Kapitel 7

Der nächste Tag war Freitag, und es war nicht nur mein freier Tag diese Woche, sondern ich hatte am Abend auch eine Verabredung - ein geradezu denkwürdiger Tag also, den ich mir nicht mit Trübsalblasen vermiesen wollte. Obwohl es eigentlich noch etwas kühl war für solchen Zeitvertreib, gab ich mich einer meiner Lieblingsbeschäftigungen hin. Ich zog einen Bikini an, cremte mich ein und legte mich zum Sonnenbaden auf die verstellbare Liege, die ich vorigen Sommer bei Wal-Mart gekauft hatte. Mit Buch, Radio und Hut bewaffnet, sonnte ich mich auf dem Rasen vor dem Haus, wo nicht so viele Bäume und blühende Büsche standen, die von stechenden Insekten besucht wurden. Ich las, sang die Songs im Radio mit und lackierte mir Finger- und Zehennägel. Zwar hatte ich anfangs eine Gänsehaut, aber mit höher steigender Sonne wurde mir immer wärmer, und an diesem Tag wehte auch kein frischer Wind.

Ja, ich weiß, Sonnenbaden ist etwas ganz Schlimmes, und später werde ich dafür zahlen müssen und so weiter und so weiter. Aber es ist umsonst und daher nun mal eine der wenigen Freuden, die ich mir leisten kann.

Keiner kam mich besuchen, das Telefon klingelte nicht, und da die Sonne draußen war, blieben die Vampire drinnen. Ich war ganz für mich allein und hatte es wunderschön. Um ein Uhr herum beschloss ich, Lebensmittel und einen neuen BH kaufen zu fahren, und ich hielt kurz an der Hummingbird Road bei meinem Briefkasten an, um nachzusehen, ob der Briefträger schon da gewesen war. War er.

Die Rechnungen für Kabelfernsehen und Strom lagen im Briefkasten, ein echter Tiefpunkt. Doch hinter einer Werbebroschüre von Sears lugte eine Einladung zu Halleighs Junggesellinnenparty hervor. Du meine Güte. Ich war überrascht, aber positiv. Okay, es war nicht völlig abwegig, dass sie mich auf die Gästeliste setzte. Immerhin hatte ich, während mein Haus nach dem Brand renoviert wurde, in einem von Sams Doppelhäusern einige Wochen lang neben Halleigh gewohnt, und wir hatten uns praktisch jeden Tag mindestens einmal gesehen. Außerdem war sie sicher erleichtert, dass sich dank meiner Hilfe die Sache mit Cody so schnell geklärt hatte.

Ich bekam nicht viele Einladungen, und so trug diese Post sehr zu meinem allgemeinen Wohlgefühl bei. Drei andere Lehrerinnen richteten Halleighs Junggesellinnenparty aus, und auf der Einladung wurde um Küchenzubehör als Geschenk gebeten. Wie praktisch, dass ich sowieso gerade auf dem Weg zu Wal-Mart in Ciarice war.

Nach langem Nachdenken nahm ich eine Auflaufform aus Glaskeramik. Die konnte man immer gebrauchen. (Außerdem kaufte ich Fruchtsaft, Cheddar, Schinken, Geschenkpapier und einen richtig hübschen blauen BH mit passendem Höschen, aber das nur nebenbei.)

Als ich alle meine Einkäufe zu Hause aus dem Auto geladen und weggepackt hatte, wickelte ich die Auflaufform, die in einem Karton steckte, in silbriges Papier ein und klebte eine große weiße Schleife obendrauf. Ich schrieb das Datum und die Uhrzeit der Junggesellinnenparty in meinen Kalender und legte die Einladung zu dem Geschenk. Der absolute Party-Profi!

Und da ich schon auf einer Welle der Tugendhaftigkeit ritt, wischte ich auch gleich noch meinen neuen Kühlschrank von innen und außen aus, nachdem ich etwas gegessen hatte. Dann wusch ich einen Haufen Kleidung in meiner neuen Waschmaschine und wünschte mir zum bestimmt hundertsten Mal, dass die Küchenschränke endlich angebracht wären. Langsam ging es mir auf die Nerven, dass ich immer in dem Durcheinander auf dem Fußboden nach allem suchen musste.

Weil Quinn mich abholen würde, ging ich durchs Haus und sorgte dafür, dass auch alles hübsch aussah. Ich erlaubte mir gar nicht erst, darüber nachzudenken, sondern bezog einfach das Bett frisch und putzte das Badezimmer - nein, ich hatte nicht die Absicht, mit Quinn ins Bett zu fallen. Aber ist es nicht immer besser, auf alles vorbereitet zu sein? Außerdem gab es mir einfach ein gutes Gefühl, wenn ich wusste, dass alles sauber und ordentlich war. Frische Handtücher in beiden Badezimmern, kurzes Staubwischen im Wohn- und im Schlafzimmer, eine schnelle Runde mit dem Staubsauger. Ehe ich unter die Dusche ging, fegte ich sogar noch die Veranden, obwohl ich natürlich wusste, dass sie schon wieder von gelbem Pollenstaub bedeckt sein würden, wenn ich von meiner Verabredung zurückkam.

Ich ließ mein Haar draußen an der Luft trocknen - was mir vermutlich jede Menge Pollen eintrug - und schminkte mich sorgfältig. Ich benutzte nie viel Make-up, aber es machte Spaß, es mal für etwas Interessanteres als die Arbeit aufzutragen. Ein bisschen Lidschatten, viel Mascara, etwas Puder und Lippenstift. Dann zog ich meine neu erstandene Unterwäsche an und spürte gleich so ein besonderes Gefühl auf der Haut: mitternachtsblaue Spitze. Ich sah in meinen Standspiegel, um die Wirkung zu testen, und beglückwünschte mich mit erhobenen Daumen. Gar nicht schlecht!

Das Outfit, das ich bei Tara erstanden hatte, war königsblau und aus hochwertigem Strickstoff, der besonders schön fiel. Ich zog die Hose an und streifte das Top über. Es war ärmellos und schmiegte sich eng um meine Brüste. Mit dem Ausschnitt experimentierte ich etwas, bis er schließlich gerade so viel enthüllte, dass es als sexy, aber nicht billig durchging.

Ich holte das schwarze Umhangtuch aus dem Schrank, das ich von Alcide als Ersatz für jenes geschenkt bekommen hatte, das Debbie Pelt mir ruinierte. Das würde ich am späteren Abend brauchen. Dann zog ich noch meine schwarzen Sandalen an, probierte verschiedenen Schmuck aus und entschied mich schließlich für eine schlichte goldene Kette (die meiner Großmutter gehört hatte) und schnörkellose Ohrstecker.

Ha!

Es klopfte an der Vordertür. Ich sah auf die Uhr und war etwas überrascht, dass Quinn fünfzehn Minuten zu früh dran war. Seinen Wagen hatte ich auch nicht gehört. Als ich öffnete, stand jedoch nicht Quinn, sondern Eric vor mir.

Ich bin sicher, es freute ihn, als ich vor Überraschung nach Luft schnappte.

Tja, man soll nie einfach so die Tür öffnen und davon ausgehen, man wüsste, wer davorsteht. Deshalb hatte ich mir doch diese Gucklöcher machen lassen! Wie konnte ich nur so dämlich sein. Eric war anscheinend hierher geflogen, da ich nirgends ein Auto sah.

»Darf ich reinkommen?«, fragte er höflich und musterte mich von oben bis unten. Erst gefiel ihm, was er sah, dann wurde ihm klar, dass ich mich nicht für ihn so schick gemacht hatte. Darüber war er nicht erfreut. »Du erwartest wohl Besuch?«

»Genau. Und daher wär's mir auch lieber, du bleibst vor der Türschwelle«, erwiderte ich und trat zurück, damit er mich nicht zu fassen bekam.

»Du hast Pam gesagt, dass du nicht nach Shreveport kommen willst«, begann er. O ja, er war sehr wütend. »Und jetzt bin ich hier, weil ich wissen will, warum du meiner Aufforderung nicht Folge leistest.« Gewöhnlich sprach er nur mit leichtem Akzent Englisch, doch heute Abend war sein Akzent sehr viel ausgeprägter.

»Ich habe keine Zeit«, erwiderte ich. »Ich gehe heute Abend aus.«

»Das sehe ich«, sagte Eric etwas ruhiger. »Mit wem gehst du aus?«

»Geht dich das irgendetwas an?« Herausfordernd blickte ich ihm in die Augen.

»Natürlich«, sagte Eric.

Diese Antwort beunruhigte mich. »Und warum?« Ich fasste mich wieder ein wenig.

»Weil du eigentlich mir gehörst. Ich habe mit dir geschlafen, ich mag dich, ich habe ... dich finanziell unterstützt.«

»O nein, du hast mir Geld gezahlt, das du mir für geleistete Dienste geschuldet hast«, antwortete ich. »Und ja, stimmt, du hast mit mir geschlafen. Aber das ist schon länger her, und du hast nicht erkennen lassen, dass du es wieder tun möchtest. Falls du mich wirklich magst, dann zeigst du das auf sehr seltsame Weise. Ich habe noch nie gehört, dass totales Ignorieren, abgesehen von Befehlen via Lakai ein anerkannter Beweis für Zuneigung ist.« Okay, das kam etwas wirr heraus. Aber er verstand sehr gut, was ich meinte.

»Du nennst Pam einen Lakai?« Der Anflug eines Lächelns umspielte seinen Mund. Dann gewann seine Verärgerung wieder die Oberhand, was ich schon daran erkannte, dass er die Mundwinkel hängen ließ. »Ich habe es nicht nötig, ständig in deiner Nähe zu sein und dir irgendetwas zu zeigen. Ich bin Sheriff. Du ... du gehörst zu meinem Gefolge.«

Ich wusste, dass mir richtiggehend der Mund offenstand, konnte es aber nicht ändern. »Fliegen fangen« hatte meine Großmutter diesen Gesichtsausdruck genannt, und ich fing vermutlich gerade jede Menge. »Dein Gefolge?«, stieß ich hervor. »Also, du und dein Gefolge, ihr könnt mich mal. Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe!«

»Du bist verpflichtet, mit mir zu der Konferenz zu kommen«, sagte Eric mit einem angespannten Zug um den Mund und funkelnden Augen. »Deshalb habe ich dich aufgefordert, nach Shreveport zu kommen. Um mit dir die Fahrt und andere Reiseangelegenheiten zu besprechen.«

»Ich bin zu gar nichts verpflichtet und muss mit dir nirgendwohin gehen. Du wurdest ausgestochen, Freundchen.«

»Freundchen? Freundchen?«

Es wäre wohl immer weiter eskaliert, wenn nicht Quinn aufgetaucht wäre. Statt mit seinem Pick-up fuhr Quinn in einem Lincoln Continental vor. Einen Augenblick lang empfand ich reinste snobistische Freude, dass ich darin fahren würde. Ich hatte mir zwar nicht zuletzt deshalb ein Outfit mit Hose ausgesucht, weil ich dachte, ich müsste in einen Pick-up hineinklettern. Doch in ein Luxusauto dieser Klasse stieg ich natürlich genauso gern. Quinn schlenderte in sehr gemächlichem Tempo über den Rasen und kam zu uns auf die Veranda hinauf. Er schien überhaupt keine Eile zu haben. Doch plötzlich war er da, und ich lächelte ihn an, und er sah wunderbar aus. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, ein dunkelrotes Hemd und eine Krawatte, die diese beiden Farben in einem Paisleymuster aufnahm. In einem Ohr hatte er einen kleinen goldenen Ring.

Eric hatte seine Fangzähne ausgefahren.

»Hallo, Eric«, sagte Quinn ruhig. Seine tiefe Stimme jagte mir Schauer über den Rücken. »Sookie, du siehst zum Anbeißen aus.« Er lächelte mich an, und die Schauer wurden zu einem Beben in einer ganz anderen Körperregion. Ich hätte nie geglaubt, dass ich in Erics Gegenwart einen anderen Mann attraktiv finden könnte. Da hatte ich mich gründlich getäuscht.

»Du siehst auch sehr gut aus«, sagte ich und versuchte, nicht zu grinsen wie eine komplette Idiotin. Total uncool.

»Was haben Sie Sookie erzählt, Quinn?«, fragte Eric.

Die beiden großen Männer sahen einander an. Ich war mit Sicherheit nicht der Grund für ihre Feindseligkeit. Ich war nur das Symptom, nicht die Krankheit selbst. Irgendetwas schwelte da unter der Oberfläche.

»Ich habe Sookie erzählt, dass die Königin ihre Anwesenheit auf der Konferenz wünscht, und zwar in ihrem eigenen Gefolge. Und dass der Wunsch der Königin über dem Ihren steht, Eric«, sagte Quinn ganz direkt.

»Seit wann lässt die Königin ihre Befehle von Gestaltwandlern überbringen?«, fragte Eric geringschätzig.

»Seit dieser Gestaltwandler der Königin einen wertvollen Dienst erwiesen hat«, erwiderte Quinn, ohne zu zögern. »Mr Cataliades schlug ihrer Majestät vor, sich für eine Diplomatie erfordernde Aufgabe meiner Hilfe zu bedienen, und meine Geschäftspartner haben mir bereitwillig freie Zeit eingeräumt, damit ich allen Wünschen der Königin nachkommen kann.«

Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm folgen konnte, doch das Wesentliche hatte ich mitbekommen.

Eric war indigniert, um mal ein »Wort des Tages« aus meinem Kalender zu benutzen. Eigentlich war er derart wütend, dass seine Augen beinahe Funken sprühten. »Diese Frau hat mir gehört, und sie wird auch in Zukunft mir gehören«, sagte er in so entschiedenem Ton, dass ich fast nach einem Brandzeichen auf meiner Haut gesucht hätte.

Quinn wandte seinen Blick mir zu. »Baby, gehörst du ihm, oder nicht?«

»Ich gehöre ihm nicht«, erwiderte ich.

»Dann lass uns ins Theater gehen«, sagte Quinn. Er schien sich weder zu fürchten noch wirkte er besorgt. War das eine echte Reaktion oder nur Fassade? Egal, es war jedenfalls recht beeindruckend.

Auf dem Weg zu Quinns Wagen musste ich an Eric vorbei. Ich sah ihn an, ich konnte einfach nicht anders. Es war ziemlich gefährlich in seiner Nähe, wenn er so wütend war, und ich musste auf der Hut sein. Eric traf in ernsten Angelegenheiten nur sehr selten auf Widerstand, und meine Einverleibung in das Gefolge der Königin von Louisiana - seiner Königin - war eine ernste Angelegenheit. Außerdem hatte er an meiner Verabredung mit Quinn zu kauen. Eric würde wohl einfach mal schlucken müssen.

Dann saßen wir beide im Wagen, schnallten uns an, und Quinn setzte souverän zurück, um den Lincoln wieder Richtung Hummingbird Road zu steuern. Ich atmete tief und erleichtert aus. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich richtig beruhigt hatte. Langsam entspannten sich meine Hände. Ich bemerkte, dass sich Schweigen zwischen Quinn und mir ausgebreitet hatte, und gab mir einen Ruck. »Gehst du viel ins Theater, wenn du auf Reisen bist?«, fragte ich, um das Gespräch aufzunehmen.

Er lachte, und der tiefe sonore Ton erfüllte den ganzen Wagen. »Ja«, erwiderte er. »Ich gehe ins Kino, ins Theater und zu allen Sportveranstaltungen, die gerade stattfinden. Mir gefällt es, Leuten zuzuschauen, wenn sie etwas tun. Ich sehe nicht viel fern. Ich gehe lieber raus aus meinem Hotelzimmer oder meinem Apartment und sehe mal, welche Dinge so passieren, oder lasse selbst Dinge passieren.«

»Gehst du auch tanzen?«

Er warf mir einen kurzen Blick zu. »O ja.«

Ich lächelte. »Ich tanze gern.« Ich konnte sogar ziemlich gut tanzen, auch wenn ich nicht allzu oft Gelegenheit dazu hatte. »Singen kann ich überhaupt nicht«, gab ich zu, »aber tanzen macht mir wirklich sehr viel Spaß.«

»Klingt vielversprechend.«

Wir sollten wohl besser abwarten, wie dieser Abend verlief, ehe wir uns zum Tanzen verabredeten. Aber zumindest wussten wir jetzt schon mal, dass es etwas gab, das uns beiden gefiel. »Ich gehe auch gern ins Kino«, fuhr ich fort. »Aber bei Sportevents bin ich noch nie gewesen, abgesehen von den Wettkämpfen der Highschool. Da bin ich immer dabei: Football, Basketball, Baseball... das schaue ich mir gern an, wenn mein Job es erlaubt.«

»Hast du in der Schule Sport gemacht?«, fragte Quinn. Ich gab zu, dass ich bloß Softball gespielt hatte, und er erzählte, er habe an der Schule Basketball gespielt - was mich angesichts seiner Größe nicht weiter überraschte.

Es war einfach, sich mit Quinn zu unterhalten. Er hörte zu, wenn ich sprach, und fuhr auch gut Auto, zumindest fluchte er nicht dauernd wie manch anderer Fahrer, Jason zum Beispiel. Mein Bruder war nicht gerade der geduldige Typ beim Autofahren.

Ich wartete schon auf die Kehrseite, auf den einen ganz bestimmten Moment - ihr wisst schon, was ich meine. Den Moment, wenn der Mann, mit dem man verabredet ist, plötzlich etwas eingesteht, das einem total auf den Magen schlägt: dass er Rassist ist oder Homosexuelle hasst; nur eine Frau heiraten würde, die wie er selbst baptistisch (aus den Südstaaten, brünett, Marathonläuferin, was auch immer) ist; dass er von seinen ersten drei Frauen schon jede Menge Kinder hat, sich beim Sex gern schlagen lässt oder in der Jugend umfangreiche Erfahrungen im Fröscheaufblasen und Katzenquälen gesammelt hat. Nach diesem einen Moment weiß man dann - egal, wie viel Spaß man vorher hatte -, dass das Ganze nirgendwohin führen wird. Und ich musste nicht mal warten, bis ein Typ mir das selbst erzählte. Ich konnte es in seinen Gedanken lesen, noch ehe wir uns überhaupt miteinander verabredet hatten.

Tja, beliebt war ich bei normalen Männern nie gewesen. Ob sie es nun zugaben oder nicht, sie konnten die Vorstellung nicht ertragen, mit einer Frau auszugehen, die haargenau wusste, wie oft sie sich einen herunterholten, lüsternen Gedanken über andere Frauen nachhingen oder sich ihre Lehrerin nackt vorgestellt hatten.

Quinn ging um den Wagen herum, öffnete mir die Tür, nachdem er auf dem Parkplatz gegenüber vom »Strand« geparkt hatte, und nahm meine Hand, als wir die Straße überquerten. Ich freute mich über so viel galante Höflichkeit.

Eine Menge Leute strömten ins Theater, und alle schienen sie Quinn anzustarren. Sicher, ein kahlköpfiger Typ, der noch dazu so groß war, zog unweigerlich alle Blicke auf sich. Ich versuchte, nicht an seine Hand zu denken; sie war sehr groß und sehr warm und trocken.

»Alle sehen dich an«, sagte er und zog die Eintrittskarten aus der Tasche. Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen.

»Oh, das glaube ich kaum«, erwiderte ich.

»Warum sonst sollten sie so schauen?«

»Auf dich natürlich«, sagte ich erstaunt.

Er lachte laut auf. Es war dieses tiefe Lachen, das mich innerlich vibrieren ließ.

Wir hatten sehr gute Plätze, im Parkett direkt in der Mitte. Quinn füllte seinen Sitz vollständig aus, und ich fragte mich, ob die Leute hinter ihm überhaupt noch etwas sahen. Neugierig schaute ich ins Programmheft, erkannte allerdings keinen der Schauspieler dem Namen nach und klappte es schließlich wieder zu, egal. Als ich hochblickte, merkte ich, dass Quinn mich ansah, und ich spürte, wie ich errötete. Ich hatte das Umschlagtuch zusammengefaltet auf meinen Schoß gelegt und hatte jetzt plötzlich das dringende Bedürfnis, mein Top höher zu ziehen, um jeden Zentimeter meines Ausschnitts zu bedecken.

»Sie sehen eindeutig dich an«, sagte Quinn und lächelte. Ich zog den Kopf ein, erfreut, aber befangen.

All den Leuten, die das Broadway-Musical The Producers noch nicht kennen, will ich über die Handlung nichts verraten, nur so viel: Es geht um leichtgläubige Leute und liebenswerte Schurken, und es ist unglaublich witzig. Ich genoss jede Minute. Es war fantastisch, Schauspielern zuzusehen, die direkt vor mir auf der Bühne so professionell spielten, sangen und tanzten. Der Gaststar in der Hauptrolle, den die älteren Zuschauer im Publikum wiederzuerkennen schienen, fegte mit einer unglaublichen Selbstsicherheit über die Bühne. Auch Quinn lachte, und nach der Pause ergriff er wieder meine Hand. Meine Finger schlossen sich ganz selbstverständlich um die seinen, und diese Berührung machte mich überhaupt nicht befangen.

Plötzlich war eine weitere Stunde vergangen, und das Musical war zu Ende. Wie alle anderen standen auch wir auf, obwohl es eine ganze Weile dauern würde, bis wir aus dem Theater herauskommen würden. Quinn nahm mein Umhangtuch, hielt es mir hin, und ich legte es mir um die Schultern. Ihm tat es leid, dass ich mich so bedeckte - das erfuhr ich direkt aus seinen Gedanken.

»Vielen Dank«, sagte ich und zupfte ihn am Ärmel, damit er mich auch wirklich ansah. Ich wollte, dass er merkte, wie ernst ich es meinte. »Das war einfach großartig.«

»Mir hat's auch gefallen. Gehen wir noch etwas essen?«

»Okay«, erwiderte ich nach einem kurzen Augenblick.

»Musstest du erst darüber nachdenken?«

Mir waren tatsächlich einige Gedanken zu verschiedenen Dingen durch den Kopf geschossen. Hätte ich sie aufgezählt, wäre wohl das hier herausgekommen: Der Abend muss ihm wirklich gefallen, sonst hätte er nicht vorgeschlagen, ihn auszudehnen. Ich muss morgen früh aufstehen und arbeiten, aber die Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen. Wenn wir essen gehen, muss ich aufpassen, dass ich meine neuen Sachen nicht bekleckere. Ist das okay, wenn er noch mehr Geld für mich ausgibt? Die Karten waren doch schon so teuer.

»Oh, ich habe nur im Geiste Kalorien gezählt«, sagte ich und klopfte mir auf den Hintern.

»Da ist nichts zu viel, weder vorn noch hinten«, entgegnete Quinn, und die Wärme seines Blicks ließ in mir ein wonniges Wohlgefühl entstehen. Ich weiß, dass meine Figur viel zu kurvig ist, um ideal zu sein. Ich habe Holly mal zu Danielle sagen hören, dass alles über Größe 36 einfach abstoßend sei. Und da ein Tag, an dem ich mal in Größe 36 hineinpasse, immer noch ein höchst seltenes Glück ist, fühlte ich mich etwa drei Minuten lang ziemlich bedrückt. Das hätte ich Quinn gern erzählt, wenn es nicht so geklungen hätte, als ob ich es unbedingt auf ein Kompliment anlegte.

»Das Essen übernehme aber ich«, sagte ich.

»Bei allem gebotenen Respekt vor deinem Stolz, nein, das lasse ich nicht zu.« Quinn sah mir ernst in die Augen.

Zu dem Zeitpunkt standen wir bereits wieder draußen vorm Theater. Seine Heftigkeit hatte mich überrascht, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Einerseits war ich erleichtert, weil ich aufs Geld achten musste. Andererseits fand ich mein Angebot absolut richtig, und ich hätte mich gut gefühlt, wenn er es angenommen hätte.

»Das habe ich nicht gesagt, um dich zu kränken«, erklärte ich.

»Ich weiß. Aber du bist mir auch ohne das nicht verpflichtet.«

Zweifelnd sah ich zu ihm auf, doch er meinte es ernst.

»Ich habe dich eingeladen, und daher bezahle ich auch.«

»Und wenn ich dich einlade?«

Er sah mich streng an. »Dann muss ich mich zurückhalten und dir diese Dinge überlassen.« Er hatte es widerwillig gesagt, aber er hatte es gesagt. Ich sah weg und lächelte.

Die Autos waren nach und nach alle vom Parkplatz gefahren. Da wir uns beim Verlassen des Theaters Zeit gelassen hatten, stand Quinns Wagen ganz allein und verlassen in der zweiten Reihe. Plötzlich schlugen meine Gedanken Alarm. Irgendwo in unserer Nähe ballten sich Feindseligkeit und böse Absicht zusammen. Wir hatten schon den Bürgersteig verlassen, um die Straße zu überqueren. Ich ergriff Quinns Arm und ließ ihn gleich wieder los, damit wir reagieren konnten.

»Irgendetwas stimmt nicht«, sagte ich.

Ohne zu antworten, begann Quinn die Umgebung abzusuchen. Mit der linken Hand knöpfte er sich den eleganten Mantel auf, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Da er ein Mann mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt war, war er vor mich getreten und ging vor mir her.

Aber wir wurden natürlich von hinten angegriffen.