XIV CAL

 

Es tat Cal weh, dieses Schisma; er konnte es nicht leugnen. Es war fast zufällig über die Gruppe hereingebrochen, aber er hatte gewußt, daß es sich zusammenbraute, und es hatte ihn in wachsendem Maß beunruhigt. Sie harten sich glücklich schätzen können, daß es nicht auf Nacre passiert war. Veg glaubte an das Leben, wenn auch auf naive Weise; Cal glaubte an den Tod. Aquilon lag in der Mitte, unentschlossen, tendierte aber zum Leben. Dies war kein so einfaches Konzept wie das von Gut und Böse; beide Eigenschaften waren auf jeder Seite dieses Problems vertreten. Es war in erster Linie eine Frage dessen, was erforderlich war.

Die vier Mantas verstanden genug davon, wie sie durch ihre Aktionen in der Orbitalstation demonstriert harten. Ihre Sicht von den Bestrebungen des Menschen waren leidenschaftslos, wie es ihre Sicht vom gesamten Königreich der Tiere war, weil sie ihm nicht angehörten. Sie blieben bei ihm, weil sie wußten, daß seine Annäherung an das Problem von Paläo realistisch und nicht emotionell war. Wäre es anders gewesen.

Er seufzte. Wäre es anders gewesen, hätte er die ganze Erde ins Fegefeuer geschickt, aus purer Liebe zu Aquilon. Er handelte so, wie er mußte, aber das änderte nichts an seiner Liebe zu ihr. Auch ihr sinnbildliches Durchgehen mit Veg berührte diese nicht; er war sich bewußt, daß die aufwallende Chemie der heterosexuellen Existenz an irgendeinem Punkt überkochen mußte. Sie liebten das Leben, und dies war die Essenz des Lebens; der Umstand, daß Cal ein anwachsendes eigenes Sehnen dieser Natur verspürte, konnte an seiner Gesamteinstellung nichts ändern. Sie waren seine Freunde, und er hatte dringlichere Verantwortlichkeiten; er konnte ihnen ihren Spaß nicht übelnehmen.

Indessen hatte er eine Aufgabe zu erfüllen. Paläo war für die Kolonisation durch die Erde geeignet, und kein Bericht, den er erstellte, konnte dies verbergen. Tatsächlich war es lebenswichtig, daß er den Sachverhalt ganz klar darlegte, obwohl das diese wundervolle Welt opfern würde; es gab weitergespannte Interessen. Wenn die

Vergewaltigung Paläos die Menschheit lange genug ablenkte, um Informationen zu denen gelangen zu lassen, die stimuliert werden konnten und wollten, geeignete Schutzmaßnahmen für die anderen Welten des alternativen Systems zu ergreifen - positive Rückkoppelung -, dann heiligte der Zweck in diesem Fall die Mittel. Was auch immer Aquilon denken mochte. Dies würde notwendigerweise das Ausscheiden bestimmter einheimischer Fauna mit sich bringen und war sicher bedauerlich; aber die Wege der Natur, richtig geführt, waren am bester!. Keine Spezies konnte sich durchsetzen, indem sie sich zurückhielt. Das war der Weg der Selbstvernichtung. Die Philosophie, die eine Tugend in der Bewahrung von im Wettbewerb nicht lebensfähigen Spezies und Systemen sah - eine solche Philosophie war wunderlich, aber nutzlos. Die Natur kannte keine derartigen Gefühle.

Cal begutachtete das Floß im Morgenlicht. Er würde Vorkehrungen treffen müssen, damit selbst .zurück über die Bucht zu segeln und anschließend zwecks Proviantaufnahme über Land zu Lager Zwei zu marschieren. Dann eine längere Seereise zurück zu ihrem Paläo- zän-Lager, wo sich das einzige noch verbliebene funktionstüchtige Funkgerät befand. Danach würde es nur noch eine Sache des Wartens sein. Die Erde würde entscheiden.

Es war keine einfache Reise, die er im Sinn hatte. Veg hätte es schaffen können, aber Cal war meilenweit davon entfernt! Dennoch, seine Philosophie stand dafür ein. Er würde den Versuch unternehmen. Wenn er scheiterte, würde der Bericht nicht gemacht werden, und vielleicht würden Veg und Aquilon ihren Willen haben. Wenn er scheiterte, verdiente er zu scheitern.

Seine Körperkraft war nicht groß, aber sie hatte sich gegenüber früher gesteigert. Er konnte das Segel aufziehen und das Ruder bedienen, vorausgesetzt, die

Winde waren günstig und nicht zu heftig. Er würde vor großen Reptilien und stürmischem Wetter auf der Hut sein müssen und davon ausgehen, daß er beides vermeiden konnte. Wie er die Riffbarriere bewältigen sollte, wußte er nicht; vielleicht konnte er bei Ebbe einen Kanal durch die Felsen ausfindig machen und diesem Kurs dann bei Flut folgen. Er schätzte, daß die Wetten gegen einen erfolgreichen Abschluß der Reise standen, aber mit entsprechender Hingabe und Umsicht hoffte er, seinen Mann stehen zu können.

»Ahoi!«

Es war Veg, der ihn von der Insel aus anrief. Cal winkte.

»Wie geht es dir?« rief Veg. Dann, ohne eine Antwort abzuwarten, sprang der große Mann ins Wasser und kraulte dem Floß entgegen.

»Ich gehe zurück zum Paläozän-Lager«, sagte Cal, als Veg an Bord kletterte. »Das Funkgerät ist dort, und ich glaube, daß sich die Winde genügend drehen, um es möglich zu machen.«

»Möglich, zur Hölle! Du schaffst es nicht allein. Warum sprichst du nicht noch mal mit 'Quilon? Wir sollten uns nicht auf diese Weise trennen.« .

»Drei sind, wie das Sprichwort sagt, eine Menge.«

Veg verbarg seine Verlegenheit, indem er zu dem zusammengeschnürten Vorratsstapel hinüberging. Der größte Teil der Ausrüstung war in Lager Zwei zurückgeblieben, aber sie hatten für mehrere Tage vorgesorgt.

»Sie braucht ein paar neue Kleider, einverstanden?«

»Gerne. Nimm auch etwas Brot mit. Sie hat es schließlich gemacht. Ich werde die Nacre bald auslaufen lassen.« Es hatte keine offizielle Aufteilung der Besitztümer gegeben, aber stillschweigend war klar: Veg hatte die Frau, Cal das Floß. Und die Mantas.

»Du wirst dich umbringen.«

Cal zuckte die Achseln. »Der Tod ist kein Schreckgespenst für mich.«

»Warte.« Veg beschäftigte sich mit dem Segel, zog es hoch und befestigte es sicher. »Wenn du in Schwierigkeiten gerätst, schick einen Manta.«

Sie schüttelten sich verlegen die Hände und trennten sich. Schon zerrte die Nacre am Anker.

Der Wind war angenehm und sanft, der Himmel bewölkt und das Fortkommen befriedigend. Die Mantas segelten über das Wasser und betäubten Fische mit ihren Schwänzen. Cal holte sie mit dem Netz ein und stapelte sie an Bord des Floßes auf, so daß die Mantas bequem ihre Nahrung aufnehmen konnten.

Es war interessant, daß die See hier vollkommen pa- läozänisch war. Keine Ammoniten, keine Mollusken. Würde Aquilon von der zweischaligen Muschel geträumt haben, wenn er sie ihr als ein weiteres typisches Meereslebewesen der Kreidezeit geschildert hätte? Lediglich die Reptilien hatten sich in der See behauptet, als Teil der Enklave. Was sagte dies über die Beziehungen zwischen Land- und Seearten aus? Es mußte ein andauerndes Verbindungsglied zwischen den Reptilien des Landes, des Meeres und der Luft geben, so daß sie fast gleichzeitig ausstarben.

Die Insel lag anderthalb Kilometer achtern, als das Beben kam. Das Wasser tanzte, als ob Regen auf die Oberfläche schlug, aber es gab keinen Regen. Die unangenehm berührten Mantas suchten hastig das Floß auf und kamen an Bord. Bruchstücke lösten sich von den Bäumen, die am Strand sichtbar waren, und in den Randgebieten des Tals bildete sich Staub.

Ein Beben - nicht länger als fünfzehn Sekunden dauernd, nicht wirklich schwer. Cal reagierte darauf nicht mit unvernünftigem Schrecken. Vielleicht bedeutete diese kleine Erschütterung nichts - aber sie konnte das Vorspiel zu einem viel heftigeren Ansturm sein.

Veg und Aquilon befanden sich auf der Insel, gestrandet, bis sie ein zweites Floß bauen konnten. Sicherlich würden sie nicht den Versuch unternehmen, während der Hitze des Tages zum Festland hinüberzuschwimmen; die Karnivoren des Wassers und des Ufers verboten dies. Aber natürlich gab es keine Sicherheit vor einem Erdbeben. Sie waren auf der Insel genauso sicher wie woanders. Vielleicht sicherer, wenn man die großen Landräuber berücksichtigte, die durch die Erschütterungen mit Gewißheit in Wut gerieten.

Er konnte zurückkehren, aber das würde ihr zwischenmenschliches Dilemma nicht lösen. Die Argumente waren ausgetauscht, die Standpunkte bezogen worden. Am besten war es, so fortzufahren, wie er es geplant hatte.

In der Ferne, in der Enge zwischen den Inseln, die Aquilon Scylla und Charybdis getauft hatte, nahm er tierische Aktivitäten wahr. Die Wasserbewohner waren in der Tat durch das Beben aufgeschreckt worden und wimmelten hin und her; sie versuchten zu fliehen oder anzugreifen, waren aber nicht imstande, den Grund herauszufinden. Cal beschloß, sich von ihnen fernzuhalten. Die meisten waren viel kleiner als Brachiosaurus, aber viele waren auch räuberischer, und selbst ein her- bivorischer Dinosaurier war im Alarmzustand gefährlich, wie das zerschmetterte Boot bezeugte.

Gewaltige Pteranodonten segelten in den Himmel, als einzige Kreaturen nicht betroffen. Nein - als er sie beobachtete, änderten die geflügelten Reptilien en masse den Kurs. Der Wind hatte sich gedreht, als sei er durch das Beben beeinflußt worden.

Das bedeutete Ärger auch für ihn. Er war bisher unter einem guten Stern gereist, aber jede Änderung des Windes würde schlecht für ihn sein.

Er löste das Segel und begann es einzuholen. Jetzt war seine mangelnde Körperkraft kritisch, denn was bei Veg leicht ausgesehen hatte, war eine gewaltige Belastung seines Kräftehaushalts. Das gespannte Segel setzte seinen Bemühungen Widerstand entgegen.

Dann machte sich die Winddrehung bemerkbar. Das Segel flatterte heftig, als es fast im rechten Winkel getroffen wurde, und das Floß fing an, sich zu wenden. Cal wußte, wie er das Segel stellen und das Ruder einsetzen mußte, um gegen den Wind zu kreuzen, aber er wußte auch, daß er weder die Beweglichkeit noch die Kraft besaß, die erforderlichen koordinierten Maßnahmen durchzuführen. Ein plumpes Floß zu segeln war bestenfalls eine Sache für zwei Leute, und Kreuzen machte Muskelkraft notwendig.

Er machte das zweitbeste. Er wendete die Nacre um fünfundvierzig Grad und nahm Kurs nach Nordwesten statt nach Westen. Das würde ihn zu früh an Land bringen, schien aber der sicherste Weg zu sein. Die Mantas hockten auf dem Kabinendach, unfähig zu helfen, oder Ratschläge zu erteilen.

Viel zu schnell näherte sich die Nacre dem Ufer. Dies war die sumpfige Gegend, wo bestimmte Klassen von Schnabeltieren umherstreiften, aber gegenwärtig ließen sich keine blicken. Auch gut. Sie waren dem Menschen nicht feindlich, würden aber auf ein heranstürmendes Floß unvorhersehbar reagiert haben.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, das Segel einzuholen, aber die Leine war immer noch gespannt. Die Nacre trieb unaufhaltsam auf die Uferbank zu und zog einen fetzenden Kurs durch die Wasserpflanzen.

Die Mantas tauchten seitlich weg. Das tat Cal auch.

Er schlug auf einem Polster weicher Pflanzen auf und bekam den Mund voll warmes, schleimiges, aber nicht salziges Wasser, bevor er mit Händen und Füßen den schlammigen Boden fand.

Die Tiefe betrug hier ungefähr einen knappen Meter.

Die Nacre pflügte weiter, abgebremst durch das dichter werdende Gesträuch. Dann bohrte sich der Kiel in etwas Solideres als Schlamm des Grundes, und das ganze Ding kam zu einem knirschenden Halt, wobei es sich nur für einen Augenblick aufbäumte und Schlagseite bekam. Das verklemmte Seil entspannte sich, und das Segel fiel geräuschvoll aufs Deck, befreite das Floß aus der Gewalt des Winds.

Cal hatte sein Tauchmanöver ganz umsonst gemacht.

Er watete heran und suchte den primitiven Anker. Dieser .mochte gegen einen starken Wind vom Land her nicht ausreichen, aber wiederum gab es nichts Besseres, was er tun konnte. Er würde die Nacre verlassen und darauf hoffen müssen, daß sie für einen oder zwei Tage sicher liegenblieb, bis er zurückkehren konnte. Wenigstens war er auf der richtigen Seite des Flusses.

Er lud sich einen kleinen Packen auf, in dem er gerade gut genug gebackene Fische für einen Tag mitnahm, da er darauf hoffte, in Lager Zwei Vorräte aufzunehmen. Er wäre töricht, sich auf diesem leichtesten Stück seiner Reise vorzeitig zu erschöpfen. Einem Nachgedanken folgend, nahm er auch noch seinen Knüppel an sich.

Es war jetzt früher Nachmittag, und er wußte, daß er vor der Dunkelheit die dreißig Kilometer nicht schaffen konnte, die der Kompaß anzeigte. Er würde seine Kräfte einteilen und den Weg etappenweise zurücklegen müssen. Zeit war so entscheidend wie Überleben.

Er zog den ganzen Nachmittag durch den Morast und legte öfter Pausen ein, als er eigentlich mußte. Seine Kraft war gegenwärtig sein kostbarster Besitz, und er hütete sie eifersüchtig. Die Mantas blieben bei ihm, obwohl sie wohl allein glücklicher gewesen wären; augenscheinlich sorgten sie sich um seine Sicherheit. Als die Dämmerung anbrach, hatte er höheres Gelände erreicht. Er warf sich nieder, mit geschlossenen Augen, ohne sich anfänglich um eine ordentliche Schlafunterlage zu kümmern.

Veg hätte diese Entfernung binnen einer Stunde zurücklegen können, das wußte er. Aber für Cal war es ein Sieg, denn ein Jahr zuvor hätte er kein Zehntel der Strecke geschafft. Er war zäher, als er es in den letzten zehn Jahren gewesen war, . und empfand einen ganz persönlichen Stolz.

Aber noch immer sah er seine Erfolgsaussichten unter fünfzig Prozent.

Er aß einen gesalzenen Fisch zum Frühstück und zog wieder los. Seine Beine waren steif, aber er fühlte sich stärker denn je. Dies war das erste Mal seit vielen Jahren, daß er allein unterwegs war, und die Feststellung, wie gut es ging, erfreute ihn. Auf diesem festen Terrain kam er viel schneller voran.

Es gab mehr breitblättrige Laubbäume, als er zuerst vermutet hatte. Als er sie müßig zählte, fand er heraus, daß ein gutes Drittel der wesentlichen Gewächse vertrautes Hartholz war Buche, Birke, Ahorn, Esche, Ulme und so weiter. Obwohl die typische Kreidezeitflora vorherrschte, verschob sich das Gleichgewicht jetzt sogar zugunsten dieser neueren Arten. Das Land schritt, wie der Ozean, unaufhaltsam in die Periode des Känozoi- kums. Nur die Reptilien lebten noch fort. Um die Mittagszeit hatte er sich dem Lager bis auf acht Kilometer genähert. Der ausgeklügelte, entfernungsmessende Kompaß ließ ihn das wissen, denn er war auf Lager Zwei eingestellt. Er machte halt, um den letzten Fisch zu essen und ein paar Schluck Wasser aus einem kleinen, vom Regen gebildeten Teich zu trinken, und auch die Mantas schwärmten aus, um ihre Mahlzeit zu erlegen. Über die Ernährung machte er sich keine Sorgen; falls es erforderlich wurde, würden die Mantas gerne für ihn töten und ihm den Weg zu frischem Wasser zeigen. Er würde die Nacht in dem Anbau verbringen und dann versuchen, den Rückweg in einem weiteren Tag zu schaffen. Es würde natürlich viele dieser Wanderungen geben müssen, denn er konnte gleichzeitig nicht viel tragen, aber die Übung auf vertrautem Pfad sollte ihn für die kommende Hauptreise abhärten. Vielleicht konnte er ein Schleppnetz konstruieren und eine größere Last auf einmal transportieren. Er fühlte sich besser gerüstet, mit den Dingen fertig zu werden, als je zuvor.

Hex kam heran, mit dem Schwanz knallend. Ärger!

Ein räuberischer Dinosaurier hatte seine Spur aufgenommen und verfolgte ihn; Die Mantas hatten versucht, ihn abzulenken, aber er blieb beharrlich auf der einen Fährte. Deswegen waren sie so wachsam gewesen. Ein großer, verdeutlichte Hex: Tyrannosaurus Rex, König der Karnosaurier.

Natürlich konnte die Kreatur gestoppt werden. Die Mantas konnten sie stören und vermutlich blenden. Tyrannosaurus war viel größer als der Omnivore von Nacre, aber für den schnellen Manta nicht gefährlicher. Vier gegen einen.

»Greift ihn nicht an«, sagte Cal.

Hex verstand nicht.

»Die Welt dieser Kreatur steht auf dem Prüfstand. Wenn ich zum Funkgerät komme und meinen Bericht absende, werden meine Leute kommen und das biologische System vernichten, das jetzt besteht. Nicht auf einmal, aber im Lauf der Jahre, der Jahrhunderte, bis die einzigen noch übriggebliebenen Dinosaurier eingesperrt im Zoo sitzen; und dasselbe gilt für den überwiegenden Teil der paläozänischen Faune. Neuzeitliche Säugetiere werden eingeführt werden, um aggressiv mit den weniger entwickelten einheimischen zu konkurrieren, die Bäume werden gefällt werden, um Nutzholz und Papier daraus zu machen, und die Felsen werden wegen wertvoller Mineralien abgebaut werden. Also kämpft Tyrannosaurus für seine Welt, obwohl er es nicht auf diese Weise sieht. Wenn das Reptil mich besiegt, wird der Bericht nicht gemacht, und der Mensch wird nicht hierher kommen - wenigstens nicht ganz so früh. Wenn ich dem Reptil entkomme, werde ich, nach den unerbittlichen Gesetzen der Natur, das Recht erworben haben, ihn von Paläo zu verdrängen. Es ist ein Wettkampf zwischen uns, und der Preis ist diese Welt.«

Er hatte eine Erklärung abgegeben, die in ihrer Ganzheit zu verstehen wohl kaum von ihnen erwartet werden konnte, aber es schien besser zu sein, die Dinge nicht zu verwirren, indem er den Versuch unternahm, ein schwieriges Konzept zu vereinfachen. Die Mantas sollten begreifen, daß er ihr Eingreifen zu seinen Gunsten nicht wollte und daß er Gründe dafür hatte, die für seine Denkungsweise ausreichten. Das sollte genügen.

Die anderen Mantas kamen heran, und ein Dialog von Auge zu Auge schloß sich an. Würden sie es hinnehmen?

»Laßt mich Tyrann allein gegenübertreten«, wiederholte er. »Ihr beobachtet, schaltet euch aber nicht ein. Säugetier gegen Reptil, die ausgewählten Champions, einer gegen den anderen.«

Hex knallte einmal. Ja, sie akzeptierten es. Die Mantas verstanden das Ritual eines Zweikampfs.

Die vier breiteten sich seitlich aus und verschwanden

zwischen den Zykas. Cal war allein.

Aber nicht für lange. Anderthalb Kilometer hinter ihm kam der Gigant, schrecklich durch das Unterholz krachend.

Es war leicht gewesen, sich dem hinzuwenden, was für sein Verständnis notwendig war. Es würde nicht so einfach sein, die Konsequenzen dieser Entscheidung zu überleben. Er war für eine solche Auseinandersetzung kaum der beste Vertreter seiner Spezies oder Klasse. Aber so hatten es die Umstände ergeben, und er war bereit, den Urteilsspruch der Natur auf sich zu nehmen. Cal wartete an Ort und Stelle. Er wollte seinem Widersacher von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Es würde nicht gut für ihn sein, sich davonzustehlen, selbst wenn das Reptil dadurch in die Irre geführt würde. Er mußte Tyrann entgegentreten, mußte das Geschöpf wissen lassen, wer es herausforderte. Dann konnte er sich auf die Flucht begeben, wenn genug in ihm steckte, um sie zu bewerkstelligen.

Der Boden bebte, und das nicht auf Grund einer geologischen Erschütterung. Tyrannosaurus kam heran, ohne Finessen. Jeder Schritt brachte das Land zum Zittern, und das Krachen der Schößlinge wurde laut. Dies war die Krone reptilischer Raubtierentwicklung; keinen gewaltigeren Karnivoren hatte es je auf der Erde gegeben.

Die schlanken Farnbäume schwankten zur Seite, als ob sie bei den Ginkgos Trost suchen wollten. Ein entsetzter Vogel flog hoch. Zwischen den Palmwedeln schob sich ein klaffendes Kieferpaar hervor, fast fünf Meter über dem Boden. Dann kam er ganz ins Blickfeld: scheinbar nichts als Zähne und Beine, so hoch, daß ein Mann unter seinen Schenkeln und seinem Schwanz hindurchgehen konnte, ohne sich bücken zu müssen. Ein Gebrüll, wie es niemals aus der Kehle eines Säuge- tiers kommen sollte, erschütterte die Luft, und die kleinen, grausamen Augen starrten nach unten.

Tyrann war zur Stelle.