12. KAPITEL
Am Montagmorgen brachte LaBréa seine
Tochter zur Schule und versprach ihr, sie am Abend zusammen mit
Céline zum Essen auszuführen. Anschließend ging er in sein Büro am
Quai des Orfevres. Es war ein schöner Oktobertag mit sanftem Licht,
das über der Stadt schimmerte wie ein falsches Versprechen. Im
Radio hatten sie am Morgen gesagt, dass es im Lauf des Vormittags
erneut heftig regnen würde.
Auf den Seinebrücken und an den Quais herrschte der
übliche Berufsverkehr. LaBréa nahm den Weg über die Île St. Louis
und von dort aus zur Île de la Cite, wo sich der Justizpalast und
das Polizeipräsidium befanden. Auf der Seine tuckerte ein Boot der
Wasserpolizei. Die Trikolore am Heck sah nagelneu aus und flatterte
im Wind.
Wie meistens war der Paradiesvogel auch an diesem
Morgen als Erster im Büro. Er hatte bereits eine große Kanne Kaffee
in LaBréas Büro geschafft. Heute trug er eine knallrote Hose aus
Leder und einen schwarzen Pulli mit einem roten Smiley auf der
Brust.
Claudine war ebenfalls schon da und setzte sich zu
LaBréa an den Konferenztisch. Franck erschien als
Letzter und warf seine speckige Lederjacke über die Stuhllehne. Er
wirkte verschlafen und war wieder unrasiert. Als er Jean-Marcs
Outfit musterte, meinte er ironisch: »Wow, heute mal nicht im
Zebra- oder Blümchenlook! Rot und schwarz. Ist das nicht der Titel
eines berühmten Romans?«
Jean-Marc lächelte nachsichtig.
»Ach, Franck, lass es. Du weißt ja nicht mal, worum
es in Rot und Schwarz geht. Geschweige denn, wer es
geschrieben hat.«
»Natürlich weiß ich das. Aber ich muss es dir ja
nicht auf die Nase binden.«
Jean-Marc lachte, und Claudine schüttelte
schmunzelnd den Kopf.
LaBréa schlug mit der flachen Hand leicht auf die
Tischplatte.
»Schluss jetzt! An die Arbeit.«
Er berichtete seinen Mitarbeitern von den
Gesprächen mit der Concierge und der Besitzerin der Brûlerie sowie
von seinem Besuch im Paradis.
»Scheint ja der richtige Name für diesen Schuppen
zu sein«, bemerkte Franck und kratzte sich am unrasierten
Kinn.
LaBréa fragte ihn, was er in der Nachbarschaft der
beiden anderen Tatorte herausgefunden hatte.
»Tja, leider nicht viel«, erwiderte Franck und
unterdrückte ein Gähnen. »Sonntags ist so was schlecht. Da wollen
die Leute möglichst nicht gestört werden.«
»Warst du überhaupt dort?«, warf Claudine skeptisch
ein.
»Na klar, was denkst du denn!«Franck war empört.
»Also, ich fasse mal zusammen. Die Nachbarin, die diese ledige
Staatsbeamtin Annie Normand seinerzeit tot aufgefunden hat, ist aus
der Gegend weggezogen. Die konnte ich also nicht mehr fragen, ob
das Opfer an den Wochenenden in diese Tanzlokale ging. Aber da
bleib ich dran und such mir ihre neue Adresse im zentralen
Melderegister.«
»Und die anderen Nachbarn?«
»Die wussten es nicht. Bei der Krankenschwester am
Montmartre das Gleiche. Da hatte ich Mühe, dass mir überhaupt
jemand Auskunft gab. Die Leute sind heutzutage misstrauisch.«
»Vor allem, wenn man selbst wenig
vertrauenerweckend aussieht, Franck«, bemerkte Jean-Marc trocken.
»Die dachten sicher, dein Polizeiausweis ist gefälscht.«
Franck ignorierte die Bemerkung und fuhr
fort.
»Aber dann hatte ich doch noch Glück.« Er grinste.
»Ich hab die Nichte angerufen, die die Frau gefunden hatte. Und die
bestätigte mir, dass ihre Tante manchmal eines dieser Tanzlokale
aufgesucht hat.«
»Sagte sie, welches?«, fragte LaBréa.
»Nein, das wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass
es in der Nähe der Bastille lag. Die Tante sei immer mit der Metro
dorthin gefahren.«
»Dann kann es ja eigentlich nur das Paradis
sein, Chef«, meinte Claudine. LaBréa schüttelte den Kopf.
»Nicht unbedingt, Claudine. Rund um die Bastille
gibt es zwei oder drei solcher Lokale. Die sehen wir uns eins nach
dem anderen an.« Er wandte sich an Jean-Marc. »Haben Sie in den
Akten der beiden alten Fälle irgendwas Auffälliges gefunden?«
»Nein. Die Kollegen haben damals gründlich
gearbeitet. Sie haben natürlich die Bankangestellten und auch deren
Umfeld genau unter die Lupe genommen. Kein Hinweis darauf, dass
irgendjemand einen Insidertipp gegeben hat oder selbst in der Sache
drinsteckte. Im Fall der Krankenschwester Leonore Foures gab es mal
eine heiße Spur, Chef. War aber eine Sackgasse.«
»Was für eine Spur?«
»Sie führte zur Putzfrau des Opfers. Léonore Foures
hatte der Frau wenige Wochen zuvor gekündigt, weil sie angeblich
was von ihrem Schmuck geklaut hatte - was die Putzfrau seinerzeit
vehement bestritt. Die Sache kam zur Anzeige, und als die Frau dann
ermordet wurde, geriet die Putzfrau unter Verdacht. Zumal sie für
die Tatzeit kein Alibi vorweisen konnte. Aber da das Geld, das die
Frau abgehoben hatte, bei ihr nicht gefunden wurde und man ihr rein
gar nichts nachweisen konnte, war sie aus dem Schneider.«
»Wenn ich das richtig verstehe, gibt es da
nirgendwo einen Punkt, wo wir nachhaken könnten.«
»So ist es, Chef. Leider.«
»Gut. Wir machen Folgendes. Jean-Marc nimmt Kontakt
zum Geschäftsführer und zum Barkeeper des Paradis auf.
Bestellen Sie die beiden aufs Präsidium. Wir zeigen ihnen das Foto
von Griseldis Geminard, dann sehen wir weiter. Halten Sie auch die
Fotos der beiden anderen Frauen bereit, Jean-Marc. Und Sie, Franck,
gehen ab Mittwochabend undercover ins Paradis. Montags und
dienstags ist das Lokal geschlossen.«
Jean-Marc feixte.
»Das passt ja! So wie Sie dieses Trio von letzter
Nacht beschrieben haben, Chef, könnte Franck glatt den vierten Mann
spielen. Wie beim Bridge.«
»Ich kann aber nicht tanzen«, wandte Franck ein.
Ihm war anzusehen, wie unbehaglich er sich fühlte.
»Das lernt man schnell«, sagte Claudine und
zwinkerte Jean-Marc zu. »Ich zeig dir in der Mittagspause ein paar
Grundschritte, wenn du willst.«
Genervt winkte Franck ab und schnitt eine
Grimasse.
»Kauf dir im Secondhandladen einen Anzug, und von
mir kannst du eine Tube Haargel bekommen.« Der Paradiesvogel
grinste boshaft.
»Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie sich dort
ausgiebig auf der Tanzfläche tummeln«, beruhigte LaBrea seinen
Mitarbeiter. »Sie sollen hauptsächlich die Augen offen halten und
beobachten, was da so läuft. Welche Männer verkehren dort? Verhält
sich jemand
auffällig? Das Übliche eben. Und sehen Sie zu, dass der
Geschäftsführer und der Barkeeper Sie nicht zu Gesicht bekommen,
wenn wir die beiden vorladen.«
»Keine Sorge, Chef. Bin ja schließlich kein
Anfänger.« Die letzte Bemerkung klang beinahe beleidigt.
LaBréa wandte sich an Claudine: »Schon was Neues
bezüglich dieser Augustine Geminard?«
»Nicht wirklich. Ich habe meinem Mann von der Sache
erzählt. Vor Jahren hat er in Moskau mal einen Kollegen aus den USA
getroffen und sich mit ihm angefreundet. Sie waren beide mit ihren
Chefs beim G8-Gipfel. Mein Mann als Bodyguard des Präsidenten, der
Amerikaner als Bewacher von Bush. Er heißt Bill Waters. Ab und zu
schicken er und mein Mann sich eine Mail. Bill arbeitet seit einem
Jahr beim FBI, in der Abteilung Vermisste Personen.«
LaBréa stutzte. Ihm war das Gespräch mit Jenny über
den Fernsehkrimi eingefallen.
»Vermisste Personen? Gibt es da nicht so eine
amerikanische Krimiserie, die solche Fälle zeigt? Meine Tochter hat
so was erwähnt.«
»Ja, verschwunden«, sagte Jean-Marc.
»Normalerweise sehe ich mir so was ja nicht an, aber die Serie ist
echt gut.«
Claudine fuhr in ihrem Bericht fort.
»Mein Mann hat Bill Waters gestern eine Mail
geschickt und gefragt, wie man herausbekommen könnte, wo Augustine
Geminard in den USA wohnt und ob
sie noch am Leben ist. Am Abend kam seine Antwort.«
Gespannt sah LaBréa seine Mitarbeiterin an.
»Es gibt mehrere Möglichkeiten, meint Bill. Er kann
in den Datenbanken der vermissten Personen nachforschen, und zwar
in sämtlichen Bundesstaaten. Dann gibt es noch eine zentrale
Datenbank für ungeklärte Todesfälle, Mordfälle und Selbstmorde. Er
wollte ein Foto von Augustine. Die Kollegen der Spurensicherung
hatten ja die Fotos aus der Wohnung von Griseldis Geminard zur
Untersuchung im Labor. Heute früh hab ich mir die Aufnahme, auf der
Augustine als junge Frau zu sehen ist, von drüben geholt,
eingescannt und gleich an Bill gemailt. Er meldet sich, sobald er
alles gecheckt hat.«
LaBréa nickte anerkennend.
»Danke, Claudine, gute Arbeit.«
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte.
LaBrea stand auf und nahm den Hörer ab. Es war Gilles, der Leiter
der Spurensicherung.
»Ich hab zwei interessante Sachen für Sie,
Commissaire.«
»Moment, ich stelle auf ›Mithören‹.«
»Erstens: Wir haben das Resultat der DNA-Analyse
der fremden Hautzellen auf dem Seidenschal des Opfers. Es ist die
DNA eines männlichen Täters, wie das Y-Chromosom beweist.«
»Das also wenigstens steht fest«, meinte
LaBréa.
»Aber jetzt kommt’s: Diese DNA ist identisch mit
der DNA, die 2003 am Tatort von Annie Normand sichergestellt
wurde.«
»Tatsächlich? Dann war es ein und derselbe Täter.
Das hatten wir bereits vermutet.«
»Zweitens: Am Sonnabendmorgen wurde auf dem Gelände
der Gare de Lyon eine skelettierte Leiche gefunden.«
LaBréa warf Franck einen kurzen Blick zu und fragte
Gilles: »Mit halb zertrümmertem Schädel? Franck hat mir vorgestern
davon erzählt.«
»Es war Mord, und die Sache ist nicht
verjährt.«
»Weiß man schon, um wen es sich handelt?«
»Nein. Keinerlei Hinweis auf die Identität. Im
Institut für Forensische Osteologie haben sie übers Wochenende die
Knochen untersucht. Dr. Foucart war auch dabei. Sie ist gerade bei
mir. Können wir rüberkommen?«
»Ja, natürlich! Also, bis gleich«, erwiderte LaBréa
und legte auf.
Minuten später betraten Gilles und Brigitte Foucart
LaBréas Büro. Die Gerichtsmedizinerin war wie immer elegant
gekleidet und dezent geschminkt.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich in der
forensischen Osteologie auskennst«, sagte LaBréa zur Begrüßung
erstaunt.
»Sozusagen ein Hobby von mir«, erwiderte Brigitte
trocken und zeigte ein kleines Lächeln. Dann begann sie ohne
Umschweife mit ihrem Bericht.
»Am Kopf des Skeletts sind schwere Verletzungen zu
erkennen, die von einem stumpfen Gegenstand herrühren. Ich tippe
auf eine Eisenstange oder einen dicken Holzknüppel. Die
Schädeldecke wies gleich mehrere Frakturen auf.«
»Seit wann lag der Leichnam auf dem Bahngelände?«,
fragte LaBréa.
»Seit etwa sechs bis sieben Jahren. Demnach war in
diesem Zeitraum vermutlich auch der Todeszeitpunkt.«
»Ist es ein Mann oder eine Frau?«, wollte Claudine
wissen.
»Eine Frau. Sie war etwa dreißig bis fündunddreißig
Jahre alt. Anhand der Femurknochen haben wir festgestellt, dass sie
ziemlich groß war. Und wir wissen, dass diese Frau einmal geboren
hat.«
»Wie und wo kann man so etwas an einem Skelett denn
nachweisen?« Erstaunt zog LaBréa die Augenbrauen hoch.
»Am Becken, Maurice. Zunächst kann man anhand der
Beckenform sehen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.
Bekanntlich ist das weibliche Becken breiter als das
männliche.
Zudem ist die Symphysenfläche des Beckens bei
Frauen, die noch keine Kinder zur Welt gebracht haben, an der
Innenseite glatt. Wir haben diese Seite der Schambeinfuge, der
Symphyse, der Unbekannten genauestens untersucht und eine
Vertiefung festgestellt.
Diese Vertiefung ist ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die
Frau einmal geboren hat. Gäbe es dort zwei Vertiefungen, hätte sie
zweimal geboren. Und so weiter. Ich erspare dir die medizinischen
Einzelheiten, wie es zu diesen Vertiefungen kommt. Nur so viel: Sie
haben mit dem Vorgang der Geburt zu tun.«
»Ich bin beeindruckt, Brigitte.« LaBréa strich sich
mit der Hand übers Kinn.
»Aber was anderes: Sag, ist es normal, dass ein
Leichnam nach solch einem doch relativ kurzen Zeitraum von circa
acht bis zehn Jahren völlig skelettiert?«
Die Gerichtsmedizinerin räusperte sich.
»Zunächst einmal: Die Faustregel lautet, je flacher
die Leiche liegt, desto schneller kommt es zur Skelettierung. Und
im Fall der Unbekannten von der Gare de Lyon ist zu sagen, dass sie
nur oberflächlich verscharrt wurde. Sie lag in der Nähe eines
stillgelegten Stellwerks, bedeckt von einer Schicht
Schottersteinen. An den Beckenknochen fanden wir noch Reste von
Kleidung. Die werden im Moment zwar noch untersucht, aber es sieht
nach Resten von Unterwäsche aus. Ein sehr feines Gewebe,
keinesfalls von normaler Oberbekleidung. Im Lauf des Tages weiß ich
mehr.«
»Und Schmuck? Wurde ein Ehering gefunden, andere
Schmuckstücke?«
»Nichts.«
»Ich würde mir gern die Fotos ansehen, die vom
Skelett gemacht wurden.«
»Kein Problem. Ich schicke sie auf deinen
Rechner.«
»Hast du auch eine Skizze vom Fundort des
Skeletts?«
»Natürlich. Auch die maile ich dir rüber.«
»Bist du ganz sicher, dass bei den Verletzungen an
der Schädeldecke Fremdeinwirkung vorlag, dass es definitiv kein
Unfall war?«
»Absolut sicher, Maurice. Nach den Verletzungen zu
urteilen, die das Opfer davongetragen hat, wurde ihm von hinten
mehrfach auf den Schädel geschlagen. Wuchtige Schläge. Von
jemandem, bei dem Kraft und Wut eine tödlichen Verbindung
eingingen. Die Frau wurde, anders lässt es sich nicht beschreiben,
wie ein räudiger Hund erschlagen. Wenn die Stoffreste analysiert
sind, bekommst du den vollständigen Bericht.«
»Was meinst du, sind Tatort und Fundort
identisch?«
»Schwer zu sagen. Nach so langer Zeit sind die
Spuren kaum noch zu verwerten.«
Erneut ergriff Gilles das Wort.
»Unsere Techniker haben den Fundort penibel
abgesucht und keine eindeutigen Hinweise nach der einen oder
anderen Seite gefunden. Die Frage muss vorerst offenbleiben.«
Es entstand eine kleine Pause. Dann ergriff
Brigitte wieder das Wort.
»Noch eine Bemerkung zum Gebiss der skelettierten
Leiche. Die Frau ist Mitteleuropäerin. Typisch für
Europäer ist nämlich der schmale Gaumenbogen, der zur Engstellung
des Gebisses führt. Die Schneidezähne im Oberkiefer sind
meißelförmig, nicht schaufelförmig, wie zum Beispiel bei
Afrikanern. Ansonsten war das Gebiss in schlechtem Zustand, was für
eine Mittdreißigerin ungewöhnlich ist und auf ihren sozialen Status
schließen lassen könnte.«
»Du meinst, dass sie zu wenig Geld hatte, um ihr
Gebiss in Ordnung zu halten?«
»So ist es. Schlechte Zähne sind häufig ein Zeichen
für schlechte Ernährung und frühe allgemeine körperliche
Vernachlässigung infolge knapper Geldmittel und Nachlässigkeit
seitens der Eltern.«
»Wir recherchieren in den Zahnarztpraxen, ob
irgendwo einmal ein Abdruck ihrer Zähne gemacht wurde. Dann hätten
wir ihre Identität.«
»Und wir versuchen, ob wir nach all den Jahren noch
DNA isolieren können.«
»Franck, Sie nehmen sich die Vermisstenfälle von
damals vor«, ordnete LaBréa an, nachdem Dr. Foucart und Gilles das
Büro wieder verlassen hatten. »Und zwar für den Zeitraum 2000 bis
2004. Und ich sehe mich nachher mal am Fundort des Skeletts
um.«
»Ich denke, ich soll diesen Tanzschuppen
observieren?«
»Ja, aber nur abends und erst ab übermorgen. Falls
das bis dahin überhaupt noch notwendig sein sollte.
Vielleicht kommen wir schneller ans Ziel, als wir denken.«
»Hoffentlich«, murmelte Franck.
»Claudine hilft Ihnen bei den Vermisstenfällen. Die
Tote von der Gare de Lyon hatte einen Namen, eine Adresse, kurz:
eine Identität, und die gilt es herauszufinden. Und Sie, Jean-Marc,
machen weiter mit dem Fall Griseldis Geminard. Bringen Sie mir
innerhalb der nächsten Stunden die beiden Herren vom Paradis
hierher. Claudine, Sie bleiben an Augustine Geminard dran, bis wir
diesbezüglich eine eindeutige Klärung haben.«
Nachdem seine Mitarbeiter das Büro verlassen
hatten, wählte LaBréa die Nummer von Ermittlungsrichter Couperin.
Sie verabredeten sich zum Mittagessen. Es wurde Zeit, dass LaBréa
ihn über den Stand der Dinge unterrichtete.
Als er gleich darauf im Sekretariat von Direktor
Thibon anrief, teilte ihm dessen Sekretärin mit, dass ihr Chef
einen dringenden Termin beim Polizeipräfekten habe.
»Wann kommt er denn wieder?«, wollte LaBréa
wissen.
»Oh, nicht vor halb drei. Ist es dringend?«
»Na ja, Mademoiselle, es gibt einige neue
Erkenntnisse. Und ich möchte vermeiden, dass er sich wieder
beschwert, ich würde ihn nicht auf dem Laufenden halten.«
»Versuchen Sie’s einfach nochmal nach drei. Da ist
er bestimmt zurück.«
Von wegen Termin beim Polizeipräfekten, dachte
LaBréa. Jeder in der Abteilung wusste, dass Roland Thibon eine
Geliebte hatte, die er vorzugsweise über die Mittagszeit besuchte.
Franck hatte die beiden sogar einmal gesehen, als sie an der Place
Vendôme in ein Edelrestaurant einkehrten.
»Blond, Superfigur, mit allem Drum und Dran.« So
hatte Franck sie beschrieben und hinzugefügt: »Die würde ich auch
nicht von der Bettkante schubsen.«