Lust als Lebenselexier

Unbefriedigte Lust welkt nie in dem Busen des Mannes, meinte der alte Goethe. Doch ergeht es den Frauen etwa anders?

 

Selbst wenn durch den freizügigen Umgang mit Nacktheit immer mehr der Eindruck entsteht, wir seien frei von Hemmungen, sind wir noch weit von der Freizügigkeit anderer Gesellschaften entfernt und unseren anerzogenen Klischees von männlicher und weiblicher Lust verhaftet. Sex, so schwirrt es in den Köpfen unzähliger Frauengenerationen herum, ist die weibliche Belohnung für die männliche Zuneigung. Mit anderen Worten, erst muß er ihr den Hof machen, bevor sie ihn heranläßt. Dieses alte Spiel der Verführung mag durchaus seine Reize haben. Jedoch entsteht zwangsläufig der Eindruck, als würde der Mann von der Frau belohnt werden. Eine Belohnung gibt es aber nur dann, wenn er ihr bietet, was sie verlangt. Das Resultat ist eine der Prostitution sehr ähnliche Haltung. Vielleicht führt dieses „Tauschgeschäft“ ja dazu, daß so viele Männer sich verstellen und den Verständnisvollen oder den Liebenden mimen, während sie eigentlich vorwiegend an Sex interessiert sind. Das solch ein Täuschungsmanöver für die Frauen nicht gerade angenehm ist, sondern jedesmal eine bittere Erfahrung, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Sex ist also in unserem Kulturkreis vor allem für Frauen nicht nur Sex, um der Lust willen, sondern ein kompliziertes Geflecht von eigentlich unsexuellen Bedürfnissen.

Für ein Mädchen auf Mangaia verlaufen sexuelle Annäherungen viel ehrlicher. Sie muß nicht mit ihrem Wunsch nach Sex hinter dem Berg halten, und er muß nicht große Zuneigung heucheln, sondern beide können gleich zur Sache kommen. Für ein Mädchen auf Mangaia ist sexuelle Virtuosität des Mannes Beweis genug, daß er es begehrt. Als ein Beweis gilt zum Beispiel der Cunnilingus. Aber auch der Koitus, beschränkt auf Penis und Scheide, ohne sonstigen Körperkontakt gilt auf Mangaia als virtuoser Sex.

Sex ohne Zärtlichkeit ist also kein erotisches Armutszeugnis für die Südsee, wie viele jetzt meinen könnten, sondern normaler Bestandteil der Erotik. Zum Beispiel steht auf dem Lehrplan eines jeden Heranwachsenden die Kunst des Verführens. Damit ist allerdings nicht das Erlernen irgendwelcher Casanova-Allüren gemeint, sondern das Vermögen, eine Frau zum Orgasmus zu bringen. Es ist die heilige Pflicht des Mannes, die Frau zu ihrem Höhepunkt zu geleiten. „Er muß ihr den Orgasmus beibringen“, sagen die Einheimischen.