33. Kapitel
17. Februar 2010
New Orleans
17.55 Uhr
„Was? Soll das etwa heißen, Tyler Ellys hat das Zombiezeug gemischt?“, fragte Rod entgeistert, nachdem er sich das Bild mit dem Buchtiteln angesehen hatte.
„Nein“, sagte die Madame geduldig als tadele sie einen begriffsstutzigen Schüler. „Lesen Sie den Titel und den Autor.“
Ondragon war einen Schritt zurückgetreten und griff sich an die heiße Stirn. Weil ihn seine Angst vor Büchern davon abgehalten hatte, das Foto von dem Regal eingehender zu betrachten, war ihm dieses kleine Detail entgangen. Verdammte Scheißphobie! Er biss sich selbst auf die Zunge zur Strafe für seine Schlamperei und stieß einen gereizten Seufzer aus. Die Madame hatte es tatsächlich geschafft, ihn vorzuführen.
„Voodoo-Magie, Praxis und Theorie von Reverend Zombie!“, las Rod derweil vor.
Die Madame lächelte bedeutungsvoll, so als genieße sie diesen Moment.
Ondragon blinzelte ihr entgegen.
„Ich verkaufe dieses Buch in meinem Laden“, sagte sie, „und ich habe es selbstverständlich auch gelesen.“
Na klar!
Natürlich traf auch diese Speerspitze mitten in seine Brust. Schwer verwundet ging Ondragons Selbstbewusstsein in die Knie.
„Reverend Zombie ist ein Houngan aus New Orleans“, erklärte die Madame indessen, ohne auf ihn zu achten, „ein Berufskollege von mir. Ich kenne ihn und seine Gemeinde. Um seinen richtigen Namen macht er ein Geheimnis. In seinem Tempel hält er völlig übertriebene Rituale ab und stellt sich wie ein kleiner König dar, besser gesagt, wie ein Reverend, er trägt immer eine schwarze Soutane. In meinen Augen ist er ein Scharlatan, der die Klischees des Vodou dazu benutzt, seine Anhänger zu beeindrucken. Er arbeitet sogar mit Puppen!“ Sie verzog verächtlich das Gesicht. „Das macht kein seriöser Vodou-Priester. Und inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass die Puppe mit der langen Nadel im Auge, die Ihnen untergeschoben wurde, von Reverend Zombie stammt. Und auch das hier wird nun ganz offensichtlich …“ Sie rief ein weiteres Foto auf dem Handy auf und zeigte es Rod und Ondragon. „Auch das Vèvè auf der Veranda von Ellys ist von ihm! Sehen Sie das Glitzern in der weißen Farbe? Das sind Spiegelsplitter. Sie ziehen die Aufmerksamkeit der Geister auf sich und fangen ihren Blick ein. Sie müssen wissen, der Reverend ist besessen von Spiegeln. Sie sollten mal sein Haus sehen, es ist bis unters Dach voll mit Spiegeln. Er badet geradezu in der Aufmerksamkeit der Geister, dieser selbstverliebte Wichtigtuer! Er benutzt Spiegel, wo er nur kann. Sie sind quasi sein Markenzeichen.“
„Und warum sind Sie nicht schon früher darauf gekommen? Dann hätten wir viel eher eine Spur gehabt!“, warf Ondragon ihr vor.
Die Madame stemmte ihre Hände in die Hüften. „Gestatten Sie mir womöglich auch ein wenig Zeit, um über die Dinge nachzudenken und sie zu verstehen? Nicht jeder ist so blitzgescheit wie Sie! Damals galt mein Augenmerk mehr der Bedeutung des Vèvès, nicht unbedingt seinem Schöpfer. Und außerdem musste ich erst Gewissheit haben, bevor ich einen Kollegen beschuldige.“
Ondragon hob beide Hände. „Schon gut. Aber warum haben Sie dann diese lächerliche Böse-Zauber-Befreiungs-Zeremonie an mir vollzogen, wenn die Puppe doch bloß von einem Scharlatan stammt, so wie Sie behaupten?“
„Auch wenn es Ihnen lächerlich erscheint, Monsieur Ondragon, aber es war damals dringend vonnöten. Erinnern Sie sich an den kleinen Beutel mit der Spiegelscherbe, der an Ihrer Balkontür hing? In ihm war der böse Zauber verborgen und nicht in der Puppe. Die war nur Effekthascherei, damit ein Zweifler wie Sie die Botschaft auch versteht! Glauben Sie mir, ich habe Ihnen zu keiner Zeit etwas vorgemacht. Meine Berufung ist es, die Botschaften der Loas zu deuten und die Ströme der Magie zu lenken. Und nichts anderes habe ich getan. Ich habe den dunklen Zauber von Ihnen abgewendet.“
Ondragon gab ein unwilliges Knurren von sich. Er würde lange brauchen, um sich von diesem Tiefschlag zu erholen. Er warf Rod einen Blick zu, der ihn beinahe mitleidig erwiderte. Ausgerechtet sein Freund war Zeuge dieser unseligen Zurschaustellung seiner Schwächen geworden.
Schweigen breitete sich aus und lastete schwer wie der Zement einer haitianischen Grabplatte auf ihm.
Schließlich war es Rod, der es brach.
„Woher hat dieser Reverend Zombie überhaupt das Wissen über das Zombiegift? Ist er auch ein Haitianer?“
„Ja, er stammt wie ich aus Haiti“, erklärte die Madame. „Er ist auch ein Eingeweihter, er hat bei mehreren großen Zauberern auf der Insel gelernt, wie man die Zutaten mischt.“
„So wie Sie?“, fragte Rod mit beinahe unschuldiger Miene.
„So wie ich“, entgegnete die Madame kühl. „Aber wie ich Ihnen schon mehrfach versichert habe: Ich diene nicht den Diabs! Ich bin kein Bokor. Eine Mambo muss die bösen Gifte kennen, um sie bekämpfen zu können. Aber sie verwendet sie nicht für dunkle Zwecke.“
Rod nickte. „Und wenn der Reverend ebenso ehrenhaft ist wie Sie, wie kommt er dann dazu, für Darwin Inc. zu arbeiten?“
„Geld, Eitelkeit. Es gibt viele Gründe, warum ein Priester schwach wird und mit der linken Hand dient. Und der Reverend ist sehr eitel!“ Erst jetzt sah die Madame Ondragon an. „Konnte ich den Herrn nun endlich überzeugen?“
Ondragon vermied es, einen der beiden anzusehen. In seiner Arroganz war er viel zu tief in einen Sackbahnhof hineingerast. Und dass ihm der Buchtitel nicht aufgefallen war, nagte dabei besonders an seinem Stolz. Aber da war noch eine Frage, auf die er gerne eine Antwort hätte. Reumütig blickte er die Madame an.
„Warum hatte Tyler Ellys das Voodoo-Buch in seinem Regal?“
Sie hob einen Finger an die Brille. „Nun, ich vermute, er wollte sich über die Zeichen auf seiner Veranda und den kleinen Beutel informieren, das Vèvè und das Ouanga. Es waren Warnungen, das hatte selbst er verstanden. Das Buch von Reverend Zombie ist ein esoterisches Standardwerk, man kann es ganz einfach bei Amazon bestellen. Der Aufwand mit den Vèvès erscheint mir allerdings etwas merkwürdig. Warum hat Darwin Inc. den Vodou-Zauber mit ins Spiel gebracht?“
„Vielleicht sollten Ellys und seine Kollegen und auch alle anderen, die sich mit dem Fall beschäftigen würden, davon überzeugt werden, dass ein Voodoo-Fluch sie dahingerafft hat – so wie beim Fluch der Pharaonen“, erklärte Rod. „Ein authentisches Ablenkungsmanöver, denn immerhin kamen sie von einem Job in Haiti.“
„Könnte sein“, stimmte die Madame nachdenklich zu. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und dehnte ihren Rücken. Ondragon betrachtete sie unverhohlen. Sie hatte eine brillante Schlussfolgerung geliefert und ihm mächtig in den Arsch getreten – aber das mit so viel Eleganz, dass er sie dafür beinahe bewunderte. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
„Nun gut“, sagte er und stemmte sich aus seinem Stuhl in die Höhe, „dann schlage ich vor, dass wir diesem Reverend Zombie mal einen kleinen Besuch abstatten. Dann werden wir ja sehen, ob Sie mit Ihrer Vermutung tatsächlich recht haben, Madame!“
Seufzend verdrehte sie die Augen. „Sie sind wirklich eine harte Nuss, Monsieur Ondragon!“
„Ich weiß“, sagte er unbekümmert und schob ein Grinsen hinterher. Kategorie: schuldbewusster Flegel.
Bevor sie aufbrachen, warteten sie noch eine halbe Stunde, denn draußen musste es für ihre Unternehmung erst dunkel werden. Die Zeit nutzte Ondragon, um die Mail von Rudee zu lesen. Mit einem triumphalen Gefühl schloss er sie anschließend wieder und platzte beinahe vor Vorfreude. Er konnte es gar nicht erwarten, die Madame damit zu konfrontieren, doch erst einmal mussten sie sich um diesen Reverend Zombie kümmern. Er steckte das Handy weg und unterdrückte ein siegessicheres Grinsen.
Wenig später machten sie sich auf den Weg in die Royal Street, Ecke Dumaine, wo das Haus von Reverend Zombie stand. Obwohl es nur zwei Blöcke entfernt lag, nahmen sie einen kleinen Umweg, denn Ondragon wollte sichergehen, dass ihnen niemand folgte.
Die Straßen waren nass, und wegen des gestrigen Karnevals herrschte unterschwellige Katerstimmung, aber es waren immer noch genug Touristen in der anbrechenden Nacht unterwegs, um ihnen ausreichend Deckung zu geben. Als Tarnung war jeder von ihnen mit Mardi-Gras-Ketten geschmückt und hielt einen bunten Hurricane-Drink in der Hand. Ausgelassen flanierten sie von einer lauten Live-Musik-Bar zur nächsten, bis sie das „Pikes“ erreichten, das genau vis à vis ihres Zielobjektes lag. Sie ließen die Drinks im Rinnstein stehen und kehrten fröhlich scherzend in die Bar ein, in der zur Abwechslung keine Musikband spielte. Sie stiegen in den zweiten Stock hinauf, wo sie sich an einen Tisch am Fenster setzten.
Ondragon war beeindruckt, als er unauffällig einen Blick auf das Backsteingebäude warf, in dem der Voodoo-Priester residierte. Es war ein prächtiges, zweistöckiges Eckhaus mit farngeschmückten Eisenbalkonen und einer modernen Kunstgalerie im Untergeschoss. In den hohen, beleuchteten Schaufenstern waren großformatige Bilder ausgestellt, die an Pop Art erinnerten. Mit der Zunft des Zauberns konnte man offenbar ziemlich gut Geld verdienen – oder eher mit den Jobs, die man nebenbei noch so erledigte?
Sie bestellten Blue Moon Beer mit Orange und stießen an. Nachdem sie einen Schluck genommen hatten, unterzog Ondragon das gegenüberliegende Haus einer näheren Begutachtung, besonders das obere Stockwerk, in dem der vermeintliche Bokor den Angaben der Madame nach wohnte. Die Fensterläden waren geöffnet, die Zimmer hinter den Glasscheiben jedoch allesamt dunkel.
„Ist er überhaupt da?“, fragte Rod. „Nicht, dass er unterwegs ist.“
„Sein Humfò ist drüben in Algiers auf der anderen Seite des Mississippi. Aber ich glaube nicht, dass er jetzt dort ist. Er hält seine Rituale immer samstags ab, manchmal auch dienstags.“
„Vielleicht ist er in einem seiner weiteren Etablissements?“ Ondragon sah die Madame mit hüpfenden Augenbrauen an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, er hat keinen Club wie ich, er hat nur einen Tempel. Aber dem Reverend gehört dafür der Showroom dort unten. Ist auch ganz einträglich. Ich schätze, wir müssen nur etwas warten, dann wird er kommen. Ich habe gehört, dass er an den Abenden, an denen er keine Rituale abhält, gerne früh zu Bett geht. Braucht wohl seinen Schönheitsschlaf, der eitle Pfau.“
„Na na, höre ich da leichte Abneigung?“, fragte Rod scherzhaft.
„Ich konnte ihn nie richtig leiden. Er hat immer versucht, mir Mitglieder aus meiner Gemeinde abspenstig zu machen.“
„Es herrscht also doch Konkurrenzkampf zwischen den Voodoo-Priestern in New Orleans?“ Rod sah die Madame interessiert an und nippte an seinem Blue Moon.
„Normalerweise nicht. Eigentlich leben die drei Geheimgesellschaften von New Orleans, die sämtliche Tempel unter sich aufgeteilt haben, friedlich nebeneinander. Vor fünf Jahren jedoch kam der Reverend nach New Orleans und wollte sich mit seinem Humfò ins Quarter drängen. Das haben wir zum Glück verhindern können, indem wir Shanpwel gemeinsam ein Verbot ausgesprochen haben. Der Reverend hat sich daran gehalten und seinen Tempel außerhalb des French Quarters errichtet, deshalb ist er drüben in Algiers. Aber das Verbot hat ihn nicht davon abgehalten, sich hier sein Wohnhaus einzurichten. Das ist natürlich reine Provokation, die von unserer Seite mit Verachtung bestraft wird. Für uns gilt der Reverend als unredlich. Sein schlechter Ruf schert ihn allerdings wenig, er hat viele Esoterik-und Hoodoo-Anhänger um sich geschart, was ihm auch gute Einkünfte bringt. Er ist nicht auf die wahren Vodou-Gläubigen angewiesen.“
„Er ist also bereits eine Persona non grata in Ihrer Gemeinschaft, was er aber geflissentlich ignoriert“, konstatierte Rod.
„Ja, Und ich wäre beinahe froh, wenn er tatsächlich in finstere Machenschaften verwickelt ist, denn das würde bedeuten, wir könnten ihn jetzt endlich loswerden!“ Die Madame starrte grimmig in ihr Glas.
„Und warum haben Sie ihn nicht schon vor Jahren abserviert, wenn Sie ihn hier nicht haben wollen?“, erkundigte sich Ondragon in spöttischem Tonfall.
„Weil jeder, der aus Haiti stammt, zu unserer Familie gehört, zu unserem Blut. Und wir halten zusammen. Auch wenn er ein schwarzes Schaf ist, gehört er doch zur Familie. Aber jetzt hat er den Bogen überspannt!“
„Aha … das ist ja wie beim Paten.“ Ondragon imitierte die Stimme von Marlon Brando. „Ich habe einen Stein im Schuh!“
„So ähnlich …“
„He, pssst, da tut sich was“, unterbrach Rod leise das Gespräch. Unauffällig nickte er in Richtung des nun erleuchteten Fensters auf der anderen Seite.
Ondragon und die Madame warfen aus den Augenwinkeln einen kurzen Blick hinüber. Würde der Reverend gleich dort auftauchen?
Eine ganze Weile lang tat sich jedoch nichts in dem Zimmer, außer dass einfach nur die schummerige Deckenlampe brannte. Langsam leerten sich die Biergläser, und die Kellnerin kam und ging. Erst als die neuen Getränke auf dem Tisch standen, öffnete sich im gegenüberliegenden Zimmer die Tür und ein Mann kam wankend in den nur schwach erleuchteten Raum. Ondragon runzelte die Stirn. Nur ein Mann?
Nein vielmehr drei oder vier!
Verdutzt schaute er näher hin und war beruhigt, als er begriff, dass der ganze Raum mit deckenhohen Spiegeln ausgestattet war, und tatsächlich nur ein Mann ihn betreten hatte, der sich aber mehrfach spiegelte. Und es war definitiv nicht der Haitianer, denn der Typ dort drüben war ein Weißer. Sein Gesicht lag zwar in den Schatten, aber sein blondes, kurzgeschnittenes Haar war gut zu erkennen. Auch sein muskulöser Oberkörper unter dem schmutzigen Pulli.
Unschlüssig blieb der Mann mitten im Zimmer stehen und wandte sich wie betrunken einmal nach rechts und dann nach links, so als wüsste er nicht, wo er sich befand. Er trug einen Strick wie eine Hundeleine um seinen Hals, und überrascht bemerkte Ondragon, dass der Typ einen Buckel hatte. Überhaupt wirkte er wie eine Zombie-Ausgabe vom Glöckner von Notre Dame.
Die Erkenntnis fuhr Ondragon durch den ganzen Körper wie ein Stromstoß.
Doch Rod sprach den Namen noch vor ihm aus. Der Brite schien genauso überrascht zu sein wie er.
„Sylvester Stern!“
Plötzlich erschien ein zweiter Schatten hinter dem Mailman. Eine hochgewachsene Gestalt in tiefschwarzer Kleidung. Ondragon stockte der Atem. Das Gesicht der Gestalt war das eines bleichen Totenschädels, der auf dem Scheitelbein einen Zylinder trug.
Baron Samedi!
Mit raschen Schritten durchquerte der Herr der Friedhöfe das Zimmer. Nein, er glitt förmlich wie auf Fledermausschwingen ans Fenster, legte beide Hände auf das Glas und starrte mit dunklen Augenhöhlen hinaus in die Nacht.
Zu ihnen hinüber.
Schnell wandten Ondragon und die beiden anderen ihre Gesichter ab und warteten mit klopfenden Herzen.
„Ist er das?“, stieß Rod zwischen den Zähnen hervor. „Ist das der Reverend?“
„Ich kann es nicht erkennen. Er ist zu stark geschminkt. Soweit ich weiß, ist Erzilie sein Loa mèt-tèt und nicht Gèdè oder dessen Verkörperung, Baron Samedi. Deshalb auch die ganzen Spiegel. Die heilige Erzilie, die Göttin der Liebe und der Schönheit, ist die eitelste aller Loas“, flüsterte die Madame ehrfürchtig.
Ondragon wagte einen Blick hinüber zu dem Fenster. Die Vorhänge waren nun verschlossen, nur ein dünner Spalt Licht durchschnitt die Dunkelheit draußen auf dem Balkon wie eine Machete.
„Egal, wer der Typ ist!“, presste Rod wütend hervor. „Das Schwein hat einen meiner Mailmen in seiner Gewalt!“
Ondragon tastete unter seiner Jacke nach der Waffe. „Alles klar! Wir gehen rüber!“ Er stand auf.
Unten an der Theke bezahlten sie ihre Getränke und gingen auf der Royal Street in östlicher Richtung davon. Doch nur bis zur nächsten Ecke, an der sie abbogen und einmal um den Block herumschlichen, bis sie schließlich auf der von der Bar abgewandten Seite des Hauses vom Reverend ankamen. Dort befand sich hinter einer grob gezimmerten Gartenpforte der Eingang zum oberen Stockwerk. Vorsichtig warteten sie in dem winzigen Garten und lauschten, während Ondragon die dunkle Fassade hinaufblickte.
Alles schien ruhig.
Er holte sein Dietrichset hervor und öffnete die Tür, die laut quietschend aufging. Stumm fluchend warteten sie, ob sich etwas tat, dann zogen sie ihre Waffen und traten in das enge Treppenhaus. Einer nach dem anderen erklommen sie die schmale Stiege, die direkt zu der Wohnungstür hinaufführte.
Oben angekommen lauschte Ondragon erneut. Er gab Rod ein Zeichen, nach hinten abzusichern, und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Keine fünf Sekunden später machte es leise klick, und die Tür schwang lautlos auf. Auf Zehenspitzen betraten sie die Wohnung des Voodoo-Priesters und staunten nicht schlecht, als sie sich in einem bizarren Spiegelkabinett wiederfanden. Alle Wände im Flur waren mit reflektierenden Flächen behangen, Spiegel in allen Größen und Formen, rund oder quadratisch, sogar ein dreieckiger war dabei. In schweren Rahmen, flankiert von echten Totenköpfen und grausigen Wesen aus der Unterwelt mit Hörnern und doppelten Zungen, geschmückt mit rostigen Ketten, mumifizierten Tierkadavern und bunten Pailletten, bemalt mit weißen Schlangenzeichen und gekrönt von vertrockneten Blumenkränzen. Und über allem lag dieser durchdringend süßliche Grabgeruch, den Ondragon schon aus dem Laden der Madame kannte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken angesichts der schrecklichen Schönheit dieser Spiegel. Er umklammerte die Waffe fester. Egal wo er hinblickte, sah er sich selbst, starrte auf sein eigenes Ich zurück mit geweiteten Augen und angespanntem Gesicht. Hundert Mal, tausend Mal, bis ins Unendliche vervielfältigt!
Oder war es sein Marassa, der dort aus dem Tor der Unterwelt zu ihnen herüberblickte?
Von irgendwoher hörte er ein stetig wiederkehrendes, dumpfes Geräusch an seine Ohren dringen, so als schlage jemand mit der Faust gegen ein Tor und verlange Einlass in die Welt der Lebenden. War es ein Dämon? Ondragon verdrängte diesen absurden Gedanken und warf der Madame durch einen der Spiegel einen vorwurfsvollen Blick zu.
Sie schaute vielbedeutend zurück. In ihren Augen leuchtete es geheimnisvoll auf, als sie mit ihren Lippen die Worte formte: „Ich … sehe … ihn.“
Wütend zischte Ondragon sie an: „Meinen Bruder? Hören Sie bloß auf damit! Dies ist …“
Schnell hob die Madame einen Zeigefinger vor ihren Mund. „Ich kann IHN sehen“, wisperte sie kaum hörbar. „Baron Samedi!“ Sie deutete in einen Spiegel, der gegenüber dem Raum hing, in den sie von draußen geblickt hatten.
Ondragon schluckte seinen bissigen Kommentar herunter und beugte sich zu ihr vor. Tatsächlich konnte man von dort aus einen Arm des Totenbarons sehen. Vorsichtig lehnte sich Ondragon wieder zurück und gab Rod mit wenigen Zeichen zu verstehen, was er vorhatte. Danach hob er seine Waffe, holte tief Luft und stürmte mit drei Sätzen den Raum.
Doch da war niemand. Der Baron war fort.
Nervös schauten sich die drei um.
Plötzlich verdunkelte sich das Licht im Raum und überall blitzten kleine rote Lichter auf. Auch die Totenschädel auf den Spiegelrahmen ließen ein hysterisches Gelächter erklingen wie in einer Geisterbahn.
Ondragon wirbelte um die eigene Achse und erstarrte. Was er erblickte, ließ ihn den angehaltenen Atem schlagartig ausstoßen. Er spürte, wie Rod gegen seinen Rücken prallte und ebenfalls furchtsam erstarrte.
Hinter ihnen stand hoch aufgerichtet die ehrfurchtgebietende Gestalt des Baron Samedi. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht und spiegelte sich hundertfach verzerrt und zersplittert in den Spiegelwänden wider wie ein Kaleidoskop aus schwarzem Stoff und weißen Knochen.
Ondragons Pupillen sprangen hin und her, vom echten Baron auf seine Projektion und wieder zurück. Mechanisch wie bei einer Puppe begann der Kopf des Barons sich zu drehen, während seine schlaksigen Arme noch immer kraftlos neben seinem Körper baumelten. Mit seinen toten Augenhöhlen glotzte er die Eindringlinge an, das halbe Gesicht im Schatten der Hutkrempe. Es hätte nicht viel gefehlt und Ondragon hätte geglaubt, einer automatischen Geisterbahnfigur gegenüberzustehen. Doch wie ein knöcherner Reißverschluss öffneten sich plötzlich dessen gelbliche Zahnreihen und präsentierten ein bösartiges Grinsen.
Und als hätte der Baron seine Gäste längst erwartet, hob er ihnen beide Schlangenarme entgegen und sagte mit tiefer Stimme: „Bienvenue, Mesdames et Messieurs! Entrez-vous!“
Ondragon hob seine Waffe, die sich schwer wie Blei anfühlte und richtete sie auf die dürre Gestalt. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und lief über sein Gesicht, während er darum kämpfte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Mit brennenden Augen starrte er den Totenbaron an und sagte sich zum wiederholten Male, dass dies nur ein Voodoo-Priester war und kein Geist.
Unvermittelt hob der Baron einen Zeigefinger und ließ ihn hin und her zucken wie den Zeiger eines Metronoms. Und erst jetzt setzte das dumpfe, rhythmische Schlagen wieder ein, das Ondragon zuvor schon vernommen hatte. Das Geräusch kam von der anderen Seite des Raumes.
Die Waffe unbeirrt auf Baron Samedi gerichtet, wagte Ondragon es, sich in die Richtung zu drehen. Dort stand der bucklige Sylvester Stern. Mit leblosem Blick schwankte er vor und zurück und rammte dabei seinen Kopf immer wieder gegen einen der großen Spiegel.
Thummm, thummm, thummm.
Wie eine kaputte Aufziehfigur rannte der Mailman gegen das Glas, prallte ab und unternahm einen nächsten unbeholfenen Versuch, mit dem Kopf durch den Spiegel zu stoßen, der schon zu einem Spinnennetzmuster gesprungen war. Doch das Tor zur Unterwelt blieb ihm verschlossen. Blut tropfte von seiner Stirn auf den Teppich und verteilte sich in Schlieren auf dem zerbrochenen Glas. Es war ein schauriges Schauspiel; Stern war nicht mehr Herr seiner Sinne und gehorchte einzig und allein den stummen Befehlen des Baron Samedi, dessen Zeigefinger noch immer im selben Takt zuckte, in dem Stern vor und zurück taumelte.
Thummm, thummm, thummm.
Bei jedem Aufprall verschoben sich die Glasscherben im Spiegel und zeigten eine andere zersplitterte Sicht des Raumes. Plötzlich schreckte Ondragon zusammen.
War da nicht das Gesicht seines Bruders gewesen?
Irritiert blinzelte er in den zersprungenen Spiegel. Dort, in dem sich bewegenden Netz aus Scherben, war er kurz aufgetaucht.
Per!
Das Gesicht eines Kindes.
Ondragon biss die Zähne zusammen, dass es laut knirschte. Das konnte nicht sein! Das war ganz und gar unmöglich. Per war tot! Mausetot! Beerdigt und begraben auf einem Friedhof.
Und wer herrscht über den Friedhof?
Richtig. Baron Samedi!
Glaubst du noch immer, dass ich tot bin, Paul?
„Stop!“, brüllte er und schüttelte Pers geisterhafte Kinderstimme aus seinem Ohr. „Aufhören! Reverend Zombie, wir haben Ihr schmutziges Spiel durchschaut!“ Er trat einen drohenden Schritt auf den Baron zu, der in seinen Bewegungen innehielt. Sofort erstarrte auch Stern zur Salzsäule. Stumpfsinnig gaffte der Zombie vor sich auf den zerstörten Spiegel.
„Rod! Mari!“, rief Ondragon nach hinten über seine Schulter. „Ihr schnappt euch den Reverend und ich nehme mir den Zombie vor!“
„Aye!“, hörte er seinen Freund hinter sich antworten und stürzte los.
Doch noch bevor er einen seiner Füße vom Boden lösen konnte, die sich gleichfalls anfühlten, als seien sie aus Beton, machte der Baron eine herrische Armbewegung, und der Zombie drehte sich ruckartig zu ihm um. Wie bei einer elektronischen Zielvorrichtung richteten sich seine getrübten Augen auf Ondragon, und nach einer weiteren Armbewegung des Barons stapfte der Zombie schwerfällig los, das blutbeschmierte Gesicht grotesk verzerrt und die Arme vor sich ausgestreckt wie in einem schlechten Horrorfilm.
Allerdings mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass das hier kein Film war.
Ondragon ließ den Zombie nicht aus den Augen und legte seinen Finger auf den Abzug der Waffe. Während er noch darüber nachdachte, ob die Madame ihm irgendwann einmal erzählt hatte, wie man Zombies tötete, sprang der Untote plötzlich mit überraschender Gewandtheit auf ihn zu und packte mit den Händen seinen Hals. Unbarmherzig drückten sie zu. Ondragon spürte, wie sein Kehlkopf nachgab und seine Augen aus den Höhlen quollen. Grelle Lichtpunkte tanzten in seinem immer enger werdenden Sichtfeld. Hätte er doch bloß vorher besser zugehört! Aber das alles war jetzt egal.
Er hob die Waffe, stieß sie dem Zombie in den Bauch und drückte ab.
Es gab einen dumpfen Knall.
Stern riss die Augen auf und gab einen erstickten Laut von sich. Er taumelte zurück, prallte mit dem Rücken gegen den geborstenen Spiegel und schlitterte an ihm entlang zu Boden. Spiegelscherben prasselten auf seinen Kopf, als sein Kinn auf die Brust sackte, und er die Augen schloss.
Der Zombie war tot. So einfach.
Schnell wandte sich Ondragon um, um Rod und der Madame zu Hilfe zu eilen. Er sah wie sein Freund scheinbar paralysiert vor dem Baron stand. Er konnte gerade noch wahrnehmen, wie der Herr der Friedhöfe blitzschnell in seine Fracktasche griff und Rod etwas entgegenschleuderte.
Im selben Moment feuerte die Madame ihre Waffe ab. Ein gleißender Blitz füllte das Zimmer und blendete sie. Ondragon schloss die Augen.
Als er sie wieder öffnete, hing eine Rauchwolke an der Zimmerdecke, und der Baron war verschwunden. An seiner Stelle lag Rod ausgestreckt auf dem Rücken. Ein glitzerndes Pulver rieselte auf ihn nieder. Instinktiv hielt sich Ondragon eine Hand vor Mund und Nase und sah hilfesuchend die Madame an. Sie hielt ihre Waffe noch immer auf den Punkt gerichtet, an dem kurz zuvor noch der Baron gestanden hatte.
„Ich … ich habe auf ihn geschossen, aber ich habe ihn nicht erwischt! Putain de merde!“, fluchte sie. „Ich hätte wissen müssen, was er vorhat!“ Sie lief zu Rod hinüber, beugte sich mit vorgehaltener Hand über ihn und fluchte erneut.
„Ist er getroffen?“, fragte Ondragon besorgt und wollte sich ebenfalls neben seinem Freund niederlassen, aber die Madame stieß ihn grob zurück. „Bleiben Sie von ihm fern! Er ist nicht verletzt, aber er hat das coup poudre abbekommen. Das Zombiegift. Er ist bereits gelähmt! Sie dürfen ihn nicht berühren.“
Ondragon sah in Rods bläulich angelaufenes Gesicht. Seine Augen waren starr an die Decke gerichtet und sein Mund stand offen, so als sei er immer noch überrascht von den Ereignissen.
„Das Gift wirkt schnell. Er braucht Hilfe! Warten Sie hier, Monsieur Ondragon, ich hole das Antidot! Und nicht anfassen, sonst muss ich Sie auch noch retten!“
Noch bevor Ondragon etwas erwidern konnte, war die Madame aus dem Zimmer verschwunden. Langsam trat er von Rod zurück und blickte sich um.
Na prima!
Allein mit einer Zombieleiche und einem Zombie in spe.
Hilflos sah er wieder auf seinen Freund, der unverändert dalag. Was konnte er tun? Nichts! Er musste warten. Hoffentlich schaffte es die Madame noch rechtzeitig. Ondragon fluchte laut. Wieder war er auf ihre Hilfe angewiesen! Sein Blick fiel auf seine Projektion im Spiegel gegenüber. Wohin war der Baron verschwunden? Konnte er durch die Wände gehen? Oder war er durch den Spiegel in die Unterwelt geflohen?
So ein Blödsinn. Der Baron war niemand anderes als der Reverend, zwar immerhin ein Voodoo-Priester, aber dennoch ein menschliches Wesen. Und Menschen konnten sich nicht in Luft auflösen, geschweige denn durch Mauern schreiten.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine zaghafte Bewegung und wandte den Kopf. Aber da war nur ein weiterer Spiegel und darin sein Spiegelbild, sonst nichts. Ondragon sah sich prüfend selbst ins Gesicht. Plötzlich bewegte es sich, schien sich kurz abzuwenden und ihn dann wieder anzusehen.
Wurde er jetzt komplett plemplem?
Irritiert fokussierte er den Mann im Spiegel, der aussah, wie er selbst.
Ungerührt schaute die Spiegelung von Paul Eckbert Ondragon zurück.
Aber nichts geschah.
Ondragon stieß angestrengt Luft aus. War ja auch blöd von ihm zu denken, dass das dort im Spiegel jemand anderes war.
Er wollte seinen Blick abwenden, da bemerkte er es wieder. Das Gesicht im Spiegel zuckte für den Buchteil einer Sekunde zur Seite. Ruckartig hob Ondragon die Pistole und ging auf sein Spiegelbild zu.
Wenn man einen Zombie erschießen konnte, dann war es bestimmt auch möglich, seinem Marassa ein für alle Mal das Licht auspusten! Das wäre praktisch, dann wäre er ihn endlich los!
Er trat direkt vor den Spiegel, und seine Projektion tat es ihm in perfekter Synchronisation gleich. Mit der Waffe zielte er auf die Brust seines Zwillings, und der zielte zurück. Was war, wenn er abdrückte? Erschoss er dann sich selbst?
Es war ein absurder Gedanke – genau wie all die anderen, die ihm noch kamen. Was war zum Beispiel, wenn er den Lauf seiner Pistole auf den Lauf seines Gegenübers setzte und abdrückte. Trafen sich die Kugeln in der Mitte? Würde eine Kugel gewinnen, in die andere Welt eindringen und die Person dort auslöschen?
Die Madame hätte ihm diese Frage mit Sicherheit beantworten können, wäre sie jetzt hier gewesen. So aber musste er es selbst herausfinden.
Ondragon schob den Lauf vor und es gab ein metallisches Klacken, als er ihn auf das Glas setzte. Im selben Moment bewegte sich sein Spiegelbild und Ondragon drückte ab. Die Kugel durchschlug den Spiegel, und der gesamte Rahmen schwang ein wenig nach hinten.
Verblüfft hielt Ondragon inne und blickte auf den Spalt, der sich zwischen dem massiven Rahmen und der Wand aufgetan hatte. Dann begriff er und fühlte sich wie ein kompletter Narr.
Alles war so einfach.
Der Spiegel war eine Tür!
Durch sie war Baron Samedi so elegant entkommen.
Aber er hatte die Tür nach seiner Flucht nicht wieder richtig geschlossen und sie war im Luftzug leicht hin und her geschwungen, weshalb sich auch sein Spiegelbild bewegt hatte.
Ondragon tippte die Spiegeltür mit der Waffe an und sie schwang ganz auf, lautlos mit geölten Scharnieren. Der Baron hatte sie reingelegt. Mit den billigsten Zaubertricks, die es auf der Welt gab. Er hatte eine kleine Rauchbombe explodieren lassen und war durch die Tür in den Nachbarraum geschlüpft.
Ondragon trat in das angrenzende Zimmer und sah sich um. Doch es war leer. Leer bis auf die unzähligen Spiegel natürlich, aus denen sein Zwilling unbeschadet zurückblickte.
Mit vorgehaltener Waffe ging Ondragon alle Räume der Wohnung ab. Selbst im Bad und in der Küche war alles verspiegelt. Kein Raum, in dem man sich unbeobachtet fühlen konnte. Von überall starrten einem Tausend eigene Gesichter entgegen.
Ondragon ließ die Waffe sinken. Der Reverend hatte offensichtlich das Weite gesucht. Vermutlich hockte er schon in seinem Tempel und spielte dort mit dem nächsten Zombie. Aber auch dort würden sie ihn aufstöbern. Das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Schließlich arbeitete der Reverend für Darwin Inc. und ihm musste das Handwerk gelegt werden. In diesem Punkt war er ausnahmsweise einer Meinung mit der Madame. Verdammt, wo blieb sie nur?
Er sah auf die Uhr. Wie lange war sie jetzt schon weg? Besorgt kehrte er in das Zimmer zurück, in dem der tote Zombie und Rod lagen.
So nah wie möglich ging Ondragon an seinen Freund heran, damit dieser ihn sehen konnte. Strangelove hatte gesagt, dass man nach einer Vergiftung mit dem Zombiepulver zwar gelähmt sei, aber immer noch sehen und hören könne.
Er winkte mit der Hand vor Rods Augen und sagte: „Es wird Hilfe kommen, mein Freund. Die Madame ist unterwegs. Sei unbesorgt.“
Rod gab keine Antwort. Natürlich nicht. Er war ja auch gelähmt. Ondragon biss sich auf die Lippen. Verdammt, Kumpel, halt durch!
Hinter ihm ertönte ein Geräusch wie das Rieseln von Glassplittern, und Ondragon fuhr herum. Seine Augen weiteten sich ungläubig. Er wollte seine Waffe heben, war aber unfähig, sich zu rühren. Versteinert musste er mit ansehen, wie der tot geglaubte Stern sich mit steifen Gliedern hochstemmte und ganz langsam auf seine Füße kam. Der Zombie hob seinen blutüberströmten Kopf und die trüben Augen sahen Ondragon direkt an. Kurz darauf streckte er einen Arm aus und stöhnte.
Mit einer Verzögerung so lang wie eine Ewigkeit gelang es Ondragon endlich, seine Waffe zu heben. Er schoss. Doch der Knall explodierte nicht in der Waffe, sondern direkt in seinem Kopf. Ein glühender Dorn aus Schmerzen bohrte sich von hinten durch sein Hirn bis zu seinen Augäpfeln, und ein roter Schleier legte sich über seine Sicht wie der Umhang eines Matadors, nachdem der Stier den Todesstoß erhalten hatte. Mit getrübter Sicht und unkontrolliert zuckenden Augenlidern sah er, wie der Zombie auf ihn zuging. Ein breites Lächeln erschien auf dessen aufgeplatzten Lippen, als er sich zu ihm herabbeugte … und die Dunkelheit mit sich brachte.