Wichteln mit der PDS (alias Die Linke, alias SED)

 

Noch schlimmer als Beifall von drüben sind grölende Altlasten von hier. Wieso denkt eigentlich jeder, man will unbedingt die DDR zurück, nur weil der Westen stinkt? Eine Distanzierung.

 

Seit der letzten Weihnachtsfeier mit Kollegen beschäftigt mich eine CD, auf der PDS-Politiker Liebesgedichte aufsagen. Gysi liest Goethe, Bisky auch irgendwas  – ich habe das ehrlich gesagt nie zu Ende gehört. Trotzdem quält mich nun schon monatelang die Frage, womit ich dieses Julklappgeschenk verdient habe? So einen Dreck!

Wenn Journalisten wichteln, bleibt naturgemäß nie lange geheim, wer wessen Namen gezogen und sich mehr oder weniger Gedanken über ein Geschenk gemacht hat. Man kann das wegstecken wie alle Jahre wieder den Tchibo-Schlafanzug von Tante Agnes. Oder wie eine angeblich prüde Praktikantin die liebevoll verpackte Haushaltskerze. Bei dem Kollegen allerdings, dem ich das linkische Liebes-Gelispel verdanke, fällt mir das schwer: Er ist ein so gnadenlos begnadeter Schreiber, einer von Berlins Top-Journalisten, die mit Weitsicht, aber dafür ohne jede Hemmung oder gar Mandat die Geschicke unseres Landes mitzubestimmen glauben – für seine Verhältnisse, Herkunft und Aussehen dennoch geradezu bescheiden. So ein kluger Mensch – dachte ich bisher –, wieso schenkt der mir eine PDS-CD? Und selbst wenn er nur grobschlächtig mit dem Zaunpfahl zwinkern wollte wie der Kerzen-Flegel – wie kommt es zu so solchen Kurzschlüssen?

Noch nie habe ich diese Partei gewählt, weder als sie noch SED hieß, noch als PDS oder »Die Linke«. Sie kann sich jedes Jahr umbenennen, es wird immer die SED bleiben. Ob mit oder ohne Quoten-Wessis im Vorstand, in Koalitionen oder als Opposition, ob sie ihrer Geschichte nachtrauert oder sich halbherzig von einzelnen Mauerschützen distanziert. Niemals! Das wollte ich auch deshalb gern mal klarstellen, weil ich hier gelegentlich von der völlig falschen Seite Beifall bekomme. Schlimm genug.

Weinerliche SED-Rentner wissen es nicht besser. Hauptamtliche Besserwisser wie der Kollege tun zumindest so. Sie mäkeln zwar auch hin und wieder ein wenig an der vereinigten Gegenwart herum, aber sind gleichzeitig tiefer in ihre eigene Vergangenheit verstrickt als jeder abgewickelte Ost-Funktionär. Dass diese Stricke auch mal alle reißen können, ist die entscheidende Erfahrung, die ihnen fehlt. Nur so erklären sich ihre unbeholfenen Kommentare nach ostdeutschen Wahlen. Schon deshalb schwingt stets eine gewisse Beleidigung mit, wenn irgendwas nicht in das Koordinatensystem passt, in dem sie aufgewachsen sind. Im Zweifel bleibt ihnen nur der SED-DDR-PDS-Reflex, wenn unsereins im Westen nicht mehr alles so goldig findet wie noch vor 30 Jahren in einem zerfledderten Quelle-Katalog.

Den Vorteil, beide Seiten zu kennen, werden sie nie ganz verstehen. Wie auch – ohne Vergleich? Vermutlich ist es deshalb auch nur Unsicherheit, wenn sie alberne CDs verschenken oder einen für »Humoristen-Preise« nominieren. Man kann ihnen nur immer wieder erklären, dass die Wahrheit über Gregor Gysi nicht so lustig ist, wie seine Sprüche vorgaukeln. Ähnlich wie Kindern, die erst lernen müssen, dass man nicht alles in den Mund nimmt, was aussieht wie Schokolade. Oder wie es Christian »Flake« Lorenz, Keyboarder des weltweit beliebten, ostdeutschen Marschmusik-Ensembles Rammstein einmal in der FAZ formulierte: »Ich habe keine Ostalgie. Ich finde nur den Westen scheiße.«

Weil das bestimmt auch vielen Westdeutschen so geht, habe ich dort sogar noch Verständnis für jede vergeudete Protestwählerstimme an die Linkspartei. Vor allem auf die Kleine weiße Friedenstaube fallen da drüben immer noch viele Menschen rein, weil sie als Kind nicht unter dem gleichen Symbol zur vormilitärischen Ausbildung marschieren mussten. Als noch sowjetische Bomben Taliban-Kinder zerfetzten, hielt die »einzige Friedenspartei« brav den Tauben-Schnabel, so wie heute alle anderen. Offenbar hängt die Rechtmäßigkeit eines Afghanistan-Überfalls grundsätzlich davon ab, welche Supermacht ihn gerade anführt. Die Partei jedenfalls, »die immer Recht hat«, wie sie früher gern sang, hat heute nicht mal dann Recht, wenn sie ihren lächerlichen Streit um die eigene Bedeutung im Gaza-Streifen zwischen Rügen und Karl-Marx-Stadt als Richtungsstreit verbrämt. Der interne Nahost-Konflikt ist auch nur ein Ost-West-Konflikt. In Wahrheit zanken sich auch dort nur westdeutsche Karriere-Linke mit ostdeutschen SED-Strebern um Vorstands- und Listenplätze. Es ist wie in jeder Partei und überall in den besetzten Ländern: Warum soll es den Erben der Schergen anders gehen als ihren ehemaligen Untertanen?

Mich jedenfalls trifft die SED-Keule nicht. Sie ist nur die Kasperklatsche im Demokratietheater. Der Baseballschläger der Ahnungslosen. Was schmerzt, ist die selbstgerechte Dummheit dahinter, die immer gleich jeden auf irgendeine Seite sortiert, nur weil er auf der anderen nicht »Hurra« schreit. Genau so hat es die DDR gemacht. Und genau deshalb kann man nach 20 Jahren auch mal frustriert sein, ohne sie zu vermissen. Wer sich an eine schöne Kindheit hinter Stacheldraht erinnert, verharmlost nicht die Stacheln – er kennt sie. Den Blick hindurch ebenso wie die Enttäuschung dahinter. Wenn das Westdeutschen vorkommt, als gäbe es heute mehr Anhänger der DDR als zu ihren traurigsten Zeiten, dann liegt das nur an ihrer eigenen Ur-Angst vor so genannten »System-Fragen«. Aber keine Sorge: Die verfliegt nach dem ersten selbst erlebten Umsturz. Wer einmal ein ewig gültiges System untergehen sah, stellt jedes andere in Frage. Das ist kein Extremismus, höchstens Fatalismus. Also alles halb so schlimm.

Deshalb gibt es auch für die gelegentlich hohen Ergebnisse der SED-PDS-Linken hierzulande eine ziemlich einfache Erklärung: Wer soll das auch sein. 20 oder mehr Prozent? Ich persönlich kenne nur zwei, die das wählen, und einer ist mein zweitbester Freund Ludger aus dem Münsterland. Es sind also nicht Ostdeutsche, sondern – wenn überhaupt – höchstens 20 Prozent derjenigen 50 Prozent, die hier überhaupt noch wählen gehen. Von diesen 10 Prozent kann man noch einmal getrost die Hälfte abziehen, die das aus reiner Folklore tun – so wie etwa CSU-Wähler in Bayern – oder nur, um den Westen zu ärgern. Bleiben fünf Prozent. Und das können eigentlich nur Westdeutsche sein, die hier leben und sich in angeblich repräsentative Umfragen schmuggeln, weil sie immer irgendwas repräsentieren müssen oder tatsächlich glauben, die Linke wäre nicht mehr die SED. Die sollen erst recht die Schnauze halten.

Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land
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