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Die zwei Killer wollten Laima und ihrem Vater den Weg abschneiden. Sie versuchten, sich zwischen sie und die Sicherheitskontrolle zu drängen, gerieten aber in eine Reisegruppe mit Koffern und Trolleys. Fluchend versuchten die Männer, sich durch sie hindurchzukämpfen.
Eine Beamtin winkte Laima direkt zur Kontrolle in einen Nebenraum. Nachdem sie das Gesicht im Pass mit dem unter der Burka abgeglichen hatte, kam Laima auf der andren Seite wieder heraus. Die zwei Männer waren verschwunden.
„Pass auf dich auf“, sagte ihr Vater über die Absperrung hinweg. „Und mach dir um mich keine Sorgen.“
„Kümmere dich um Mama! Und vergiss nicht, die Katzen zu füttern“, waren ihre letzten Worte.
Die Beamtin schüttelte nur verwirrt den Kopf.
Die erste Klasse im Flugzeug war, bis auf eine alte Dame, leer. Sie rümpfte die Nase, als Laima sich in der Burka neben sie setzte.
Nachdem das Flugzeug gestartet war, ging Laima auf die Toilette, um ihre Verkleidung loszuwerden.
Als sie wiederkam, sagte die alte Dame: „Setzen sie sich ruhig. Diese Ausländer sollen bloß woanders hin. Pfui, sowas. Und wie die stinken.“
„La schemm el a schemm“, sagte Laima in ihrem besten Arabisch.
Ihr Blick glitt über die Wolken. Hier oben war alles so schön. So friedlich. Warum konnte es nicht immer so sein? Sie dachte an Chang.
Warum er ihr einfiel, wusste sie selbst nicht. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er aussah. Warum hatten sie sich nie ein Foto geschickt? Aus Angst vor Enttäuschung? Dass er sie nicht hübsch finden würde? Oder dass er völlig unansehnlich war? Hatte sie sich wirklich solche Gedanken gemacht? Sie war doch die ganze Zeit mit Tooms zusammen.
Chang war ihr immer nah gewesen, obwohl er Tausende Kilometer weit weg wohnte. Sie hatten sich in einem Blog kennengelernt und anfangs über Religionen geschrieben. Wo sie sich ähnelten und wo sie sich unterschieden. Dann hatten sie stundenlang, über Monate hinweg gechattet. Sie hatten sich ihr Leben erzählt. Eigentlich hatte mehr sie erzählt. Es gefiel ihr. Noch nie hatte sie jemanden gefunden, der ihr wirklich zuhörte. Über ihn wusste sie nicht viel. Außer dass er in Peking studierte. Dennoch fühlte es sich immer gut an. Vertraut. Mittlerweile beschränkte sich ihr Kontakt auf wenige E-Mails im Jahr, aber sie wusste immer, dass er für sie da war.
Ohne Gepäck kam Laima aus dem Ankunftsbereich des Flughafens in Zürich. Ein kurzer Gedanke, ob ein Kommando aus Trenchcoatträgern sie erwartete. Lediglich ein rothaariger, schüchtern wirkender Mann, der wenig älter als sie selbst war, wartete mit einem Schild in der Hand, auf dem ihr Name stand.
„Frau Liepa?“, fragte er, als sie auf ihn zukam.
Sie nickte.
„Schüssli, mein Name. Roger Schüssli. Ich heiße sie im Namen der Bione Corporation herzlich willkommen. Herr von Stein bedauert sehr, sie nicht selbst abholen zu können, aber er lässt ihnen mitteilen, dass er heute Abend alle Expeditionsteilnehmer zu sich zum Essen einlädt. Ich darf sie derweil in ihr Hotel bringen.“
Ein Chauffeur hielt ihr die Tür der Limousine auf. Nach einer kurzen Fahrt erreichten sie das Grandhotel, das oberhalb des Zürichsees lag. Laima stieg aus. Das Wetter war herrlich. Der Blick reichte über den See bis zu den Alpen. Wie Wellen aus Stein, die plötzlich innehielten, erschienen ihr die Berge mit ihren weißen Spitzen, Schaumkronen aus Eis.
Die Türmchen der Fassade verliehen dem Hotel ein romantisches Aussehen.
„Ein ehemaliges Kurhaus. Das Beste am Platz“, sagte Roger Schüssli. „Reisen sie ohne Gepäck, wenn ich fragen darf?“
„Ich hatte keine Zeit zum Packen“, sagte Laima.
„Dann statten sie sich doch in der Boutique des Hotels aus. Selbstverständlich auf Kosten der Bione Corporation.“
Er begleitete sie noch zur Rezeption, wo eine Suite für sie reserviert war.
„Ich werde sie dann, zusammen mit den übrigen Gästen, um halb acht heute Abend abholen. Genießen sie bis dahin ihren Aufenthalt.“
Ein Page geleitete sie hinauf. Alles war luxuriöser, als Laima es je erlebt hatte. Noch nie hatte sie in einem derartigen Hotel übernachtet. Der Charme des alten Gebäudes mischte sich auf angenehme Weise mit modernem Design. Sie ließ sich auf das Doppelbett fallen. Es fühlte sich an wie auf einer Wolke. Sie nahm die kleine Schokolade, die auf ihrem Kopfkissen lag, und schälte sie aus dem Papier. Es war ein Genuss. Ihr ganzer Körper entspannte sich nach der Hetzjagd der letzten zwei Tage. Ein kleiner Zettel fiel aus der Schokoladenverpackung, als sie damit herumspielte. Er sah aus wie die Zettel aus den chinesischen Glückskeksen. Hatten die Schweizer diese originelle Idee nun auch für ihre Schokoladen entdeckt?
Sie machte ihn auf.
TRAUEN SIE NIEMANDEM. SCHON GAR NICHT SICH SELBST.
Laima war überrascht. Es schien ihr ein sonderbarer Rat für einen Glückskeks. Sie nahm die Schokolade vom Kissen auf der anderen Seite des Betts und packte sie aus. Der Geschmack war derselbe. Einen Zettel enthielt auch sie.
TRAUEN SIE NIEMANDEM. SCHON GAR NICHT SICH SELBST.
Sie zog die Augenbrauen hoch. Das war doch ein seltsamer Zufall. Oder wollte ihr jemand etwas sagen?
So sehr sie diese Frage auch beschäftigte, sie musste als Erstes etwas Schlaf nachholen. Es gab einen kleinen Wecker mit hoteleigenem Aufdruck. Zwei Stunden sollten genug sein. Danach hatte sie immer noch Zeit, alles zu erledigen, was sie noch vorhatte.
Sie dachte über die eigenartige Botschaft nach, dann an ihre Mutter und war im nächsten Augenblick bereits eingeschlafen.
Sie träumte von Verfolgungsjagden, in denen dunkle Männer aus schwarzen Schokoladenpapieren stiegen und hinter ihr her waren. Ihre Schüsse machten untypische, piepende Geräusche. Es war der Wecker, stellte sie fest, als sie erwachte. Es dauerte eine Weile, bevor sie verstand, wo sie war.
Bei allem wunderte sie sich, wie wenig sie noch an Tooms dachte. Er war ihr gleichgültig. Das überraschte sie.
Sie zog ihre alten Sachen an, die nicht besonders gut rochen, und beschloss, erst nach ihrem Einkauf zu duschen, da es sonst nicht viel helfen würde. Sie fuhr hinunter in die Lobby. An der Rezeption fragte sie nach dem Hotelladen.
„Sagen sie, sind dies die schweizer Glückskeksschokoladen?“, sagte Laima, als sie ein Glas von ähnlichen Schokoladen auf dem Tresen stehen sah wie auf ihrem Kopfkissen.
„Entschuldigung, Madame. Ich fürchte, ich habe ihre Frage nicht verstanden“, sagte der Empfangschef.
„Sind dies die gleichen Schokoladen wie die auf den Zimmern? Die sie auf die Kopfkissen legen?“
„Aber ja, Madame. Bedienen sie sich bitte.“
Laima steckte ein paar ein.
„Und könnten sie mir wohl sagen, ob ein gewisser Professor Carlsen bereits eingetroffen ist?“
„Jawohl, Madame.“ Er sah in seinem Computer nach. „Zimmer 606, Madame.“
Sie stattete sich in der Boutique des Grandhotels mit dem Nötigsten aus. Die Preise waren astronomisch. Sie schämte sich fast. Dann dachte sie an das bevorstehende Essen heute Abend und dass wenn ihr Gastgeber sie schon in einem so edlen Etablissement untergebracht hatte, Geld keine Rolle zu spielen schien. Sie kaufte ein Abendkleid, das ihr besonders gefiel und ein Paar passende Schuhe dazu, in denen sie sich hinreißend fühlte, auch wenn sie sonst nicht der Typ für Abendkleider und hochhackige Schuhe war. Sie ließ alles auf ihr Zimmer bringen.
Immer wieder kam es ihr seltsam vor, dass nach der Hetzjagd der letzten Tage plötzlich diese Ruhe herrschte, die sie fast mehr beunruhigte. Der Luxus lenkte sie ab, aber ihre Verunsicherung wuchs. Es war ein nervöses Gefühl im Bauch, das sich ausbreitete und anfing, sie schleichend einzuspinnen.
Sie dachte an Professor Bersinsch, während sie unter der Dusche stand. Sie musste unbedingt mit Professor Carlsen reden. Was wusste er über diese ganze Sache?
TRAUEN SIE NIEMANDEM. SCHON GAR NICHT SICH SELBST, dachte sie wieder.
Sie klopfte an die Zimmertür 606.
„Meine Liebe! Sie sind bestimmt die reizende Laima Liepa“, sagte der beleibte ältere Mann mit dem kurzen weißen Bart, als er die Tür öffnete. „Kommen sie doch herein. Der alte Bersinsch hat mir schon viel erzählt. Aber dass sie so hübsch sind, hat er mir glatt unterschlagen“, sagte er. Dann schloss er die Tür hinter ihr.
„Sie sind ein Freund von Professor Bersinsch?“, fragte Laima.
„Einer seiner Vertrautesten, möchte ich meinen. Es ist ein Jammer mit seiner Gesundheit, aber warten sie.“
Er holte ein kleines Gerät aus seinem Koffer. Ein Gerät, wie sie es bereits von Professor Bersinsch kannte. Er schaltete den Störsender ein.
„Nur die Naiven glauben, dass es in der Welt mit rechten Dingen zugeht. Und der alte Magnus Carlsen gehört sicher nicht dazu. Also, meine Liebe, was hat Bersinsch ihnen erzählt?“
Aus irgendeinem Grund zögerte sie. Dieser Zettel in der Schokolade machte sie noch krank. Schließlich hatte Professor Bersinsch ihr selbst gesagt, sie solle sich an Professor Carlsen halten.
„Eigentlich nicht viel. Die Scheibe, die er unter dem Altar des Doms gefunden hat, wurde gestohlen.“
„Das ist interessant“, sagte Professor Carlsen und kratzte sich am Bart. „Wissen sie, was es mit der Scheibe auf sich hat? Hat er es ihnen erklärt?“
„Nur sehr ungefähr. Er sprach von einem Punkt, der innerhalb der Blume des Lebens markiert war. Und auf der Unterseite der Scheibe ...“
„Unterseite?“
„Die Scheibe steckte im Boden. Die Mulde ließ auf die Form eines ... Schildes mit Schildbuckel in der Mitte schließen.“
„Eine Lolladoff Scheibe! Heureka! Was für ein Fund.“
„Was ist eine Lolladoff Scheibe?“
„Die Lolladoff Scheibe hat genau die Schildform, die sie gerade beschrieben haben. Dazu ist sie mit besonders gut ausgeprägten Gravierungen versehen. Dinosaurier und andre Tiere, die in der Evolution eine Rolle gespielt haben. Und einem Wesen.“
„Was für ein Wesen?“
„Man würde es, wenn ich es als Augenarzt einfach ausdrücken will, mit seinen mandelförmigen nicht wie bei uns horizontal, sondern fast vertikal ausgerichteten Augen, am ehesten als Außerirdischen bezeichnen. Die schildartige Form könnte zudem eine Flugscheibe darstellen. Deswegen wirft es die berechtigte Frage auf, was uns dieser Fund über die Evolution sagen kann. Und was es uns über die wahre Geschichte der Menschheit verrät.“
„Sie glauben, es könnte eine andere Geschichte der Evolution geben, als wir sie bereits kennen?“, fragte Laima.
„Die Evolutionstheorie ist und bleibt nichts weiter als eine Theorie. Nur weil wir sie ständig gebetsmühlenartig wiederholen, ist sie nicht mehr und nicht weniger als eine Idee, wie die Dinge sein könnten. Darwin hatte sie zunächst nur für die Entwicklung der Arten erdacht. Eine Theorie, die, von Beobachtungen abgeleitet, vieles erklärt. Ebenso vieles überhaupt nicht.“
„Und was haben sie und Professor Bersinsch herausgefunden?“
„Was Professor Bersinschs Forschung so wichtig macht, ist, dass er die Dainas und Lielvardes Gürtel mit einbezogen hat. Die lettische Sprache ist der letzte lebende Zweig der ursprünglichen Mutter aller Sprachen und damit die wissenschaftlich gesehen reinste Quelle aller Informationen. Älter als Sanskrit. Damit ist das Fundament für eine makellose Grundlagenforschung gegeben.
Ich habe eines Nachts in meiner Klinik in Trondheim, als ich bereits sehr erschöpft war, das Verhältnis von Irisgröße zur Proportion des Auges untersucht. Da fiel mir etwas ein, das ein verstorbener Geologe mir einst über die Verschiebung der Erdachse sagte. Er behauptete, die Pole würden sich alle fünfundzwanzigtausend Jahre abrupt verschieben. Dies führe zu Katastrophen aller Art.“
„Die Apokalypse.“
„Wenn sie so wollen, ja. Ich fand heraus, als ich die Augenmaße untersuchte, dass es zwischen diesen Maßen einen Zusammenhang gibt. Ihr Verhältnis ist ausnahmslos bei den Augen aller Menschen und Tiere identisch. Es wich nie ab. Das brachte mich dazu, wenn es bei allen Lebewesen gleich war, es auf die Erde anzuwenden.
Das Verhältnis der Irisgröße zum Radius des Auges beträgt genau eins zu sechs. Der Geologe sagte mir, fünf Achsenverschiebungen der Erde hätten bereits stattgefunden. Nun sei die Letzte, die Sechste, zu erwarten. Anzeichen davon sehen wir überall. Wale und Delfine stranden, weil die verschobenen Magnetpole ihren Orientierungssinn täuschen. Vogelschwärme tauchen in unbekannten Gebieten auf. Das Abschmelzen der Pole, weil sie sich nicht mehr dort befinden, wo sie gefrieren. Das löst den Klimawandel aus. Niemand will darüber reden. Eine fatale Panik wäre die Folge. Viel lieber schiebt man es auf die Umwelt. Warum will die USA kein Abkommen zum Klimawandel unterschreiben? Sie kennen die wahre Ursache.“
„Und wie hängt das mit ihrer Beobachtung der Augen zusammen?“
„Es war das Sechstel. Alle Punkte der bisherigen Achsenverschiebungen liegen genau sechstausendsechshundertsechsundsechzig Kilometer auseinander. Genau der sechste Teil des Erdumfangs. Auf einer geraden Linie!“
„Alle bisherigen Pole?“
„Genau, meine Liebe. Der jetzige Nord- und Südpol natürlich auch. Und der Mount Kailash ebenfalls. Er befindet sich genau sechstausendsechshundertsechsundsechzig Kilometer vom Südpol entfernt. Der letzte Polsprung, das Ende aller Zeiten, steht uns bevor. Wir müssen die Quelle allen Wissens finden. Der Kailash im Himalaya, unser Expeditionsziel, scheint laut Bersinsch dieser Ort zu sein. Was sich dort genau verbirgt, weiß niemand. Aber nicht umsonst bilden alle diese Punkte zusammen mit den Pyramiden von Gizeh, denen der Azteken, Stonehenge und dem Bermudadreieck ein Netz. Ich arbeite an einer Weltkarte dieses Netzes. All diese Orte liegen in einem präzisen Abstand zueinander. Gizeh-Südpol, Südpol-Kailash, Kailash-Stonehenge, Stonehenge-Bermudadreieck, Bermudadreieck-Osterinsel. Jede dieser Entfernungen misst genau – sechstausendsechshundertsechsundsechzig Kilometer.“
„Und die gestohlene Scheibe?“
„Glücklicherweise hatte Bersinsch mir ein Foto gemailt. Legt man die Blume des Lebens auf die Weltkarte, so liegt der markierte Punkt genau auf dem Kailash.“
Es klopfte an der Tür.
Professor Carlsen legte den Finger auf die Lippen.
„Wer ist da?“, fragte er durch die Tür.
„Roger Schüssli, von der Bione Corporation. Ich wollte sie zum Essen mit Herrn von Stein abholen.“
Professor Carlsen schaute auf seine Armbanduhr.
„Tatsächlich“, murmelte er. „Sie sind schon fertig, so bezaubernd, wie sie in ihrem Abendkleid aussehen.“
Laima errötete unter seinem Kompliment.
„Wie sehe ich in meinem Smoking aus? Mit einer so attraktiven, jungen Frau an meiner Seite kann ich nur aussehen wie ein junger Gott. Ich fühle mich wie in meinen besten Tagen“, sagte er und bot ihr seinen Arm an, damit sie sich bei ihm unterhakte.
„Die anderen sind bereits da. Wir haben nur eine kurze Fahrt vor uns“, sagte Schüssli, als sie in der Limousine über die seichten, kurvigen Bergstraßen glitten.
Das Haus lag am Hang. Es bot sich ihnen ein noch sagenhafterer Ausblick auf den See und die Stadt Zürich als vom Grandhotel aus. Der Himmel war klar und die Bergluft roch frisch und rein.
Die Haustür stand offen. Das Haus war ein minimalistischer Kubus aus schwarzem Granit. An zwei Seiten offen, schloss die rohe Felswand des Berges den hinteren Teil. Zur anderen Seite lag eine Terrasse mit Blick auf den See tief unter ihnen. Der Boden war ebenfalls aus schwarzem Granit. Moderne Designklassiker bildeten das Mobiliar. An den Wänden übergroße Fotos eines drahtigen Mannes, der an überhängenden Felsen ohne Sicherung, teils nur an zwei Fingern über Hunderte Meter tiefen Abgründen hing.
„Das ist meine Lieblingsbeschäftigung, wie sie sich vielleicht denken können“, sagte der drahtige Mann von den Fotos, der mit einem Glas Whiskey in der Hand von der Terrasse hereinkam. „Free Solo nennt sich das. Ohne Seil, ohne Sicherung. Gerold von Stein, mein Name.“
Er machte eine angedeutete Verbeugung, als er Laimas Hand nahm.
„Sie sind also Professor Bersinschs Ersatz. Eine schöne Überraschung, muss ich sagen.“
„Ist das nicht leichtsinnig, das Klettern ohne Seil?“, fragte Laima.
„Sie müssen sich selbst gut kennen und ihre Fähigkeiten richtig einschätzen. Leichtsinn hat da keinen Platz. Dann wäre ich längst nicht mehr hier“, sagte er mit einem charmanten Lächeln. „Professor Carlsen, ich freue mich, sie wiederzusehen“, sagte von Stein. „Ihr Assistent ist bereits da.“
Hinter von Stein tauchte ein blonder, hünenhafter Mann mittleren Alters auf.
„Figaro Slinkssons“, sagte er mit einem kaum merklichen schwedischen Akzent und schüttelte kräftig Laimas Hand.
„Kommen sie doch mit hinaus“, sagte von Stein. „Der Tisch ist bereits gedeckt und Sam wird uns seine besten Kreationen auf dem Grill zaubern. Solange wir uns noch den Luxus der Bequemlichkeit leisten können, sollten wir es auch tun. Wer weiß, was unsere Expedition bereithält? Ob wir überhaupt je wieder in den Genuss von Gegrilltem kommen werden“, sagte er mit einem linkischen Lächeln.
Er führte sie auf die Terrasse des Hauses, die weit über den Abgrund des Hangs reichte. In der Mitte stand ein stilvoll gedeckter Tisch. An der Seite ein Grill, an dem sich Sam zu schaffen machte. Sam war muskulös. Seine Haut von einem feinen, goldenen, milchkaffeefarbenen Teint.
„Sam ,The Rock’ Jackson“, sagte Gerold von Stein im Tonfall eines Boxkampfpräsentators. Sam erwiderte den Kommentar, indem er seinen massigen Arm mit der Grillgabel in der Art eines Boxchampions in die Luft streckte.
„Sam ist amerikanischer Grillweltmeister“, erläuterte von Stein.
„Louisianischer Barbecuechampion“, verbesserte Sam ihn in breitem Südstaatenamerikanisch.
„Er hat sich als Koch auf Trekking- und Bergsteigertouren spezialisiert. Ich selbst habe zwar noch nie einen Koch gebraucht, aber ich möchte ihnen doch den größtmöglichen Komfort bieten, der zur Verfügung steht. Meine Frau und meine zwei Töchter sind zurzeit gerade auf Sylt. Sonst leben wir in Monaco. Dies ist nur mein ganz privates Arbeitsdomizil. Meine Firma, die Bione Corporation, befindet sich ganz in der Nähe. Sie werden morgen die Gelegenheit haben, eine kleine Besichtigung zu machen. Übermorgen werden wir dann, nachdem sie mit allem Notwendigen ausgestattet sind, Richtung Himalaya starten. Aber jetzt bitte zu Tisch.“
Roger Schüssli hatte ihr Gespräch vom Haus aus verfolgt. Er hatte noch keinen Fuß auf die Terrasse gesetzt.
„Schüssli, kommen sie doch“, forderte von Stein ihn auf. „Ach, ich vergaß. Dann setzen sie sich wenigstens an die vom Terrassenrand entfernteste Seite. Kommen sie, tun sie uns den Gefallen.“
Langsam kam Schüssli raus und bewegte sich unter großer Überwindung zum Stuhl, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand.
„Ich weiß, dass er Höhenangst hat. Aber was soll ich machen. Er ist meine rechte Hand. Irgendwie kriegen wir ihn schon über den Himalaya.“
Was Sam ‚The Rock’ Jackson ihnen grillte, war köstlich. Shrimps, Auberginen, Rippchen. Alles mit einer besonderen Würze. Laima hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und ihr Appetit kam ihr nicht besonders damenhaft vor. Aber in der Männerrunde fühlte sie sich schnell ausgelassen und entspannt. Ein angenehm kühler Wind wehte vom See herauf. Zürich zeigte sich im besten Licht, als sich die Stadt mit einsetzender Dämmerung in eine glitzernde Kulisse verwandelte. Sam, der Koch, setzte sich nach einem Dessert aus flambierten Bananen, die er ebenfalls auf dem Grill zubereitet hatte, zu ihnen an den Tisch.
„Wissenschaft ist nichts anderes, als eine Frage des Glaubens“, sagte von Stein. „Bevor sie nicht an etwas glauben, stellen sie auch keine These dazu auf.“
„Aber es gibt immer Phänomene, auf die man stößt“, warf Figaro Slinkssons ein.
„Natürlich. Sie regen unsere Fantasie an. Beobachtungen stoßen die Türen zu neuen Realitäten auf. Newton sah den Apfel vom Baum fallen und glaubte, dahinter müsse eine Gesetzmäßigkeit stehen. Aber es wird nie eine abschließende Wahrheit geben“, sagte von Stein.
Professor Carlsen nickte.
„Was sollen wir dann glauben, wenn es keine objektive Realität gibt?“, fragte Laima.
„Erkennen sie erst einmal an, dass alles eine Frage des Glaubens ist! Wissen hat immer ein Verfallsdatum. All diese Realisten glauben, die Welt und alle Wissenschaften seien gerade jetzt an ihrem einzig gültigen und ewig so bleibenden Punkt angelangt. Dabei sollten doch gerade Realisten wissen, dass bereits zu allen Zeiten die Wissenschaftler dies geglaubt haben. Alles befindet sich im dauernden Wandel der Erkenntnis. Realismus ist nur der Widerwille, die Angst oder die Faulheit, sich einer neuen, ständig verändernden Welt anpassen zu müssen. Nichts weiter. Wäre ich ein Realist, wäre ich sicher kein Multimillionär geworden. Aber auf gewisse Weise bin ich den Realisten dankbar. Sie überlassen mir so viel Freiraum, der wissenschaftlich nicht genutzt wird, dass es mir erst möglich war, meinen Reichtum zu schaffen.“
„Aber sie sind doch mit dem Silberlöffel im Mund geboren, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf“, sagte Schüssli.
„Meine Eltern besitzen Land, ja. Aber wie mein Großvater sagte, viel Besitz bedeutet viel Verantwortung. Darüber sind sich viele nicht im Klaren. Selbst wenn meine Eltern alles verkauft hätten, wären wir nicht besonders reich gewesen. Und alles zu behalten und zu bewirtschaften, hat uns arm gemacht.“
„Adel verpflichtet. Das klingt mir doch nach dem ewigen Gejammer der Reichen.“ Schüssli hatte einiges getrunken, offenbar um seine Höhenangst zu bezwingen, und kam jetzt so richtig in Fahrt.
„Mein guter Schüssli, mein Bruder erntet auf unserem Familienbesitz Getreide. Ein Realist, der hart körperlich arbeitet und dennoch auf Subventionen und meine Hilfe angewiesen ist. Nichtsdestotrotz verdanken wir ihm unsere neueste und vielleicht größte Vision.“
„Worum geht es dabei?“, fragte Laima.
„Ich stand gerade in einem Kornkreis in Südengland, als er mich anrief. Er saß auf seinem Mähdrescher bei der Ernte und sagte, warum ich nicht mal etwas Nützliches machen könnte. Ich war gerade dabei, Strahlungsmessungen zu machen. Da kam mir eine Idee, die mir schon viel früher hätte kommen sollen. Und es war, als hätte ich das Feld vor lauter Ähren nicht gesehen.“
„Sie glauben, Kornkreise sind echt?“ fragte Laima.
„Strahlungsmessungen sind, neben der präzisen Geometrie, die nur echte Kornkreise aufweisen, ein Merkmal dieses Phänomens. Außerdem bilden sich an den Knickstellen der Gräser spezifische Verdickungen, Halmknoten. Die Pflanzen wachsen weiter. Und nicht nur das. Sie wachsen auch viel besser und bringen höhere Erträge. Das brachte mich auf die Idee. Mein Bruder saß auf dem Mähdrescher und ich stand im Kornkreis. Ich wusste, wie schwierig der Anbau auf unserem Land war. Wie schnell der Boden ausdüngt. Die Strahlung der Kornkreise brachte mich darauf, wie es wäre, eine Methode zu entwickeln, mit der man auf noch viel schwierigeren Böden, ja sogar in der Wüste oder in der Arktis Getreide anbauen könnte. Der Bione-Scanner, den wir entwickeln, ist der Prototyp unserer Forschung auf diesem Gebiet.“
„Glauben sie, dass Ufos die Kornkreise verursachen?“, fragte Figaro Slinkssons.
Diese Frage interessierte auch Laima, aber sie beherzigte Professor Bersinschs Rat zur Vorsicht.
„Die britische Regierung glaubt auf jeden Fall daran. In der ganzen Region stehen Masten, die jede Bewegung aufzeichnen. Jedes Mal, wenn wir in einem frischen Kornkreis standen, kreisten Regierungshubschrauber über uns. Ich selbst bin Zeuge von Lichterscheinungen geworden. So viel dazu.“
Von Stein wollte das Thema nicht weiter vertiefen. „Daher kenne ich übrigens Professor Bersinsch“, fügte er, an Laima gewandt, hinzu. „Er besuchte einen meiner Vorträge, aber ich widme mich nur noch der Forschung.“
Es trat ein allgemeines Schweigen ein.
„Wie kommt es, dass sie so offen über Ufos reden, wenn die Regierung bemüht ist, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten?“ gab Laima ihrer Neugier nach.
„Reden können sie viel. Niemand glaubt es. Selbst wenn sie Beweise haben. Jeder wird eine Fälschung vermuten oder sie einfach lächerlich machen. So weit ist es gekommen. Wenn sie aber versuchen Kontakt aufzunehmen, dann können sie sicher sein, dass ihr Leben in Gefahr ist“, sagte von Stein. „Setzen wir uns doch drinnen noch etwas an den Kamin.“
Damit war das Thema beendet und sie gingen hinein.
Am nächsten Morgen erwachte Laima früh in ihrem Hotelzimmer. Sie konnte nicht sagen, ob es an ihrer Unruhe lag oder ob es die ungewohnte Umgebung war. Schließlich stand sie auf und ging frühstücken.
Als sie auf die Terrasse des Grandhotels trat, wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Es war ein sonniger Morgen. Sie war vom gestrigen Festmahl noch nicht wieder hungrig. Als sie dann aber vor den duftenden Buttercroissants und dem frisch gepressten Orangensaft saß, konnte sie nicht widerstehen.
Das Unbehagen, das sie bereits geweckt hatte, wurde immer größer. Sie saß in einem Schloss über dem Zürichsee, in aller Ruhe, als vor zwei Tagen noch auf sie geschossen wurde. Diese Ruhe schien ihr zu trügerisch. Der Kontrast war zu groß. Weshalb plötzlich diese Stille um sie herum? Sie sah sich um. Aber zu dieser frühen Stunde saß, außer ihr und einer älteren Dame, die ihren kleinen Hund auf dem Schoß mit Croissant fütterte, niemand an den Tischen.
Laima holte die Schokoladen, die sie gestern an der Rezeption eingesteckt hatte, heraus. Sie wickelte eine aus. Kein Zettel. Sie untersuchte das Papier genauer. Nichts. Die Nächste war ebenfalls leer. Ganz normale Schokolade. Keine Glückskekszettel. In keiner von ihnen!
Was sollte das bedeuten? Laima war nervös. Sie blickte sich um. Wer spielte hier mit ihr? Wo waren die Männer hinverschwunden, die sie so fieberhaft von ihrer Abreise abhalten wollten? Die ihre Mutter ins Koma befördert hatten. Die ihr Drogen untergeschoben hatten.
TRAUEN SIE NIEMANDEM. SCHON GAR NICHT SICH SELBST.
Sie musste sich beruhigen. Alles andere half ihr wenig. Erstaunlich war, dass überall Kornkreise auftauchten. Wussten sie untereinander, was die Anderen wussten? Ganz hatte sich Professor Carlsen gegenüber Gerold von Stein nicht offenbart. Professor Bersinsch hatte gesagt, sie solle sich an Professor Carlsen halten. Traute sie ihm? Vielleicht. Vielleicht war es dieser kleine Zettel aus der Schokolade, der sie verwirrte. Nun traute sie wirklich niemandem mehr. Auch sich selbst nicht. Sie konnte nicht mehr sagen, was sie vor dem Zettel getan hätte. Wie sie gehandelt hätte, wäre sie unvoreingenommen gewesen.
Wer immer ihr diese Nachricht übermittelt hatte, hatte sein Ziel erreicht. Auch wenn sie versuchte, sich ganz frei zu machen, nochmals alles durchzugehen, alle Sympathien neu zu prüfen, dieser Jemand hatte einen Schleier des Misstrauens ausgebreitet, der ihr die klare Sicht genommen hatte.
Sie beschloss, sich abzulenken und zu entspannen. Vielleicht würde das helfen, ihre Gedanken zu ordnen. Das umfangreiche Spa Angebot des Hotels war genau das, was sie jetzt brauchte. Schließlich stand ihr eine anstrengende Expedition bevor. Sie hatte sich kaum von der Gletschertour in Österreich erholt und der Himalaya war sicher noch weit weniger erholsam.
Als Laima sich nach der Sauna gerade massieren ließ, trat ein Hotelangestellter ein, um ihr mitzuteilen, dass sie nach der Massage erwartet werde.
In der Lobby saßen bereits Professor Carlsen mit seinem Assistenten, Figaro Slinkssons, Roger Schüssli und Sam, der Koch. Sie stiegen in einen luxuriösen Kleinbus.
Während der Fahrt sah Laima immer wieder in den Rückspiegel. Sie saß vorne neben dem Fahrer. Ein Lieferwagen folgte ihnen. Sie sah, dass er mehrfach die Spur wechselte. Andre Autos schoben sich dazwischen, aber er blieb an ihnen dran. Oder kam es ihr nur so vor? Wechselten sich bei professionellen Beschattern nicht mehrere Teams ab? War dieser Lieferwagen nicht viel zu auffällig? Gerade als sie darüber nachdachte, verschwand er. Hinter ihnen war niemand mehr. Sie fuhren noch einige Minuten und bogen dann ab. Es war kein weiterer Wagen zu sehen. Laima zweifelte an sich. Dann erreichten sie die Bione Corporation.
Das Firmengebäude war im gleichen schlichten Stil wie von Steins Haus. Vorne Glas, hinten nackter Fels, schwarze Steinwände, schwarzer Boden. In der Eingangshalle stand ein gigantischer goldener Buddha, der zusammen mit der Architektur und den Felsen auf magische Weise harmonierte.
„Das ist doch eine schöne Einstimmung auf Tibet, oder?“, sagte Schüssli.
„Das ist ein thailändischer Buddha.“
„Seien sie doch nicht so humorlos, Slinkssons“, sagte Professor Carlsen zu seinem Assistenten.
„Kommen sie hier entlang“, sagte Schüssli, der versuchte, den Einwand an sich abprallen zu lassen. „Herr von Stein wird sie im Vortragssaal empfangen.“
Das Licht sowie die Geräusche waren gedämpft, als sie den kleinen Kinosaal betraten. Sie setzten sich alle in die erste Reihe, direkt vor das Podium, in die bequemen Sessel.
„Herzlich willkommen bei Bione, oder wie wir auch gerne sagen – Be One“, sagte Gerold von Stein, als er ins Scheinwerferlicht der Bühne trat. „Alles ist eins. Alles steht mit allem in Zusammenhang. Das ist unsere Philosophie. Das ist unser Ansatz. Bione, die Namensgeber unserer Firma, stellen nach ihrem Entdecker Wilhelm Reich den Übergang von Energie, der kosmischen, alles durchdringenden Energie, die er Orgon nannte, zu fester oder besser organischer Materie dar. Zu seinen Ehren und als Fortführung seines Werkes im weiteren Sinne sehen wir heute unsere Arbeit. Leider konnte Albert Einstein damals nicht die konventionellen Pfade des physikalischen Denkens verlassen, um die wahren Ausmaße der Entdeckung zu erkennen, als Wilhelm Reich ihm den Orgonakkumulator schickte, um seine Theorie zu überprüfen. Dabei sagte Einstein selbst so treffend: ‚Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.’
Zum besseren Verständnis was wir tun, wird ihnen nun mein Assistent, Herr Schüssli, einen kleinen Einblick geben. Bitte, Roger!“
Roger Schüssli trat etwas unsicher auf die Bühne. Das Rampenlicht schien nicht seine Sache zu sein.
„Nun ja“, er räusperte sich, „da wir hier zwar alle Fachleute sind, jeder aber mehr oder weniger auf seinem Gebiet, werde ich dort anfangen, wo vielleicht die meisten von ihnen aufgehört haben. Sie werden sich sicher daran erinnern, was ein Atom ist.“
„Macht der Witze“, flüsterte Figaro Slinkssons, der neben Laima saß.
Roger Schüssli hatte die Bemerkung nicht gehört, nickte aber, um sich selbst zu bestätigen, und fuhr dann fort.
„Das Atom hat einen Kern, um den Elektronen kreisen. Das Ganze hält durch unterschiedliche Ladung zusammen. Je fester eine Materie, umso kürzer schwingen die Teilchen. Auch der härteste Stahl ist nicht fest. Alles bewegt sich, zusammengehalten von magnetischen Kräften.
Der Raum zwischen Atomkern und den Elektronen ist leer. Er besitzt keine Masse. Die Masse des Atomkerns und der Elektronen ist verschwindend gering, geht gegen null. Wenn sie ein Atom auf die Größe eines Fußballstadions vergrößern würden, wäre der Atomkern im Verhältnis immer noch kleiner als ein Kirschkern im Zentrum des Spielfeldes.
Was sind wir dann? Was ist die Welt, die uns umgibt? Was ist dann das System, in dem wird leben? Wie entsteht Form?“
„Ist der jetzt ganz gaga?“, sagte Slinkssons zu Laima gebeugt.
„Schall. Genauer, Schallwellen sind der Schlüssel. Wenn sie eine Schallwelle auf Wasser richten, fängt es an zu schwingen. Legen sie Staub auf einen Subwoofer, ist es mit der richtigen Frequenz möglich, mehrere Zentimeter hohe Säulen entstehen zu lassen. Selbst Wasser zum Schweben zu bringen. Es ist also eine Frage der Frequenz, mit der die Masse geformt wird. Die Frequenz bestimmt die Information. Der Impuls, oder einfach Puls, wird von unserem Herzen gegeben. Das Herz ist ein elektromagnetischer Pulsgeber.“
Schüssli machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser.
„Da wir zu mehr als zwei Dritteln aus Wasser bestehen, ist es einfach, sich dies vorzustellen. Hört das Herz auf zu schlagen, beginnt augenblicklich der Zerfall. Das Herz selbst wird wiederum von einem Impuls gesteuert, der von der Erde ausgeht. Der sogenannten Schumann-Frequenz. Die Erde wird wiederum von der Sonne gepulst und so weiter.
Wir arbeiten nun daran, Informationen über Frequenzen wie Licht oder über behandeltes Wasser ins System Mensch zu geben. Den japanischen Forscher Masaru Emoto, der Wasser mit Heavy Metal und Mozart beschallte und es dann einfror, muss ich hier wohl nicht erwähnen. Es sollte allen bekannt sein, wie schön die Eiskristalle von Mozart im Vergleich zu den zerstörten Strukturen des Metal waren. Aber nicht nur Wasser speichert Informationen. Ein weiteres Experiment wurde mit DNS gemacht, die mit Lichtphotonen bestrahlt wurde. Die DNS wurde entfernt, aber die Photonen behielten die Struktur der DNS bei. So verfügt jede Materie über ein Gedächtnis.
Die Quantenforschung fand heraus, dass sich Quantenteilchen je nach Erwartung des Versuchsergebnisses verhalten. Im Doppelspaltversuch sollte das Verhalten von Quanten untersucht werden. Ob sie sich linear oder wellenförmig verhalten. Dazu wurde eine Platte, in der sich zwei Spalte befanden, mit Quanten beschossen. Die Quanten bewegten sich linear hindurch und bildeten so die geometrische Form der Spalte auf der Wand dahinter ab.
Dann sollte untersucht werden, ob sie sich wellenförmig verhalten. Und siehe da, das Bild auf der Wand war diffus und chaotisch, da die Quanten als Wellen in verschiedenen Winkeln durch die Spalte liefen. Der Verstand des Beobachters scheint also ausschlaggebend für das Verhalten in der Quantenphysik zu sein.
Was bedeuten nun diese vielleicht auf den ersten Blick verschiedenen Ansätze für unsere Forschung?
Wenn sie das auf jeden von uns anwenden, bedeutet es, dass Gesundheit oder Krankheit nichts anderes als das Produkt unserer Gedanken ist. Von uns selbst geschaffen. Die Wiederholung von bestimmten Gedankengängen, die wir täglich, ohne es uns bewusst zu machen, vor uns hindenken, macht uns krank. Wir senden wiederholt elektrische Impulse aus, wie Stress oder negative Botschaften. Sie geben eine bestimmte Energie, eine Erwartung an die Welt, in unser System. Damit erzeugen wir und festigen wir jeden Tag, jede Stunde unsere eigene Gesundheit beziehungsweise Krankheit. Je mehr negative Gedanken wir selbst produzieren, um so schlechter wird unser System funktionieren.
Wir bei Bione versuchen nun, auf verschiedenen Ebenen in dieses System einzugreifen. Letztendlich machen sie alles selber, da sie der Impulsgeber sind, der auf ihr System einwirkt. Sie entscheiden, ob es funktionieren soll oder nicht. So wirken Placebos, die eigentlich gar keinen Wirkstoff enthalten. Und so scheitern Medikationen, die der Patient nicht annehmen will.
Wir greifen über Lichtfrequenzen oder über Wasser ein. Diese einfache Art der Behandlung wird bereits erfolgreich in Kliniken rund um die Welt eingesetzt. Wasser ist ein starker Träger. Und Licht. Magnetismus und andere Erdstrahlungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.“
„Vielen Dank, Roger“, sagte von Stein und trat auf die Bühne. „Womit wir zu unserem eigentlichen Ziel der Expedition kommen. Dem Manasarovar und dem Rakshastal See, deren Eigenschaften wir untersuchen wollen. Man spricht unter den Einheimischen davon, dass der eine See das Gute in sich birgt und der andere das Böse. Das konnte bis jetzt allerdings nicht nachgewiesen werden. Außerdem kommen in dieser Region des Himalaya besonders starke erdmagnetische Strahlungen vor. Diese Strahlungen brauchen wir zur Entwicklung unserer Geräte. Sie treten hauptsächlich im Umkreis einiger Höhlen in diesem Gebiet auf. Hierzu haben wir eigens ein Bioenergie-Messgerät entwickelt, was ihre eigene Bioenergie misst und die Energie, die am jeweiligen Ort auf sie einwirkt. Damit konnten wir bereits interessante Ergebnisse über den Bioenergiehaushalt dokumentieren. Interessanterweise konnten wir feststellen, dass es nicht darum geht, dauernd zu denken, ich bin gesund. Nicht die Autosuggestion hat den besten Bioenergiewert geschaffen, sondern völlige Gedankenfreiheit, beziehungsweise gedankenlos zu sein, schaffte das beste Ergebnis.“
„Dumm lebt gesünder“, sagte Sam.
„Ich dachte immer, das heißt anders“, sagte Slinkssons. „Aber wenn ich mir nun vorstelle, ich will zu einem muskelbepackten Schönling werden?“
„Wie ich“, sagte Sam ,The Rock’ Jackson.
„Wie du, genau, dann schaffe ich es doch nicht, wenn ich mir das ständig einrede. Das ist doch Quatsch“, sagte Slinkssons.
„Krankheit ist eine Form von Biokinese, mit der wir willentlich eine Manipulation unseres Körpers erschaffen, auch wenn wir noch nicht die Fähigkeit haben, uns komplett zu verwandeln. Machen wir ein kleines Selbstexperiment“, sagte von Stein. „Setzen sie sich entspannt hin. Schütteln sie ihre beiden Hände aus. Legen sie die Hände so aneinander, dass ihre Mittelfinger am Ansatz der Handfläche beide auf einer Linie sind. Wählen sie dazu eine Handlinie am Fingeransatz oder malen sie sich einen Strich unten an den Fingern auf. Beide Linien müssen auf selber Höhe sein wie die Fingerspitzen auch, sodass die Finger gleich lang sind. Gut!
Nun setzen sie sich bequem hin. Schließen sie Augen und vergessen sie alles. Atmen sie einige Male tief durch und kommen sie zur Ruhe. Nun stellen sie sich vor, wie all ihre Energie in den Mittelfinger ihrer rechten Hand fließt. Machen sie dies völlig unverkrampft und ruhig. Sie spüren einfach, wie all ihre Aufmerksamkeit in diesen einen Finger der rechten Hand fließt. Vielleicht wird er langsam warm. Spüren sie einfach, wie alles in diesen einen Finger fließt. Lassen sie es geschehen. Dreißig Sekunden, eine Minute. Das sollte genügen. Nun öffnen sie wieder die Augen. Legen sie die zwei markierten Linien am Fingeransatz aufeinander. Vergleichen sie nun die Länge ihrer beiden Mittelfinger.“
„Wow, der Rechte ist länger als der Linke.“
„Bei mir hat sich nichts verändert.“
„Sehen sie. Sie müssen schon die Linien aneinanderlegen. Nicht die Fingerspitzen.“
„Funktioniert das mit andren Körperteilen auch?“ sagte Slinkssons.
„Ich wusste nicht, dass du das nötig hast?“, sagte Sam.
Alle grinsten.
In dem Moment stürzte ein Mitarbeiter herein.
„Herr von Stein, kommen sie schnell. Etwas Furchtbares ist passiert.“