführt hatte, aber die Grausamkeit der Lösung war abstoßend. Sicherlich war das Aussterben der meisten großen Reptilienarten hier unausweichlich, unabhängig von den Aktionen des Menschen. Man konnte diesen natürlichen Prozeß ebensowenig aufhalten, wie man das Wandern der Kontinente rückgängig machen konnte. Aber die Dinosaurier hatten das Recht, zu ihrer Zeit und auf ihre Weise zu sterben, statt den Vorteilen des Menschen geopfert zu werden.
Die Mengen der herbivorischen Reptilien hatten sich verringert, weil die meisten bereits in dem Flammenozean umgekommen waren. Jetzt kamen die Karnivoren, die es nicht gewohnt waren, vor irgend etwas zu fliehen, in Sicht. Struthiomimus, vogelartiger Räuber; mehrere junge Tyrannosaurier; dann ein wahrer Gigant.
Er stellte seine Gläser neu ein. Das war kein Karno- saurier! Es war ein Ornithischier, ein zweibeiniger Herbivore. Iquanodon! Aber von was für einer Größe! Fast zwanzig Meter von Nase bis Schwanzspitze, wie am Entfernungsmesser des Feldstechers abzulesen war. Größer als ein ausgewachsener Tyrann und proportional schwerer, denn die Eingeweide waren massiv. Ein Gesamtgewicht von zwölf Tonnen, wenigstens. Ein Herbivore würde schwerer gebaut sein; der Verdauungsapparat mußte mehr Volumen haben.
Wenn ein Zweibeiner dieser Größe - der größte, den es je auf der Erde gab - unvermutet im Tal verborgen gewesen war, welche anderen Schätze hatten sich noch versteckt? Die verlorengegangenen Studienmöglichkeiten. Dennoch mußte es sein. Er hatte beabsichtigt, die Mantasporen freizusetzen, bevor die Gesandtschaft von der Erde eintraf, wohl wissend, daß sie eintreffen würde. Aber er hatte falsch beurteilt, wie bald. Er hatte mit Veg und Aquilon debattiert und alles festgehalten, so daß die Untersucher wissen würden, daß er vorgehabt hatte, sie zu rufen. Und er hatte es so vorgehabt - aber er hatte gedacht, daß sie zu spät ankommen würden. Sie würden festgestellt haben, daß Veg und Aquilon, trotz ihres Standpunkts, unschuldig waren. Daß die Mantas mit ihm gezogen waren - und anscheinend ohne sein Wissen und gegen seinen Willen gehandelt hatten. Gehandelt harten, um Paläo für das dritte Königreich in Besitz zu nehmen, für den Manta. Cal selbst wäre verschwunden gewesen, vermutlich tot, denn der Plan gestattete nicht, daß er durch die Agenten verhört wurde. So wäre die Invasion der Erde vereitelt worden, und die anderen beiden wären entweder abermals deportiert oder einfach auf Paläo belassen worden, ohne jedoch bestraft zu werden.
Aber in seiner Eitelkeit hatte er gezögert und danach getrachtet, sein Recht, eine solche Entscheidung für eine Welt zu treffen, unter Beweis zu stellen. Und indem er dies tat, hatte er seine Chance vertan, sie zu treffen. Und deshalb war er gefangengenommen worden und hatte das Spiel auf eine Weise spielen müssen, die es teuer für jedermann machte. Wenn er vielleicht seine wahren Gedanken und Absichten nicht unterdrückt und keine spitzfindigen Rechtfertigungen um 4er Glaubwürdigkeit willen konstruiert hätte.
Dennoch änderte es nichts. Das Zeitalter der Reptilien war hier beendet, ob der Mensch kam oder nicht. Und der Kampf ging um Paläo, nicht um die Klasse der Säugetiere oder die Klasse der Reptilien, auch nicht um das Königreich der Tiere oder der Pilze.
Nein, die Schlacht ging nicht einmal um diese Welt. Er könnte den Mantas längst Anweisungen gegeben haben, bevor die Enklave entdeckt worden war. Die Enklave bedeutete nichts, Paläo bedeutete nichts - nicht mehr als ein geeignetes Schlachtfeld. Es würde eine Million Enklaven geben, eine Milliarde Paläos und Billionen, Trillionen und Quadrillionen von anderen Alternativwelten. Das war es, was die Bestätigung des Parallelwelt-Systems bedeutete. Er hatte gewußt, trotz seiner früheren Worte an Aquilon, daß es nicht das Paradox der Zeitreise sein konnte. Paläo mußte eine in einer unendlichen Serie von Parallelen sein, bei der sich jede von ihrem Nachbar um nicht mehr als ein Materieatom, um eine Mikrosekunde in der Zeit unterschied. Die beiden liefen zusammen, wobei Raum und Zeit sich in einem stehenden, wenn auch unbekannten Verhältnis verschoben. Keine Alternativwelt konnte der Erde ganz genau entsprechen; keine zwei Alternativen konnten miteinander präzise in Einklang sein, denn das wäre ein Paradox der Identität. Aber sie konnten sich nahe kommen, mußten sich nahe kommen - und Paläo und die Erde waren sich nahe (oder waren es gewesen, vor dem Übergang), physikalisch fast identisch, zeitlich fast identisch - selbst wenn vom Standpunkt des Menschen aus fünfundsechzig Millionen Jahre nicht nahe waren und ein intelligenter, flugunfähiger Vogel nicht nahe war. Solche Unterschiede waren trivial im Vergleich zu jenen zwischen potentiellen anderen Alternativen.
Perspektive. Wenn Aquilon Orn gern hatte, konnte sie Millionen wie ihn in diesen Quintillionen von anderen Realitätsgefügen finden. Und Millionen anderer Aquilons fanden diese Orns.
Ja, es war gewaltig. Eine Sextillion Welten, jede vollständig in allen Details bis hinunter zur atomaren Ebene. Eine Septillion Welten, eine Oktillion, Nonillion, Dezillion - es gab nicht genug Zahlen im Geist des Menschen, um die größere Realität zu umfassen. Die Unendlichkeit folgte der Erde, reichte zurück bis in das Zeitalter der Reptilien, das Zeitalter der Amphibien, das Zeitalter der Fische, das Zeitalter der Evertebraten - den ganzen Weg zurück bis zu den Uranfängen. Millionen von zeitgenössischen Erden, die Millionen von Pa- läos entdeckten, sie vergewaltigten.
Früher oder später würden sich diese Parallelübergänge schneiden, und Erde würde mit ungenügendem Zwischenraum auf Erde stoßen. Eine Dekade vielleicht oder eine Minute - und es würde zu einem einzigartigen Krieg kommen.
Besser, daß diese Erde diesen Paläo schändete, aufgehalten durch den Manta. Besser, daß er die Lektion, die er auf diese Weise lernte, jetzt lernte. Koexistenz mußte erlernt werden, und die schwierigste Koexistenz war die mit sich selbst. Die Erde mochte mit einer fremden Welt zurechtkommen, aber nicht mit einer anderen Erde. Die Rivalität würde zu unmittelbar sein, zu spezifisch. Ohne bittere Erfahrungen von der Erde-Paläo-Natur würde diese spätere und bedeutendere Konfrontation zu einem Desaster werden. Wie der Dreijährige mit dem Zweijährigen um ein Lieblingsspielzeug kämpfen mochte und dabei allmählich lernte, vernünftiger aufeinander einzugehen, so würde die Erde mit Pa- läo kämpfen.
Aber es blieb schwer, sich mit der Brutalität dieses ersten Zusammentreffens abzufinden. Wenn es nur einen Weg gäbe, zur Reife zu gelangen (Individuum, Spezies, Welt), ohne das Stadium der Unreife durchzumachen.
Erinnerung. Sie begann weit, weit zurück im Dämmerlicht, nasser und wärmer als vieles von dem, was folgte. Er trieb dahin in einem nahrhaften Medium und absorbierte, was er brauchte, durch sein schwammiges Äußeres. Er langte nach dem Licht, hundert Millionen Jahre später, brauchte es. stieß aber gegen die umhüllende Schale und wurde zurückgehalten. Er mußte warten, sich anpassen, wachsen.
Da war Wärme, aber auch Kälte. Er bewegte sich ruhelos, versuchte, Behaglichkeit zu erreichen, seinen ganzen schwebenden Körper in den warmen Teil seiner Umgebung zu bringen. Und er erinnerte sich auch daran: irgendwo vor einer Milliarde Jahre hatte er sich zwischen gefrierender Dunkelheit und brennendem Licht abgemüht und seinen zwanghaften Hunger gestillt, indem er zu einem Saugnapf geworden war, zu einem Zylinder, zu einem Klumpen mit einem inneren Darm, indem er Finnen und Flossen hervorgebracht hatte und sprunghaft der Beute nachgeschwommen war. Er bildete Augen heran und Kiemen und ein Skelett und Zähne und Lungen und Beine.
Ornet erinnerte sich.
Postskript: Calvin Potter.
Die Kreidezeitenklave einer Welt, die ansonsten repräsentativ für die paläozänische Epoche der Erde ist, fängt eine der bemerkenswerteren Episoden in der Geschichte unseres Planeten ein. Länger als zweihundert Millionen Jahre beherrschten die Reptilien Land, Luft und die Oberfläche des Meers; dann verschwanden sie bis auf einige wenige Arten abrupt und machten die Welt frei für die primitiven Säugetiere und Vögel.
Eine beträchtliche Anzahl von Theorien ist im Lauf der Jahre hervorgebracht worden, um diese >Zeit des großen Sterbens< zu erklären, aber keine davon ist vollkommen zufriedenstellend gewesen. Es ist beispielsweise vorgeschlagen worden, daß >rassisches Al- tern< verantwortlich war: die Vorstellung, daß Spezies, wie Individuen, allmählich altern und sterben. Kein Beweismittel untermauert diese Theorie, und sie .erklärt auch nicht das Überleben und die augenscheinliche Lebenskraft von Reptilien wie etwa den Schildkröten und Krokodilen oder die viel längere Lebensdauer von Kreaturen wie dem Krebs Limulus polyphemus. Eine andere Theorie war pandemische Krankheit: vielleicht rottete eine Seuche die meisten Reptilien aus, ohne Säugetiere, Vögel oder Amphibien zu berühren. Davon abgesehen, daß eine Krankheit ganz einfach nicht auf diese Weise wirkt - sie kann eine weitverbreitete und vielfältige Population dezimieren, aber selten ausrotten -, spricht die allmähliche Verringerung von zahlreichen Spezies in der späten Kreidezeit dagegen. Warum sollte sie zu einer bestimmten Zeit nur eine Spezies und dann später viele andere gleichzeitig befallen? Auch verschiedene Arten von Katastrophen sind ins Spiel gebracht worden - Sonnenausbrüche, weltweite Überflutungen usw -, aber wiederum sind die Selektionskriterien eines solchen Geschehnisses nicht erklärt und in den relevanten Sedimentablagerungen findet sich darauf kein Hinweis. Die Felsen zeigen eine geordnete Kontinuität von der Kreide zum Tertiär, wo die großen Reptilien verschwinden und später die kleinen Säugetiere auftreten. Der Übergang konnte nicht heftig gewesen sein.
Neuere Theorien sind differenzierter gewesen. Wurde die Temperatur zu kalt für die meisten Reptilien, so daß sie allmählich träge und unfähig zu effektiver Nahrungssuche wurden? Dies würde das Überleben der warmblütigen Säugetiere und Vögel erklären. Aber es wäre eine beträchtliche Abkühlung erforderlich gewesen, und eine solche gab es zu jener Zeit nicht, wie am Pflanzenleben ersichtlich ist. Konnte das Gegenteil eingetreten sein: eine zerstörerische Hitzewelle? Wiederum verneinen die Protokolle dies.
Strahlung? Ein Science Fiction-Autor spekulierte, daß Schwankungen im Magnetfeld der Erde den Planeten periodisch verstärkter Strahlung von äußeren Quellen aussetzen und die Mutationsrate der Tiere verheerend erhöhen würden. Falls eine magnetische Verschiebung eintrat, als die Strahlung von einer nahen Supernova auftraf, könnte es in der Tat zu biologischem Chaos gekommen sein. Aber warum nur unter den Reptilien und bestimmten Meereslebewesen? Strahlung ist eine der geringsten Selektionskräfte.
Es gab in der Kreideperiode einen grundlegenden Wechsel bei der Vegetation. Die Angiospermen - blütentragende Pflanzen - wurden plötzlich dominierend. Fanden die herbivorischen Dinosaurier die neue Vegetation, insbesondere die Gräser, zu zäh zum Kauen und Verdauen? Ein anderer Science Fiction-Autor glaubte dies. Aber zu dieser Pflanzenrevolution kam es vor dem Aussterben der Dinosaurier, und viele der größter» Reptilien gediehen für Millionen von Jahren unter den Blüten. Sie waren in der Lage, sich anzupassen, und die Zahnbestückung des Triceratops beispielsweise beschämt alles, was entwickelt worden ist, vielleicht mit Ausnahme des Sägewerks.
Konnten die Säugetiere in einen so harten Wettbewerb mit den Reptilien eingetreten sein, um sie auszurotten? Unmittelbare physische Unterdrückung erscheint als Absurdität, denn die Dinosaurier hielten die Säugetiere für hundert Millionen Jahre mit Leichtigkeit in Schach. Man braucht sich nur eine Schar von Mäusen bei dem Versuch vorzustellen, Tyrannosaurus zu Fall zu bringen. Allerdings könnten Säugetiere Reptilieneier gefressen haben - aber wiederum ist es seltsam, daß sie so lange gewartet haben sollen, um dann so absolut wirkungsvoll zu sein. Das schwimmende Reptil Ichthyosaurus gebar lebend, sollte also überlebt haben. Und warum blieben die an Land gelegten Eier der Schildkröte und des Krokodils verschont?
Nein - um den Niedergang der großen Reptilien zu verstehen, muß man zuerst den geologischen Zyklus erfassen, dem sie angehörten. Keine Lebensform existiert isoliert, und Evolution und Aussterben sind niemals zufällig. Bestimmte Verhältnisse förderten den Aufstieg der Reptilien-Ordnungen, während sie die Amphibien und Säugetiere behinderten. Die spätere Umkehrung dieser Verhältnisse setzte die Reptilien zugunsten der Säugetiere und Vögel zurück. Die Dinosaurier waren durch ihre ureigene Natur zur Vergänglichkeit verurteilt.
Die Oberfläche der Erde ist immer in Bewegung ge- wesen. Ein Merkmal davon wird >Kontinentalverschie- bung< genannt. Die Kontinente verdanken nicht nur ihre Positionen, sondern auch ihre eigentliche Substanz den konvektiven Strömungen des Erdmantels. Diese Turbulenz brachte die Schlacke nach oben und führte zu schwimmenden Massen, die sich erheblich zusammenballten. Obgleich normalerweise voneinander getrennt, kamen an einem Punkt mehrere zusammen, um die Segmente des Superkontinents Laurasia- Gondwanaland zu formen.
Zu einer derartigen Situation ist es in der Vergangenheit mehr als einmal gekommen. Sie wird gekennzeichnet durch einen speziellen Komplex von Phänomenen: Absenkung von Bergen, Intrusion von großen, seichten Buchten oder Landseen, Abnahme von Erdbeben und vulkanischer Aktivität und außerordentlich gleichmäßiges Klima. Zusammengefaßt: eine sehr ruhige, vorteilhafte Umwelt für Leben.
In einem solchen Fall sind die Wettbewerbsvorteile des Amphibischen und der inneren Temperaturregelung akademisch. Wenn die Temperatur von Land, Wasser und Atmosphäre in Höhe des Meeresspiegels nur zwischen -6 und -12 Grad variiert, Tag und Nacht, Jahreszeit für Jahreszeit, Jahrhundert für Jahrhundert, dann ist Warmblütigkeit eine Komplikation, irrelevant für das Überleben. Tatsächlich mag sie sogar leicht nachteilig sein, da sie höhere Anforderungen an den Stoffwechsel stellt und dadurch die Nahrungsaufnahme kritischer werden läßt. Die Säugetiere vervollkommneten diese Temperaturregelung durch die Entwicklung einer haarigen Außenhülle (um die Körperwärme zu bewahren), eines kompakten Rumpfes (gleicher Grund), eines Schwitzmechanismus (um diesen kompakten, haarigen Körper bei Bedarf zu kühlen), verbesserter Zähne, Gliedmaßen und Körperhaltungen (um besser jagen und Nahrung aufnehmen zu können und den Erfordernissen des gewachsenen Appetits zu entsprechen), des Lebendgebärens (weil die Aussetzung des Nachwuchses fatal sein würde) und komplizierter innerer Regulierungsmechanismen. Und während sich die Säugetiere durch die zahllosen Sackgassen und durch zig Millionen Jahre kämpften, die notwendig waren, um all dies zu erreichen, wurden die Reptilien ganz einfach groß und wild. Die Vögel nahmen ein ähnliches Programm auf sich und wurden auf ähnliche Weise durch ihre Vettern, die fliegenden Reptilien, in den Schatten gestellt.
So entwickelte sich das Zeitalter der Reptilien, das sich von der Periode des Perm durch Trias, Jura und Kreidezeit zog: zweihundertundzwanzig Millionen Jahre. Die Reptilien waren nicht so kompliziert wie die Vögel und Säugetiere, aber sie beherrschten den Weltkontinent.
Aber schließlich begann diese gewaltige Landmasse zu zerbrechen, als die konvektiven Strömungen ein neues Muster bildeten. Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen wurde der Kontinent zerrissen. Die Amerikas wurden von Europa und Afrika weggestoßen; die Antarktis löste sich von beiden und von Australien. Eine Spalte auf dem Land verbreiterte sich zu einem Abgrund, zu einer Straße, zu einem Kanal, zu einer Bucht und schließlich zu einem Meer: dem Atlantischen Ozean. Dies war kein Geschehnis, das über Nacht eintrat; es dauerte Millionen von Jahren. Obwohl es viele schwere Erdbeben gab, die mit dem Emporschleudern von Materie aus diesem Riß und anderen Rissen in der Welt in Verbindung standen, bedeuteten sie für das Leben auf dem Land keine unmittelbare Bedrohung. Die Abtrennung der Amerikas wurde kurz vor Ende der Kreidezeit abgeschlossen; die anderen Kontinente lösten sich zu anderen Zeiten voneinander, aber im geolo- gischen Sinn ging die Fragmentierung schnell vonstatten.
Die Konsequenzen aus diesem Zerbrechen waren vielfältig; der Meeresboden wurde neu geformt, wobei uralte Brut- und Jagdgründe in Unordnung gerieten. Gewaltige Mengen von kontinentalen Trümmern wurden in die Ozeane geschleudert und wirkten sich für einige Zeit auf die chemischen Eigenschaften des Wassers aus. Der Vulkanismus wurde wieder angeregt, was sich auf die Atmosphäre auswirkte. Und die Bewegung der Teilstücke brachten Spannungen hervor, die zu einer neuen Orogenese führten: zu mächtigen Gebirgsketten wie den Rocky Mountains und den Anden, die die Wetterverhältnisse änderten und Ebenen im Binnenland austrockneten. Die physikalische Umgestaltung der Welt brachte zwangsläufig einen Klimawechsel mit sich, und dieser wiederum wirkte sich auf das Leben aus.
Die Pflanzen reagierten heftig. Arten, die unbedeutend gewesen waren, hatten plötzlich einen Wettbewerbsvorteil: die Angiospermen oder blütentragenden Pflanzen, die ihre Fortpflanzung nicht dem Zufall überließen. Die verstärkten Winde, Berge, Ozeane und Wüsten arbeiteten gegen wahllose Befruchtung. Die älteren Gymnospermen starben nicht aus, aber sie nahmen in der neuen Ökologie eine Nebenrolle ein.
Notwendigerweise wirkten sich diese Veränderungen bei der Vegetation auf die Tiere aus. Die Arthropoden - hauptsächlich die Insekten - verbreiteten sich aufgrund des Angebots von Blüten erstaunlich, und die Spinnen folgten ihnen. Die Insektivoren - vor allem Säugetiere und Vögel zusammen mit den reptilischen Eidechsen und den amphibischen Fröschen - vermehrten sich daraufhin stark, denn dieser Nahrungsvorrat schien unerschöpflich zu sein.
Die großen Reptilien waren nur indirekt betroffen. Sie waren keine Insektivoren, und auch die fliegenden hatten sich darauf eingestellt, Fische zu erbeuten, keine Fliegen. Reptilische Herbivoren paßten sich dem neuen Blattwerk an oder überlebten in reduzierter Anzahl von den weniger zahlreichen Pflanzen der alten Art. Die Verschiedenartigkeit, nicht aber die Lebenskraft ihrer Spezies nahm ab, während die Karnosaurier weitgehend so fortfuhren wie bisher. Aber ihre Jungen begannen von dem sprießenden anderen Leben eingeengt zu werden. Ausgewachsene Säugetiere und Vögel, in Rudeln oder Herden jagend, fingen an, von ihrer normalen Diät abzugehen und frisch ausgeschlüpfte Reptilien zur Beute zu nehmen, wodurch sie dem ökologischen Gleichgewicht einen Faktor hinzufügten. Dies war mehr ein Ärgernis als ein Unglück, denn selbst frisch ausgeschlüpfte Reptilien konnten es gut und gerne mit den meisten anderen Spezies aufnehmen, aber es kündigte die neue Ordnung an.
Die veränderte Geographie war viel entscheidender. Die schwerfälligen Ornithischier konnten in steilen Bergen, trockenen Wüsten oder eisigen Einöden nicht gedeihen und wurden durch die Wildheit der Landschaft eingeschränkt. Als sich diese widrigen Verhältnisse entwickelten, verließen sie große Gebiete der neuen Kontinente, und die Karnosaurier begleiteten sie natürlich. Das Verschwinden der ausgedehnten kontinentalen Seen und Sümpfe begrenzte die Reichweite der massigen Sauropoden und der Paddler in den seichten Gebieten. Unfreundliche Windverhältnisse suchten die Ptero- dactyli heim. Aber es blieben viele günstige Örtlichkeiten übrig, und so war der Reineffekt der Veränderung mehr eine Konzentration der Reptilienordnungen auf kleinere Gebiete der Welt und eine Beschränkung ihres Umherstreifens als die Gefahr, dem Aussterben nahezukommen.
Das Klima war eine andere Sache. Die Durchschnittstemperatur änderte sich nur leicht, nahm ab. Dies an sich war unwichtig. Was zählte, war nicht der Durchschnitt, sondern der Umfang. Das sogenannte gemäßigte Klima entwickelte sich: in Wirklichkeit etwa so ungemäßigt, wie es die Welt je erlebt hat. Die gleichförmigen Jahreszeiten wandelten sich zu heißen Sommern und kalten Wintern. Ein einziger Sommertag mochte zwischen 10 und 40 Grad schwanken. Ein Wintertag konnte bei diesen 10 Grad beginnen und um dreißig Grad fallen. Die Biologie der Reptilien war ganz einfach nicht darauf eingerichtet, mit solchen Extremen fertig zu werden. Eine Hitzewelle im Sommer konnte eine gewaltige Anzahl auslöschen; eine längere Frostperiode im Winter tat dasselbe. Im Gegensatz dazu waren die Kreaturen mit warmem Körper vorbereitet, und nur ein Bruchteil von ihnen versäumte es, sich anzupassen. Dies, mehr als alles andere, trieb die Reptilien als eine Gruppe in die Tropen und schränkte ihr Territorium drastisch ein.
Und hier kam der unmittelbarste Aspekt des kontinentalen Auseinanderbrechens ins Spiel. Die einzelnen Landmassen waren nämlich nicht benachbart. Sie waren jetzt durch tiefes Wasser voneinander getrennt. Die Reptilien konnten nicht weit genug auswandern, Nordamerika zum Beispiel trieb zu weit nach Norden, um eine tropische Zone zu haben, und war für einige Zeit vollständig von Südamerika getrennt. Gestrandet wurden die Reptilien voll den Verheerungen von Geographie und Klima ausgesetzt und kamen um. Einige wenige überlebten eine Zeitlang in lokalen Enklaven, aber eine solche Existenz war nicht dauerhaft. Diese extrem abgeschlossenen Gegenden waren Vulkanismus, wiederkehrenden Erdbeben und drastischen Veränderungen durch Wechsel der vorherrschenden Winde oder der Dränage ausgesetzt. Unausweichlich wurden die Reptilien dort vernichtet, entweder in wenigen hundert Jahren oder in einigen Millionen.
Die Saurier könnten alle anderen Veränderungen überlebt haben und den Herausforderungen von anderen Klassen der Wirbeltiere erfolgreich entgegengetreten sein, wenn sie in der Lage gewesen wären, sich frei auf der ganzen Welt zu bewegen, denn es gab immer irgendwo geeignete Weidegründe. Aber die Fragmentierung der ursprünglichen Landmasse schränkte sie ausgerechnet in dem Augenblick, geologisch, ein, in dem sie sie am Wenigsten gebrauchen konnten. Weit davon entfernt, ein unglückliches Zusammentreffen zu sein, war dies unausweichlich. Das Zeitalter der Reptilien an Land war beendet.
Die Meeresreptilien hatten ihre eigenen Probleme. Die an seichtes Wasser gebundenen, die ihre Eier an Land legten, wie etwa Elasmosaurus, kamen mit den anderen um, denn es gab keine seichten Wasser mehr. Diejenigen, die dem tiefem Wasser völlig angepaßt waren, wie etwa Ichthyosaurus, erduldeten harten Wettbewerb mit aufblühenden Haien und, was noch mißlicher war, eine Einschränkung ihrer Nahrung. Im Wasser war es nämlich zu einer früheren Revolution gekommen: die Teleosten, die sogenannten Knochenfische, waren aufgetreten. Diese hatten stärkere Skelette als die früheren Arten und besaßen eine Luftblase, entstanden aus einer vormaligen Lunge, die es ihnen ermöglichte, sich der Dichte des umgebenden Wassers anzupassen und in einer gegebenen Höhe ohne Muskelanstrengung zu schwimmen. Zum ersten Mal waren Vertebraten imstande, mit den wirbellosen Ammoniten zu konkurrieren, die für Hunderte von Millionen Jahren diese kontrollierte Schwimmfähigkeit besessen hatten und dadurch gediehen. Die Fische waren allerdings überlegene Schwimmer. Dies eliminierte die Ammoniten nicht, schränkte sie jedoch ein. Als das kontinentale Auseinanderbrechen die ozeanische Geographie und Chemie verwüstete, waren die Ammoniten verloren. Jene schwimmenden Reptilien, die ausschließlich Ammoniten als Beute nahmen, folgten ihnen in die Vergessenheit.
So wurde, Medium für Medium und Art für Art, das Leben in der Welt durch das Auseinanderbrechen des Hauptkontinents umgewandelt. Es war nicht so, daß die Vögel die fliegenden Reptilien vertrieben, daß die Tele- osten und Haie die Ammoniten und gewisse Korallentiere und schwimmende Reptilien vertrieben, daß die Angiospermen die Gymnospermen vertrieben, und ganz gewiß vertrieben die Säugetiere nicht die Landreptilien. Aber die Verhältnisse jeder Heimstatt veränderten sich entscheidend und verschoben das Gleichgewicht zugunsten von neuen Spezies. Jene Lebensformen, die für die rauhen Extreme von Geographie, Klima und Chemie bereit waren, gediehen prächtig; diejenigen, die es nicht waren, taten es nicht.
Aber was ist mit den wenigen überlebenden Reptilien? Das waren jene, die ausgerüstet waren, das neue Regime zu ertragen. Die Krokodile und Schildkröten waren in der Lage, entweder an Land oder in der Tiefsee auf Nahrungssuche zu gehen, so daß weder die Haie noch extreme Temperaturen sie völlig eliminieren konnten. Sie waren imstande, aus einem unfreundlichen Kontinent in einen freundlichen auszuwandern, taten dies auch und haben sich bis in die Gegenwart gehalten. Die Schnabeltiere hätten es ihnen gleich tun können, da sie starke Schwimmer und schnelle Läufer an Land waren, aber sie mußten sich an Land ernähren und konnten deshalb nicht für Wochen hintereinander im Wasser bleiben. Die Schlangen und Eidechsen waren klein genug und passend geformt, um auf dem Boden und im Boden und auf Bäumen zu leben; für sie verkörperten die Arthropoden und kleinen Säugetiere eine Bereicherung ihrer Diät, und tiefe Erdlöcher schützten sie vor winterlicher Kälte und sommerlicher Hitze. Sie überlebten größtenteils, weil sie klein genug waren, sich einen solchen Schutz zunutze zu machen; die Spezialisierung der Dinosaurier auf körperlicher Übergröße wirkte sich fatal für sie aus.
Ist es zu anderen Untergängen gekommen, als die Kontinente neue Konfigurationen bildeten? Gewiß, eine ganze Menge, obgleich wenige so eindrucksvoll wie dieser waren. Es wird sicherlich weitere geben. Wenn sich das Land bewegt, muß das Leben folgen. Das wahre Mysterium ist nicht das große Sterben, sondern die Frage, warum dieser natürliche Verlauf der Dinge so lange ein Mysterium blieb.