XI

Wie vor zwei Jahren machte Sos sich auf den Weg, um sein Glück zu suchen. Damals war er Sol, der Schwertkämpfer, geworden, ohne zu ahnen, was für ein Schicksal der nur des Klanges wegen gewählte Name ihm bringen würde. Jetzt war er Sos, das Lasso.

Damals hatte er im Ring zum Vergnügen, um Ruhm und die Entscheidung kleinerer Meinungsverschiedenheiten gekämpft. Jetzt kämpfte er, um seine Technik zu vervollkommnen. Damals hatte er die Frauen genommen, wie es sich eben ergab. Jetzt träumte er nur von einer.

Die blonde Miß Smith hatte etwas an sich, das ihn unter anderen Umständen neugierig gemacht hätte. Erstens war sie gebildet. Bildung war in der Nomadenwelt selten anzutreffen. Sicher, sie gehörte jetzt zu den etablierten Irren - doch wäre sie bestimmt mit ihm gekommen, wenn er sie darum gebeten hätte. Soviel war ihm klar geworden. Er hatte sie nicht gefragt. Und jetzt war er im Zweifel, ob er damit nicht einen Fehler begangen hatte.

Er dachte an Sola, und sofort waren alle anderen Phantasiebilder weggefegt. Wo befand sich Sols Stamm wohl jetzt? Er hatte keine Ahnung. Er konnte nur losziehen, bis er zufällig etwas von dem Stamm erfuhr, und dessen Spur dann folgen, bis er den Stamm eingeholt hatte. In der Zwischenzeit mußte er seine Kampftechnik verbessern. Jetzt hatte er eine Waffe. Mit ihr wollte er sich eine Braut erringen.

Es war Vorfrühling, und die Knospen rundeten sich. Wie immer um diese Jahreszeit brachten die Männer ihre Familien zu den Herbergen, weil sie in den stürmischen Nächten keine Zelte mehr aufstellen wollten. Auch die jungen ledigen Mädchen fanden sich ein und versuchten, sich einen Krieger zu erobern. Sos mengte sich kameradschaftlich unter diese Gruppe, schlief wenn nötig, auf dem Boden und weigerte sich, eine Schlafkabine mit einem Mädchen zu teilen, wenn er sich deswegen von seinem Armreif trennen mußte. Er unterhielt sich mit den Männern über verschiedene Themen. Sols Stamm? Nein - niemand wusste von seinem gegenwärtigen Aufenthalt, obwohl man Gerüchte gehört hatte. Ein großer Stamm - an die tausend Krieger. Vielleicht sollte er einen der Anführer fragen. Die wussten gewöhnlich Bescheid.

Am zweiten Tag der Wanderschaft ließ sich Sos in einen Kampf um die Ehre mit einem Stangenkämpfer ein. Der Mann hatte bezweifelt, daß ein Stück Seil als Waffe angesehen werden konnte. Sos hatte ihm freundlich eine Probe angeboten. Neugierige Gaffer sammelten sich, als die zwei den Ring betraten.

Durch intensives Training hatte Sos erreicht, daß sein Körper in besserer Verfassung war als je zuvor. Er war vor zwei Jahren der Meinung gewesen, in seiner vollen Blüte gestanden zu haben. Doch inzwischen hatte sich seine Statur verändert. Er war breiter geworden und sehniger. Er war jetzt ein muskulöser, solide gebauter Mann von beträchtlicher Körperkraft. Manchmal fragte er sich, ob er von der Strahlung etwas abbekommen hatte und sie auf diese Weise ihre Wirkung zeigte.

Körperlich war er also fit. Doch war es schon lange her, seitdem er den Ring mit einer Waffe betreten hatte. Seine Händel wurden feucht. Plötzlich fühlte er sich seiner selbst nicht mehr sicher. Konnte er überhaupt noch kämpfen? Er mußte. Alle seine Hoffnungen gründeten darauf, daß er sich im Ring wieder bewährte.

Sein Lasso war eine dünne Metallschnur, über sechs Meter lang, an jedem Ende mit einer Kappe versehen und mit Gewichten beschwert. Unterwegs trug er es um seine Schultern geschlungen. Es wog etliche Pfund.

Dummerchen hatte gelernt, das Lasso genau zu beobachten. Sos machte einige Windungen locker und hielt eine lose Schlinge in der Hand, als er seinem Gegner gegenübertrat. Dummerchen flüchtete sich eilends auf einen Baum. Die zwei Stangen blinkten, als der andere angriff. Die rechte Stange zielte nach Sos' Kopf, während die linke in Abwehrhaltung gehalten wurde. Sos sprang beiseite und zog sich an den Rand des Ringes zurück. Seine Nervosität wich, als der Kampf begann. Er spürte, daß er in Form war. Sein Seil zischte vor, als sich der Mann wieder näherte, und umschlang das Gelenk des anderen. Ein Zug am Seil, und der Stangenkämpfer wurde taumelnd nach vorne gezogen.

Sos machte eine Handbewegung, und das Lasso war wieder lose. Es schnellte zurück in seine abwartende Hand. Wieder ging sein Gegner auf ihn los und teilte rasche Hiebe mit beiden Stangen aus, so daß ein Wurf mit der Lassoschlinge das Stangenpaar nicht gefährden konnte. Sos ließ diesmal die Schlinge über den Nacken des Gegners gleiten, duckte sich und sprang wieder außer Reichweite. Die Schlinge wurde fest zusammengezogen und würgte den Mann. Er war hilflos und fiel auf die Knie.

Wieder ein Zug am Lasso, und der Gegner war wieder frei. Sos hätte den Kampf jetzt beenden können, doch wollte er sich und den anderen beweisen, daß das Lasso in vielerlei Gestalt siegen konnte. Er wollte die Schwächen seiner Waffe herausfinden, ehe er eine ernsthafte Begegnung antrat.

Beim dritten mal näherte sich der Gegner schon vorsichtiger und hielt einen Arm hoch, um der schlängelnden Schnur zu entgehen. Der Mann wusste jetzt, daß das Seil zwar eine Rarität, aber kein Spielzeug war. Jedenfalls eine Waffe, vor der man auf der Hut sein mußte. Dann sprang er plötzlich vor und versuchte, einen Überraschungshieb anzubringen. Sos schlug ihm mit dem Seilende gegen die Stirn und blendete ihn.

Der Mann wich zurück. Er wusste, daß er geschlagen war. Über seinen Augen wurde eine rote Strieme sichtbar. Den Zuschauern war klar, daß Sos das Lasso absichtlich ein paar Zentimeter höher hielt, um seinem Gegner eine schreckliche Verwundung zu ersparen. Der Stabkämpfer mußte jetzt wegen seiner stark tränenden Augen fast blind zuschlagen.

Sos ließ alle Wachsamkeit beiseite und suchte nach einem versöhnlichen Weg, das Duell rasch zu beenden. Da gelang dem Gegner zufällig ein harter Schlag seitlich gegen Sos' Kopf. Der Kampfstock war zwar keine Keule, konnte einen Mann aber leicht außer Gefecht setzen. Sos war momentan ganz benommen. Sofort drang sein Gegner mit der anderen Stange auf ihn ein und drosch auf Sos' Kopf und Schultern ein, bis Sos endlich ausweichen konnte.

Er hatte tatsächlich zu lange nicht mehr im Ring gestanden! Er hätte seinen Angriff nie abbrechen dürfen. Dabei hatte er noch Glück, daß der andere nur mit Reflexen und nicht mit überlegtem Können arbeitete und ziellos zugeschlagen hatte. Sos hatte jedenfalls seine Lektion bekommen und würde sie nie mehr vergessen.

Sos hielt Distanz, bis sein Kopf wieder klar war. Dann wollte er den Kampf rasch beenden. Er warf das Lasso um die Beine des Mannes und riss ihm die Füße unter dem Leib weg. Mit eingezogenen Schultern, um die Schläge abzufangen, beugte er sich über den Gegner und fesselte ihm beide Arme mit einer zweiten Schlinge. Dann packte er die Schlingen mit beiden Händen und stemmte den Gegner hoch.

Sos warf seinen Gegner in hohem Bogen aus dem Ring. Er landete auf dem Rasen jenseits des Kiesstreifens. Ernsthaft verletzt war er nicht, aber völlig gedemütigt.

Das Lasso hatte sich im Kampf behauptet.

Die folgenden Wochen festigten Sos' Ruf als Kämpfer - auch gegen andere Waffen. Das Seil behinderte die Hand des Gegners, die das Schwert oder die Keule führte, und wirkte als Verteidigung, indem es den Angriff unmöglich machte. Die Lassoschlinge wiederum hielt ihm die Hände der Dolchkämpfer vom Leibe.

Noch immer hatte er nichts Konkretes von Sols Stamm erfahren, als habe der Erdboden ihn verschluckt. Schließlich befolgte Sos den Rat, den er in der Herberge bekommen hatte, und suchte den nächsten größeren Stamm auf.

Das war zufällig der sogenannte Doppelstamm von Pit. Sos war nicht sicher, ob dessen Anführer einem einzelnen Krieger Auskunft erteilen würde. Pit stand nämlich im Ruf, mürrisch und geheimnistuerisch zu sein. Doch Sos hatte keinen Partner, mit dem er gemeinsam um Auskunft hätte kämpfen können, Keiner der Männer, denen er begegnet war, war es wert, für ihn das Leben im Ring zu riskieren.

Sos tat diese Überlegungen mit einem Achselzucken ab und machte sich auf den Weg zum Lager Pits. Er mußte die Dinge eben an sich herankommen lassen.

Drei Tage später traf Sos einen riesigen Keulenkämpfer, der in die entgegengesetzte Richtung wanderte, seine Waffe in die Luft warf und unmelodiös vor sich hinsummte. Sos blieb erstaunt stehen. Nein, es war kein Zweifel möglich.

Das war Bog, der unermüdliche Kämpfer, der Sol einen halben Tag lang aus purer Freude am Kampf verdroschen hatte!

»Bog!« rief er.

Der Riese blieb stehen, ohne ihn wiederzuerkennen. »Wer bist du?« fragte er und richtete die Keule auf ihn.

Sos erklärte, wo sie einander begegnet waren. »Guter Kampf!« rief Bog aus. An Sol konnte er sich erinnern, doch wusste er weder, wohin Sols Stamm gezogen war, noch interessierte es ihn.

»Warum kennst du nicht mit mir?« fragte ihn Sos, der an den Ruf von Pits Stamm dachte. Zusammen mit diesem Mann . . .?

»Ich bin auf der Suche nach Sol. Suchen wir ihn doch gemeinsam. Unterwegs ergibt sich vielleicht wieder die Gelegenheit zu einem guten Kampf.«

»Gut!« stimmte Bog herzlich zu. »Du kommst mit mir!«

»Ich möchte mich aber auch bei Pits Stamm erkundigen. Du gehst in die falsche Richtung!«

Bog konnte seinem Gedankengang nicht folgen. »Es ist mein Weg«, sagte er bestimmt und schwang die Keule.

Sos kannte nur einen Weg, ihn umzustimmen. »Ich kämpfe mit dir um die Richtung. Wenn ich gewinne, schlagen wir meinen Weg ein!«

»Gut!« stimmte Bog mit beängstigendem Enthusiasmus zu. Die Aussicht auf einen Kampf fesselte Bog sofort.

Sos mußte zwei Stunden in die falsche Richtung wandern, um den nächsten Ring zu erreichen. Dann war es bereits Spätnachmittag. Trotzdem war der Riese kampfbegierig.

»Wir hören auf, wenn es dämmert«, sagte Sos.

»Gut!« Sie traten in den Ring. Es waren Zuschauer da, die sich das Vergnügen nicht entgehen lassen wollten. Einige hatten Bog schon kämpfen sehen, andere wieder kannten Sos. Über den Ausgang dieses ungewöhnlichen Zweikampfes wurden wilde

Spekulationen angestellt. Die meisten stritten sich darum, nach wieviel Minuten oder Sekunden Bog wohl siegen würde.

Der Kampf war genauso schlimm, wie Sos ihn erwartet hatte. Bog explodierte förmlich mit seiner Keule und achtete auf keine Hindernisse. Sos tauchte weg, schwankte, pendelte und wich. Er kam sich ohne feste Waffe ganz nackt vor und wusste, daß ihn früher oder später diese verfluchte Keule verwunden würde, Bog schien gar nicht zu merken, daß seine Hiebe dem Gegner weh taten. Für ihn war alles Sport.

Sos umwickelte den Arm Bogs mit einer raschen Wurfbewegung - Bog schwang die Keule, zog am Lasso und zog Sos mit sich. Dieser Mann hatte eine unglaubliche Kraft. Sos warf ihr eine Schlinge über den Kopf und zog sie hinten im Nacken zu Bog schwang die Keule, als sei nichts geschehen. Seine Nackenmuskeln waren so kräftig, daß ihn eine Drahtschlinge überhaupt nicht zu behindern schien.

Die Zuschauer staunten mit offenen Mündern. Bog war sich ihrer Gegenwart nicht einmal bewusst. Sos sah, daß einige sich an den Hals griffen und über Bogs Unverwundbarkeit den Kopf schüttelten. Sos lockerte den Würgegriff und konzentrierte sich jetzt auf Bogs Füße. Er umschlang sie, als sich eine Gelegenheit dazu bot, und zog fest an. Der Riese blieb mit gespreizten Beinen stehen, hielt sich durch den Rückstoß seiner eigenen Schwünge im Gleichgewicht und traf das straffe Seil mit einem Schmetterschlag, der das Lassoende aus Sos' Hand riss.

Sos durfte einfach nicht aufgeben. Er brauchte die Hilfe dieses Mannes und mußte sich vergewissern, daß seine Waffe gegen einen Spitzenkämpfer ebenso wirksam war wie gegen einer Durchschnittsgegner. Er entschloß sich zu einem Verzweiflungsschritt.

Er umschlang mit dem Lasso nicht Bogs Arm, sondern die Keule selbst und erwischte sie genau über dem Griff. Statt die Schlinge festzuziehen, ließ er sie locker. Dann warf er das Lassoende auf den Boden, stellte sich mit beiden Füßen darauf, und leistete mit seinem ganzen Gewicht Widerstand.

Als die Keule am Scheitelpunkt des Aufwärtsschwunges an-| gelangt war, war das Seil straffgezogen. Sos wurde von der Gewalt des Zuges am Seil fast umgerissen. Die Keule wurde blockiert, und zwar in dem vom Gegner am wenigsten erwarteten Augenblick. Sie drehte sich in Bogs Hand - und flog aus dem Ring. Bog starrte der Waffe mit offenem Mund nach. Er begriff nicht, was geschehen war. Sos stand auf und holte sein Lasso ein. Noch war er nicht sicher, ob der Riese sich an die Regeln hielt und die Niederlage zugab.

Bog wollte seine Waffe zurückholen, hielt aber inne, als er merkte, daß er den Ring nicht verlassen konnte, ohne als Verlierer gebrandmarkt zu werden. Er war besiegt.

»Gib auf«, rief Sos einer Eingebung folgend. »Essen!«

»Gut!« antwortete Bog automatisch. Bevor er überhaupt merkte, was das bedeuten sollte, hatte Sos Bogs Arm schon freundschaftlich gepackt und führte ihn aus der Arena.

»Der Kampf war unentschieden wie bei Sol. Das heißt, keiner von uns hat gewonnen, keiner verloren. Wir sind einander ebenbürtig. Deswegen müssen wir das nächste Mal zusammen kämpfen. Als Team.«

Bog überlegte. Dann grinste er. »Gut!« Wenn man ihm etwas auf die einfachste Logik klarmachte, war er sehr rasch einverstanden.

Zufällig war in dieser Nacht keine Frau für einen Armreif zu haben. Bog sah sich in der Unterkunft um, umkreiste erstaunt die Mittelsäule und schaltete schließlich das Fernsehen ein. Für des Rest des Abends war er von den schweigend gestikulierenden Personen auf dem Bildschirm gefesselt und lächelte vergnügt über die gezeigten Trickfilme. Er war der erste Krieger, den Sos länger als zwei Stunden vor dem Fernsehschirm beobachtet hatte.

Zwei Tage darauf stießen sie auf Pits großen Stamm. Zwei Herolde kamen ihnen entgegen. Sos' Verdacht bewahrheitete sich. Der Stammesherr dachte gar nicht daran, sie zu empfangen.

»Sehr gut. Ich fordere deshalb den Anführer zum Kampf im Ring heraus.«

»Ihr?« sagte der Sprecher trocken, »und wer noch?«

»Und Bog, der Keulenkämpfer.«

»Wie Ihr wollt. Ihr werdet zuerst mit einem unserer schlechtesten Teams kämpfen müssen.«

»Einer, zwei, drei zugleich!« rief Bog vergnügt aus. »Gut, gut!«

»Mein Partner will damit sagen«, interpretierte Sos gewandt, »wir werden uns mit Eurem ersten, zweiten und dritten Team messen - hintereinander.« Er legte einige Verachtung in seine •, Stimme. »Dann werden wir die Teams Eurem Herrn gegen eine Auskunft wiederverkaufen. Sie werden in einer Verfassung sein, die es ihnen sowieso nicht erlaubt, sich auf Wanderung zu begeben.«

»Wir werden ja sehen«, antwortete der Mann kühl.

Das erste Team von Pit war ein Schwertkämpferpaar. Die beiden waren von gleichem Gewicht und gleicher Statur. Brüder wahrscheinlich, dachte Sos.

Sie schienen den Standort und die Haltung des Partners genau zu kennen, ohne überhaupt hinzusehen. Die beiden waren ein tadellos eingespieltes Paar, das schon jahrelang miteinander gekämpft hatte. Dessen war Sos sich sicher. Ein höchst gefährliches Team also - besser als alle, die Sos im Ödlandlager ausgebildet hatte. Und er selbst hatte mit Bog noch nie zusammen gekämpft. Wahrscheinlich begriff Bog überhaupt nicht, worauf es im paarweisen Duell überhaupt ankam.

Doch baute Sos auf die Tatsache, daß das Lasso als Waffe diesen Männern fremd war. »Denk daran«, schärfte Sos Bog ein, »ich bin auf deiner Seite. Mich darfst du mit der Keule nicht schlagen!«

»Gut!« stimmte Bog ein wenig irritiert zu. Für ihn war alles, was sich im Ring abspielte, Sport. Über Technik oder Abmachungen zerbrach er sich nie den Kopf.

Die zwei Schwertkämpfer waren wunderbar aufeinander eingespielt. Beide waren erstklassig. Während einer angriff, wehrte der zweite ab. Während der erste sich erholte, übernahm der Partner den Angriff. Manchmal machten sie auch zusammen, ohne ein sichtbares Zeichen zu geben, einen Ausfall und schwangen die zwillingsgleichen Klingen mit vollendeter Präzision, nur Zentimeter voneinander entfernt.

Sos beobachtete sie beim kurzen Training vor dem eigentlichen Kampf. Die Lage änderte sich ein wenig, als Bog und Sos in den Ring traten.

Bog, der im Ring in seine übliche Berserkerstimmung geriet, versuchte beide Gegner zugleich zu erledigen, während Sos sich im Hintergrund hielt, das Ende seines Lassos wurfbereit. Er beobachtete, griff nur warnend ein, wenn Bog vergaß, wer auf wessen Seite stand. Die verheerende Keule schlug beide Schwerter zum Entsetzen des gegnerischen Teams glatt beiseite. Die beiden wussten nicht, was sie davon halten sollten, und konnte kaum fassen, was hier geschah.

Die zwei waren weder feige noch dumm. Sie trennten sich jetzt. Einer versuchte, Bog defensiv von vorne zu binden, während der andere zu einem Hieb von der Flanke ansetzte.

Das war der Augenblick, da das Lasso vorwärts schnellte und das Handgelenk des Gegners umfing. Es war die einzige Bewegung, die Sos in diesem Duell machte, doch sie genügte. Bog griff die zwei Schwertkämpfer jetzt aus einer anderen Richtung an. Sos hatte recht behalten. Die beiden wären nicht imstande gewesen, mit ihnen die Wanderschaft fortzusetzen.

Das zweite Team bestand aus zwei Keulenkämpfern. Eine gute Idee, wie Sos dem Kampfleiter des Pit-Stammes zubilligen mußte. Aber nicht gut genug. Bog mähte die beiden mit Genuß nieder, während Sos unverletzt blieb. Dieser Kampf wurde noch rascher beendet als der erste.

Der Stratege des Stammes hatte jedoch aus den Rückschlägen gelernt. Das dritte Team bestand aus einem Stangenkämpfer und einem Netzwerfer.

Sos wusste sofort, diesmal würde es Schwierigkeiten geben. Von der Existenz nicht genormter Waffen hatte er erst erfahren, als er den Rat seines alten Mentors, Dr. Jones, eingeholt hatte. Allein die Tatsache, daß ein Mann ein Netz als Waffe hatte und damit im Ring umgehen konnte, bedeutete, daß er bei den Irren ausgebildet worden war. Und das war immer gefährlich.

Das zeigte sich sofort. Sobald die vier im Ring standen, warf der Netzkämpfer das Netz - und Bog war bereits hilflos gefangen. Er versuchte, die Keule zu schwingen, doch die geschmeidigen Nylonschnüre hielten ihn fest. Er versuchte das Netz wegzustoßen, wusste aber nicht, wie. Inzwischen zog der Netzwerfer das feine, aber sehr starke Maschenwerk eng zusammen, bis Bog stolperte und umfiel wie ein riesiger Kokon.

Inzwischen war Sos verzweifelt bemüht, seinen Partner zu erreichen und ihm zu Hilfe zu kommen. Doch der Stangenkämpfer hielt ihn zurück. Der Mann machte keine aggressiven Bewegungen. Er blockierte Sos nur und war dabei sehr erfolgreich. Der Stangenkämpfer sah sich nie um, weil er volles Vertrauen zu seinem Partner hatte. Solange er sich auf Sos konzentrierte und sich nicht ablenken ließ, konnte Sos ihm nichts antun.

Der Netzwerfer hatte Bog jetzt vollkommen eingewickelt und rollte den riesigen Körper ans dem Ring. Sos konnte sich vorstellen, was als nächstes geschehen würde. Der seiner Waffe beraubte Netzwerfer würde nach dem Lasso fassen und versuchen, es in seine Gewalt zu bekommen. Dann würde er daran ziehen, während sein Partner angriff. Der Netzwerfer würde jede Blöße nützen, während sein Partner Sos ablenkte. Sie standen ja jetzt zu zweit gegen einen. Der Netzwerfer konnte natürlich mit bloßen Händen mit allem Biegsamen ausgezeichnet umgehen.

»Rollen, Bog, rollen!« rief Sos. »Zurück in den Ring. Rollen!

Einmal in seinem Leben kapierte Bog sofort. Sein umwickelter Körper krümmte sich wie eine große Raupe und widersetzte sich den Bemühungen des Netzes, ihn über den Rand zu schaffen. Bog war ein Riesenstück Mannsbild und ließ sich gegen seinen Willen nicht so leicht bewegen. Bog stieß ein Brummen aus und der Stangenkämpfer blickte zu ihm hin. Das war sein Fehler.

Das Lasso ringelte sich um seinen Hals und würgte ihn, während die Zuschauer des Stammes aufstöhnten. Sos übersprang Bogs gekrümmten Körper und landete auf dem Rücken des Netzkämpfers. Er bekam den Mann zu fassen, hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen seinen Partner. Eine rasche Folge von Lassowürfen, und beide waren wie ein Paket verschnürt, wobei die Stange zwischen ihnen zu liegen kam.

Sos näherte sich ihnen nicht leichtfertig. Noch immer waren sie imstande, gemeinsam zu manövrieren oder ihn zu fassen und sich an ihn zu hängen. Statt dessen bückte er sich zum Netz und befreite Bog. »Halte still!« rief er in Bogs Ohr, als der Kokon weiterzappelte. »Ich bin's! Sos!«

Da niemand die Gegner daran hinderte, kämpften sich die beiden rasch frei. Jetzt hatten sie auch schon wieder die Stange und das Netz gepackt, während Sos erst Bogs Beine aus den komplizierten, zähen Maschen befreit hatte. Sos hatte die Runde zunächst verloren.

»Rollen, Bog, rollen!« rief er noch einmal und gab seinem Partner einen kräftigen Stoß in die richtige Richtung. Bog trat mit den Beinen um sich und versuchte, die beiden Gegner zu treffen. Doch die Bewegung war zu plump. Die Gegner übersprangen Bogs Füße mit Leichtigkeit - und wurden in Taillenhöhe vom fliegenden Lasso eingeholt.

Alle vier landeten auf einem Haufen, vom Seil und Netz gefesselt. Doch das Netz war jetzt durch das Gewicht der Männer blockiert, während das Seil noch locker war. Sos wickelte es rasch um Bog und seine beiden Gegner und knüpfte es sorgfältig über dem zappelnden Bündel zusammen. Bog, der den Netzwerfer selbst gefesselt sah, grinste durch die Maschen und versuchte, mit seiner Riesenmasse den Mann zu zermalmen.

Sos angelte sich die Stange und zielte mit dem stumpfen Ende auf den Kopf des Besitzers. »Halt!« rief der Sprecher des Stammes. »Wir geben auf!«

Sos lächelte. Er hatte ohnehin nicht die Absicht gehabt, einen so unfairen Schlag auszuführen.

»Morgen werden die Pits mit Euch sprechen«, sagte der Herold, der seine Arroganz abgelegt hatte. Er beobachtete, wie sich die drei Männer aus den Maschen befreiten. »Nehmt heute nacht unsere Gastfreundschaft an.«

Es war eine großartige Bewirtung. Nach einer reichen Mahlzeit zogen sich Sos und Bog in die nächste Herberge zurück, die der Stamm für sie frei gemacht hatte. Zwei hübsche Mädchen tauchten auf und verlangten ihre Armreifen. »Nicht bei mir«, sagte Sos, der an Sola dachte. »Nichts für ungut.«

»Ich nehme beide!« rief Bog. Sos überließ ihn seinem Vergnügen. Heute setzte sich der Lassokämpfer vor das Fernsehen.

Am Morgen erfuhr Sos, warum die Pits so geheimnisvoll taten und warum sie den Stamm der Doppelkämpfer gebildet hatten. Die beiden waren Siamesische Zwillinge: Zwei Menschen, die durch einen Fleischstrang um die Taille aneinandergekettet waren. Beide trugen Schwerter. Sos war sicher, daß ihr Zusammenspiel im Kampf unübertrefflich war.

»Ja, wir wissen von Sols Stamm«, sagte der linke Zwilling »Von den Stämmen vielmehr. Vor zwei Monaten hat Sol seinen Stamm in zehn Unterstämme zu je hundert Kriegern aufgeteilt, die das Land durchziehen und sich ständig vergrößern. Einer dieser Stämme wird sich bald im Ring mit uns messen.«

»So? Wer führt diesen Stamm?«

»Tor, das Schwert. Er soll ein fähiger Anführer sein.«

»Das will ich meinen!«

»Dürfen wir fragen, was ihr mit Sol zu schaffen habt? Wenn Ihr selbst einem Stamm beitreten wollt, können wir Euch und Eurem Partner sehr günstige Bedingungen bieten . . .«

Sos lehnte höflich ab. »Meine Angelegenheit ist rein privater Natur. Doch bin ich sicher, daß Bog gern einige Tage bei Euch» bleibt, und mit Euch trainiert, solange Eure Männer und Frauen es aushalten und das Essen reicht. . .«