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Figaro Slinkssons stand knietief im sumpfigen Wasser des Bayou. Aus dem modrigen Schlamm stieg der Geruch von Fäulnis und Verwesung. Die Moskitos machten die feuchte Hitze noch unerträglicher. Es war bereits dunkel. Der Mond schien hell und voll. Das Louisianamoos oder Feenhaar, wie es auf Spanisch hieß, bewegte sich gespenstisch träge in der schwülen Luft.
Er stützte sich auf den einbeinigen Stativstock seiner Filmkamera. In der andren Hand hielt er ein Richtmikrofon. Weder gegen die Moskitos noch gegen die Blutegel, die sich unter der Wasseroberfläche in seine Waden bohrten, konnte er etwas tun. Die Kamera besaß einen Restlichtverstärker, der aber für das, was er auf der anderen Seite des Wassers beobachtete, nicht notwendig war.
Wie das Trojanische Pferd hatte er sich eingeschleust. Niemand konnte seine Anwesenheit im Schutz der Nacht auch nur ahnen. „Sommercamp“ nannten sie es. Wie bezeichneten sie dann das, was sie gerade im Schein des Feuers vorbereiteten? Ein Barbecue? Mit Menschenfleisch?
Ihm lief der Schweiß unter dem Kopfhörer des Richtmikrofons. Den Fokus der Kamera hatte Figaro Slinkssons auf die gesamte Szene gerichtet. Unter den schillernden Roben mit den spitzen Kapuzenmasken, die die Männer für ihre okkulte Zeremonie angelegt hatten, verbargen sich die mächtigsten Terroristen der Welt. Sie waren gleichzeitig die mächtigsten Männer der Welt. Keine Präsidenten. Nein. Die waren nur austauschbare Marionetten mit entsprechend großem Minderwertigkeitskomplex, damit sie bereit waren, alles mit sich machen zu lassen, um ein wenig Bewunderung zu bekommen. Dies war der Council on Foreign Relations. Die Präsidenten wechselten. Die Mitglieder des Council on Foreign Relations blieben.
Hier hatten sich die wahren Mächtigen versammelt. Figaro Slinkssons glich vor seinem inneren Augen Größe und Statur der Männer unter den Kapuzen mit den Mitgliedern des CFR ab, die ihm bekannt waren. Sie waren die Männer, die alles kontrollierten. Die Männer, die den Elften September organisiert hatten. Keine Bin Ladens. Alles gute Amerikaner. Das CFR bestimmte die Politik. Und Politik machen hieß nichts anderes als Geld machen. So war der Elfte September nichts weiter als eine gute Idee, noch mehr Geld zu machen.
Ein Flugzeug mit ein wenig Benzin konnte unmöglich ein Hochhaus zum Einsturz bringen. Zumal ein weiteres Gebäude, das World Trade Center sieben, einfach und ohne ersichtlichen Grund zusammenfiel, wie bei einer kontrollierten Sprengung. Nur, dass hier hochsensible Daten von Wirtschaftsunternehmen und gleichzeitig Gerichtsdokumente zur Untersuchung gegen den amtierenden Präsidenten lagerten. Weg. Einfach weg. Vom Flugzeug, das angeblich ins Pentagon gestürzt war, gab es überhaupt keine Spur. Keine einzigen Trümmer. Als habe es sich in Luft aufgelöst. Oder nie existiert.
Für das World Trade Center hatten die Investoren schlicht keine Umbau- und schon gar keine Abrissgenehmigung erhalten, da im Rahmen der Begutachtung eine Asbestverseuchung festgestellt wurde. Also schlossen sie eine Versicherung über sieben Milliarden Dollar bei einer schweizer und einer deutschen Versicherungsgesellschaft ab. Diese Gesellschaften hatten bereits die Nazis profitabel versichert. Zufällig war der Vorsitzende der Gruppe, zu der beide Versicherungen gehörten, der Kopf des Council on Foreign Relations.
Das alles ging Figaro Slinkssons durch den Kopf, während er die Männer mit seiner Kamera filmte.
Er hörte das Knistern des Feuers, das Rascheln ihrer seidig glänzenden Gewänder in Wind. Sah, wie sie dort standen. So unwirklich verhüllt unter ihren Kapuzen.
Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Zeremonie gerichtet. Unter dem Kopfhörer nahm er nicht die leise Bewegung des Wassers hinter ihm wahr.
Der Zeremonienmeister hob einen silbernen Krummdolch in die Höhe, auf dessen Klinge sich die zuckenden Flammen spiegelten. Mit der anderen Hand zog er den Kopf einer vor ihm knienden Gestalt zurück, sodass sich ihr weißer Hals nach vorne bog.
Ein Mitglied der Gruppe stand neben ihnen und hielt einen Kelch bereit, während die anderen einen Kreis um sie bildeten.
„Ich habe doch bereits alles gesagt“, stammelte die gefesselte Gestalt. „Sie wird der Schlüssel sein, den sie brauchen. Sie wird es in sich tragen. Mit ihr wird sich alles erfüllen.“
„Das ist schön, mein lieber Rasputin“, erwiderte der Zeremonienmeister. „Es ist so bedauerlich, dass du deinen eigenen Tod nicht vorhersehen konntest.“
Figaro Slinkssons versuchte, den Schirm des Richtmikrofons besser auszurichten und zoomte auf den Zeremonienmeister, sodass er fast seine Augenfarbe erkennen konnte.
Er sah, wie sich von der Seite das Augenlid über seiner Pupille schloss. Als es sich öffnete, gefror ihm das Blut in den Adern. Die Pupille hatte sich inmitten einer gelben Iris zu einem schmalen, spitz zulaufenden Schlitz geformt. Ein Blinzeln und alles war verschwunden, wie ein böser Traum.
„Sie sind der Teufel“, flüsterte die kniende Gestalt. Der Dolch schwebte über ihm in der Luft.
„Dann sehen wir uns ja gleich wieder“, sagte der Zeremonienmeister und lachte laut auf, „ – in der Hölle!“
Die Klinge schlug durch den weißen Hals. Das Blut sprudelte.
Wie versteinert musste Figaro Slinkssons alles mit ansehen. Das dunkle Blut aus der Kehle des zuckenden Opfers wurde im Kelch aufgefangen. Dann trennte der Zeremonienmeister mit schnellen Schnitten Teile des Fleisches ab und warf sie in die Dunkelheit des Sumpfes. Augenblicklich peitschten die ledrigen Leiber der Alligatoren das schlammige Wasser auf. Die schuppigen Körper drehten und wanden sich, um ein Stück blutiges Fleisch zu ergattern.
Ihre schmalen gelben Augen blitzten im Schein des Feuers auf.
Intuitiv richtete Figaro Slinkssons seine Kamera in das Dunkel hinter sich. Der Restlichtverstärker sprang an. Der Alligator lag keine zwei Schritte von ihm entfernt unterhalb der Wasseroberfläche. Er bewegte sich langsam gleitend auf Figaro zu. Vor Schreck stieß er mit dem Richtmikrofon gegen einen Baum und löste ein ohrenbetäubend schrilles Geräusch aus. Er kam nicht mehr dazu, sich den Kopfhörer herunterzureißen. Das Reptil schoss mit aufgerissenem Maul aus dem Wasser. Die Wucht des massigen Tieres warf ihn fast um. Gerade noch konnte er den messerscharfen Zähnen ausweichen. Er rammte das Stativ in den Rachen des Alligators, so tief er nur konnte. Sobald das Tier etwas zwischen seinen Kiefern spürte, schnappte es zu und drehte sich instinktiv wild um die eigene Achse, um ein Stück aus seinem Opfer zu reißen.
„Offenbar haben wir heute Abend noch einen Gast, der gern Teil unsrer Party werden möchte“, hörte Figaro Slinkssons in seinem Kopfhörer. „Er wird uns eine willkommene Abrundung des Festmahls sein. – Holt ihn euch!“