23. Kapitel

Der nächste Tag begann nicht besser, als der letzte geendet hatte.

Als Cornelia morgens in die Küche kam, lag Victor apathisch auf dem Boden. Zunächst dachte sie sich nichts dabei und nahm an, er wäre müde. Doch als Victor auch auf das Aufschnappen des Dosendeckels nicht reagierte und keine Anstalten machte, zum Futternapf zu laufen, stutzte Cornelia.

Sie ging zu ihm und streichelte seinen Kopf. »Du liegst da, wie ich mich fühle. Was hast du denn, mein Kleiner?«

Ihre Hand fuhr über Victors Rücken. Dabei fiel ihr auf, dass der Kater stärker haarte als sonst. Außerdem stand die Innenhaut seiner Augen weit hervor. »Das sieht aber nicht gut aus«, murmelte Cornelia. Sie ging ins Wohnzimmer und suchte den nächstgelegenen Tierarzt im Branchenbuch.

Clemens staunte nicht schlecht, als Cornelia ihn mit einer Pappkiste in der Hand begrüßte. Cornelia nannte Clemens die Anschrift des Tierarztes. »Ach, und besorgen Sie im Laufe des Tages eine Transportbox«, ordnete sie an.

»Geht in Ordnung.« Clemens nickte.

Während der Fahrt zum Tierarzt rief Cornelia Beate im Büro an, um ihre Verspätung zu melden. Merkwürdigerweise nahm Beate nicht ab. Cornelia schüttelte ratlos den Kopf, war aber so sehr mit Victor beschäftigt, dass sie nicht weiter darüber nachdachte. Der Arzt diagnostizierte eine Virusinfektion, verabreichte dem Kater eine Penicillininjektion und gab Cornelia eine Packung Tabletten für ihn mit.

Es war zehn Uhr, als Cornelia endlich ins Büro kam. »Beate?« rief sie beim Eintreten und blickte sich verwirrt um.

Das Vorzimmer war leer. Wo war Beate? Cornelia ging in ihr Büro, ließ die Tür aber offen, damit sie sah, wenn Beate zurückkam. Sie schaltete den Computer an und öffnete die elektronische Postmappe. Dabei suchte sie nach dem Zettel, auf dem ihr Beate notiert hatte, wie sie welche Termine umgelegt hatte. Ihr fiel die E-Mail ins Auge, abgesendet von Beates Platz. In Erwartung, die Information darin zu finden, öffnete sie die Mail – und sah sich der zweiten bösen Überraschung des Tages gegenüber. Denn was Cornelia las, lähmte sie zunehmend.

Liebe Cornelia,
wie Du sicher schon gemerkt hast, bin ich nicht im Büro. Ich werde auch nicht mehr kommen. Meine Kündigung liegt in der Personalabteilung. Es tut mir leid. Aber Du wirst verstehen, dass ich nicht bleiben kann. Es ist zu viel passiert. Oder zu wenig.
Ich liebe Dich. Das weißt Du. Und ich habe lange darauf gewartet, dass Du für Deine Gefühle zu mir auch diese Worte findest. Aber Deine Angst vor Nähe und dem damit verbundenen möglichen Verlust war leider stärker. Es ist unsinnig, diese Möglichkeit zu bestreiten. Das habe ich nie versucht. Doch ist es in meinen Augen genauso unmöglich, dem Verlust ein Leben lang auszuweichen. Egal, was man tut oder – wie Du beschlossen hast – lässt, es wird immer Situationen geben, die einem große seelische Schmerzen zufügen. Vielleicht ist jetzt, wo Du das liest, so ein Moment, weil Dir langsam klar wird, dass ich nie mehr Teil Deines Lebens sein werde. Einerseits wünsche ich es mir. Andererseits auch nicht. Denn es verschafft mir keine innere Befriedigung, Dir zu sagen, dass nun genau das eingetreten ist, was Du immer vermeiden wolltest. Ich denke, im Endeffekt bin ich eben doch nicht die Richtige für Dich, sonst wäre alles anders gekommen. Vielleicht schafft eine andere Frau mehr. Oder Du kehrst in Dein altes Leben zurück. Letzteres wünsche ich Dir nicht.
In Liebe,
Beate

Cornelia starrte auf den Bildschirm des Computers. In ihrem Kopf herrschte absolute Leere, bis auf einen Gedanken: Das ist absurd, Beate kann nicht einfach so verschwinden!

Sie stand abrupt auf und lief in ihrer Hilflosigkeit wutschnaubend im Zimmer hin und her. Was dachte Beate sich dabei? Sie hatte eine Kündigungsfrist! Sie knallte die Tür ihres Büros laut zu. Verdammt! Beate weiß ganz genau, dass ich ohne sie im Büro aufgeschmissen bin. Ebenso wie sie wissen sollte, dass sie die einzige Frau in meinem Leben ist, die mir etwas bedeutet, dass ich sie – eben auf meine Art – liebe. Cornelia hielt in ihrem Lauf inne und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ich liebe sie? Sie ging zum Fenster, starrte hinaus auf die Straße und lehnte ihre Stirn an die kalte Scheibe.

Bravo, Cornelia! Bravo, bravo, bravo. Dein Timing ist saumäßig. Warum konnte dir das nicht ein paar Tage früher einfallen?

Weil Beate mich erst jetzt hat sitzenlassen, gestand sie sich zerknirscht ein. Ich hätte nie gedacht, dass sie es wahrmacht. Schon gar nicht so drastisch. So absolut. Cornelia stellte gequält fest, dass ihr auch diese Seite an Beate gefiel.

Cornelia wählte zum x-ten Mal Beates Handynummer. »Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar«, meldete sich die Computerstimme wie bereits die anderen Male, und die Ansage des Anrufbeantworters folgte. Cornelia schaltete enttäuscht ab.

Seit sie Beates Nachricht gelesen hatte, probierte sie nun alle halbe Stunde, sie zu erreichen. Vergebens. Auch auf ihre SMS meldete Beate sich nicht. Zunehmend wurde Cornelia klar: Beate wollte nicht mit ihr sprechen. Sie hatte das Telefon ausgeschaltet und reagierte auf keine Nachricht. Auf die Art würde sie Beate also nicht erreichen. Die Frage war: Wie konnte sie sie erreichen? Wo sollte sie sie suchen?

Cornelia musste sich eingestehen, dass sie kaum etwas über Beate wusste. Abgesehen von Anke, der ausgetickten Ex-Freundin, kannte sie niemanden aus Beates Umgebung. Wo lebten ihre Eltern? Welche Freundinnen hatte sie außer Jana? Cornelia gestand sich auch ein, dass genau das zu ihrer Strategie gehört hatte. Je weniger sie von Beate wusste, desto weniger hatte sie das Gefühl, mit ihr verbunden zu sein.

Trotzdem ging die Sache gründlich schief. Und wie schief! Cornelia seufzte. Wenn sie Beate finden wollte, blieb ihr jetzt nur eines: ein Gespräch mit Jana. Das behagte Cornelia zwar überhaupt nicht, aber in den sauren Apfel musste sie beißen – oder die einzige Chance, etwas über Beates Aufenthaltsort zu erfahren, vergeben. Sie verzog missmutig das Gesicht, schlug das Adressbuch im Rechner auf und suchte Janas Telefonnummer heraus.

»Kamp«, meldete Jana sich gleich nach dem ersten Klingeln.

»Cornelia Mertens hier. Ich . . . ähm . . .« Cornelia kam ins Stottern. Wo beginnen? »Das muss Ihnen jetzt komisch vorkommen, aber . . . ähm . . . wissen Sie, wo Beate ist?«

»Ist sie nicht im Büro?«

»Würde ich dann anrufen?« fragte Cornelia bissig zurück, ermahnte sich aber gleich darauf zur Ruhe. »Entschuldigung, war nicht so gemeint.« Sie zögerte. »Beate hat . . . sie hat gekündigt.«

»Wie bitte?«

»Sie wissen nichts davon?« Cornelia war nicht sicher, ob sie Jana die Überraschung abnehmen sollte.

»Beate hat diese Absicht nie erwähnt«, versicherte Jana. »Was ist passiert?«

»Das ist eine längere Geschichte. Ich möchte Sie einige Sachen fragen, wenn Sie nichts dagegen haben. Kann ich bei Ihnen vorbeikommen?«

»Ich bin im Segelclub.«

Cornelia fuhr hin. Jana kam ihr schon am Eingang des Clubgeländes entgegen. »Was ist denn passiert?« wiederholte sie ihre Frage vom Telefon.

»Können wir irgendwo in Ruhe reden?« fragte Cornelia.

Jana führte Cornelia in die kleine Cafeteria des Clubhauses.

Cornelia, die sich auf der Herfahrt ein paar Dinge zurechtgelegt hatte, erzählte Jana in kurzen Worten von Beates Urlaubsantrag, dem folgenden Gespräch und Beates Entschluss, aus Cornelias Haus auszuziehen.

»Sie hat es also wirklich getan«, sagte Jana.

»Sie wussten doch davon?« fragte Cornelia.

»Dass Beate nicht ewig dieses Hin und Her mitmachen wollte?« Jana schaute Cornelia direkt an. »Selbstverständlich. Ebenso wie Sie. Oder versuchen Sie mir weiszumachen, Beates Entschluss kam für Sie ganz überraschend? Soweit ich weiß, hatten Sie beide schon mehrere Auseinandersetzungen dieser Art.«

Cornelia nickte niedergeschlagen. Dass Jana Bescheid wusste, wunderte sie nicht sehr. Mit irgend jemandem musste Beate über ihre Gefühle schließlich sprechen. Du hast dich ja immer davor gedrückt, Cornelia!

»Von der Kündigung wusste ich allerdings nichts«, wiederholte Jana. »Es muss ein plötzlicher Entschluss gewesen sein.«

»Wo könnte Beate denn sein?« fragte Cornelia. »Wird sie sich bei Ihnen melden?«

»Davon gehe ich aus«, erwiderte Jana. »Aber wenn sie vorerst allein bleiben will, wird sie mir nicht sagen, wo sie ist. Sie kann sich schließlich denken, dass Sie mich nach ihr fragen werden.«

»Aber ich muss sie finden! Ich . . . ich will, dass sie zurückkommt!«

Jana zog die Augenbrauen hoch. »Na, wenn der Zug nicht mal abgefahren ist . . .«

»Was meinen Sie?«

»Sag mal, hast du Beate nie zugehört?« Janas spontaner Übergang zum Du lies Cornelia überrascht aufblicken.

»Äh . . . doch natürlich.«

Jana schüttelte den Kopf. »Klingt für mich nicht so.«

»Es war nie die Rede davon, dass Beate kündigt.«

»Wenn das alles ist, was dir Sorgen bereitet . . .«

»Nein, natürlich nicht!« Cornelia hob ratlos die Hände. »Was soll ich denn jetzt tun?«

Jana grinste. »Das fragst du ausgerechnet mich?«

»Absurd, ich weiß«, sagte Cornelia. »Aber du kennst Beate doch gut. Hat sie dir gegenüber vielleicht erwähnt, wo sie hinwill, wenn . . . wenn das mit uns nicht klappt?«

»Sagtest du nicht, sie hat ein Zimmer in einer Pension gemietet?« fragte Jana. »Schnapp dir das Telefonbuch.«

»Es kann Tage dauern, bis ich damit durch bin, alle Pensionen anzurufen. Außerdem kann Beate ja auch privat gemietet haben.« Cornelia schüttelte mutlos den Kopf. Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke. »Moment mal. Da fällt mir ein . . . Beate hat ihr Zimmer vom Büro aus bestellt.«

»Und?« fragte Jana.

»Ich bekomme für jeden Apparat in der Firma einen Telefonnummernnachweis. Wenn ich die Telefongesellschaft anrufe und einen Auszug von gestern anfordere?« Cornelias Gesicht hellte sich auf. Warum war sie nicht gleich darauf gekommen?

»Bevor du das tust, solltest du dir überlegen, wie du Beate dazu bringen willst, zurückzukommen«, riet Jana ihr. »Sonst kannst du dir den Rest nämlich sparen.«

Cornelia senkte den Blick. »Das weiß ich auch.«

»Was willst du ihr sagen? Falls ich das fragen darf.«

»Ich sage ihr, dass ich sie liebe«, sagte Cornelia leise, aber fest.

Jana hob erstaunt die Augenbrauen. »Gut«, sagte sie. »Aber Beate wird dich fragen, woher der plötzliche Sinneswandel kommt. Sie wird denken, dass du das nur sagst, um sie zurückzuholen, und später wieder einen Rückzieher machst.«

»Ich werde keinen Rückzieher machen. Diesmal nicht.« Cornelias Stimme klang sehr leise.

»Wie willst du sie davon überzeugen?«

Cornelia schaute sie irritiert an. »Keine Ahnung. Sie muss mir glauben.«

»Würdest du es an ihrer Stelle tun?« gab Jana zu bedenken.

Dank der Telefonliste fand Cornelia am nächsten Tag schnell die Pension, in der Beate ein Zimmer gemietet hatte.

Die Auskunft der Rezeption war allerdings niederschmetternd: »Frau Thiele hat nur einen Tag bei uns gewohnt.«

»Nur einen Tag?« fragte Cornelia am Boden zerstört. »Hat sie gesagt, warum? Ich meine, wissen Sie, ob sie in eine andere Pension gewechselt ist?«

»Nein.«

Cornelia legte enttäuscht auf. Und nun? Nun hast du viel Zeit, über deinen Fehler nachzudenken. Gewöhn dich an den Gedanken, dass du Beate so schnell nicht wiedersiehst. Wer weiß, ob überhaupt.

In dieser Ungewissheit quälte Cornelia sich von Geschäftstermin zu Geschäftstermin durch den Tag. Immer, wenn sie an Beates verwaistem Stuhl vorbeikam, drückte das ihre Stimmung noch tiefer.

Als Ramona nachmittags auf einen Sprung vorbeikam, knurrte sie die nur an.

»Was ist los? Gehen die Geschäfte so schlecht?« fragte Ramona gelassen.

»Pfeif auf die Geschäfte«, war Cornelias lasche Antwort.

Ramona stutzte. »Sag das noch mal.«

Cornelia winkte nur ab.

»Hast du dich mit ihr gekracht?« Ramona machte eine Kopfbewegung in Richtung Vorzimmer. »Wo ist sie überhaupt?«

Cornelia schwieg.

Ramona zählte eins und eins zusammen. »Beate ist weg«, stellte sie ruhig fest. Cornelias Schweigen nahm sie als Bestätigung. »Lass deine schlechte Laune nicht an mir aus. Es ist nicht meine Schuld. Du hast dir das ganz allein zuzuschreiben«, meinte sie und dachte nicht daran, Cornelia zu bemitleiden.

»Du verstehst es, einen aufzubauen«, brummte Cornelia nur.

»Ich will dich nicht aufbauen. Bin ich verrückt? Ehrlich gesagt, ich an Beates Stelle wäre schon viel früher gegangen.«

»Was weißt du schon.«

»Mehr als du denkst.«

»Mit dir hat sie auch über mich geredet?« fragte Cornelia erstaunt.

»Sie hat mich um Rat gefragt. Sie hat um dich gekämpft.« Ramona schüttelte nachdenklich den Kopf. »Schon merkwürdig«, murmelte sie. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, so etwas zu tun.« Über ihr Gesicht huschte ein grüblerischer Ausdruck. »Ich beneide dich fast ein wenig um diese Frau. Werde ich auf meine alten Tage sentimental?«

»Ich will, dass Beate zurückkommt«, überging Cornelia Ramonas Frage. »Ich versuche pausenlos, sie anzurufen, schicke ihr stündlich Nachrichten. Sie reagiert nicht. Ich habe versucht, sie ausfindig zu machen. Ohne Erfolg.«

Ramona ging zu Cornelia, die einem Häufchen Elend gleich in ihrem Sessel saß, und schaute sie spöttisch an. »Du bist wirklich von der Rolle, Schätzchen. Arbeitest du nicht mit einer Ermittlungsagentur zusammen? Ruf die Leute an. Die wissen, wie sie jemanden finden.«

Ramonas Zuversicht erwies sich leider als gänzlich unangebracht. Auch die Ermittlungsagentur rund um Breuer tat sich schwer. Zwei Tage nach Auftrag war das Ergebnis immer noch mehr als bescheiden.

»Tut uns leid, Frau Mertens«, bedauerte Martin Breuer. »Die Angelegenheit erweist sich als schwieriger als angenommen. Bei der Meldebehörde liegt nur die alte Adresse vor, im zuständigen Arbeitsamt hat Frau Thiele sich nicht gemeldet. Frau Thiele hat zwar in der Post einen Nachsendeantrag gestellt, doch nur eine Postfachadresse angegeben. Wir observieren das Postamt seit sechsunddreißig Stunden rund um die Uhr. Frau Thiele ist noch nicht dort aufgetaucht.«

»Machen Sie weiter«, sagte Cornelia deprimiert.

»Selbstverständlich.«

Cornelia legte auf. Ein unangenehmer Gedanke drängte sich ihr auf: Wenn Beate sich nicht finden lassen wollte – und das schien unter diesen Umständen sicher –, wollte sie ebenso sicher auch nicht mit ihr reden. Jana hatte recht. Egal, was du sagst. Beate wird dir nicht glauben, was immer du beteuerst. Im Prinzip kannst du dir die Mühe sparen, Beate zu suchen. Oder dir fällt etwas wirklich Gutes ein!

Als Clemens Cornelia abends nach Hause fuhr, schaute sie nur müde aus dem Fenster. Nebenher zuckelte eine Straßenbahn. Gedankenlos ließ Cornelia den Blick über die Leute streifen. Plötzlich durchzuckte sie ein Erkennen. Da stand Beate in der Bahn!

»Clemens!« rief Cornelia aufgeregt. »Fahren Sie dieser Bahn hinterher!«

»Wie bitte?«

»Die Bahn. Fahren Sie ihr nach. An der nächsten Haltestelle lassen Sie mich raus.«

Cornelia starrte aus dem Fenster. Andere Fahrgäste versperrten ihr die Sicht auf Beate. Endlich, da war die Haltestelle! Clemens stoppte. Cornelia stieß die Tür vom Wagen auf, hastete zur Straßenbahn, bezahlte eilig beim Fahrer und arbeitete sich durch die dichte Menge der Menschen. Immer wieder entschuldigte sie sich bei Fahrgästen, an denen sie sich vorbeischieben musste.

Endlich stand sie hinter Beate, legte ihr die Hand auf die Schulter. »Beate.«

Ein fragender Blick traf Cornelia. Cornelias Lächeln erstarb. Die junge Frau sah Beate wirklich sehr ähnlich. Cornelia murmelte eine Entschuldigung. An der nächsten Haltestelle stieg sie aus, immer noch benommen von der Enttäuschung. Clemens hupte ein paar Meter entfernt am Straßenrand.

»Was war denn?« fragte er neugierig, während er anfuhr.

Cornelia winkte resigniert ab. »Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen.«

Clemens schaute in den Rückspiegel nach hinten zu Cornelia. Er erriet, wen Cornelia meinte. »Was Frau Thiele jetzt wohl macht?« dachte Clemens laut nach. »Na, ganz klar. Sie sucht sich einen neuen Job. Was sonst? Sie ist nicht der Typ fürs Faulenzen. Sie steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, geht zum Kiosk, holt sich die Zeitungen und studiert die Stellenanzeigen. Ihr neuer Chef weiß noch gar nicht, was er für ein Glück hat. Apropos. Wann bekommen Sie eine neue Assistentin?«

Bei Clemens’ Frage fiel Cornelia auf, dass sie noch gar nicht mit der Personalabteilung gesprochen hatte. »Wir haben noch nicht inseriert«, antwortete sie automatisch, ohne besonderes Interesse. Mit einem Mal hellte sich ihr Gesicht auf. Bei dem Wort inseriert war ihr eine Idee gekommen.

»Ich wiederhole noch einmal Ihren Text«, sagte die Dame der Anzeigenannahme routinemäßig. »Mertens-Versicherungen sucht Assistentin der Geschäftsleitung. Fett gedruckt: Lebensstellung. Auswahlkriterium: B E A T E. – Ist das ein Branchentest oder ein Computerprogramm?« fragte sie irritiert.

Cornelia überging die Frage. »Erscheinen soll die Anzeige ab sofort, in allen Ausgaben der nächsten vierzehn Tage.«

»Ich brauche noch eine Telefonnummer und den Ansprechpartner für die Stelle.«

»Nein. Nicht nötig«, sagte Cornelia.

»Aber . . .«

»Nur den Text, den ich diktiert habe. Alles andere ist überflüssig.«

»Wie Sie meinen«, erwiderte die Frau. Der Ton in ihrer Stimme ließ darauf schließen, dass sie in ihrem Job schon merkwürdigere Wünsche für Anzeigentexte entgegengenommen hatte. »Wohin sollen wir die Rechnung schicken?«

Cornelia nannte der Frau Anschrift und Adresse und legte zufrieden auf. So. Das war geschafft. Der Text erschien in wenigen Tagen in allen Zeitungen, die einen Stellenmarkt enthielten. Beate würde bei ihrer Suche nach einem Job die Anzeige früher oder später lesen. Sie würde wissen, was sie bedeutete, und sich hoffentlich melden.