XVIII

Namenlos und waffenlos marschierte er dahin.

Es war Frühling - fast zwei Jahre, nachdem er niedergeschlagen zum Berg gewandert war. Sos war der Vergessenheit anheimgefallen. Der Körper, der heute seinen Geist beherbergte, war ein anderer. Sein Gesicht das Werk eines Labors. Seine Stimme ein Krächzen. Kontaktlinsen aus Plastik machten seine Augen unverwundbar. Seine Haare wuchsen pigmentlos.

Sos gab es nicht mehr. Doch geheime Erinnerungen waren in dem Namenlosen verblieben und ließen sich nicht wegwischen, wenn sie von vertrauten Bildern heraufbeschworen wurden. Er war zwar anonym, aber nicht gefühllos. Beinahe hätte er vergessen, daß er als Vernichtungsinstrument gekommen war, als er so dahinwanderte und dem kleinen Vogel auf seiner Schulter nachtrauerte. Er genoß die Waldpfade und freundlichen Herbergen ebenso wie als junger Schwertkämpfer vor über vier Jahren.

Das lag jetzt ein Leben und einen Tod zurück!

Er blieb neben einem Kampfring stehen - neben dem Ring, in dem Sol, das Schwert, mit Sol, dem Kämpfer aller Waffen, um Name und Waffe gekämpft hatte. Und, wie es sich herausgestellt hatte, um eine Frau! Wie anders sähe die Welt aus, hätte diese Begegnung nie stattgefunden!

Er betrat die Herberge und erkannte sogleich die aus der Unterwelt stammende Einrichtung. Merkwürdig, wie sich sein Wahrnehmungsvermögen verändert hatte! Nie hatte er sich früher ernsthaft gefragt, woher seine Nahrung stammte. Wie die meisten Nomaden hatte er diese Dinge für selbstverständlich angesehen. Wie war diese Naivität nur möglich gewesen?

Er nahm sich von den Vorräten und bereitete sich ein gewaltiges Mahl. Um seinen massiven Körper fit zu halten, mußte er große Mengen vertilgen. Doch war das Essen für ihn kein Vergnügen. Eine seiner Eigenschaften, die unter der künstlichen Steigerung seiner Kraft gelitten hatte, war das Geschmacksvermögen. Er fragte sich, ob die Chirurgen in der Vergangenheit wohl imstande gewesen waren, ihre Wunder zu wirken, ohne dabei Sinnesorgane zu zerstören. Oder hatten Maschinen die Stelle der Krieger eingenommen?

Bei Einbruch der Dämmerung kam ein Mädchen daher. Es war hübsch und jung. Als sie sein bloßes Handgelenk sah, hielt sie sich fern. Herbergen waren schon immer geeignete Plätze für die Jagd nach Armreifen gewesen. Ob die Irren wohl von diesem besonderen Aspekt ihrer Einrichtungen wussten?

Er schlief in einer Koje. Das Mädchen wählte aus Höflichkeit die anschließende. Sie schielte zu ihm hinüber, als sie merkte, daß er doch allein war. Aus seiner Lektüre wusste er, daß sich die Frauen vor dem Weltbrand vor den Männern hüten mußten und in Gegenwart eines Fremden nicht zu schlafen wagten. Falls das stimmte - obwohl das von einer Zivilisation, die höher entwickelt war als die jetzige, kaum glaubhaft war -, hatte es inzwischen doch eine Weiterentwicklung gegeben. Denn es war undenkbar, daß ein Mann Gunstbeweise verlangte, die ihm nicht freiwillig angeboten wurden. Oder daß eine Frau damit launisch geizte. Doch er dachte auch daran, was Sosa ihm von ihrer Kindheit erzählt hatte. Es gab bestimmte Stämme, die Frauen anders einstuften. Also war nicht alles Schlechte vom Feuer ausgelöscht worden!

Das Mädchen konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. »Wenn eine Frage gestattet ist - wo ist Eure Frau?«

Er dachte an Sosa, die kleine, kleine Sosa, die fast zu klein für einen normalen Armreif war, doch groß in ihren Handlungen und Verstand. Sie fehlte ihm sehr.

»Sie ist im Totenreich«, sagte er.

»Das tut mir leid«, sagte sie. Sie hatte ihn mißverstanden, wie es auch in seiner Absicht gelegen war. Wenn ein Mann seine Frau liebte, begrub er seinen Armreif mit ihr und nahm keinen anderen, ehe nicht die Trauerzeit vorüber war. Wie konnte er ihr erklären, daß es nicht Sosas Tod war, sondern seine Rückkehr ins Leben, die sie für immer getrennt hatte?

Das Mädchen setzte sich im Bett auf und faßte verlegen nach seiner Brust. »Ich hätte nicht fragen sollen«, sagte sie.

»Ich hätte es gleich sagen sollen.« Er wusste, wie häßlich er dieser Unschuld erscheinen mußte.

»Wenn Ihr wollt . . .?«

»Nichts für ungut«, sagte er bestimmt.

»Schon gut«, sagte sie erleichtert.

Würde dieses einfache, ungekünstelte Mädchen, das mit ihm die Unterkunft, nicht aber das Bett teilte - würde sie je die Wildheit der Leidenschaft und Trauer, die er erlebt hatte, erfahren? Würde ein stämmiger Krieger ihr morgen seinen Armreif geben und dann zum Berg ziehen, wenn er sie verlieren sollte?

Möglich war es ja. Denn das war der große moderne Traum vom Leben und von der Liebe. Im Geringsten unter den Menschen - ob Mann oder Frau - lag das Vermögen, tiefe Gefühle hervorzurufen. Das war das Wunder des Lebens.

Am Morgen machte sie ihm das Frühstück - wieder eine höfliche Geste, die bewies, daß sie gut erzogen war. Sie bemühte sich, nicht hinzusehen, als er aus der Dusche kam. Er segnete sie dafür. Dann zog er seiner Wege, das Mädchen ebenfalls. Diese eingebürgerten Sitten hatten schon etwas Gutes. Wären sie einander vor vier Jahren begegnet und wäre sie damals schon erwachsen gewesen . . .

Er brauchte bloß eine Woche, um jene Strecke zurückzulegen, die einstmals zwei Männer und ein Mädchen gewandert waren. Einige Unterkünfte waren besetzt, andere wieder nicht. Immer blieb er für sich und wurde nicht gestört. Ein wenig erstaunte es ihn schon, daß sich die Sitten so gar nicht geändert hatten. Das war auch ein Vorzug der Nomadengesellschaft, den er nie richtig gewürdigt hatte, bis er miterlebt hatte, wie rau es anderswo zugehen konnte.

Dennoch gab es einige Änderungen. Die Markierungen waren zum Beispiel verschwunden. Anscheinend hatten die Irren - vielleicht beschleunigt durch seinen an Jones erstatteten Bericht - ihre Geigerzähler eingesetzt, die in der elektronischen Werkstatt der Unterwelt hergestellt wurden. Und sie hatten das Gebiet dann neu markiert. Das konnte bedeuten, daß die Falter und Mäuse ebenfalls verschwunden oder zumindest mit der übrigen Ökologie im besseren Gleichgewicht waren. Er entdeckte sogar Spuren huftragender Tiere. Wenigstens glaubte er, sich nicht in den Spuren zu täuschen.

Das alte Lager bestand noch - voll von Erinnerungen - und wurde immer noch benutzt. In den verschiedenen Kampfringen . übten die Männer. Auch das große Zelt neben dem Fluß stand noch. Der Feuergraben war jedoch eingeebnet worden. Das war der endgültige Beweis, daß die Mäuse nicht mehr ausschwärmten. Endlich hatten sie der stärkeren Gattung Platz gemacht - dem Menschen!

Aber wer herrschte tiefer drinnen, im Ödland, wohin der Mensch noch nicht vordringen konnte? Und falls es wieder einen Weltenbrand geben sollte . . .

Warum war er so erstaunt, hier Menschen anzutreffen? Er hatte doch gewusst, daß dies der Fall sein würde. Hier war der Geburtsort des Reiches!

Er näherte sich dem Lager und wurde prompt aufgehalten.

»Halt! Zu welchem Stamm gehört ihr?« fragte ein strammer Stabkämpfer und besah sich die Tunika, als versuchte er, seine Waffe zu identifizieren.

»Zu keinem Stamm. Ich möchte Euren Anführer sprechen.«

»Euer Name?«

»Ich bin namenlos. Führt mich vor Euren Herrn!«

Der Krieger wurde unfreundlich. »Fremdling, Euch gebührt eine Lektion in guten Manieren!«

Sos streckte nur die Hand aus und packte den Stab des Kriegers.

»He - was . . .!« Der Mann mußte den Stab entweder loslassen oder ihm folgen. Abwehren konnte er ihn nicht. Gleich darauf streckte er die Hände nach oben, als Sos den Stab und den Mann mit einem Arm hochhob und ihn in der Luft herumschwenkte. »Wenn du mich nicht zu deinem Herrn führst, trage ich dich eigenhändig hin!«

Sos senkte plötzlich den Arm, und der Mann stürzte zu Boden, sich dabei noch immer an den Stab klammernd.

Inzwischen hatten sich Zuschauer eingefunden. Sos nahm nun den Stab, faßte ihn an beiden Enden und bog ihn zu einem Halbkreis zusammen. Dann übergab er das nutzlos gewordene Ding seinem Besitzer.

Man führte ihn daraufhin sehr rasch vor den Anführer.

Der war Sav.

»Was kann ich für Euch tun, starker Mann?« fragte Sav, der ihn mit seinen veränderten Zügen und dem Albinohaar nicht erkannte. »Wir sind hier sehr im Gedränge, aber falls Ihr gekommen seid, Euch uns anzuschließen . . .«

»Gebt Euch und Euren Stamm zu erkennen und übergebt mir beides!«

Zum ersten mal war Sos froh über die Rauheit seiner Stimme.

Sav lachte gutmütig. »Ich bin Sav, der Stabkämpfer, und überwache das Stabtraining für Sol, den Herrn des Reiches. Wenn Ihr nicht von Sol geschickt seid, übergebe ich Euch gar nichts!«

»Ich komme nicht von Sol. Ich bin gekommen, ihn zu bezwingen und statt seiner zu herrschen!«

»Sonst nichts? Also, Herr Namenlos, Ihr könnt hier gleich anfangen. Wir stellen einen Mann gegen Euch im Ring auf. Den müßt Ihr besiegen oder Euch unserem Stamm anschließen. Was ist Eure Waffe?«

»Außer meinen Händen habe ich keine Waffe.«

Sav studierte ihn interessiert. »Also noch einmal - Ihr habt keinen Namen, keinen Stamm, keine Waffe. Aber Ihr wollt dieses Lager übernehmen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Vielleicht habe ich heute meinen langsamen Tag; aber ich kann Euch nicht ganz folgen: Wie wollt Ihr das schaffen?«

»Ich werde Euch im Ring besiegen.«

Sav lachte schallend. »Ohne Waffe?«

»Habt Ihr Angst, Euch mit mir zu messen?«

»Ich würde nicht mit Euch kämpfen, selbst wenn Ihr eine Waffe hättet. Es sei denn, Ihr habt einen Stamm von gleicher Größe in die Waagschale zu werfen. Kennt Ihr denn die Regeln nicht?«

»Ich wollte nur Zeit sparen.«

Sav blickte ihn jetzt eindringlicher an. »Ihr erinnert mich an jemanden. Nicht das Gesicht, auch nicht die Stimme. Ihr . . .«

»Dann wählt einen Mann gegen mich aus. Ich werde ihn besiegen und auch alle anderen, die Ihr nach ihm aufstellt, bis dieser Stamm mir gehört.«

Jetzt lag Mitleid in Savs Blick. »Ihr wollt wirklich einen geübten Stabkämpfer im Ring herausfordern? Mit bloßen Händen?«

Sos nickte.

»Das geht mir zwar gegen den Strich; aber mir soll's recht sein!«

Er forderte einen seiner Leute zum Duell auf und ging dann zum Ring voran.

Der ausgewählte Kämpfer war verlegen. »Er hat doch keine Waffe!« rief er.

»Dann schlag ihn ein paar mal zusammen«, riet ihm Sav. »Er hat es so gewollt.«

Männer scharten sich um den Ring. Die Episode mit dem Stabkämpfer hatte sich herumgesprochen. Sos zog sein Übergewand aus und stand in kurzen Hosen und bloßen Füßen da.

Die Gaffer starrten ihn an. Das Obergewand hatte ihn bisher vom Kinn bis zum Knie und den Ellbogen verhüllt und nur die Hände und Füße freigelassen. Man hatte angenommen, er wäre ein großer, rundlicher Mann - schon älter nach der Haarfarbe und der ledernen Haut zu schließen. Seine Kraft, die er bereits bewiesen hatte, hatte die Leute neugierig gemacht.

»Bizeps wie Keulen!« rief jemand aus. »Seht mal seinen Nacken an!«

Jetzt trug Sos keinen Metallkragen mehr. Jetzt war sein Nacken eine solide Masse von Hornschwielen und Narbengewebe.

Der für ihn bestimmte Gegner starrte ihn offenen Mundes an.

Sav zog den Mann zurück. »Gom, geh du in den Ring!« sagte er kurz und bündig zu einem anderen.

Jetzt trat ein viel größerer Krieger vor, dessen Körper von vielen Kämpfen narbenbedeckt und verfärbt war. Das war ein Veteran. Er hielt die Waffe angriffsbereit und betrat, ohne zu zögern, den Ring.

Sos trat ebenfalls in den Ring und blieb mit in den Hüften gestützten Händen stehen.

Gom kannte keine Skrupel. Er holte ein paarmal aus, um zu sehen, was der Namenlose tun würde, und landete dann einen fürchterlichen Hieb seitlich an Sos' Hals.

Sos blieb stehen, ohne zu schwanken.

Der Stabkämpfer sah seine Waffe an, zuckte die Achseln und schlug abermals zu.

Nachdem Sos eine ganze Minute nur ruhig dagestanden hatte, bewegte er sich endlich. Er ging auf Gom zu, griff fast beiläufig nach dessen Stab, entwand ihm den anderen mit einer einzigen Handbewegung und schleuderte ihn aus dem Ring.

Sos hatte den Mann nicht berührt, und doch war der Krieger jetzt außer Gefecht. Er hatte nämlich versucht, sich am Stab festzuklammern.

Jetzt waren seine Finger gebrochen!

»Ich habe jetzt einen Mann und mich«, verkündete Sos. »Mein Mann ist nicht einsatzfähig. Deswegen kämpfe ich als nächstes gegen zwei.«

Erschüttert schickte Sav wieder einen Krieger in den Ring und bestimmte einen dritten als Nebenpartner. Sos packte wieder die zwei Stabenden der Waffe des einen Mannes und hielt sie fest, während der Krieger vergeblich versuchte, die Waffe freizubekommen. Schließlich verbog Sos die Stange. Dann ließ er sie los und trat zurück.

Der Mann stand da und hielt die zu einem Halbkreis verformte Stange verwirrt in der Hand. Sos berührte ihn jetzt nur mit einem Finger - und der Stabkämpfer taumelte aus dem Ring.

»Ich habe jetzt, mich eingeschlossen, vier Mann. Ich werde gegen vier andere Krieger antreten!«

Jetzt war bereits das ganze Lager um den Ring versammelt.

»Ihr habt es geschafft«, sagte Sav. »Ich will selbst mit Euch kämpfen!«

»Ihr und Euer ganzer Stamm gegen das, was ich habe?« höhnte Sos spöttisch.

»Meine Fertigkeit gegen Eure«, sagte Sav und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Meine Gruppe gegen Eure Dienste und gegen die genaue Auskunft über Euch selbst! Wer Ihr seid, woher Ihr kommt, wo Ihr so tapfer kämpfen gelernt habt, wer Euch geschickt hat!«

»Wenn Ihr gewinnt, könnt Ihr meine Dienste haben oder mein Leben. Über alles andere bin ich zum Schweigen verpflichtet. Nennt mir andere Bedingungen!«

Sav hob seinen Stab. »Fürchtet Ihr, mir entgegenzutreten?«

Die Männer lachten. Sav hatte die Unterhaltung gegen ihn zu wenden verstanden. Wer verhöhnte jetzt wen?

»Ich kann diese Informationen nicht als Kampfbedingung annehmen. Ich habe nicht das Recht dazu.«

»Ihr habt uns Eure Kraft gezeigt. Wir sind neugierig. Ihr wollt, daß ich mein ganzes Lager aufs Spiel setze. Aber Ihr, Ihr wollt nicht einmal Eure Geschichte preisgeben! Ich glaube, Ihr wollt gar nicht kämpfen, Fremdling!«

Die versammelten Männer pflichteten ihm lautstark bei und weideten sich an dieser abrupten Änderung der Lage.

Sos mußte Sav gewisse Führungsqualitäten zubilligen, die er vorher nicht an ihm bemerkt hatte. Sav hatte erkannt, daß er verlieren mußte, falls er den Ring betrat. Er lud Schimpf und Schande auf sich, wenn er es nicht tat. Und so hatte er versucht, Sos dazu zu bringen, sich zurückzuziehen. Sav konnte sich weigern zu kämpfen, wenn man seine Bedingungen nicht akzeptierte. Seine Weigerung war dann durchaus ehrenhaft. Und das würde sich sehr rasch bei Sols anderen Stammesführern herumsprechen. Seine Bedingung war ein taktischer Geniestreich.

Sos würde also einen Kompromiß schließen müssen. »Gut! Aber ich werde es nur Euch allein erzählen. Sonst niemandem!«

»Ich werde es erzählen, wem ich will!« legte Sav fest.

Dabei ließ es Sos bewenden. Falls er durch einen unglücklichen Zufall verlieren sollte, hoffte er, Sav unter vier Augen von der Notwendigkeit der Geheimhaltung zu überzeugen. Sav war ein vernünftiger Mensch. Er würde ihn sicher anhören und sich alles erst überlegen, ehe er etwas unternahm.

Es tat Sos leid, daß er diesen lächelnden Stabkämpfer verwunden mußte!

Sav betrat den Ring. Er war viel besser geworden. Sein Stab war unerhört schnell und sicher. Sos versuchte die Waffe zu fassen. Es glückte ihm nicht. Der Mann hatte davon profitiert, daß er die zwei minderen Kämpfer beim Duell beobachten konnte. Er ließ seinen Stab nie in Ruhestellung, so daß Sos ihn nicht fassen konnte. Er verschwendete auch keine Kraft mit Hieben auf die Wirbelsäule. Statt dessen zielte er auf Sos' Gesicht und hoffte so, seinen Gegner zu blenden. Außerdem hieb er ihm auf die Ellbogen, die Gelenke und Füße. Er blieb dauernd in Bewegung, als wäre er sicher, daß ein so massiger Körper wie der von Sos sehr rasch ermüden müßte.

Es nützte ihm aber nichts. Sos wartete nur ein paar Minuten, damit Sav vor seinen Leuten nicht das Gesicht verlor. Dann blockierte er den Stab und packte Savs Unterarm. Er riss ihn an sich und drückte mit der anderen Hand zu.

Man hörte ein Krachen.

Sos ließ Sav wieder los und schob den Mann aus dem Ring. Für die anwesenden Krieger gab es keinen Zweifel: Es war ein komplizierter, offener Bruch, den Sav erlitten hatte. Die Männer nahmen sich Savs an, der taumelnd nach seinem Arm faßte und den freigelegten Knochen zurechtzurücken versuchte, während Sos gleichgültig vom Ring aus zusah.

Notwendig war das nicht gewesen. Er hätte auf hundert sanftere Arten siegen können. Er hatte aber einen überzeugenden Sieg gebraucht. Hätte Sav nur knapp oder durch einen Trick verloren, hätten die Anwesenden seinen vollen Einsatz oder seinen Willen zum Sieg vielleicht bezweifelt. Der Armbruch war der sichtbare Beweis dafür, daß dem nicht so war. Savs Männer wussten nun, daß niemand hätte siegen können, wo ihr Anführer versagt hatte, und daß es bei diesem Kampf kein heimliches Einverständnis oder Feigheit gegeben hatte.

Sos hatte also seinem früheren Freund schreckliche Schmerzen zugefügt. Er wusste aber, daß dieser sie ertragen würde, um zu retten, was viel wichtiger war - den Ruf des Verlierers.

»Setzt Euren zweiten Mann zum Führer dieses Lagers ein!« befahl Sos dem Besiegten, scharf und ohne Mitgefühl. »Ihr und ich, wir machen uns morgen in aller Frühe auf den Weg. Wir beide allein!«