Beschneidungen – Triebbekämpfungen besonderer Art

Ein Kapitel, in dem die ungleiche Behandlung von Männern und Frauen besonders dramatisch zum Ausdruck kommt.

 

Praktisch alle Kulturen haben erkannt, daß das menschliche Leben in gewissen Zyklen abläuft. Schon das Inhaltsverzeichnis dieses Buches ist nichts weiter als eine Chronologie dieser Zyklen. Ob es die Taufe, die Kommunion, die Konfirmation oder die Hochzeit ist, stets wird mit solchen Feierlichkeiten der Übergang in eine neue Phase des menschlichen Daseins eingeleitet. Das Individuum steht praktisch nie im Mittelpunkt seines eigenen Übergangs. Stets ist der Zyklusübergang eines Menschen mit Anforderungen seiner ganzen Gesellschaft an seine Person verbunden. Erst ein vollwertiger Mensch ist auch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Dazu zählt ein gewisses Mindestmaß an Kraft und Intelligenz sowie eine klar definierte körperliche Reife.

Die Natur macht es leicht diesen Zeitpunkt zu bestimmen. Bei der Frau äußert er sich mit dem Einsetzen der Monatsregel und beim Mann mit seinem ersten Samenerguß. Da aber zur Bildung einer Männergemeinschaft die männliche Geschlechtsreife weniger relevant ist, als gute Kameradschaft unter etwa Gleichaltrigen, wird bei vielen Naturvölkern dem Samenerguß als Indiz des Erwachsenenstatus weniger Bedeutung beigemessen als dem Menstruationsblut des Mädchens. Außerdem genießt die Frau bei der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung mehr Bedeutung als der Mann.

Ganz gleich aber ob durch die sichtbare Monatsregel oder durch den nur unterstellten Samenerguß, die Geschlechtsreife wird von den meisten Naturvölkern zum Anlaß genommen das Individuum als vollwertiges Mitglied in die Gesellschaft aufzunehmen. Daß damit ein Fest, ein Ritual, vonstatten geht, ist nur Beiwerk und eine offizielle Zäsur, damit auch jeder den Übergang mitbekommt.

Juden, Moslems und auch zahlreichen Naturvölker haben die Beschneidung von Jungen (Zirkumzision) zum Mittel des Übergangs zum Erwachsenendasein gewählt. Obwohl im Norden Europas als Brauch unbekannt, durchziehen Ansätze von Beschneidungsriten auch germanische Sitten. Die Tradition des Krawattenabschneidens beim Weiberfasching ist genau darauf zurückzuführen.

Weniger Theorie als rein praktische Erfahrung bedeutet die Beschneidung bei den Bala in Kongo. Nichts weiter als eine Hygienemaßnahme ist die Beschneidung bei den Balas im Tongo, um, wie die Balas selber sagen, „das Einnisten von Flöhen im Schaft unter der Vorhaut und im Eichelschlitz zu verhindern“. Es ist Aufgabe des Dorfschmiedes diese Routineoperation durchzuführen. Mit einem Ruck und einem Zug seiner scharfen Klinge erledigt er das Verlangte ohne größeres Aufsehen und wirft die abgetrennte Haut auf sein Dach, den Vögeln zum Fraß vor. Die rein praktische Funktion der Beschneidung wird heute vielfach als der Ursprung aller Beschneidungsriten zitiert. Allein die Tatsache, daß Beschneidungsriten in den Tropen und Subtropen verbreitet sind, spricht dafür, daß sie mit der Hygiene zusammenhängen. In gemäßigten und arktischen Klimazonen entwickelten sich keine Beschneidungsriten, denn hier fehlen die Krankheitserreger.

Der religiöse Aspekt ist erst viel später dazugekommen. So ist auch bei den Bala durchaus auch ein Ritus rund um das Beschneiden vorhanden. Manche Väter ziehen es nämlich vor selbst Hand an den Penis ihres Sohnes anzulegen. Der Schnitt wird dabei zwar minder professionell, jedoch mit Bedacht ausgeführt. Wichtig dabei ist, daß Vater und Sohn allein sind. Selbst nachdem der Sohn bereits wieder in das Dorf zurückgegangen ist, bleibt der Vater noch eine ganze Zeit allein im Busch. Er opfert die Vorhaut seines Sohnes einem Termitenhügel und bleibt dort so lange, bis diese gefressen wird. Jene, die daran glauben, sagen, daß es nur auf diese Weise möglich ist, die Geschlechtsreife des Jungen herbeizuführen.

Auch das Beschneiden der Juden und Moslems ist vermutlich als reine Hygienemaßnahme von anderen Völkern übernommen worden. Ähnliches gilt übrigens für das Verbot des Konsums von Schweinefleisch. Was heute ein religiöses Gebot ist, war eigentlich ein medizinischer Schutz. Denn Schweine hatten für den Menschen ansteckende Krankheiten. Zysten von Parasiten, die sich im Schweinefleisch einnisten, übertragen sich ohne weiteres in den Magen-Darm-Trakt des Menschen. Der wohl berühmteste Parasit dieser Art ist der Lindbandwurm, der sich mit Vorliebe im Zwölffingerdarm einnistet. Einst war er so verbreitet, daß es sich gelohnt haben muß, sich auf seine Zerstörung zu spezialisieren. Der wohl bekannteste griechische Bandwurm-Medicus war Esculap. Er entwickelte das berühmte Stockverfahren. Dabei wird ein Stock durch den After des Patienten eingeführt. Bei etwas Glück nach mehrtägigem Warten wickelt sich der Bandwurm um den Stock und kann so aus dem Darm entfernt werden. Eine schmerzhafte Methode freilich, jedoch scheinbar effektiv. Esculaps Stab ist bis heute das Symbol der Medizin geblieben. Nur ist es nicht mehr der Bandwurm, der sich um den Stab windet, sondern eine Schlange. Sie symbolisiert das Schlangenserum, welches in der Medizin eine wichtige Rolle spielt. Die wahre Geschichte mit dem Esculap-Stab war späteren Generationen zu peinlich, als daß sie für ein Symbol der Medizin hätte verwendet werden können.

Eindrucksvolle Übergangsriten, also Initiationsriten, haben die Ndembu in Nordsambia. Auch hier ist der Übergang von Kindheit zum Erwachsenendasein für einen Jungen mit der rituellen Beschneidung verbunden. Dabei spricht alles von „Sterben und Wiedergeboren-Werden“. Erst wenn man Zeuge einer solchen Zeremonie geworden ist, versteht man diesen Vergleich. Zumindest die betroffenen Jungen müssen dabei eine Todesangst durchstehen. Und die erwachsenen Männer erinnern sich nur äußerst ungern daran.

Die Jungen werden dazu aus verschiedenen Dörfern zu einer besonderen „Buschschule“ gebracht. Hier werden sie nach mehrtägiger Vorbereitung von Verwandten oder Nachbarn beschnitten. Sie verbringen dann dort mehrere Tage, denn erst wenn ihre Wunden verheilt sind, dürfen sie zum normalen Leben zurückkehren.

Das Beschneidungsritual selbst beginnt mit einer Orgie mit reichlich Bier und Nahrung. In ziemlich alkoholisiertem Zustand wird ein Stück Busch gesäubert und ein Lager errichtet. Dieses Lager umschließt eine Feuerstelle, an der die Mütter der Initianten für ihre Söhne kochen. Ein Tag vor der Beschneidung veranstalten die Männer, die die Beschneidung durchführen, einen makabren Tanz und singen Lieder. Sie tragen furchterregende Masken, die oft Tiere darstellen. Dabei phantasieren sie wilde Horrorgeschichten zusammen und beschuldigen die Mütter, daß sie ihre Söhne töten wollen. Zweck dieser Prozedur ist es deutlich zu machen, daß die Kindheit endgültig vorbei ist. Gegen Abend versammeln sich die Jungen mit ihren Familien um die Lagerfeuer der Buschschule. Eine Nacht des Tanzes und der sexuellen Zügellosigkeit beginnt. Allerdings nicht für jene die eigentlich im Mittelpunkt des Geschehens stehen, nämlich die eingeschüchterten Jungen.

Plötzlich erscheinen die Beschneider mit ihren Instrumenten. Gebückt wie Menschenaffen bei ihren ersten Versuchen zu gehen und blökend wie eine Herde Schafe bewegen sie sich. Dieser Tanz und Gesang wird eindeutig als eine Aufforderung zum Mitmachen gedeutet. Dabei bleibt es nicht nur bei der Polonäse. Das Mitmachen entwickelt sich im Schein des Feuers und des Mondlichts zum einem immer wilder werdenden Zucken berauschter Leiber.

Unterdessen sitzen „die, die sterben sollen“, in einer Reihe und werden von ihren Müttern und Vätern betreut. Gerademal zehnjährig überfällt den einen oder anderen schon mal die Müdigkeit. Doch im Verlauf der Nacht werden die Einnickenden immer wieder geweckt und zu ihren männlichen Verwandten gebracht.

Um sie für die bevorstehende Beschneidung zu stärken, bekommen sie am nächsten Morgen von ihren Müttern das „letzte Abendmahl“, vielmehr ist es das letzte Frühstück. Dabei futtern die Mütter ihre Söhne mit der Hand, so als ob sie noch Säuglinge wären.

Die Jungen bemühen sich aus aller Kraft nicht ängstlich zu erscheinen, wenn nach dem Frühstück die Beschneider vor ihnen tanzen. Sind schon allein die mit weißem Ton bemalten Stirnen und Augenbrauen angsteinflößend, so sind es die gewaltigen Macheten, mit denen sie wild und bedrohlich in der Luft herumfuchteln noch viel mehr. Denn, da die meisten der Beschneider Teilnehmer des Gelages waren, ist die Koordinationsfähigkeit beim Schwingen des Beschneiderschwertes durchaus eingeschränkt.

Die eigentliche Beschneidung findet an einem geheimen Ort statt. Dieser Ort bleibt sämtlichen Frauen und Nichteingeweihten verschlossen. Er liegt in einiger Entfernung vom Kochlager im Busch. Dorthin müssen die Jungen den Weg zum „Ort des Sterbens“ im Marsch zurücklegen. Fast wie Verurteilte auf ihrem Weg zur Guillotine. Dabei ist das Prozedere alles andere als ein sauberes Kappen: Zunächst erfolgt ein zaghaftes Einhobeln an der Oberseite und ein Einfeilen auf der Unterseite der Vorhaut. Dann , wenn die Vorhaut endlich dünn genug geworden ist, zertrennt der Chef-Beschneider mit einem einzigen Ruck die Ober- und Unterseite der Vorhaut. Schließlich wird so viel von der Vorhaut weggekniffen und am Penis gezupft, bis die Eichel endlich freiliegt.

Nach der eigentlichen Beschneidung ist aber die Prozedur längst nicht vorbei. Am „Ort des Sterbens“, wie der Beschneidungsplatz genannt wird, verbringen die Gemarterten eine gewisse Zeit. Die Wunden müssen erst verheilen. Die Heilungsmethoden allerdings hören sich für einen westlichen Leser durchaus schaurig an. Als Desinfektionsmittel zum Beispiel verwenden die Einheimischen Spinnweben. Darüber gelegt wird dann eine Bandage aus Kokosbast, getränkt in Bergfarnsaft. Während der Prozedur des Heilens am „Ort des Sterbens“ schlafen die Jungen in einer Hütte aus Buschwerk und werden von einer Gruppe männlicher Wächter beaufsichtigt und herumkommandiert. Die Beschnittenen müssen ein bescheidenes Verhalten an den Tag legen und nur sprechen, wenn das Wort an sie gerichtet wird. Doch große Lust zum Prahlen oder gar auf lange Monologe hat ohnehin niemand. Demütigend sind die Aufträge der Wächter und Beschneider an die Jungen. Und alles muß im Laufschritt erledigt werden.

Selbst nachts läßt man den Frischbeschnittenen keine Ruhe. Man erschreckt sie mit einem Schwirrholz, einer Scheibe, die, wenn man sie am Ende einer Schnur herumwirbelt, ein heulendes Geräusch von sich gibt. Immer wieder erscheinen Maskentänzer, die die Jungen für zum Leben erweckte Tote halten sollen. Daß das Ganze nicht nur ein böser Traum ist, können die Jungen noch Tage danach fühlen. Denn die Maskentänzer halten sich nicht davor zurück, die Jungen mit Stöcken zu drangsalieren. Die blauen Flecke und Beulen sind sicherlich keine Einbildung.

Für ihre „Wiedergeburt“ werden die Jungen zum Ausdruck ihres neuen Seinzustands am ganzen Körper mit weißem Ton bemalt. Nach der Beschneidung werden die Jungen in die Buschschule zurückgebracht und ihren Müttern vorgestellt, die dann ihre Freude über die „neue Geburt“ bekunden.

So seltsam diese Riten für uns auch klingen mögen, einen Sinn haben sie doch: Die Jungen hören Vorträge, flammende Ansprachen und müssen Rätsel lösen, die reich an symbolischen Bedeutungen sind. Es geht also in erster Linie darum, die jungen Männer in die komplizierten Regeln des Lebens als erwachsener Mann einzuweisen, bei denen Tapferkeit aber auch sexuelle Potenz wichtig sind. Aber sie erfahren auch wichtige Teile der Stammesmythologie.

In Sachen Sexualerziehung machen die Südseeinsulaner den Afrikanern, geschweige denn den Europäern, noch etwas vor. Der Sexualunterricht auf Mangaia hat, im Gegensatz zu dem was unsere Kinder beigebracht bekommen, einen deutlich praktischeren Bezug. Cunnilingus, Brustküssen, der Coitus interruptus und der multiple Orgasmus der Frau, das sind Themen, die theoretisch behandelt werden. Vor den Missionaren spielte auch das praktische Training eine große Rolle. Erfahrene Frauen stellten sich gerne zur Verfügung. Denn vom Charme hängt auch auf Mangaia der Ruf eines guten Liebhabers ab.

Fast schon sadistische Züge nehmen die Beschneidungsriten in Australien an. Die gesamte Unterseite des Perus wird dabei bis zur Harnröhre aufgeschnitten. Die Wunde verheilt, die Narbe bleibt. Und noch etwas bleibt – eine Zahnlücke. Mit Einsetzen der Geschlechtsreife werden dem Pubertierenden nämlich die vorderen Schneidezähne ausgeschlagen.

Sigmund Freud meinte, daß Männer grundsätzlich frustrierter seien als Frauen, weil sie nicht gebären können. Diesem Frust tragen die Dowayo in Afrika durch eine Kompensation Rechnung. Der Zeremonienmeister spielt beim Initiationsritus eine wichtige Rolle. Das Besondere dabei ist, daß er vor der Beschneidung der Jungen ein Stadium der weiblichen Wehen durchexerziert. Erst diese Wehen leiten die Beschneidung ein. Selbst danach ist für den Zeremonienmeister längst noch nicht Schluß mit dem spirituellen Teil seiner Aufgabe. Neun Monate lang, also für die Zeit einer Schwangerschaft, muß er sexuelle Enthaltsamkeit üben. Diese Zeit wird auch veranschlagt, bis die initiierten Jungen vollständig in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen werden. Für die Dowayo stellt die Initiation ebenfalls eine zweite Geburt dar. Bezeichnend ist, daß die stellvertretende Schwangerschaft von einem Mann übernommen wird.

Freud wußte nichts wohl noch nichts von den Gepflogenheiten der Dowayo, aber er wußte etwas über die Tatsache, daß auch die westliche Kultur den männlichen Neid auf die weibliche Empfängnisfähigkeit kennt. Die griechische und israelitische Mythologie kompensierte ebenfalls diesen Neid: Athene wird aus dem Kopf des Zeus geboren und Eva aus Adams Rippe.

Sagen mit geschlechtlicher Umorientierung der Beteiligten nennt man Mimikry-Sagen. Das griechische Wort Mimikry bezeichnet heute die bei Insekten bekannte Nachahmung von Schutzorganen oder gar vom ganzen Aussehen anderer Insekten, z.B. Wespen-Mimikry bei Schwebfliegen.

Neben der Beschneidung von Männern gibt es auch die beschönigend so genannte Beschneidung von Frauen. Diese ist mit dem Vorgenannten aber überhaupt nicht zu vergleichen. Der entscheidende Unterschied zwischen der Beschneidung der Jungen und der der Mädchen liegt in deren sexueller Verstümmelung. Wird in dem einen Fall lediglich die funktionslose Vorhaut entfernt, so werden den Mädchen die wesentlichen äußeren Regionen ihres Genitals entfernt und ihnen damit ihre sexuelle Empfindungsfähigkeit genommen. Unter dem für Männer eher harmlosen Begriff der Beschneidung verbirgt sich also für die Frauen eine lebenslange Katastrophe, der Verlust ihrer sexuellen Erregbarkeit. Vergleichbar damit wäre auf Männerseite nur die Amputation des Penis. Die Beschneidung der Mädchen gestaltet sich deshalb auch erheblich dramatischer.

Das kleine Mädchen ist in der Regel völlig nackt und wird von mindestens drei Frauen auf einem niedrigen Hocker festgehalten. Eine hat ihre Arme fest über der Brust des Kindes verschränkt; die beiden anderen spreizen gewaltsam die Oberschenkel auseinander, um die Vulva möglichst weit zu öffnen. Die Arme der Kleinen werden hinter dem Rücken zusammengebunden oder von zwei weiteren Frauen festgehalten. Die Beschneiderin spricht ein kurzes Gebet, dann breitet sie auf dem Fußboden Opfergaben aus: Mais etwa, in der Stadt vielleicht sogar Eier. Daraufhin schneidet die Alte die Klitoris des Mädchens mit einer Rasierklinge, einer Glasscherbe oder einem scharfen Blechstück heraus. Sie entfernt die kleinen Schamlippen und schabt das Gewebe unter der Haut der Großen Schamlippen heraus. „Die hacken alles Fleisch rundherum weg“ so wurde es von einer westlichen Ärztin beschrieben. Das Mädchen heult dabei und windet sich vor Schmerzen, obwohl sie mit aller Macht festgehalten wird. Die Beschneiderin wischt das Blut von der Wunde, Damit die Mutter und die anderen Frauen mit den Fingern prüfen können, ob sie gute Arbeit geleistet hat. Zum Schluß streicht die alte Frau eine Paste auf die Wunde und steckt die Reste der großen Schamlippen mit drei oder vier Akaziendornen zusammen, die dann mit Nähfaden oder Pferdehaar verknüpft werden. Die Öffnung, die für Urin und Menstruationsblut übrigbleibt, ist so groß wie ein Maiskorn. Damit die Wundränder fest zusammenwachsen, wird das Mädchen nun von der Hüfte bis zu den Füßen mit Stoffstreifen umwickelt, so daß sie ihre Beine überhaupt nicht mehr bewegen kann.

Diese Prozedur nennt man die „Pharaonischen Beschneidung“. Dabei verlieren die Mädchen praktisch ihre gesamten äußeren Geschlechtsteile. Beim Geschlechtsverkehr und einer Geburt wird die Frau aufgeschnitten, danach gleich wieder vernäht. Auf diese Art wird für die Frau Sexualität zu einer lebenslangen Qual – eine perverse Garantie für die Keuschheit des Mädchens und die Treue der Ehefrau.

Das alles geschieht ohne Betäubung unter dem panischen Geschrei des Opfers. Diese „Zeremonie“ wird heute zum Teil sogar von im Westen ausgebildeten einheimischen Ärzten durchgeführt. Kürzlich filmte ein westliches Kamerateam diese Prozedur. Die Reporterin berichtete, daß es ihr unerträglich war, daß sie sich übergeben mußte und kaum davon abzuhalten war, dem „Chirurgen“ ins Messer zu fallen. Der Film ging um die Welt und löste einen Aufschrei der Empörung aus und eine heftige Diskussion unter Ethnologen, ob man dergleichen unter dem Vorwand der „Volksbräuche“ oder unter dem der „anderen Kultur“ überhaupt tolerieren könne oder aber wegen massiver Verletzung der Menschenrechte eingreifen müsse. Auch die Weltfrauenkonferenz jüngst in Peking hat die Beschneidung der Mädchen heftig kritisiert und ein weltweites Verbot dieser furchtbaren Verstümmelung gefordert.

Diese Zerstückelung des weiblichen Geschlechtsteils, im Fachjargon Klitorektomie genannt, und noch immer sehr weit verbreitet, stößt aber nicht nur bei vielen westlichen Menschen auf entsetzten Widerstand, mittlerweile regt sich auch der Widerstand in den entsprechenden Gegenden selbst. Gerade westliche Frauen glauben, daß die Klitorektomie ausschließlich eine Machenschaft der Männer sei, um die Frau zu züchtigen und sexuell gefügig zu machen. Dagegen spricht die Tatsache, daß nicht die Männer, sondern die alten Frauen diese Verstümmelung durchführen. Es bleibt die Frage, warum junge Frauen sich das gefallen lassen. Die Antwort ist, daß unbeschnittene Frauen gesellschaftlich geächtet sind und keinerlei Schutz durch die sogenannten Geheimbünde haben. Denn die Aufnahme junger Mädchen in diese Geheimbünde ist unweigerlich mit einer Beschneidung verbunden. Zudem ist es innerhalb der Geheimbünde für die Alten leichter, Kontrolle über die Jungen auszuüben. So gesehen sind Geheimbünde und Beschneidungsriten eine Instanz der Vorherrschaft der Alten über die Jungen. Die Geheimbünde fassen jeweils einen ganzen Jahrgang an Mädchen einer bestimmten Region zusammen. Beschnittene Mitglieder genießen zeitlebens Schutz innerhalb ihres Bundes wie, Hebammenservice, Eheberatung und sogar soziale Absicherungen nach Unglücksfällen. Doch diese Vorteile sind nur durch die furchtbare Verstümmelung des weiblichen Genitals zu erkaufen.