Kapitel 17
Während der Fahrt öffnete Roz den Gürtel seines Staubmantels und überprüfte seine Ausrüstung.
Das Klappern von Metall sagte mir, dass er gut bewaffnet war. »Pflöcke, haben wir. Nunchakus, haben wir. Blasrohr und Pfeile, haben wir. Micro-Uzi, haben wir. Dolche, haben wir... «
»Moment, nicht so stürmisch, Tiger. Sagtest du Uzi?« Ich blickte zu ihm hinüber, und tatsächlich hielt er etwas hoch, das aussah wie ein Mini-Maschinengewehr. Was zum Teufel tat ein Incubus mit einer Maschinenpistole? Einer richtig fiesen Maschinenpistole? »Wo hast du die denn her?«
»Ich habe meine Quellen«, erwiderte er. »Aber das Ding wird uns gegen Vampire nichts nützen.« Er schob sie zurück in das Schulterholster und hielt stattdessen eine Auswahl an Pflöcken hoch. »Nein, das hier, diese Babys brauchen wir heute Nacht. Ach, übrigens, ich habe auch noch ein paar Silberketten und Binde-Talismane dabei... Und was haben wir da noch... « Er zog seine Tasche auf den Schoß und wühlte darin herum, während ich mich bemühte, den Blick auf die Straße gerichtet zu halten.
»Du hast ja ein wahres Arsenal da drin. Ich würde immer noch gern erfahren, warum Königin Asteria dich zu uns geschickt hat«, bemerkte ich.
»Tja, es gibt eine Menge Dinge, die ich auch gern wüsste«, erwiderte er. »Aber sie hat es getan, also nimm meine Hilfe doch einfach an.«
»Weiß sie denn, was du da mit dir rumschleppst?«
»Ja, keine Sorge.« Er zog den Reißverschluss der Sporttasche zu und legte seinen Gürtel ab, so dass der Mantel offen hing und er schnell an seine Waffen kam.
Ich musterte unauffällig seine hautenge schwarze Lederhose, das Muskelshirt aus Netzstoff, das sich über den klar definierten Brustmuskeln spannte, und die schimmernde Haut unter seiner Kleidung. Sein Bauch glänzte wie poliert unter dem Netzstoff. Etwas knipste sich in mir an, als hätte jemand auf einen Lichtschalter gedrückt, und ich richtete den Blick hastig wieder auf die Straße. Genug von dem Unsinn.
Er begegnete meinem Blick mit einem dreisten Grinsen. »Gefällt dir, was du siehst?«
»Das will ich nicht gehört haben. Wir sind unterwegs, um Erin zu retten. Sonst läuft hier gar nichts.«
»Wie du meinst.« Er zuckte freundschaftlich mit den Schultern. »Aber dir ist bewusst, dass eure Freundin vielleicht... «
»Tot ist? Oder Schlimmeres? Ja, das ist mir bewusst. Camille und Delilah auch, aber wir können sie nicht einfach abschreiben. Wenn noch irgendeine Chance besteht, dass wir sie retten können, dann müssen wir es versuchen.« Ich bog links auf die Aurora Avenue ab und fuhr in Richtung Süden weiter.
»Irgendetwas an dir ist anders«, sagte Roz und betrachtete mich neugierig. »Du hast dich verändert. Deine Angst ist weg. Willst du darüber reden?«
»Nein«, sagte ich. »Will ich nicht. Du brauchst nur zu wissen, dass ich jetzt gegen Dredge kämpfen kann und eine Chance habe, ihn zu besiegen. Das hätte ich vorher nicht gekonnt, aber jetzt... kann ich es versuchen.«
»Hm«, war alles, was er dazu sagte, aber ich wusste, dass die Sache damit noch nicht beendet war. »Bieg da vorn links ab. Und an der zweiten Querstraße wieder links. Wir können uns auf den Parkplatz stellen, das Nest unserer Neulinge ist nicht weit.«
Ich fuhr voran, und Camille und Delilah folgten mir. Wir rollten durch die dunklen Straßen der Stadt. Die Eiseskälte hatte immer noch nicht nachgelassen, und mich traf eine Erkenntnis wie ein Schlag: Loki – Loki hielt Dredges Seele in Händen. »Manche sagen, die Welt endet in Feuer, manche sagen, in Eis... «
»Wie bitte?« Roz warf mir einen verwunderten Blick zu.
»Das ist aus einem Gedicht, das Camille mir mal vorgelesen hat. Feuer und Eis... der ungewöhnlich harte Winter... Loki und Dredge – verstehst du denn nicht, Dredge ist an Loki gebunden, den Herrn des Chaos. Und als er in die Erdwelt kam, hat er dessen Energie mit hierhergebracht und diesen unnatürlichen Winter. Der viele Schnee – das alles liegt an der unglaublichen Macht, die Loki Dredge verliehen hat!«
»Wovon sprichst du? Was soll das heißen, Loki und Dredge?«
Ich seufzte genervt. »Ich habe herausgefunden, dass Dredge direkt mit Loki verbunden ist. Irgendwie hat Loki ihn erschaffen, er ist Dredges Meister, und Dredge ist zu einem Kanal für den Halbgott geworden. Das ist einer der Gründe, weshalb er so verdammt mächtig ist. Loki hängt sich einfach dran, mit Fenris, seinem verdammten Wolfssohn, und die beiden tun ihr Möglichstes, Chaos und Zerstörung in der Welt zu verbreiten. Was wiederum bedeutet, dass Loki vielleicht versucht, Dredge zu benutzen – um sein eigenes kleines Ragnarök einzuleiten. Wir hatten hier einen unnatürlich kalten und schneereichen Winter. Rate mal, wer hier angekommen ist, so um die Zeit herum, als das anfing?«
Roz richtete sich auf. »Dredge und Loki sind verbunden? Loki ist ein Vampir?«
»Vielleicht nicht direkt, aber ja, auf gewisse Weise schon. Jedenfalls Vampir genug, um Dredge zu einem zu machen.« Ich wusste nicht, wie ich das erklären sollte, weil ich nicht sicher war, ob ich es selbst ganz richtig verstanden hatte. »So ist es... glaub mir einfach.«
»Wie hast du das herausgefunden? Heilige Scheiße, damit ist er noch wesentlich gefährlicher, als ich dachte. Kein Wunder, dass er so viele Jahre lang mit seinen Untaten durchgekommen ist.«
»Frag mich nicht, woher ich das weiß, denn im Moment will ich nicht daran denken.« Ich zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Ich habe mich von ihm abgetrennt, Roz. Ich habe die Zeremonie vollzogen und mich von meinem Meister losgesagt.«
Ein paar einfache Worte, aber Roz schnappte sichtlich schockiert nach Luft. »Menolly, bist du dir darüber im Klaren, was du da getan hast?«
»Voll und ganz. Wie gesagt, frag mich nicht danach. Ich will nicht darüber reden, was es mich gekostet hat, mich von ihm zu befreien.«
»Na, verdammt will ich sein. Du hast wirklich Mut, das muss ich dir lassen. Dir ist doch klar, dass du die absolute Grundregel deiner Art gebrochen hast?«
Achselzuckend bog ich auf den Parkplatz ein, schaltete den Motor aus und tätschelte das Armaturenbrett. »Und du glaubst, das wäre mir irgendwie wichtig?«
Er lachte auf. »Nein, ich sehe dir an, dass es dir egal ist.« Er schaute aus dem Fenster. »Da kommen die anderen. Gehen wir ein paar Blutsauger umbringen.«
Als er aus dem Wagen stieg, erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht. So groß, dunkel und zwielichtig er auch sein mochte, er hatte eine Scheißangst. Die neue Bedrohung – Loki – oder die Tatsache, dass ich Dredge verraten und mich gegen meinen Meister gewandt hatte, hatte Roz in Aufruhr versetzt. Als wir uns dem Gehweg näherten, hielten die anderen neben uns. Roz teilte Pflöcke aus. Ich schob meinen durch den Gürtel.
Wir gingen über die Wiese, abseits des Pfades auf ein Wäldchen aus Tannen und Weiden zu. Ich ging ein Stück voraus und versuchte, Untote aufzuspüren, die sich in der Nähe aufhalten mochten. Als wir uns dem Rand des Wäldchens näherten, kroch mir ein Kribbeln den Rücken hoch.
»Wir sind ganz in der Nähe«, flüsterte ich. »Entweder ist ihr Nest nicht besonders gut versteckt, oder jemand macht gerade einen kleinen Abendspaziergang.«
Camille und Delilah teilten sich auf und bildeten mit Chase und Morio einen Halbkreis. Camille hob eine Hand gen Himmel, während Delilah die Augen schloss und schnupperte. Chase und Morio gaben uns Rückendeckung, während Roz und ich das Gebiet unmittelbar vor uns absuchten.
Gleich darauf ließ Camille die Hand sinken. »Die Mondmutter singt heute Abend. Sie sagt, wir müssten unter den Bäumen sehr vorsichtig sein. Irgendetwas hat sie in Aufruhr versetzt, sie sind kampfbereit. Sie dienen als Wächter für ein Geschöpf, das uns Böses will.«
»Ich rieche Dryade. Wollen wir wetten, dass Wisteria hier irgendwo lauert und ein paar ihrer Kumpel aufgehetzt hat?« Delilah zog mit der Rechten ihr langes silbernes Messer und ließ die Klinge hervorschnellen, die an ihrem linken Handgelenk befestigt war. »Ich bin bereit.«
»Wir gehen da rein und räumen das Nest aus. Um Dredge kümmern wir uns, wenn wir die Sauerei hier beseitigt haben. Und denkt daran – wir gehen in die Offensive. Wisteria hat es in sich, aber wenn wir mit allem, was wir haben, da reingehen, können wir sie ausschalten.« Ich ging los, Roz an meiner Seite. Die anderen folgten uns. Chase und Delilah taten sich zusammen und bewachten Camille und Morio, die irgendwelche Magie bereitmachten.
Als wir das Wäldchen betraten, kündigte ein lautes Rascheln Gesellschaft an. Ein paar hochgewachsene Farne teilten sich, und drei Floreaden sprangen hervor, Wisteria in der Mitte.
»Nein, so etwas, wenn das nicht meine hübschen Geiselnehmer vom letzten Mal sind«, sagte sie. »Zu spät, Mädels. Jetzt seid ihr in unserem Revier.« Sie sah mich dabei an und grinste hämisch.
»Immer noch so eingebildet, wie ich sehe.« Ich gab Roz ein Zeichen, und wir traten beiseite, um Camille und Morio vorzulassen.
Wisteria und ihre Freundinnen packten sich bei den Händen. Eine kleine Woge aus Ranken kroch aus dem Unterholz auf uns zu, und die Dornen sahen so hässlich aus, dass ich mich wirklich nicht darin verfangen wollte. Camille starrte auf die Ranken und lachte.
»Ist das alles, was ihr habt?« Sie nahm Morios Hand, und die beiden ließen eine Anrufung los, die von den Bäumen widerhallte. Ein silbriger Blitz zuckte auf, und die Dornenranken gefroren und zersplitterten dann wie eine Eisskulptur unter einem Hammer.
Wisteria brüllte. Während ihre Freundinnen vorwärtsstürmten, bereit zum Kampf, streckte sie selbst die Hände aus, und Ranken schossen wie langbeinige Spinnen aus ihren Fingerspitzen. Die Schlingpflanzen schlossen sich um Camille, pressten ihr die Arme an die Seite und hüllten sie in ein grünes Netz.
Morio zielte auf Wisteria. »Fuchsfeuer!« Er feuerte eine Lichtkugel direkt auf ihre Augen ab, und als die Kugel traf, explodierte sie mit einem gleißenden Lichtblitz.
Wisteria kreischte, doch schon wand sich Delilah durch das Gewirr aus Ranken. Noch ehe die Floreade aus der Reichweite der immer noch glühenden Lichtkugel gelangen konnte, ließ Delilah ihr Messer mit aller Kraft auf Wisterias Brust herabsausen und versenkte die Klinge tief in ihrem Fleisch.
»Fickt euch!«, japste Wisteria und taumelte auf mich zu.
Ich machte einen Satz und landete an ihrer Seite. Mit einer einzigen Bewegung packte ich ihr Haar und riss ihr so blitzartig und kraftvoll den Kopf zurück, dass ich sofort ihre Knochen brechen hörte. Als ich sie losließ, fiel sie schlaff zu Boden. Der Kampfeslärm hinter mir brach abrupt ab, und als ich mich umdrehte, rannten die beiden anderen Floreaden in wilder Flucht auf den Parkplatz zu.
»Sollen wir ihnen folgen?«, fragte Delilah.
Ich sah ihnen nach. Sie liefen auf das Dickicht hinter dem Parkplatz zu. »Lasst sie. Nehmen wir uns die Neugeborenen vor. Aber erst will ich dafür sorgen, dass dieses Miststück ganz sicher nie wieder aufsteht. Hat jemand Feuer?«
Roz holte eine kleine, runde Kugel aus der Tasche. »Zurücktreten.«
»Das Feuer wird sich doch nicht ausbreiten und den Tieren schaden, oder?«, fragte Delilah.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist magisch. Brennt nur ein paar Sekunden und kann sich auch nicht weiter ausbreiten. Jetzt weg mit euch.«
Wir traten zurück, er zog eine Art Siegel von der Kugel ab und warf sie auf Wisterias Brust. Eine Stichflamme schoss hoch, und ihr Körper brannte lichterloh, so grell, dass mir die Augen schmerzten. Ein paar Sekunden später verblasste das Licht. Alles, was von unserer kleinen Unruhestifterin übrig war, war ein Häufchen Asche.
»Ich will auch solche Feuerbomben!«, sagte Delilah.
Roz schnaubte. »Als würde ich dir welche abgeben.«
»Was hast du denn sonst noch so für Überraschungen unter deinem Mantel?«, fragte Camille, rückte dicht an ihn heran und lugte unter seinen Mantel.
»Wenn du das wissen willst, Süße, bin ich jederzeit gern bereit, dir einen Eindruck davon zu geben, was ich da noch so drunter habe.« Roz’ Stimme floss wie Seide, und er sah Camille mit einem wahren Schlafzimmerblick an. »Willst du mir jetzt deines zeigen?«
»Das reicht. Los jetzt.« Ich ging voran.
Wir verließen das Wäldchen, und Camille hob noch einmal die Hand. »Die Weiden sind jetzt still. Wisteria war diejenige, die sie aufgehetzt hat. Sie beobachten uns nur noch. Weiter nichts.«
Das Unterholz wurde von einem Pfad unterbrochen, der vom Gehweg aus nicht zu sehen gewesen war. Zweifellos hatten sich die Vampire eine Menge Mühe gemacht, einen für gewöhnliche Passanten unsichtbaren Weg anzulegen. Schneebedeckte Heidelbeeren und Farne schimmerten im dunklen Wald, und leises Rascheln verkündete die Gegenwart von Eichhörnchen und nachtaktiven Tieren, die am Rande des Zoos lebten.
»Hier entlang«, sagte ich. Ich konnte einen Hauch von Vampirgeruch im Wind wahrnehmen. Alle Vampire hatten einen bestimmten Geruch. Nicht ganz Fäulnis, nicht ganz Parfüm – wir rochen nach Friedhofserde, alten Knochen und Lilien, nach Eiben und einem vagen Versprechen der Leidenschaft. Ein Vampir konnte einen anderen Vampir immer riechen, was bedeutete: Wenn die Neulinge nahe genug und wachsam genug waren, wussten sie, dass ich auf dem Weg zu ihnen war.
Während wir durchs Gebüsch eilten, tippte Camille mir auf die Schulter. »Da drüben – siehst du das?«
Ich starrte angestrengt in die Dunkelheit. Da war etwas: Der Eingang zu einem unterirdischen Gebäude mit Steinstufen, die zur Tür hinabführten. Vermutlich eine kleine Transformatorenstation, die zur Sicherheit unterirdisch gebaut worden war, oder auch der Keller eines längst vergessenen Hauses. Was auch immer es war, die Neulinge benutzten es jetzt. Was bedeutete, dass die Floreaden diesen Ort vermutlich für sie gefunden hatten, auf Dredges Befehl hin.
»Gehen wir rein. Haltet die Pflöcke bereit. Und seid vorsichtig.« Ich winkte Roz mit gekrümmtem Zeigefinger heran. »Komm mit. Wir gehen als Erste. Für mich sind sie am wenigsten gefährlich, und du hast reichlich Erfahrung. Camille und Morio, ihr haltet euch hinter Roz. Dann kommt Chase. Delilah, du deckst uns den Rücken.«
Die Stufen waren geborsten, und Unkraut wucherte aus den Rissen im Beton. Flecken aus Eis und Schnee zeigten sich auf dem dunklen Zement, und ich stieg langsam die schmale Treppe hinab, die Hand an einem der Pflöcke in meinem Gürtel. Die Tür am Fuß der Treppe wurde von einer einzelnen Kippschalter-Lampe, die schief an der Wand hing, trübe beleuchtet. Was auch immer das für ein Bauwerk war, es reichte kaum über den Waldboden hinaus. Wir befanden uns jetzt schon fast unter der Erde.
Stirnrunzelnd betrachtete ich die Tür. Sie war aus Metall und hatte ein seltsames Rad anstelle einer Türklinke – es erinnerte mich an die U-Boote in Filmen über den Zweiten Weltkrieg, die wir uns manchmal nachts im Fernsehen angeschaut hatten.
»Ein Bunker«, raunte Chase.
»Was?«
»Ein Schutzbunker. Ich wette, der wurde in den Fünfzigern gebaut, während des Kalten Krieges.« Er seufzte. »Der ehemalige Eigentümer hat dieses Land irgendwann dem Zoo verkauft und vergessen zu erwähnen, dass dieses Ding hier herumsteht.«
Der Kalte Krieg. Die Bedeutung dieser Worte war mir nur vage bekannt, aber das war jetzt nicht wichtig. Für mich zählte nur, dass die Vampire uns hinter dieser Tür erwarteten. Ich konnte sie jetzt riechen, ihr Geruch hing dick in der Luft. Wie viele da drin waren, konnte ich nicht genau sagen, aber ich vermutete, dass wir es mit mindestens vier zu tun bekommen würden.
»Seid vorsichtig. Ich möchte in meinem neuen Lebensstil nicht unbedingt Gesellschaft bekommen«, sagte ich und hob den Fuß an. Mit einem gut platzierten Tritt brach ich die Tür auf. Das Metall kreischte, als die Angeln sich verzerrten und die Tür innen gegen die Wand krachte.
Ich stürmte vor, Roz dicht hinter mir. Wildbewegte Gestalten empfingen uns. Wir waren in einem kleinen Flur, der zu einem größeren Raum führte, mit zwei Türen am anderen Ende. Ein rascher Überblick sagte mir, dass wir drei Vampiren gegenüberstanden. Ich griff den ersten an, während Roz in einer wirbelnden Drehung in den Raum eindrang und gegen den zweiten vorging. Der dritte flog wie ein verschwommener Schemen an mir vorbei auf Camille zu, die hinter mir stand. Der Kampf hatte begonnen.
Meine Gegnerin war eine Frau. Sie fauchte zischend und schlug mir mit dem Handrücken ins Gesicht, ehe ich nach rechts ausweichen konnte. Scheiße, dachte ich, als ich zurückgeschleudert wurde. Eine Kampfsportlerin. Sie musste vor ihrem Tod sehr gut trainiert gewesen sein. Sobald ich auf dem Boden aufschlug, rollte ich mich ab, schnellte hoch und umkreiste sie, um einen besseren Winkel zu finden und außerhalb ihrer Reichweite zu bleiben. Ich hatte gelernt, meine Gegner schnell einzuschätzen.
»Warum hilfst du ihnen?« Sie winkte mich freundlich zu sich heran. »Komm auf unsere Seite, Schwester. Du bist eine von uns.«
»Ich bin ebenso wenig eine von euch, wie ich ein Oger bin«, sagte ich und spie ihr vor die Füße. »Ich würde dir ja die Chance anbieten, das hier zu überleben und zu lernen, wie man den Durst beherrschen kann, aber irgendetwas sagt mir, dass du das nie schaffen würdest.«
»Warum sollte ich? Unser Meister hat uns einen großen Spielplatz versprochen.« Dann schlug sie wieder zu, aber diesmal entging mir nicht die geringste Bewegung, und ich war bereit. Ich drehte mich zur Seite und packte ihren Arm, als der knapp an mir vorbeischoss.
»Tut mir leid, dass ich die Sache so schnell beenden muss, aber ich habe jetzt keine Zeit zum Spielen«, sagte ich. Sie war wohl im Leben sehr stark gewesen, aber jetzt war ich wesentlich stärker, und ich riss sie an meine Seite.
Sie wollte sich auf mich werfen.
Ich stieß den Pflock aufwärts in ihre Brust und beobachtete ihren Blick, als sie erkannte, was geschehen war. Und dann zerstob sie zu tausend Flöckchen Asche. Ich schnappte mir den Pflock und sah mich nach den anderen um.
Roz rang mit einem der Männer. Als ich mich umdrehte, schaffte er es gerade, den Kerl zu vernichten. Zwei waren also erledigt, einer übrig.
Dieser letzte Vampir hatte Camille am Hals gepackt und versuchte sie zu beißen. Als ich ihr zu Hilfe kommen wollte, ließ Morio seinen Pflock fallen, und schneller, als man Fuchs sagen konnte, verwandelte er sich.
Ich hatte ihn noch nie in seiner vollen Dämonengestalt gesehen. Er war ganze zwei Meter vierzig groß, mit glühend goldenen Augen und kupferrotem Fell; er hatte sich in einen Fuchs-Mann verwandelt, auf zwei Beinen stehend und mit einer furchterregenden Schnauze. Aber dies war kein scheuer Fuchs – nein, er war ein Fuchsdämon. Seine Nase war schwarz und nass, und Dampf schoss aus seinen Nasenlöchern. Als er drohend die Lefzen hochzog, schimmerten rasiermesserscharfe Zähne in der trüben Beleuchtung des Bunkers.
Anstelle von Pfoten hatte er immer noch Hände und Füße, aber sie waren mit Fell bedeckt und hatten lange, gebogene Klauen. Unbewusst glitt mein Blick an ihm hinab. Oho! Kein Wunder, dass Camille ihn so schätzte, dachte ich, während ich auf seinen Unterleib starrte. Morio war weder ein großer Mann noch besonders muskulös, aber andere Teile seiner Anatomie machten das mehr als wett.
Er packte den Goth im Nacken und riss ihn von Camille zurück. Der Vampir stieß einen verängstigten Schrei aus. Einen Augenblick lang glaubte ich, einen Funken Menschlichkeit in diesen toten Augen aufblitzen zu sehen. Dann verschwand die Angst, der Vampir schlug mit seinen scharfen Fingernägeln nach Morio und erwischte ihn am Oberarm.
Mit einem lauten Jaulen zog Morio die Klauen über Brust und Bauch des Vampirs, weidete ihn regelrecht aus. Delilah, die Chase beschützt und alles beobachtet hatte, sprang vor und stieß ihren Pflock in das freiliegende Herz. Der Vampir zuckte und verschwand, zu Asche zerfallen wie die anderen.
Morio drehte sich zu Camille um und fragte mit einer Stimme, die den Raum erbeben ließ: »Bist du verletzt?«
»Mir fehlt nichts. Er hat es nicht geschafft, mich zu beißen«, sagte sie und blickte zu ihm auf. »Aber du bist verletzt.«
Morio nahm langsam wieder seine menschliche Gestalt an, schüttelte den Kopf, hob seine Tasche auf und hängte sie sich um. »Halb so wild. Es war nur ein Kratzer.« Er blickte auf die Schnittwunden herab, die durch seine zerfetzte Kleidung zu sehen waren. »Mach dir keine Gedanken um mich.«
Da der Kampf nun vorbei war, blickte ich mich um. Die beiden anderen Türen stachen mir ins Auge. Dahinter könnten weitere Vampire lauern und nur auf uns warten. Der Geruch von Blut hing schwer in der Luft, aber ich war immer noch so beeindruckt von Morios Verwandlung, dass ich ihn kaum wahrnahm. Aber wenn andere Vampire hier waren, würde dieser Geruch sie ganz sicher hervorlocken.
»Pass auf – deine Wunde wirkt wie ein Leuchtfeuer... «, begann ich, doch schon flog krachend eine der Türen auf, und zwei weitere Blutsauger stürmten herein. »Bingo!« Ich eilte mit Roz zusammen nach vorn, und wir legten los.
Diesmal war der Kampf ziemlich einseitig. Camille warf einen Blendezauber in den Raum, der leider nach hinten losging – statt eine grelle Kugel mitten in der Luft zu bilden, schoss das Licht aus ihren eigenen Augen hervor, womit sie für den Kampf völlig ausfiel. Aber Roz und ich schafften es, die beiden Vampire auszuschalten, ehe die anderen eingreifen konnten. Die grelle Beleuchtung flackerte und erstarb, bis wir wieder im Halbdunkel standen.
»Verflucht. So fühlt man sich also als Bengalisches Feuer«, sagte sie blinzelnd.
»Du hast auch wie eines ausgesehen«, erwiderte ich. »Hast du Schaden genommen?«
Sie schluckte und hustete dann. »Meine Kehle fühlt sich an, als hätte ich gerade eine Flasche Johnnie Walker gekippt, aber ansonsten ist mir wohl nichts passiert.«
Morio schnaubte vor Lachen und erwiderte ihren finsteren Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. »Mach mir keine Vorwürfe. Du weißt selbst, wie ulkig das ausgesehen hat«, sagte er, aber sie hob plötzlich die Hand.
»Seid still. Ich höre etwas.« Sie rannte zu der anderen Tür und riss sie auf, ehe ich sie aufhalten konnte. »Erin! Ich habe Erin gefunden!«
Ich schoss ins Nebenzimmer und blickte mich um, um sicherzugehen, dass wir allein waren. Delilah war dicht hinter mir, und die Jungs folgten ihr auf dem Fuße.
Erin lag gefesselt am Boden, ihr Flanellhemd war nirgends zu sehen. Während sie draußen in der Welt immer so forsch und tapfer wirkte, sah sie jetzt furchtbar zerbrechlich und arg mitgenommen aus. Der Raum war überall mit Blut bespritzt. Es sah so aus, als hätten die Neugeborenen reichlich von ihr getrunken. Der Geruch von Angst hing schwer in der Luft, und automatisch fuhren meine Reißzähne aus; Hunger wallte in mir hoch wie aufgepeitschte Brecher.
Camille kniete sich neben sie und fühlte ihr den Puls. Mit aschfahlem Gesicht blickte sie auf. »Sie stirbt. Sie wird es nicht schaffen. Selbst wenn es uns wie durch ein Wunder gelingen sollte, in fünf Minuten einen Krankenwagen hierherzuholen, käme die Blutspende nicht schnell genug.« Ihre Augen blitzten zornig. »Ich will sie tot sehen. Alle!«
Langsam trat ich zu ihr und ging in die Hocke, um auf Erins reglose Gestalt hinabzustarren. Sie war noch nicht ganz weg. Ihre Lunge kämpfte noch um flattrige Atemzüge, aber Camille hatte recht. Erin würde gleich sterben.
Camille fuhr zu mir herum. »Du kannst sie retten«, sagte sie.
»Was? Wie denn? Nicht einmal ich könnte sie schnell genug in ein Krankenhaus bringen.« Verwirrt sah ich die anderen an. Roz und Morio hatten einen wissenden Ausdruck in den Augen, aber Chase sah uns nur verständnislos an.
»Du kannst es«, sagte Delilah und kniete sich auf Erins andere Seite. »Du kannst sie retten, Menolly. Du musst es tun – sie wollte nicht sterben. Sie will nicht sterben.«
Und während ich meine Schwestern anstarrte, begriff ich, was sie von mir verlangten. »Was? Das kann nicht euer Ernst sein! Wollt ihr damit sagen, dass ich sie verwandeln soll?« Ich sprang auf und zog mich an Roz’ Seite zurück. »Ich kann nicht glauben, dass ihr etwas von mir verlangt, das ich derart abscheulich finde.«
Camille bettete Erins Kopf sacht in Delilahs Schoß. Dann stand sie mit blitzenden Augen auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Was dir geschehen ist, war etwas völlig anderes. Du wurdest gefoltert, mit jeder widerlichen, grausamen Methode, die Dredge nur eingefallen ist. Erin wurde als Futterstation missbraucht, aber sie trägt keine Narben. Und sie hat nichts dazu getan, in diese Lage zu geraten. Verstehst du denn nicht? Sie wird sterben, wenn du nicht sofort etwas unternimmst.«
Ich starrte auf Erins leblose Gestalt hinab. »Leute sterben nun mal, Camille. Menschen leben, und sie sterben. Das ist der Lauf der Welt.«
»Aber es muss nicht so sein«, meldete Delilah sich zu Wort. »Sie muss nicht so werden wie diese Neulinge. Sieh dir Wade und Sassy an – schau dich selbst an! Ihr seid anders. Ihr habt euch dafür entschieden, anders zu sein. Und du kannst Erin von Anfang an helfen.«
»Weißt du noch, was Großmutter Kojote gesagt hat?« Camille legte den Kopf schief. »Weißt du noch, was sie bei der Versammlung gesagt hat? Du wirst etwas tun müssen, das du nicht tun willst. Aber ich werde wissen, dass es richtig ist. Das hier ist es. Erin in einen Vampir zu verwandeln, ist das einzig Richtige.«
Verzweifelt suchte ich bei Morio nach Unterstützung. »Sag ihr, dass sie sich irrt. Das ist keine Intuition, nur ihr Wunsch, Erin am Leben zu erhalten.«
Morio schüttelte den Kopf. »Wenn Großmutter Kojote das so vorhergesagt hat, dann muss ich Camille recht geben. Großmutter Kojote sagt nie etwas, das sie nicht ernst meint.«
Camille riss mich herum und ignorierte mein erschrockenes Fauchen. »Vertrau mir. Erin hat in der Zukunft noch eine wichtige Rolle zu spielen. Du musst dafür sorgen, dass sie ihre Aufgabe erfüllen kann. Verwandle sie endlich, verdammt! Es braucht dir nicht zu gefallen, du brauchst nicht einmal damit einverstanden zu sein, aber du musst es tun.«
Sie trat so heftig auf, dass ich beinahe Angst vor ihr bekam. Ich rang mit meinem Gewissen. Was hatte Großmutter Kojote genau gesagt? »Menolly, du wirst etwas tun müssen, von dem du geschworen hast, dass du es niemals tun würdest. Du wirst wissen, was das ist, wenn die Zeit gekommen ist, und du wirst dich dagegen sperren. Aber du musst es tun, ganz gleich, wie sehr du den Gedanken verabscheust. Eine lange Schicksalskette hängt an deiner Tat... oder deiner Untätigkeit. Enttäusche mich nicht. Wenn du davor zurückscheust, bringst du ein wichtiges Kräfteverhältnis aus dem Gleichgewicht.«
War es das hier? Meinte sie damit tatsächlich, dass ich Erin in der Welt der Untoten wiederauferstehen lassen sollte?
Ich stand ganz still da und schaute in mich hinein, tief in mein Herz, in meine Seele. An dem Tag, als ich aus meinem Wahnsinn zurückgekehrt war, hatte ich geschworen, niemals einen Vampir zu erschaffen, niemals die Horden der Dämonen zu vergrößern, die gegen ihren Willen, als Opfer, erweckt wurden.
Aber... wenn Großmutter Kojote recht hatte – wenn Camille und Delilah recht hatten – hatte das Schicksal Erin dann für die Verwandlung auserwählt? Und wenn sie schon von irgendjemandem erweckt werden musste, wer wäre dann besser geeignet als ich? Ich konnte ihr all das geben, was kaum ein anderer Meister ihr mitgeben würde: Rat und Führung, ein Gewissen, Fürsorge. Ich konnte ihr den Übergang in ihr neues Dasein erleichtern, den Schock abmildern, der mit der Verwandlung einherging. War das der richtige Weg?
»Beeil dich – sie ist schon fast tot«, drängte Delilah.
Camille sprang auf mich zu und packte mich am Handgelenk. »Tu es, und zwar sofort, oder ich schwöre, ich werde die Mondmutter auf dich hetzen, Menolly. Glaub mir – ich sage das nicht nur aus Freundschaft zu Erin und weil ich sie nicht verlieren will. Ich weiß, dass Erin weiterleben muss, und das ist die einzige Möglichkeit!«
Delilah stieß ein Fiepsen aus, und ich sah, wie sie sich zu verwandeln begann. Wütend und verängstigt zugleich rief ich: »Scheiße! Delilah, halt durch, Baby. O verdammt. Camille, schnapp sie dir. Hilf ihr, sich zu beruhigen, damit sie sich zurückverwandeln kann. Ich mache es, okay? Ich werde Erin erwecken. Aber wag es nicht, mir je wieder so zu drohen.«
Wortlos eilte Camille zu unserem goldenen Tigerkätzchen und hob sie hoch, während ich zu Erin hinüberstürzte. Rasch, ohne darüber nachzudenken, beugte ich mich vor und trank ein wenig an ihrem zerfetzten Hals. Da würde sie allerdings eine Narbe zurückbehalten, aber keine allzu schlimme. Sobald ihr Blut warm und köstlich meine Kehle hinabfloss, hob ich mein Handgelenk und ritzte mit einem Fingernagel die Pulsader auf. Als die ersten Tropfen herausrannen, hielt ich das Handgelenk vor Erins Lippen.
»Erin, ich bin’s, Menolly. Du musst trinken, wenn du überleben willst. Wenn du mein Blut nicht trinkst, wirst du sterben.« Ich hielt sie wie ein Baby in einem Arm und drückte ihr das andere Handgelenk an den Mund. Sie öffnete die Augen, blinzelte und bemühte sich, mich anzusehen. »Süße, hör mir zu. Es ist deine Entscheidung. Wenn du trinkst, werde ich dich erwecken und mich um dich kümmern, um dir die Verwandlung zu erleichtern. Ich werde dich lehren, wie du den Durst kontrollieren kannst. Du musst nicht zu einem Monster werden. Aber wenn du dich lieber nicht am Leben festklammern willst, wenn du loslassen willst, werde ich dich nicht zwingen, mein Blut zu trinken. Es liegt allein bei dir.«
Camille hielt Delilah an sich gepresst und beobachtete uns. Roz, Morio und Chase bewachten die Tür. Chase war ein wenig grün im Gesicht, sagte aber kein Wort.
»Erin, bitte trink«, sagte Camille. Sie schob Chase Delilah in die Arme und kniete an Erins anderer Seite nieder. »Wir brauchen dich. Die Welt braucht dich. Das Schicksal hat große Pläne für dich. Wenn du es nicht tust, könnte das die Zukunft aus den Angeln heben. Großmutter Kojote hat uns vor diesem Augenblick gewarnt.«
Erin suchte meinen Blick und sah mir in die Augen. Sie öffnete die Lippen. Sie waren so trocken, dass sie aufsprangen und zu bluten begannen. »Ver. . . versprichst du mir, dass du auf mich aufpassen wirst? Versprichst du mir, dass du mich töten wirst, wenn ich irgendetwas Schreckliches tue? Ich will nicht so werden wie die.« Das letzte Wort spie sie förmlich aus, und ich wusste, dass sie von den Neulingen sprach.
»Ich verspreche es, aus ganzem Herzen. Wenn du trinkst, werde ich dich auf jedem einzelnen Schritt des Wegs begleiten. Ich werde nicht zulassen, dass du dich in einen Alptraum verwandelst.« Auf was zum Teufel ließ ich mich da eigentlich ein? Ich wusste es nicht, aber in dem Moment, als ich ihr diese Chance angeboten hatte, hatte mir jede Faser meines Herzens gesagt, dass dies die richtige Entscheidung war.
Mit einem zittrigen Atemzug – sehr zittrig, denn sie stand an der Schwelle des Todes – öffnete Erin erneut die Lippen. »Ich will trinken.«
Ich presste mein Handgelenk an ihren Mund. »Du musst saugen, so fest du kannst. Du brauchst nur ein paar Tropfen, um den Pakt zu besiegeln, aber du solltest so viel trinken, wie du kannst. Das wird dir den Übergang erleichtern.«
Als sie das Blut aufzulecken begann, das aus meiner Ader floss, schloss ich die Augen vor dem Sturm in mir. Meine Ethik, jede meiner moralischen Überzeugungen schrie mir zu, dass ich aufhören musste, dass ich sie friedlich zu ihren Ahnen gehen lassen sollte. Und dennoch riet mir meine Intuition, sie trinken zu lassen, sie zu erwecken und dafür zu sorgen, dass sie weiterlebte.
Erin war noch überraschend stark. Sie schaffte es, etwa eine Vierteltasse von meinem Blut zu trinken, ehe sie plötzlich nach Luft schnappte, krampfhaft in meinen Armen zuckte und dann erschlaffte.
»Ist sie tot? Ich dachte, du wolltest sie erwecken!« Camille starrte mich an, und ihre Stimme hallte von den Wänden wider.
Ich blickte zu ihr auf. Sosehr ich meine Schwester liebte, in diesem Moment hätte ich ihr am liebsten eine runtergehauen. Aber ich widerstand dem Impuls und hielt mir vor Augen, dass sie außer sich war und so gut wie nichts über den Vorgang an sich wusste.
»Oh, sie wird sich verwandeln«, sagte ich. »Das ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit.«
»Was tun wir bis dahin?«
Ich warf einen Blick zu Chase hinüber, der Delilah streichelte. Sie begann zu schimmern, und ich hüstelte. »Johnson, lass das Kätzchen lieber runter, sie wird sich gleich zurückverwandeln.«
Ich stand auf, wischte mir die Hände an der Hose ab und wandte mich wieder Camille zu. »Ganz einfach. Wir warten. Also beruhig dich und mach es dir gemütlich. Ach, übrigens, wir brauchen Nahrung für sie – wenn sie aufwacht, wird sie wahnsinnig hungrig sein. Wenn nicht einer von euch die Blutbank spielen will, brauchen wir einen Spender.«
Roz grinste. »Ich finde jemanden. Ich kenne mich aus, auch wenn ich keiner von euch bin.« Ehe ich noch etwas sagen konnte, schlüpfte er zur Tür hinaus, und wir Übrigen setzten uns schweigend auf den Boden.