17. Kapitel

»Na? Nette Segeltour gehabt?« fragte Cornelia am Sonntagmorgen beim Frühstück.

»Danke. Sehr nett«, erwiderte Beate unverbindlich.

»Ich wusste nicht, dass man auch im Dunkeln segelt«, meinte Cornelia.

Beate stutzte. Hörte sie da so etwas wie Gereiztheit in Cornelias Stimme? »Wir waren noch ein bisschen bummeln.«

»Wie romantisch«, kommentierte Cornelia.

Sie ist gereizt! Beate schaute Cornelia fragend an. »Ist irgendwas?«

»Was soll denn sein?«

»Ich weiß es nicht. Aber du bist deutlich missgelaunt.«

»Du hättest Bescheid sagen können, dass du so lange wegbleibst. Dann hätte ich nicht erst mit dem Abendbrot gewartet.« Cornelia nahm einen Schluck Kaffee. Reiß dich zusammen! ermahnte sie sich dabei. Beate ist dir keine Rechenschaft schuldig.

Doch Cornelia war frustriert. Sie hatte nicht gehört, wie Beate nach Hause kam, und lange wachgelegen. Ihre Phantasie gaukelte ihr alle möglichen Bilder von Beate und Jana vor. Wie sich die beiden in den Armen lagen, sich küssten, sich streichelten. Die Vorstellung machte Cornelia halb wahnsinnig. Hinzu kam, dass in ihrem Gespräch mit Ramona zum ersten Mal der Gedanke in Cornelia aufgekommen war, dass sie sich vielleicht selbst im Wege stand. Wenn ihr Beate so viel bedeutete, warum konnte sie dieses Gefühl nicht einfach zulassen? Erst gegen Morgen war Cornelia eingeschlafen. Und sie nahm natürlich an, dass Beate die Nacht mit Jana verbracht hatte.

»Es war wohl mehr als nur ein netter Ausflug, was? Habt ihr . . .« Cornelia brach ab.

Beate sah Cornelia aus großen Augen an. Was spielte sich denn hier ab? Sie wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte. »Hast du beschlossen, mit meiner Mutter zu konkurrieren?«

Cornelia sah ein, dass ihre heftige Reaktion Beate merkwürdig anmuten musste. »Ich mache mir einfach nur Sorgen.«

Ach ja? Weshalb das denn? Beate unterdrückte ein Grinsen. »Diese Diskussion hatten wir schon«, sagte sie statt dessen ganz ernst. »Und meine Antwort ist dieselbe. Ich bin über achtzehn. Ich kann auf mich aufpassen. Und Jana ist wirklich in Ordnung.«

»Du kennst sie ja kaum.« Cornelias Stimme klang scharf.

»Ich lerne sie eben kennen.« Beate lächelte. Was ging das Cornelia an?

»Wenn du mich zum ersten Mal treffen würdest, unter ganz neutralen Umständen, wärest du an mir interessiert?« fragte Cornelia auf einmal leise.

»Schon möglich.« Beate verstummte perplex. Was redete sie denn da? Das brauchte Cornelia nicht zu wissen.

»Aber weil ich deine tyrannische Chefin bin und noch dazu absolut unromantisch, habe ich keine Chance bei dir«, stellte Cornelia fest.

Beate zuckte mit den Schultern. »Tja. Sieht wohl so aus.«

Cornelia schmunzelte. »Und wenn ich dir sage, dass ich meine Einstellung geändert habe?«

»Wann sollte das denn passiert sein? Und warum?« fragte Beate. Doch sie kannte die Antworten: gestern abend. Und: Weil Ramona diese abartige Idee hatte.

Cornelia schaute ernst. »Vielleicht deinetwegen.«

Beate lachte bitter auf. »Na klar.« Sie war enttäuscht. Cornelia versuchte es tatsächlich auf diese billige Tour. Sie hatte gehofft, dass –  Na, du musst zugeben, wärst du nicht zufällig Zeugin des Gespräches zwischen Cornelia und Ramona geworden, hätten Cornelias Worte ihre Wirkung auf dich nicht verfehlt.

»Traust du mir nicht zu, dass ich mich ändern kann?« fragte Cornelia. »Nein, tust du nicht«, beantwortete sie ihre eigene Frage. »Du hast mich in eine Schublade mit der Aufschrift Gefühlloses Ungeheuer gepackt. Ich sehe ein, ich habe einiges dazu getan, diese Meinung zu fördern. Aber doch wohl auch einiges, was diese Ansicht widerlegt. Oder nicht?« Cornelia erhob sich, kam um den Tisch zu Beate und zog sie zu sich hoch. »Mache ich dich nervös?« fragte sie sanft.

Ihre Lippen berührten zärtlich Beates Ohrläppchen, strichen Beates Wange entlang zum Mund. Beate spürte das vorsichtige Tasten von Cornelias Zunge auf ihren Lippen. Wie sehnsüchtig sie darauf gewartet hatte, dass Cornelia sie wieder küssen würde! Und wie erwartet wühlte es ihr Innerstes auf. Nur leider waren die Umstände die falschen. Beate löste sich. Sie schluckte. Ihr Herz schlug bis zum Hals.

»Du machst mich jedenfalls nervös«, sagte Cornelia. »Aber ich mag es.« Cornelias Augen durchdrangen Beate. Sie senkte erneut den Kopf, um Beate zu küssen.

Beate trat energisch einen Schritt zurück. »Nein!«

»Was ist? Habe ich etwas falsch gemacht?« Cornelia blieb unsicher stehen.

Beate drehte sich um und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. »Alles.«

»Alles? Ich verstehe nicht. Ich hatte den Eindruck, dass du . . . das eben genossen hast.« Cornelia legte Beate die Hand auf die Schulter, drehte sie langsam zu sich um. »Oder nicht?«

»Doch«, gab Beate zu. »Aber ich habe keine Lust, in die Liste deiner Eroberungen aufgenommen zu werden.«

Cornelia schüttelte den Kopf. »Offensichtlich habe ich etwas verpasst, obwohl ich die ganze Zeit dabei war. Wie kommst du denn auf den Quatsch?«

»Du willst mir doch nicht ernsthaft einreden, dass du an mehr interessiert bist als an einer unverbindlichen Affäre.«

Cornelia sah Beate irritiert an. »Ich weiß zumindest, dass ich mich in deiner Nähe wohlfühle wie sonst nirgendwo und mit niemand. Über den Rest habe ich noch nicht nachgedacht.«

»Wirklich nicht? Hast du nicht gestern abend mit Ramona darüber gesprochen? Lautete der Plan nicht: Sag ihr, was sie hören will, und sie wird dir zu Füßen liegen?«

Cornelia senkte beschämt den Blick. »Du hast das gehört?«

»Allerdings.«

»Das tut mir leid. Aber du kennst ja Ramona.«

»Ja. Und ich kenne dich.«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich denke, das Ganze hier ist nichts weiter als der lächerliche Versuch, mich rumzukriegen!«

»Wie bitte?«

»Du denkst, es braucht etwas mehr Mühe, eine andere Strategie als sonst. Also verlegst du dich darauf, die Selbstzweifelnde zu spielen und etwas Charme zu versprühen. Dabei hast du aber vergessen, dass ich dich zu gut kenne, um darauf hereinzufallen.«

»Aber nein, ich –«

»Warum gibst du es nicht wenigstens zu?« unterbrach Beate sie.

»Weil es nicht stimmt!«

»Natürlich stimmt es!«

Cornelia griff unter Beates Kinn, zwang sie, sie anzusehen. »Seit dem Tag, da du in mein Büro spaziert bist und den Job ergattert hast, waren wir selten einer Meinung. Ich war oft überheblich, vielleicht sogar ungerecht. Und sicher warst du darüber zu recht verärgert. Aber nie, nicht ein einziges Mal, habe ich dich angelogen. Jetzt sag mir bitte, womit ich dir Anlass für eine solche Unterstellung gegeben habe.«

»Ich habe doch gehört, wie du mit Ramona darüber gesprochen hast.«

»Was hast du gehört?«

»Ramona sagte –«

»Nein. Was habe ich gesagt?

»In dem Moment, als sie den Vorschlag machte, seid ihr auf die Terrasse gegangen. Ich konnte dich nicht mehr hören. Ich bin dann in mein Zimmer gegangen. Aber ganz plötzlich kommst du mir mit der Ich-habe-mich-geändert-Nummer. Was soll ich denn davon halten?«

»Du traust mir wirklich zu, ich würde dich anlügen, nur um dich ins Bett zu bekommen?«

»Was soll ich denn sonst glauben? Wenn es das nicht ist, was läuft dann hier gerade ab?«

»Ich . . . habe keine Ahnung«, erwiderte Cornelia kopfschüttelnd. Und das war die reine Wahrheit. Beate stellte ihr bisheriges Leben einfach völlig auf den Kopf. Das Gefühl, sich so zu jemanden hingezogen zu fühlen, war ihr neu. »Ich weiß nur, dass ich eine Heidenangst habe, dich zu verlieren. Und das macht mir erst richtig angst.«

Beate fühlte Cornelias Finger ihre Wange streicheln. Cornelias Gesicht näherte sich langsam ihrem. Beate fehlte der Wille, sich der sanften Berührung der Lippen zu entziehen. Sie waren so warm. Und weich. Verdammt! Wie konnte jemand so zärtlich sein und dennoch nur das Eine wollen?

Beate entzog sich Cornelia erneut. »Das geht so nicht«, wehrte sie ab.

»O doch, genauso geht das.« Cornelia trat lächelnd an Beate heran, küsste sie erneut. »Siehst du?«

»Hör auf, verdammt noch mal!« Beates Stimme zitterte.

Cornelias Lächeln erstarb. »Du glaubst tatsächlich, ich mache dir nur etwas vor?« Ungläubig schaute sie Beate an.

Beate schwieg.

Cornelias durchdringender Blick traf sie.

»Ja, das tust du!« brach es aus Beate heraus.

Cornelia schloss einen kurzen Moment die Augen. Dass Beate ihr eine solche Handlungsweise zutraute, verletzte sie. »Nur um das klarzustellen«, sagte sie. »Ich hasse Unaufrichtigkeit. Ich meine damit, ich erwarte Ehrlichkeit nicht nur von anderen, sondern auch von mir. Und ich dachte eigentlich, du würdest mich so weit kennen.«

»Du wirst es weder schaffen, mich von deiner plötzlichen Wandlung zu überzeugen, noch, mir ein schlechtes Gewissen einzureden«, erwiderte Beate fest. »So naiv bin ich nicht!«

So sicher, wie ein Stein wieder nach unten fiel, wenn man ihn hochwarf, so sicher verwandelte Cornelia sich nicht einfach über Nacht. Cornelia, die Bekehrte? Niemals. Und der klare Beweis dafür: nicht ein Wort hatte sie darüber verloren, was sie für Beate empfand. Aber wie sollte Cornelia auch – sie empfand ja nichts.

Cornelia wurde angesichts von Beates starrsinnigem Verhalten langsam wütend. »Kannst du bitte mal damit aufhören, mich niederzumachen? Ich habe dich lediglich geküsst, nichts weiter.«

Beate schniefte. »Na bitte. Da haben wir es ja! Nichts weiter. Es hat keinerlei Bedeutung für dich.«

»Verdammt, Beate! Du verdrehst mir ja das Wort im Mund. Nun komm doch mal wieder runter.« Cornelia schaute Beate aufgebracht an. Von einem Moment zum nächsten änderte sich das allerdings. Cornelia begann plötzlich völlig unmotiviert zu lachen.

Beate schaute sie verdutzt an. »Was ist so lustig an all dem?«

»Wir streiten uns wie ein verkrachtes Liebespaar. Du machst mir eine Szene, und ich lasse mich auch noch darauf ein!« Cornelia konnte sich gar nicht mehr beruhigen.

Beate schwieg verdattert. Sie war so in Fahrt gewesen, dass sie nicht darauf geachtet hatte, was sie alles sagte. Verlegen senkte sie den Kopf. »Ist mir gar nicht aufgefallen.« Sie wandte sich eilig ab, damit Cornelia nicht sah, wie sie rot wurde. »Ich gehe mal raus in den Garten und schnappe etwas frische Luft. Kann ich wohl brauchen«, murmelte sie und flüchtete hinaus.

Draußen setzte sie sich auf eine der Terrassenstufen, stützte den Kopf in die Hände und legte sie vors Gesicht. »O Gott, wie konnte ich nur«, stöhnte sie vor sich hin. In ihrem Kopf hatte nur ein Gedanke Platz: Ich habe mich total lächerlich gemacht. Cornelia lacht sich wahrscheinlich immer noch scheckig. »Ich bin so blööööd!«

»Also, ich finde dich sehr süß«, hörte Beate Cornelia hinter sich sagen.

Beate schrak zusammen. Sie blickte sich um. Cornelia lehnte an der Hauswand. Beate wandte sich schnell wieder ab. Eine Weile sagte keine von ihnen etwas.

Schließlich setzte sich Cornelia neben Beate. »Wir beide geben schon ein seltsames Paar ab«, sagte sie leise und schaute Beate von der Seite an.

Beate seufzte leise. »Ja.«

»Ja«, wiederholte Cornelia.

Ihre Blicke trafen sich, versanken ineinander. Cornelia konnte nicht anders. Vorsichtig nahm sie Beates Gesicht in beide Hände, küsste Beates Stirn, ihre Nasenspitze, ihre Wange. Langsam näherte Cornelia sich Beates Lippen, berührte sie sanft. Einmal, zweimal.

»Ich . . . kann nicht damit aufhören«, flüsterte sie. Ihre Hände streichelten Beates Rücken. »Ich möchte es nicht.« Erneut trafen ihre Lippen Beates, strichen ihre Wange entlang, wanderten zurück zu ihrem Mund, der sich langsam öffnete.

Als sie sich voneinander lösten, schaute Cornelia Beate tief in die Augen. Und die sagten in diesem Moment alles darüber, wie es in Beate aussah.

»Du bist in mich verliebt!«

Die Erkenntnis traf Cornelia völlig unerwartet, löste ein Gefühl zwischen Freude und Erschrecken in ihr aus. Freude, weil sie jetzt keine Angst mehr haben musste, Beate ihre Gefühle zu gestehen. Erschrecken, weil, wenn sie es tat, Beate damit die Erwartung verknüpfen würde, dass sie beide eine tiefere Beziehung eingingen.

Na und? Warum die Panik, Cornelia? Was würde sich gegenüber jetzt denn ändern? Beate wohnt bei dir, ihr verbringt die meiste Zeit des Tages miteinander, ihr streitet, ihr lacht, ihr küsst euch. Im Prinzip seid ihr zusammen. Abgesehen von der Kleinigkeit, dass ihr nicht miteinander schlaft. Aber ihr wollt es beide. Wo ist das Problem?

Das kann ich dir sagen! meldete sich ihr anderes Ich energisch. Das Problem ist, dass Beate in der neuen Situation natürlich Erwartungen in dich setzen wird. Erwartungen, die dich dein Leben nicht mehr selbst bestimmen lassen. Jedenfalls nicht so, wie du es gewohnt bist. Du müsstest Zugeständnisse machen. Dagegen hast du dich immer gewehrt. Aus gutem Grund. Das Leben ist zu kurz, um es mit unbefriedigenden Kompromissen zu vergeuden.

Aber, widersprach Cornelia dem unsichtbaren Gegner in sich, was, wenn das Zugeständnis leichtfällt, weil es für die richtige Frau eingegangen wird? Und deshalb überhaupt nicht unbefriedigend ist?

Die richtige Frau? Gibt es die? Doch wohl bestenfalls vorübergehend.

Cornelia seufzte. Beate lag gar nicht so falsch, wenn sie zweifelte, ob sie sich ändern könnte. Sie zweifelte ja selbst. »Verdammt!« entfuhr es Cornelia deshalb.

»Keine Sorge.« Beate, die natürlich annahm, Cornelias Fluch bezog sich auf deren Feststellung, dass sie in Cornelia verliebt sei, verbarg ihre Enttäuschung so gut es ging, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht zitterte. »Ich suche mir schnellstmöglich eine neue Wohnung.« Sie senkte den Blick, damit Cornelia die aufsteigenden Tränen nicht sehen konnte.

»Nein!« widersprach Cornelia heftig. Leise bat sie: »Bitte. Ich möchte, dass du bleibst.«

Beate hörte es erfreut, verstand aber nicht, wieso Cornelia nicht wollte, dass sie ging. »Warum?« fragte sie deshalb.

»Weil ich . . .« Cornelia stockte. Sie atmete tief ein, machte dicke Backen und stieß die Luft aus. »Wahrscheinlich lachst du mich aus.«

»Nein. Bestimmt nicht.«

»Und wenn ich dir sage, dass . . . ich es mir ohne dich hier nicht mehr vorstellen kann? Ich habe mich so daran gewöhnt, dass du da bist. Und selbst wenn wir gerade nicht zusammen sind, beruhigt mich allein das Wissen, dass du da bist. Ich fürchte . . .« Cornelia brach ab. Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, hätte sie beinah gesagt. Stimmte das? »Ich weiß, dass es unvernünftig ist, dich zu bitten zu bleiben«, sagte sie statt dessen und musste sich eingestehen, dass ihr die Sache über den Kopf zu wachsen begann. »Aber mir liegt wirklich viel daran.«

»Du willst, dass ich bleibe?« vergewisserte Beate sich.

»Ja.«

»Na gut.« Beate nickte. »Ich bleibe. Noch zwei Wochen.«

Cornelia schaute irritiert. »Zwei Wochen?«

»Keinen Tag länger«, fügte Beate bekräftigend hinzu. »Bis dahin solltest du dich entschieden haben.«

»Entschieden?«

Beate seufzte. »Cornelia. Du sagst, du magst meine Nähe. Du sagst, du willst mich nicht verlieren. Du küsst mich. Wie, stellst du dir vor, soll das weitergehen?« Beate machte eine Pause und beobachtete Cornelias Reaktion. Die schaute immer noch verständnislos. »Was glaubst du, wie ich mich fühle? Ich wollte mich nicht in dich verlieben, das kannst du mir glauben. Es ist trotzdem passiert. Ich habe mich eben nicht so gut im Griff wie du. Aber du spielst mit mir.« Cornelia wollte widersprechen, doch Beate unterbrach sie noch im Ansatz. »Ich sage nicht, dass es deine Absicht ist. Ich sage nur, in zwei Wochen gehe ich. Wenn du mich noch einmal aufhalten willst, brauchst du bessere Argumente.«

»Das ist unfair. Du setzt mir die Pistole auf die Brust.«

»Allerdings ist das unfair. Aber ich denke, es ist nicht zuviel, wenn ich klare Verhältnisse verlange.«

Cornelia stand auf. »Du hast wahrscheinlich recht.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Was heißt wahrscheinlich. Du hast recht! So kann es zwischen uns nicht weitergehen.«

Im Haus läutete das Telefon. »Entschuldige«, sagte Cornelia und ging hinein. Bereits nach zwei Minuten kam sie zurück. »Ist für dich. Jana Kamp.«

Beate stand auf und ging an Cornelia vorbei ins Haus. »Hallo«, meldete sie sich.

»Na, gut geschlafen?« fragte Jana am anderen Ende munter.

Beate seufzte. »Geht so.«

Jana entging Beates gedrückte Stimmung nicht. »Was nicht in Ordnung?«

»Doch. Alles bestens. Was gibt es denn?«

»Du hast deinen Pullover auf dem Boot vergessen. Ich habe ihn gerade gefunden. Soll ich ihn dir bringen?«

Beate zögerte kurz. »Ich komme lieber bei dir vorbei. Bist du noch eine Weile im Club?«

»Ja.«

»Gut. Wir sehen uns gleich dort.« Beate legte auf. Es passte ihr gut, dass sie das Gespräch mit Cornelia auf die Art unterbrechen konnte. Es war ohnehin alles gesagt.

Jana erwartete sie im Club. »Hier, dein Pullover«, sagte sie und streckte ihr den Arm mit dem Kleidungsstück hin.

Beate nahm den Pullover und blieb stehen.

»Was ist?« Jana schaute sie an.

»Nichts.« Beate hatte keine Lust zu reden. Sie war noch immer zu verwirrt.

Jana beobachtete sie kurz. »Ich wollte dich zum Essen einladen«, sagte sie, »aber dazu ist es noch zu früh. Wie wär’s, wir holen uns noch ein bisschen Appetit auf dem Wasser? Hast du Lust?«

Beate sah sie an. »Warum nicht?«

»Deine Begeisterung törnt mich an«, sagte Jana scherzend. »Du reißt mich geradezu mit. Ich mache ein Boot klar. Es reicht ja ein kleines.« Sie stand auf. »Komm mit. Gehen wir rüber.«

Als sie von ihrer Bootstour zurückkamen, gingen sie ins Restaurant. Beate hatte die Einladung nicht angenommen, weil sie besonders hungrig war, sondern weil das Essen ihr Gelegenheit bot, die Heimfahrt hinauszuschieben. Im Moment verspürte sie nicht die geringste Lust auf eine Begegnung mit Cornelia. Die Aussicht auf die nächsten zwei Wochen erfüllte Beate nicht mit Freude. Es würden garantiert zwei Wochen voller Anspannung und Missverständnisse werden. Auf beiden Seiten.

Im nachhinein schalt Beate sich, dass sie nicht dabei geblieben war, sich sofort eine Wohnung zu suchen. Es wäre das einzig Vernünftige gewesen. Leider hatte ihr Herz über ihren Verstand gesiegt, und nun musste sie die Frist irgendwie überstehen. Sie glaubte nicht wirklich daran, dass Cornelia in diesen zwei Wochen ihre Meinung ändern und zu einer Beziehung bereit sein würde. Beate seufzte trübsinnig vor sich hin.

»Was hast du?« fragte Jana. Auf dem Boot hatte sie Beate mit solchen Fragen vollkommen in Ruhe gelassen, sie nur ab und zu mit einem Blick gestreift. Aber nun hatte sie den Eindruck, Beate war bereit zu reden.

Beate winkte ab. »Ich bin eine Idiotin. Mache mir selbst das Leben unnötig schwer.«

»Wenn du das weißt, ist ja noch nicht alles zu spät. Willst du darüber sprechen?«

Beate nickte und lehnte sich zurück. »Ich habe Cornelia eine Art Ultimatum gestellt. Ich bleibe noch zwei Wochen. Danach soll sie sich klar äußern. Entweder – oder. Ich wollte diesem Schwebezustand ein Ende bereiten. Aber jetzt ist mir klar, dass sie sich niemals für mich entscheiden wird, und ich beginne meine unbedachte Forderung zu bereuen. Ich kann nichts anderes tun als hoffen, dass ein Wunder geschieht.«

»Von Hoffnung allein hat sich noch nie etwas bewegt. Tu lieber etwas.« Jana war wie immer eine Frau der Tat. Philosophische Überlegungen lagen ihr nicht.

Beate verzog den Mund. »Und was bitte noch? Ich habe doch mit ihr geredet.«

»Hoffen, reden. Alles Blödsinn. Du musst ihr zeigen, was ihr entgeht, wenn sie nein sagt.«

Beate zog fragend ihre Stirn in Falten. »Was meinst du denn damit?«

Jana musterte Beate eingehend. »Eine kleine Typveränderung. Deine Klamotten sind ein wenig zu leger. Du brauchst etwas Enganliegendes. Ein wenig mehr Dekolleté kann auch nicht schaden. Und zum Schluss ein Friseurbesuch. Ein frecher Haarschnitt, und Du siehst so richtig lecker aus.«

Beate riss die Augen auf. »Du spinnst. Wozu soll das gut sein?«

»Fürs Auge.« Jana grinste. »Für die Phantasie.« Energisch fragte sie: »Willst du sie nun oder willst du sie nicht?«

Beates Blick verdüsterte sich eine Nuance. »Und wie soll das Ganze ablaufen? Soll ich mich aufreizend auf ihren Schreibtisch setzen, die Beine übereinanderschlagen und mit den Füßen wippen, während sie mir diktiert? Cornelia lacht sich schief. Oder sie schmeißt mich raus.«

Jana lachte. Sie war bester Laune. »Weder das eine noch das andere«, entgegnete sie. »Darauf gebe ich dir Brief und Siegel. Nicht nur Männer sind einfach gestrickt. Auch die Frauen. Jedenfalls die meisten. Sie wird diese Veränderung sehr wohlwollend registrieren. Es hat noch nie geschadet, sich ein wenig aufzumotzen. Auch in der Liebe gilt: Das Auge isst mit. Du willst, dass sie dich nicht mehr gehen lässt? Dann musst du ihr auch Gründe dafür liefern. Innere Werte sind schön, aber noch besser ist es, man verpackt sie auch ansprechend.«

»Bisher habe ich mich nicht gerade für eine graue Maus gehalten«, wehrte Beate sich verdrießlich.

»So meinte ich das nicht. Ich meinte, eine solche Veränderung zeigt Cornelia, dass du erstens locker mit eurem Verhältnis umgehen kannst, und zweitens, dass sie zugreifen muss, bevor eine andere dich ihr wegschnappt. Letzteres könnten wir ein wenig unterstreichen, indem ich mich öfter mal blicken lasse.«

Beate begann zu begreifen und grinste ein wenig. »Was das betrifft, ist Cornelia bereits sensibilisiert genug. Sie hat mir über unseren Ausflug Löcher in den Bauch gefragt. Damit hat ja alles angefangen.«

Jana grinste zurück. »Na wunderbar. Streuen wir ein wenig Salz in die Wunde.«

»Und du meinst wirklich, das bringt Cornelia dazu, zu ihren Gefühlen zu stehen?« Beate konnte es immer noch nicht glauben.

»Garantieren kann ich es natürlich nicht. Aber der Versuch wird sich in jedem Fall nicht nachteilig auswirken«, bemerkte Jana lässig. »Also, was ist? Stürzen wir uns ins Getümmel? Es ist verkaufsoffener Sonntag.«

Beate gab sich geschlagen. Was soll’s? dachte sie.

So falsch lag Jana nicht mit dem, was sie sagte.

Nicht dass Cornelia so oberflächlich wäre, nur auf Äußeres zu achten, aber sie wusste alles Schöne zu schätzen. Gutes Essen, schicke Klamotten, komfortable Einrichtungen – und selbstverständlich attraktive Frauen.

Kurzum, sie trank lieber Wein statt Wasser.

Beate nickte Jana zu. »Ja, stürzen wir uns ins Getümmel!«