XXI Veg

 

Veg stand an Deck und sah zu, als sie Cal brachten. Hex stand neben ihm in seinem Schatten, so unbeweglich, wie es nur ein Manta konnte.

Das Schiff ankerte in ausreichender Wassertiefe in der Mündungsnähe des großen Sumpfs. Es war eine Militäryacht, chemisch angetrieben, aber fähig, fünfzig Knoten zu erreichen. Veg nahm an, daß die Agenten sie Stück für Stück dieseits des Transporttunnels zusammengesetzt hatten, da es unmöglich gewesen sein mußte, das ganze Schiff als eine Einheit durchzuschicken. Eine große Aufgabe, die Geschick und Zeit erforderte, obwohl die Agenten natürlich darauf programmiert waren. Sie mußten mit der Arbeit schon begonnen haben, als das Trio die Segel der Nacre setzte. Er brauchte Cal nicht zu erklären, was das über die Bedeutung der ursprünglichen Mission des Trios aussagte. Sie waren nichts weiter als ein Testfall gewesen, menschliche Versuchskaninchen oder Opferlämmer, die man einer Eingebung folgend durchgeschickt hatte, um die Funktionstüchtigkeit der Transfermaschinerie und die menschliche Überlebensfähigkeit beim Sprung zu verifizieren. Ein paar Tage, um mögliche Gewebeschäden abzuwarten, dann noch ein paar mehr, um sicher zu sein, daß es auf Paläo keine langsam wirkenden Gifte gab. Vermutlich hatte Schwachkopf gedacht, daß er sie zum Tode verurteilte, und es war pures Glück gewesen, daß alles richtig funktioniert hatte.

Das winzige Beiboot machte an der Yacht fest. Ein Ladebaum hievte Cal und einen seiner Fänger an Bord. Einen Augenblick später passierte Cal die Linie, die Vegs Sperrgebiet markierte, und die beiden Freunde waren wieder vereint.

»Es gibt da einen Energieschirm oder so etwas«, warnte Veg ihn, als das Beiboot nach Osten davonfuhr.

Er spürte noch immer das Unbehagen ihrer letzten Diskussion. Wie konnten die Dinge noch einmal so sein wie früher nach. Aquilon? Cal nickte. Er wußte alles über solche Dinge. Wenn einer von ihnen Anstalten machten sollte, über Bord zu springen oder auch nur ohne Genehmigung die Linie zu übertreten, würde der unsichtbare Wachtschirm eine automatische Waffenbatterie auslösen, die sie auf der Stelle in Stücke riß. Ihre Überreste würden in Sekundenschnelle gesammelt und eingekapselt werden, so daß die Atmosphäre nicht durch ihre Leichname verseucht werden konnte. Diese Maßnahme zielte vor allem auf Hex, denn sein Tod würde eine Wolke aktiver Sporen freisetzen. Die Erde hatte ihre Lektion in dieser Beziehung gelernt.

»'Quilon?« wollte Cal wissen.

»Es hat nicht geklappt«, sagte Veg. Dann erst wurde er sich mit wütender Verlegenheit bewußt, daß Cal nicht ihre sexuelle Beziehung gemeint hatte. »Ich habe sie auf der Insel zurückgelassen, als ich hörte.« In dem Bewußtsein, daß dies auch nicht richtig war, unterbrach er sich. Cal hatte bei seinem Wettstreit mit Tyrann nicht um Hilfe gebeten.

»Hex hat also geplaudert«, murmelte Cal und lächelte kurz!.

»Ja. Circe jedenfalls.« Die Spannung war gebrochen. Cal verstand. »Wie ist es ausgegangen?«

»Taler hat ihn erschossen.«

»Oh.«

Das war zu einfach. Es bedeutete, daß Cal nicht darüber reden wollte, genausowenig wie Veg über sein eigenes Abenteuer. Und wenn das Cals Absicht gewesen wäre, hätte er mittlerweile etwas von den anderen Mantas, den fehlenden, gesagt. Irgend etwas ging vor sich.

Mittschiffs stand eine Frau und hantierte an einem Funkgerät herum. Sie war groß, schlank und blond - durchaus schön, aber ganz anders als Aquilon. Veg hatte sie mit geheimer Bewunderung beobachtet und sich gefragt, was sie bei dieser Männermission tat.

»Taner meldet, daß die Insel evakuiert ist«, sagte die Frau, wobei sie jede einzelne Silbe deutlich aussprach, obwohl sie nicht nach Präzision zu streben schien. »Er begibt sich zum Festland.«

Cal blickte zu ihr hinüber. »Die Erde hat ihre Repräsentanten außerordentlich gut unter Kontrolle«, bemerkte er. »Bisher habe ich drei Agenten gesehen und Anzeichen von mindestens zwei weiteren entdeckt. Sie erstatten bei jeder Gelegenheit Bericht.«

»Sie glauben, Paläo könnte sonst jemanden korrumpieren«, sagte Veg. »So wie, uns.«

»Da ist etwas dran. Ich glaube, ich würde es eher >erleuchten< nennen.«

»Und eine Puppe an Bord haben sie auch.«

»Das sollte dich nicht interessieren«, sagte Cal mit schwer deutbarem Gesichtsausdruck. »Das ist eine Agentin.«

Veg war schockiert. »Die Kleine? Ein Supermensch?«

Sie blickte in ihre Richtung und lächelte. »Tamme, wenn's beliebt.«

Veg rief sich die Dinge ins Gedächtnis zurück, zu denen der Agent Subble auf der Erde fähig gewesen war. Abermals betrachtete er das Mädchen. Er schüttelte verneinend den Kopf. Sie würde nicht lange unter freien Holzfällern bestehen können, trotz ihres Trainings.

Tamme beobachtete ihn. »Ich würde, glauben Sie es mir«, murmelte sie.

Zum dritten Mal in ebenso vielen Minuten spürte er plötzliche Verlegenheit. Der Teufel sollte ihre Gedankenlesefähigkeiten holen!

Sie lachte.

Cal blickte gedankenvoll drein, gab aber keinen Kommentar ab.

»Kontakt«, sagte Tamme. »Vogel und Frau. Fungus verborgen.« Sie machte eine Pause, runzelte die Stirn. »Taner tot.«

Talers Kopf erschien in der Luke. Veg dachte wenigstens, daß es Taler war. Sie waren sich alle so ähnlich, daß man sie kaum unterscheiden konnte, wenn man sie nicht zusammen sah. »Der Bericht war also korrekt. Der Fungus kann bei Gelegenheit einen Agenten ausschalten.«

»Sie muß ihre Hand dabei im Spiel gehabt haben«, sagte Tamme. »Wir hätten keinen Mann auf dieses Kind ansetzen sollen.«

»Du mußt zugeben, daß wir nicht oft die Möglichkeit haben, mit attraktiven femininen Typen zusammenzukommen«, erwiderte Taler.

Sie schleuderte etwas nach seinem Kopf. Die Bewegung war so schnell und kontrolliert, daß Veg nur das Rucken ihrer vollen Bluse und ein metallenes Blitzen im Sonnenlicht wahrnahm.

Taler bewegte sich simultan und pflückte das Objekt vor seinem Gesicht aus der Luft. Er hielt es hoch, eine Trophäe. Es war ein winziges Stilett - und wäre er nicht darauf vorbereitet gewesen, hätte die Spitze seine Nase durchbohrt.

Sie spielten nur, aber sie waren tödlich. Ohne Ausnahme. Der plötzliche Tod ihres Kameraden schien für sie nicht mehr zu sein als eine mißlungene Taktik. Es sei denn, diese ganze kleine Episode war bloß eine Schau, um die Gefangenen zu beeindrucken. Subble hatte wie ein anständiger Kerl gewirkt, und er war ein Agent nur wenige Buchstaben entfernt gewesen. SU entsprach TA - SUBble, TALer, TAMme, TANer...

Taler kam zu ihnen. »Es sieht so aus, als ob es bei der Ergreifung von Miss Hunt einige Schwierigkeiten gibt. Wir sind ebenfalls an den drei fehlenden Fungi interessiert. Ist die anwesende Kreatur in der Lage, die anderen zu kontaktieren, wenn sie freigelassen wird, um dies zu tun? Sie brauchen nicht zu antworten.«

Das brauchten sie wirklich nicht! Veg war mit dieser Verhörmethode vertraut. Der Agent stellte bloß seine Fragen und leitete die Antworten aus den Körperreaktionen des Zuhörers ab. Ein normaler Mensch hatte keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.

Aber warum waren die Agenten so begierig darauf, das Trio und die Mantas zu ergreifen? Sie könnten den Planeten erkunden und ihren Bericht abgeben, ohne sich auf ihre Vorgänger zu beziehen. Das Trio war nicht mehr wichtig, wenn es überhaupt jemals etwas gezählt hatte, und diese Kampagne schien kaum der Mühe wert zu sein.

Nun, Cal würde es wissen. Veg würde nur dem Bei- spiel seines Freundes folgen.

»Wenn Sie nicht mit uns zusammenarbeiten«, sagte Taler sanft, »werden wir eine Such-und-Zerstör-Mission vornehmen müssen. Das könnte auch den Tod von Miss Hunt bedeuten.«

Cal sagte nichts, aber Vegs Blut pulsierte wütend. Aquilon. tot?

»Interessant«, bemerkte Taler. »Dr. Potter ist noch mehr in Miss Hunt verliebt als Mr. Smith. Aber Dr. Potter weigert sich, sich dadurch beeinflussen zu lassen. Da eine Drohung dieser Art somit keinen Effekt haben würde, will ich keine aussprechen. Ich möchte bloß darauf hinweisen, daß Miss Hunt Risikoelementen ausgesetzt ist, solange sie sich nicht in unserem Gewahrsam befindet.«

Taler wandte sich jetzt ausschließlich an Cal. »Wir werden mit einem humanen Nervengas beginnen. Dieser spezielle Stoff sollte alle Säugetiere beim Kontakt bewußtlos machen. Reptilien und Amphibien werden in geringerem Maße betroffen sein. Pflanzen werden in den folgenden Tagen einen Teil ihrers Blätterwerks verlieren und einige wenige werden eingehen. Repräsentanten des Dritten Königreichs.«

»Geblendet«, sagte Cal.

Taler gab Tamme ein Zeichen. »Öffne die Barrikade.«

Irgend etwas klickte. »Du solltest es Hex erklären«, sagte Cal zu Veg. »Er ist dein Manta.«

»Ich bin mir selbst nicht sicher, was vorgeht. Du willst, daß Hex 'Quilon holt?«

»Diese Gentlemen«, sagte Cal, »möchten sehr gerne alle vier Mantas hier auf dem Schiff haben - lebend, denn wenn zwei von ihnen auf Paläo sterben sollten, könnten sich ihre Sporen verbreiten, eine Verbindung miteinander eingehen und viele tausend Mantas produzieren, die diesen Planeten übernehmen.«

»Das wäre nicht so schlecht. Mantas sind nicht destruktiv.«

»Diese Gentlemen möchten Paläo allerdings lieber für eine menschliche Kolonisation reservieren.«

Veg lächelte freudlos. »Oh. Sie würden Schwierigkeiten haben, mit all den Mantas.«

Dann fiel ihm etwas ein. »Ich will keine Kolonisation durch die Erde. Und 'Quilon will es auch nicht. Das hatten wir schon einmal.«

»Ich bin inzwischen einer Meinung mit euch«, sagte Cal überraschend. »Paläo sollte im gegenwärtigen Zustand bewahrt werden. Aber obwohl ich beschlossen hatte, keinen Bericht abzugeben, haben die Ereignisse die Angelegenheit akademisch werden lassen. Jetzt haben die Agenten die Kontrolle übernommen.«

Veg hatte die unterschiedlichsten Gefühle. Er war froh zu hören, daß das Schisma zwischen ihnen nicht mehr bestand und Cal nun auf derselben Seite stand, für die Aquilon eingetreten war, und wütend darüber, daß Cal dem Verlangen der Agenten so widerstandslos nachgeben wollte. Unter Druck klein beizugeben paßte nicht zu Cal.

»Ihr Freund ist sehr clever«, sagte Taler und sah Veg an. »Er hat mich schon einmal überlistet, und ich bin kein einfältiger und leichtgläubiger Mensch. Kein Agent ist das. Nun plant er, uns abermals reinzulegen. Ich muß Sie deshalb ersuchen, daß Sie sich ohne weitere Unterhaltung mit Dr. Potter an Ihren Manta wenden.«

Taler war höflich. Er konnte sich Freundlichkeit erlauben. Veg wußte, daß er sehr wohl fähig war, sein Verlangen auch gewaltsam durchzusetzen, und nicht auf Getöse angewiesen war.

Aber die andere Bemerkung! Cal hatte also nicht aufgegeben. Das war besonders gut zu hören. Aber was hatte Cal geplant? Konnte Veg es rechtzeitig herausfinden?

»Instruieren Sie Ihren Manta«, sagte Taler. Seine Stimme klang noch immer milde, ließ aber jenen dringlichen Unterton mitschwingen, der erforderlich war, seinen Standpunkt deutlich werden zu lassen. Weitere Verzögerungen würden beträchtliche Unannehmlichkeiten nach sich ziehen. Veg hielt sich nicht für einen Idioten.

Aber konnte er etwas anderes tun, als der Anweisung Folge zu leisten?

»Hex«, sagte er, und der Manta drehte sich auf seinem Fuß, um ihn anzusehen. »Diese Männer wollen. Weißt du, was Nervengas ist?«

Zwei Knalle des Schwanzes.

Veg wandte sich an Taler. »Ich muß erklären.«

»Nervengas ist eine Substanz, die in der Luft freigesetzt werden kann«, sagte Taler. »Wenn keine außerordentlichen atmosphärischen Bedingungen herrschen, wird es innerhalb einer Stunde das ganze Tal ausfüllen. Es wird alle mit Augen ausgestatteten Pilze blenden, ohne sie zu töten, und der Schaden wird sich vermutlich nicht wieder beheben lassen.«

»Verstehst du das?« fragte Veg Hex. Er fragte sich, wie die Agenten diese Chemikalie ohne einen Manta als Versuchsobjekt entwickelt und getestet hatten. Konnte es ein Bluff sein?

Zu seiner Überraschung knallte Hex einmal. Die Mantas wurden beim Aufnehmen der menschlichen Sprache und dem Begreifen ihres Inhalts immer besser.

»Sie werden dieses Gas freisetzen, wenn du nicht gehst und 'Quilon und den anderen Mantas Bescheid sagst, daß sie hierher kommen sollen, um. sich zu ergeben. Wir können sie nicht aufhalten.«

Ein Knall.

»Ich würde also sagen, daß du.«

Irgend etwas knisterte. Veg sah, wie Cal auf das Deck stürzte.

»Bleiben Sie, wo Sie sind«, schnappte Taler. Er blickte den Manta an, der sich nicht bewegt hatte. Sein Befehl war genauso für Hex bestimmt wie für Veg. »Ihr Freund wollte gerade ungeeignete Informationen an Sie und den Manta übermitteln. Ich mußte ihn augenblicklich betäuben. Er wird sich in wenigen Minuten erholen und keinen Schaden davontragen. Instruieren Sie Ihren Manta.«

»Sie machen keinen Spaß«, sagte Veg wütend, aber hilflos zu Hex. »Ich tue es nicht gerne, aber ich muß dich auffordern, Circe, Diam und Star herzubringen - und 'Quilon natürlich auch. Sie werden uns sonst alle umbringen.« Innerlich war er ergrimmt darüber, daß er nicht in der Lage gewesen war, Cals Plan auszuführen, wie auch immer dieser aussehen mochte. Zu dem Zeitpunkt, an dem Cal wieder zu sich kam, war Hex schon auf dem Weg, und es würde zu spät sein.

»Sehr gut«, sagte Taler. »Die Barriere ist unten, aber die Kreatur wird im Visier unserer Kanone bleiben, bis sie außer Sicht ist. Wir sind ausgerüstet, die Überbleibsel in Sekundenschnelle einzukapseln. Der Manta hat eine Stunde Zeit, bevor wir das Gas freisetzen - mehr nicht.«

»Eine Stunde, Hex«, wiederholte Veg dumpf. »Also beeile dich. Ich.« Er wendete sich wieder dem Agenten zu. »Sie versprechen, keinem von Ihnen oder uns etwas anzutun?«

»Wenn Sie kooperieren. Wir sind interessiert daran, unsere Mission zu vollenden. Niemand wird Sie für irgend etwas verantwortlich machen. Ihre Gruppe wird eine andere Aufgabe erhalten, wo bei Ihren Aktivitäten und denen der Fungi keine Beschränkungen erforderlich sind. Sie haben mein Wort darauf. Das ist natürlich kei- ne Garantie, aber eine Absichtserklärung.«

Noch einmal erinnerte sich Veg an Subble. Der Mann hatte sein Wort die ganze Zeit über gehalten, obwohl er dazu nicht verpflichtet gewesen war. Er mußte Taler insoweit trauen.

»Es ist alles für uns in Ordnung, wenn du es in einer Stunde schaffst«, sagte er zu Hex. »Sag ihnen das. Nun geh.«

Hex sprang in die Luft und war unterwegs, eine Scheibe, die über das Wasser glitt. Er bewegte sich mit etwa hundertfünfzig Kilometern pro Stunde und war binnen einer Minute in dem Blätterwerk verschwunden, das den Sumpf säumte.

Veg hob Cal auf die Füße, als sich Taler zurückzog. Wie angekündigt, kam der kleine Mann in wenigen Minuten wieder zu sich, obwohl er einen Kratzer am Kopf hatte, wo er aufs Deck geschlagen war. Veg erregte sich über diese Verletzung, wußte aber, daß Protest sinnlos war.

»Tut mir leid«, murmelte Veg. »Ich konnte nicht rauskriegen, was du wolltest, und der Bastard wollte mir keine Zeit zum Nachdenken geben, und weil er meine Gedanken sowieso lesen konnte, mußte ich Hex losschicken.«

Cal hielt für einen Augenblick seine Hand fest. »Es ist in Ordnung.«

»Ich habe es versaut. Ich bin nicht schlau genug.«

»Ganz im Gegenteil. Es war wichtig, daß ich aus dem Weg war, so daß ich es nicht versauen konnte. Sie hatten mich schon in Verdacht. Dich hielten sie für sicher.«

»Ich bin sicher«, sagte Veg. »Wütend wie der Teufel, aber sicher. Und ich kann nicht mal einen von ihnen zusammenschlagen. Ich habe das bei Subble versucht und bin aufs Kreuz gefallen.«

»Ja, ich bin sicher, Taler hat den Zorn in dir erkannt. Jetzt gibt Hex also 'Quilon und den anderen Mantas das Ultimatum bekannt. Was, glaubst du, werden sie tun?«

»Was können sie tun? Es hat keinen Sinn, die Freisetzung dieses Gases zu provozieren.«

Cal lächelte nur.

Eine halbe Stunde verging, bis ein Manta zurückkehrte, allein. Er glitt heran, während die Kanone auf ihn gerichtet war, und landete sauber an Deck.

Es war Circe.

Taler kam sofort heraus. »Dies ist nicht derselbe Fungus«, sagte er.

»Es ist Circe, 'Quilons Manta«, erklärte Veg.

»Miss Hunt ist bereit, abgeholt zu werden?«

»Nehme ich an. Das Schwimmen ist hier nicht so empfehlenswert.«

Taler schwang sich geschmeidig über die Reling und ließ sich in ein zweites Beiboot hinab. Einen Augenblick später jagte er in die Richtung, aus der Circe gekommen war. Veg fragte sich, wieso er sich des Wegs so sicher war, begriff dann, daß das scharfe Wahrnehmungsvermögen des Agenten die Lokalisierung leicht machen würde. Es war ihre Kooperation, die Taler wollte, sonst nichts. Ihre Zustimmung würde die übrigen Mantas zurückbringen.

Tamme war an Deck. Ihre effiziente und doch feminine Verhaltensweise war beunruhigend, Sie hatte SexAppeal, und er wußte, daß sie seine anerkennenden Gedanken darüber las und gleichzeitig las, daß er diese Gedanken unterdrücken und seine Reaktionen verbergen wollte. Sie gab sich kaum Mühe, ihre Belustigung nicht deutlich werden zu lassen.

Fünfzehn Minuten später wurde Aquilon an Bord gebracht, zusammen mit Hex. Sie hielt etwas in den Armen, was eins von Orns Eiern sein mußte. Veg hatte keine Ahnung, wie sie daran gekommen war. An ihrer Wange befand sich eine Schwellung, die er nicht gerne sah, weil er argwöhnte, daß sie von ihm stammte. Aber das war noch die kleinste Veränderung an ihr. Sie war nicht dieselbe Frau, die er gekannt und geliebt hatte.

»Es ist lange her«, sagte Aquilon. »Vier Nächte und drei Erdbeben, seit wir drei zuletzt zusammen waren.«

»Drei Nächte, zwei Erdbeben«, sagte Cal.

»Du mußt sehr beschäftigt gewesen sein, es nicht zu merken. Vier...«

»Jetzt fangt ihr zwei nicht schon wieder an zu streiten«, schaltete sich Veg schnell ein. »Es können zehn Tage und neun Erdbeben gewesen sein, wenn ich mich erinnere, und was für einen Unterschied macht das schon?«

Sie lächelte und wurde wieder das Mädchen, das er gekannt hatte. Sie trug ihm nichts nach.

Trotzdem standen sie etwas unbehaglich da. Veg wußte, daß er so ziemlich alles falsch gemacht hatte. Zuerst hatte er sich mit ihr gegen Cal verbündet (und war es der Sex gewesen, der ihn dazu veranlaßt hatte?) und dann versucht, zu Cal zurückzugehen, als der Mann gar keine Hilfe wollte, um selbst dabei zu stranden. Schließlich hatte er sie beide verraten, indem er Hex losschickte. Nein, er hatte keine Gratulationen verdient.

Plötzlich wurde er sich bewußt, daß die Stunde um war. Und Cals zwei Mantas, Diam und Star, waren nicht zurückgekommen.

»Setz das Gas frei«, sagte Taler.

Tamme, die sich nicht nur mit dem Funkgerät zu beschäftigen schien, öffnete eine Kiste und holte mehrere versiegelte Kanister hervor. Frost glänzte auf ihnen. Sie waren eisgekühlt.

»Das ist jetzt sinnlos«, sagte Cal. »Die zwei Mantas sind bereits tot.«

Taler studierte ihn. »Sie spielen ein gefährliches Spiel, Sir.«

Cal nickte. »Es geht um eine Welt.«

»Was ist passiert?« wollte Veg wissen.

»Ich dachte, sie kommen zurück.«

Tamme sprach in ihr Mikrophon. »Verhandlungen sind gescheitert. Zwei Fungi haben ihre Sporen freigesetzt. Zu spät für die Gefangennahme. Wir verfahren gemäß Alternative.« Sie stellte die Kanister in ihren Behälter zurück. Aquilon berührte Vegs Hand auf ihre ganz eigene Art. »Sie wußten, was eine Invasion durch die irdischen Omnivoren bedeutet. Deshalb. starben sie, und Hex zerstückelte sie und verbreitete die Sporen, während Circe hier zum Schiff zurückkehrte, um zu berichten. Inzwischen sind die Sporen überall im Tal. Sie können nicht ausgerottet werden.«

»Aber ich sagte Hex.«

Taler unterbrach ihn, anscheinend ohne Groll. »Dr. Potter war sich bewußt, daß Miss Hunt nicht auf diesen Wunsch eingehen und seine wahre Bedeutung richtig interpretieren würde. Wäre Dr. Potter bei Bewußtsein gewesen, als uns der Manta verließ, würde ich seine Siegesgefühle wahrgenommen und seinen Plan durchkreuzt haben. So wie es war, stellte ich bei ihm nichts anderes fest als einen allgemeinen Aufruhr der Gefühle. Mein Selbstvertrauen ließ mich versäumen, ihn später zu überprüfen. Und Miss Hunts verwirrte Verfassung schrieb ich der Sorge um ihr. Wohlergehen in unseren Händen nach ihrer Beteiligung am Tod Taners zu. Deshalb befragte ich sie nicht und glaubte, daß die übrigen Mantas unabhängig von ihr auf dem Weg waren.« Er lächelte mit gutmütiger Reue. »Nie zuvor bin ich von einem normalen Menschen so leicht überlistet worden.«

Vegs Verstand drehte sich. Cal war über ein Seil balanciert und hatte dabei barhändig mit brennenden Fackeln jongliert! So viele komplexe Faktoren wirkten aufeinander ein. Dies war eine Art Wettstreit, der ihm fremd war und mit dem er zum gegebenen Zeitpunkt bestimmt nicht übereingestimmt hätte. »Warum sind Circe und 'Quilon denn zurückgekommen?«

»Zwei Sporengruppen waren ausreichend«, sagte Aquilon. »Sinnlos, daß wir alle sterben.«

»Aber wir sind nicht auf den Handel eingegangen«, sagte Veg. »Wir haben nicht alle Mantas hergebracht. Die Agenten brauchen uns also nicht freizulassen. Vielleicht bringen sie uns jetzt alle um.«

»Spielt es eine Rolle?« fragte Aquilon dumpf und blickte auf das Ei in ihren Händen.

»Rache wäre sinnlos«, sagte Taler. »Mr. Smith' Handel war in gutem Glauben abgeschlossen worden. Er dachte nicht daran, daß die anderen ihn nicht einhalten würden. Wir Agenten sind realistisch und bringen keine Gegenbeschuldigungen vor. Sonst hätten wir Sie längst für die Schäden verantwortlich gemacht, die die drei Fungi in der Orbitalstation angerichtet haben - und besonders für das völlige Verschwinden des einen. Aber wir haben es statt dessen vorgezogen, aus den Erfahrungen zu lernen, und sind Ihnen deshalb so schnell wie möglich gefolgt.«

»Wollen Sie sagen, daß Sie eigentlich gar nicht vorgehabt hatten, hierher zu kommen?« erkundigte sich Veg und fragte sich, was für ein schwerer Fehler der Angriff der Mantas in der Station gewesen war.

»Nicht diese Gruppe hier. Ursprünglich sollte die Expedition aus Normalen bestehen - Extraterristriologen, Geologen, Paläontologen. Als uns das Potential Ihrer Fungi klar wurde, kam diese militärische Einheit zum Einsatz.«

Taler blickte zum Festland hinüber, als ob er nach irgend etwas Ausschau hielt. »Sie haben bewiesen, daß Sie als Gruppe viel zu wertvoll sind, um verschwendet zu werden. Zukünftige Agenten werden darauf programmiert sein, Fehler der Art, wie wir sie hier gemacht haben, zu vermeiden, und Sie werden wie vereinbart einen neuen Auftrag bekommen.«

Veg schüttelte zweifelnd den Kopf. »Sie wollen also nach dem ganzen Theater doch die Hände von Paläo lassen?«

»Unter keinen Umständen. Unser alternatives Programm, den Planeten für die Menschheit zu sichern, läuft bereits. Sehen Sie zu.«

Sie blickten über das Wasser hinweg. Rauch stieg aus dem Tal empor - eine Wand davon an der Westseite, in der Nähe des ursprünglichen Lagers der drei. Der Wind trieb die Rauchschwaden nach Osten.

»Sie verbrennen die Enklave!« rief Aquilon voller Schrecken.

»Wie Sie selbst feststellten, können die Sporen nicht mehr eingefangen werden. Es ist deshalb nötig, sie und die Umgebung, in der sie gedeihen könnten, zu zerstören. Dies tun wir.«

»Aber die Dinosaurier! Sie können nirgendwo hin!«

»Sie sind ein Teil dieser Umgebung«, sagte Taler. »Dies wird ihr Aussterben beschleunigen, ja.«

Zutiefst betroffen starrte sie auf den Rauch.

»Auf diese Weise können Sie nicht alle Sporen erwischen«, sagte Veg, genauso abgestoßen. »Sie sind zäh. Einige werden hoch in der Luft treiben, wo es kühl bleibt. Einige werden im Wasser.« Er schwieg und fragte sich, ob er schon zu viel gesagt hatte.

»Einige Sporen werden unweigerlich überleben«, pflichtete Taler ihm bei. »Aber der Punkt ist, daß sie zum Heranreifen Wirtskörper benötigen. Indem wir ih- nen diese vorenthalten vor allem die omnivorischen Säugetiere des Tals - machen wir es ihnen unmöglich, sich hier zu entwickeln. Einige werden über die Berge hinaustreiben, aber wie Sie sahen, ist die Landschaft dort öde, und ihre Anzahl wird sich nach den Hürden von Feuer und Schnee entscheidend verringern. Der Ozean ist ebenfalls kein geeigneter Aufenthaltsort, da die Fungi Landbewohner sind. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß in langfristiges Überprüfungs- und Ausrottungsprogramm den Ausbruch einer fungoiden Bedrohung verhindert.«

»Das ganze Tal!« sagte Aquilon. »Das kann es doch nicht wert sein!«

»Vielleicht hätten Sie sich das früher überlegen sollen. Wir waren auf diese Möglichkeit vorbereitet, aber es ist nicht unsere Absicht gewesen, diese Enklave zu zerstören. Sie haben uns dazu gezwungen.«

»Ich habe das nicht gewußt!« Aber es hörte sich für Veg nicht ganz überzeugend an. Sie hätte sich ganz bestimmt denken können, daß sich der Omnivore nicht so leicht aufhalten lassen würde.

»Dr. Potter wußte es.«

Er hat recht, dachte Veg. Cal hatte die Konsequenzen seines Plans mit Sicherheit vorausgesehen. Hatte er Paläo letzten Endes doch verraten und alle, die wie Veg, Aquilon und die Mantas den Planeten retten wollten, zu Dummköpfen gestempelt? Veg sah ihn nicht an.

»Einige werden entfliehen«, sagte Cal. Er klang müde. »Die Sporen können viele Jahre überleben, und ihnen steht ein ganzer Planet zur Verfügung, um sich zu verstecken. In so kurzer Zeit wie einem Jahr werden einige weit genug gereift sein, um neue Sporen bilden zu können, und es wird keine Möglichkeit geben, diese zweite Generation der Mantas zu kontrollieren. Es wird billiger sein, Paläo zu evakuieren als den Planeten effektiv zu überwachen. Ihre Vorgesetzten werden dies zu gegebener Zeit erkennen und entsprechend handeln. Um der ganzen Welt willen mußte dieses Tal geopfert werden.«

»Sie spielen mit Völkermord«, sagte Taler. Er wandte sich an Veg und Aquilon. »Wenn ich ein Freund dieses Mannes wäre, hätte ich Angst.«

Veg beobachtete den emporsteigenden Rauch. Er wußte, daß Cal dies alles vorausgesehen und vermutlich auch geplant hatte, und er begriff.