Über Yasha sirrten die Flügel der kleinen Schwalben. Mit eleganten Flugmanövern wechselten sich die Vögel beim Tragen des Korbs ab. Sie schwebten mit Yasha über hohe Berge, smaragdgrüne Seen und glitzernde Salzwüsten. Als die Sonne wie ein riesiger roter Ballon am Horizont versank, tauchte sie die Landschaft in rosiges Licht. Es war ein herrlicher Ausblick. Zufrieden aß Yasha die letzten kalten Teigtaschen, die er und der kleine Lama aus der Klosterküche stibitzt hatten. Dann kuschelte er sich ins weiche Moos. Bevor ihm die Augen zufielen, stellte Yasha sich vor, wie es sein würde, wenn er seinen Eltern zum ersten Mal begegnen würde.
Er schlief tief und fest, als die kleinen Schwalben die Kugel aus zartem Moosgeflecht vorsichtig absetzten und davonflatterten. Am frühen Morgen war der Platz vor der alten Kirche noch menschenleer. Yasha erwachte, als ihn jemand an der Schulter rüttelte. »Hallo, aufwachen! Ist alles in Ordnung mit dir?« Yasha öffnete die Augen und ein kleines Mädchen zog hastig die Hand zurück. Hinter ihr stand eine Gruppe Schulkinder, die Yasha neugierig anstarrten.
In Budapest
verabschiedete Panna den
letzten Patienten. Sie schloss die Tür ab und öffnete die Verbindungstür, die von der Praxis in ihre Wohnung führte. Auf der Kommode lag die Post. Aufgeregt riss Panna einen bunten Umschlag auf. »Hurra, Androsh! Wir haben zwei Kinokarten gewonnen. Ist das nicht großartig? Ganz Ungarn erwartet mit Spannung die Premiere des neuen Vampirfilms und wir dürfen dabei sein. Weißt du, dass die Dvorachs Karten für die gleiche Vorstellung bekommen haben? Clara war vorhin in der Praxis und hat es mir erzählt. Ist das nicht ein merkwürdiger Zufall?« Die bunte Neonreklame des Kinos spiegelte sich in den Pfützen, es war Nacht geworden in Budapest und der Wind ließ den Regen gegen die Scheiben prasseln. »Nu komm, du Drömel, mach zu! Die Dvorachs, Panna und Androsh sind sicher schon da. Nur wir sind nich tidig!«, zischte Anna und schob ihren Mann, den Pferdehändler Georgy, durch die Tür. Georgy schnitt heimlich eine Grimasse. Ihr norddeutsches Temperament ging mal wieder mit Anna durch. Er mochte es gar nicht, wenn seine Frau ihn Drömel nannte. Damit meinte sie nämlich, dass er eine Schlafmütze war, zum Glück hatte es niemand gehört. Das elegante Foyer des Kinos war menschenleer. »Dat is ja dull!«, flüsterte Anna ehrfurchtsvoll und ließ ihren Blick bewundernd über glitzernde Kronleuchter, den roten Teppich und die elegante schwarze Tapete wandern. Plötzlich erklang ein leises Hüsteln.
Ein hagerer,
großer Mann stand hinter
einem Tresen und fixierte sie mit schmalen Augen. »Oh Gott, ein Vampir!«, stöhnte Georgy. Während die Gestalt in den Taschen ihres Anzuges wühlte, flatterte ein schwarzer Schmetterling unter dem Umhang hervor und setzte sich auf eine Wandlampe. Endlich hatte der Vampir gefunden, wonach er suchte und kam zielstrebig auf Anna und Georgy zu. »Ef hut mir löd …«, nuschelte er und drückte dem entsetzten Georgy eine schwarze Schachtel in die Hand. Dann nahm er umständlich die falschen Vampirzähne aus dem Mund. »Uff, nun kann ich wieder richtig sprechen. Es tut mir leid! Sie sind zu spät gekommen, der Film läuft bereits und die Premiere darf nicht gestört werden. Zum Trost nehmen Sie bitte diese kleinen Andenken an das Lichtspielhaus Nabrüz mit nach Hause!«, sagte der Vampir und führte die beiden zum Ausgang. Dort verbeugte er sich höflich und öffnete die Tür. Anna und Georgy machten lange Gesichter. So hatten sie sich den Kinoabend nicht vorgestellt. Liebevoll rückte Georgy Annas kleinen, roten Hut zurecht. »Schade! Du hast dich extra hübsch gemacht. Aber sei nicht traurig, Anna, wir sehen uns den Film nächste Woche an. Ich bringe dich zu Onkel Kyril und fahre anschließend nach Hause. Einer muss sich ja um die Pferde kümmern.«
Unter dem Kichern der Schulkinder kroch Yasha aus der Mooskugel. »Seht ihr, was habe ich euch gesagt! Der ist nicht tot, der hat nur geschlafen, sonst wäre er nicht aufgewacht!«, sagte das kleine Mädchen mit den roten Zöpfen altklug. »Du hast ihn ja auch geschüttelt! Ich stehe auch auf, wenn Mami mich schüttelt. Möchtest du den Rest von meinem Frühstücksbrot haben?«, fragte ein kleiner Junge und hielt Yasha einladend sein angebissenes Brot entgegen. »Danke, gerne!«, antwortete Yasha und verkniff sich ein Grinsen. »Sagt mal, könnt ihr mir sagen, wo ich hier bin?« Natürlich wussten die Kinder das und sie antworteten alle gleichzeitig. Es hörte sich an wie eine aufgeregt schnatternde Gänseherde. Energisch drängelte sich das rothaarige Mädchen nach vorne und stemmte die Hände in die Hüften. »Ruhe! Seid alle sofort still! Ich habe den großen Jungen gefunden und antworte zuerst!«, kommandierte die Kleine. »Also, du bist in Rumänien. Unsere Stadt heißt Sibiu und liegt in Siebenbürgen, am Südrand des Transsilvanischen Hochlands. Und jetzt bist du dran!«, sagte sie und gab dem Jungen, der Yasha das Brot gegeben hatte, einen freundschaftlichen Stoß. Der Kleine bekam ganz rote Ohren und überlegte eine Weile, bevor er antwortete: »Ich mag am liebsten die Tiere. Bei uns im Wald gibt es wilde Bären, Wölfe und Luchse. Die beobachte ich mit meinem Vater …« In der Ferne läutete die Schulglocke. Eilig setzte der Kleine seinen Schulranzen auf und lief den anderen Kindern hinterher.
Yasha
schüttelte
den Kopf. Die Schwalben der kleinen Heiligkeit hatten einen Fehler gemacht. Aber der Talisman würde ihm schon helfen. Yasha hob den steinernen Schmetterling und sagte leise: »Talisman! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche nach Budapest zu gelangen!« Nichts geschah. Irritiert blickte Yasha auf seinen magischen Glücksbringer herab und wiederholte: »Talisman! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche nach Budapest zu gelangen!« Aber es half nichts, der steinerne Schmetterling reagierte nicht. Wütend trat Yasha gegen ein schuldloses Steinchen, das auf dem Bürgersteig lag. »Ich kann, ich kann, ich kann und ich werde mir etwas einfallen lassen! Meine Eltern warten schon viel zu lange auf mich. Wenn du mir nicht helfen willst, dann lass es! Ich komme auch ohne dich nach Budapest!«, grollte Yasha und marschierte los. Er wollte sich gerade an einer Gruppe junger Leute vorbeidrängeln, die an einer Haltestelle zwischen Bergen von Koffern und Rucksäcken auf ihren Bus warteten, als er hörte: »Nun ist meine Stelle in der Stadtbücherei wieder frei. Leider habe ich keinen Nachfolger gefunden! Wo sind sie nur, die strebsamen Studenten, die sich in den Ferien Geld verdienen wollen?« »Das ist es!«, dachte Yasha erfreut. »Wenn es in der Bücherei Arbeit für mich gibt, kann ich mir das Geld für eine Fahrkarte nach Budapest verdienen!«
Die Rollen des Bücherwagens quietschten leise, als Yasha ihn durch die Gänge der großen Stadtbücherei schob, um die gelesenen Werke wieder in die Regale zu sortieren. Plötzlich schoss sein Kollege Emil Knall um die Ecke und strahlte übers ganze Gesicht. »Ah, Yasha, hier bist du!«, lachte er und stellte polternd einen schweren Bücherstapel auf dem Bücherwagen ab. »Bevor du nach Budapest abreist, wollte ich dir gerne etwas von unserem Land zeigen. Meine Großmutter wohnt in einem kleinen Bergdorf, die Bauern leben dort noch so wie vor 100 Jahren. Die Häuser haben keinen Strom und kein fließendes Wasser. Wir können bei Großmutter übernachten, sie freut sich über Besuch. Na, wie ist es, Yasha? Kommst du am nächsten Wochenende mit?« Yasha freute sich über Emils Einladung. Das Geld für die Fahrkarte nach Budapest hatte er fast zusammengespart und bisher hatte er von Rumänien nur die hübsche Stadt Sibiu gesehen. Und dann war es soweit. Bepackt mit schweren Rucksäcken verließen die beiden Jungen die Stadt. Die Häuser wurden kleiner und kleiner und bald erreichten Yasha und Emil den Wald. Die Straße ging nun steil bergauf. Nach einer Weile bog Emil auf einen kleinen Pfad ab. Rechts von ihnen erhob sich eine schroffe Felswand.
Sie waren bereits
eine Weile
gegangen, als Emil plötzlich stehenblieb und auf den Boden deutete: »Da, Bärenspuren! Und dort an dem Baumstamm sieht man Spuren von Krallen.« Ängstlich sah sich Yasha um. »Der Bär wird sich bestimmt nicht blicken lassen. Wir sind viel zu laut gewesen!«, kicherte Emil und ging fröhlich pfeifend weiter. Sie überquerten einen kleinen Bach. Der Weg führte über eine Bergwiese, auf der Schafe grasten. Vier struppige Hütehunde sprangen knurrend und kläffend auf die Jungen zu. Emil schnalzte missbilligend mit der Zunge und sie warteten, bis die Hirten ihre Hunde zurückgerufen hatten. Auf der anderen Seite der Weide, neben der einfachen Holzhütte der Hirtenfamilie, führte der Weg weiter. Durch die offene Tür sah Yasha zwei Frauen, die damit beschäftigt waren, aus der Milch der Schafe Käse herzustellen. Neugierig blieb Yasha stehen.
Als die Frauen die
reglose Gestalt in der Tür
bemerkten, erschraken sie furchtbar. Die Jüngere bekreuzigte sich und brüllte: »Ein Strigoi! Zu Hilfe! Ein Strigoi! Jag ihn weg!« Ein heftiger Schlag traf Yasha am Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, dass die andere Frau einen runden Gegenstand in ihrer Hand wog und erneut auf ihn zielte. Gerade noch rechtzeitig duckte sich Yasha und die dicke Knoblauchknolle flog knapp über ihn hinweg und zerplatzte, ohne Schaden anzurichten, an einem Baumstamm. Ermutigt verließ die Knoblauchschützin den sicheren Platz hinterm Käsekessel. Ihre Augen funkelten drohend, als sie das hölzerne Kruzifix von der Wand riss und auf Yasha losging. »Weiche, du ruhelose Seele! Geh zurück in dein Grab und lass dich nie wieder bei uns blicken!«, keifte sie schrill.
Yasha rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her. Der schmale Weg wand sich steil nach oben. An seinem Ende sah Yasha ein kleines Stück Himmel. Er hatte den Gipfel des Berges erreicht – aber wo war Emil? Nicht auszudenken, wenn er ihn verloren hätte. Um nichts in der Welt wollte Yasha den Weg zurückgehen, vorbei an diesen unheimlichen Leuten. Schnaufend rannte er weiter. Da entdeckte er vor sich den wippenden Rucksack von Emil Knall. »Wo bleibst du denn, Yasha? Schau! Dort liegt das Dorf, in dem meine Großmutter lebt. In zwei Stunden haben wir es geschafft!«, rief Emil fröhlich und deutete auf eine Ansammlung von Häusern auf dem Berghang gegenüber. »Emil, die beiden Frauen … sie haben mich mit Knoblauch beworfen!« Abrupt drehte sich Emil um. Yasha war blass um die Nase und zitterte.
Mitfühlend legte Emil
ihm den Arm auf die
Schulter: »Sie haben dich für einen Strigoi, einen Vampir, gehalten. Es muss mit den Schafen zusammenhängen, die in letzter Zeit von ihrer Weide verschwinden. Es gab auf der Weide keine Spuren von Raubtieren, darum denken sie, dass nur ein Vampir ihre Schafe geholt haben kann. Denk bitte nicht schlecht von ihnen! Normalerweise sind sie sehr freundlich.« Den Rest des Weges legten Emil und Yasha schweigend zurück und jeder hing seinen Gedanken nach.
Emils Großmutter arbeitete im Garten vor dem Haus. Ihre geflickten Hosen steckten in kaputten Gummistiefeln und über dem abgetragenen geblümten Arbeitskittel trug sie eine dicke Strickjacke. Ihr Gesicht strahlte wie ein rotbackiger, runzliger Apfel, als sie ihren Enkel und Yasha begrüßte. Yasha mochte sie auf Anhieb. »Ei, ei, ei, ein Strigoi? Aber man sieht doch, dass dieser hübsche Junge kein Vampir ist!«, rief sie kopfschüttelnd und schob die Jungen ins Haus.
An den Fenstern hingen dicke Knoblauchzöpfe und von der Wand lächelte der Heiland milde von einem Kreuz auf sie herab. Emil zwinkerte Yasha zu und sagte laut: »Überall Knoblauch, geweihtes Wasser und Kreuze. Du bist genauso abergläubisch wie die Hirten, Großmutter! Es gibt keine Vampire und keine Werwölfe. Das sind alles nur Märchen!« Großmutter Knall warf Emil einen strengen Blick zu. Dass ihr Enkel die Existenz der gefährlichen Geisterwesen in Frage stellte, machte ihr Sorgen. Was, wenn Emil unvorsichtig war und weder ein Kreuz noch einen Zopf Knoblauch in seinem Zimmer in Sibiu aufgehängt hatte? Bei diesem Gedanken stöhnte die alte Dame leise.
Yasha blickte
zwischen Emil und
seiner Großmutter hin und her. Gleich würde sie zu einer langen Rede ansetzen. Das erkannte Yasha an ihrem Gesichtsausdruck. Genauso hatte Mutter Gössler auch geschaut, wenn sie sich anschickte, ihm einen ernsten Vortrag zu halten. Während Großmutter Knall noch tief Luft holte, zog Yasha ein kleines Paket aus seinem Rucksack. »Liebe Frau Knall! Vielen Dank, dass ich Sie besuchen darf!«, sagte Yasha und überreichte der alten Dame das Geschenk. Emil warf seinem Freund einen dankbaren Blick zu. »Oh, ist der hübsch, Yasha! So ein feiner, weicher Schal. Ich danke dir!«, freute sich die Großmutter und vergaß darüber die Rede, die sie halten wollte.
Der Tisch in der Wohnküche bog sich unter den Köstlichkeiten, die die alte Dame für die Jungen vorbereitet hatte. Nach dem Essen trieben Emil und Yasha die Hühner und Ziegen in den Stall. Es begann zu dämmern und im Haus wurden die Kerzen angezündet. Viele Stunden saßen die Jungen mit Großmutter Knall am prasselnden Kamin und lauschten mit wohligem Gruseln ihren Geschichten. Aber auch der gemütlichste Abend ist einmal zu Ende und es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Emil nahm eine Petroleumlampe vom Regal und führte Yasha durch das dunkle Haus. Kichernd und tuschelnd kletterten die Jungen die steile Leiter zum Dachgeschoß hoch. Der Holzboden war mit frischem Stroh bedeckt, auf das die Großmutter dicke Schaffelle gelegt hatte. Die Jungen kuschelten sich unter ihre Wolldecken und Emil löschte die Lampe. Durch das dreieckige Fenster im Giebel schien der Mond. »Du, Emil! Es ist schön bei deiner Großmutter. Wenn ich meine Eltern finde, werde ich auch ein richtiges Zuhause haben. Mutter und Vater Gössler könnten doch dann so was Ähnliches wie meine Großeltern sein. Meinst du, das geht?«, wisperte Yasha.
»Klar, warum denn
nicht? Du musst
dich nicht zwischen deinen Eltern und deinen Zieheltern entscheiden. Meine Mutter sagt immer, dass es genug Liebe für alle gibt. Hör mal, da draußen heult ein Wolf!« Eine Weile lauschten die beiden Jungen, dann murmelte Emil: »Immer wenn ich sie heulen höre, denke ich an einen Mann, der hier in der Nähe des Dorfes lebt. Die Leute behaupten, dass er ein Werwolf ist und haben Angst vor ihm. Meine Großmutter stellt ihm jeden Tag Milch und Brot vor seine Hütte. Das ist das beste Mittel, um Werwölfe zu besänftigen, behauptet sie. Stell dir mal unseren Hauptbibliothekar vor, den mürrischen Herrn Radu. Wir sollten ihm Milch und Brot mitbringen. Vielleicht scheucht er uns dann nicht mehr so in der Bücherei herum«, sinnierte Emil und Yasha kicherte.
Auf dem Lande steht man früh auf. Emils Großmutter war unterwegs, um dem Werwolf Milch und Brot zu bringen. Sobald sie zurück war, würden sich Emil und Yasha auf den Rückweg nach Sibiu machen. Die zwei packten gerade ihre Rucksäcke, als es vor dem Haus rumpelte und polterte. Neugierig traten die Jungen ans Fenster und drückten ihre Nasen an der Scheibe platt. Vor dem Gartenzaun hielt ein Pferdefuhrwerk. Auf der Ladefläche stand ein hoher Kasten, der sorgfältig mit einem schwarzen Tuch abgedeckt war. Der Kutscher stieg ab und rüttelte prüfend an seiner Fracht. Am Ende der Straße tauchte Großmutter Knall auf. Neben dem Fuhrwerk blieb sie stehen und gestikulierte eifrig mit dem Kutscher. Vorsichtig zogen die beiden das schwarze Tuch vom Kasten. »Nein, das ist ja furchtbar! Das kann nicht wahr sein!«, hörten Yasha und Emil die Großmutter stöhnen. Wenige Sekunden später betrat die alte Dame mit dem Fremden die Wohnküche.
Der Kutscher war niemand anderes als Georgy, der Pferdehändler aus der Puszta! Überrascht begrüßte Yasha seinen alten Bekannten. Großmutter Knall musterte die beiden und sagte: »Ihr kennt euch? Das ist gut, denn dieser Mann braucht die Hilfe eines wahren Freundes!« Dann nickte die alte Dame Georgy zu. Stockend erzählte der Pferdehändler: »Yasha, du kennst doch meinen weißen Hengst mit der herzförmigen Blesse? Der, mit dem du Panna aus dem Reich des bösen Abdul Khemir befreit hast! Mein wunderbarer Pegasus ist tot! Von den beiden Vampiren ausgesaugt, die du draußen auf dem Wagen sehen kannst! Ach! Ach! Ach!«, seufzte Georgy und begann zu weinen: »Es fing alles so harmlos an, wir hatten Kinokarten geschenkt bekommen. Aber Anna und ich kamen zu spät zur Vorstellung und wurden wieder weggeschickt. Zum Trost gab uns ein Mann eine kleine schwarze Schachtel. Ich steckte sie in die Tasche und dachte nicht mehr daran. Nachdem ich Anna bei Onkel Kyril abgesetzt hatte, fuhr ich nach Hause auf den Hof. Dort öffnete ich die Schachtel und die zwei Fledermäuse, die darin waren, flatterten davon.
Schon am nächsten
Abend sah ich sie
in der Nähe der Pferdekoppel wieder. Sie waren größer geworden! Ja! Fast einen Meter Durchmesser hatten sie. In der Nacht töteten sie die ersten Pferde. Die armen Tiere lagen ausgeblutet auf der Weide. Es war entsetzlich!« Großmutter Knall hatte sich an den Tisch gesetzt und drückte Georgys Hand. »Ich habe Pegasus sofort in den Stall gebracht und die Türen bei Anbruch der Dunkelheit immer verriegelt. Eines Nachts weckte mich lautes Wiehern und Gepolter. Ich raste zum Stall, doch es war zu spät. Mein wunderbarer Hengst verblutete qualvoll.
Plötzlich hörte ich
leises Schnarchen ganz hinten
im Stall. Ich hatte Angst. Mit einer Heugabel bewaffnet schlich ich in die dunkle Ecke. Dort entdeckte ich Pegasus’ Mörder. Die widerlichen Fledermäuse hingen an der Decke. Vom Blut gesättigt schliefen sie tief und fest. Sie erwachten nicht einmal, als ich sie in den Käfig sperrte. Man riet mir, diese Blutsauger nach Transsylvanien, ins Land der Vampire, zu bringen. So kam ich in dieses Dorf und die Leute schickten mich zu Ihnen, Frau Knall. Helfen Sie mir, diese Kreaturen zu vernichten!«, schrie Georgy verzweifelt. Großmutter Knall starrte auf Yashas Talisman. Der steinerne Schmetterling leuchtete hell. Mit den Fingerspitzen berührte ihn die alte Dame. Nach einer Weile nickte sie und ihre weisen Augen funkelten, als sie sagte: »Yasha, ohne dich kann Georgy es nicht schaffen. Du musst mit ihm gehen! Geht sofort, denn es bleibt nicht viel Zeit!« »Was sollen wir tun?«, stotterte Yasha. Emils Großmutter antwortete so leise, dass sich alle vorbeugten, um sie zu verstehen. »Das ist nicht so einfach, mein Junge. Meistens sind Vampire Menschen, die man gekannt hat. Sie kommen nach ihrem Tod zurück und quälen die Lebenden. Gegen diese Art von Strigois gibt es ein wirksames Mittel!« Mit diesen Worten stand sie auf und schlurfte zu einer Truhe. Nur das Knarren des schweren Deckels unterbrach die Stille. Atemlos beobachteten Yasha, Emil und Georgy, wie Großmutter Knall in die Truhe griff. »Schaut her!«, verkündete sie und schüttelte dabei angriffslustig einen angespitzten Holzpflock. Georgy zuckte erschrocken zusammen. Großmutter Knalls Augen funkelten gefährlich: »Wenn man von einem Untoten heimgesucht wird, öffnet man sein Grab und treibt ihm einen solchen Pflock ins Herz! Aber die beiden Kreaturen, dort draußen im Käfig, sind niemals Menschen gewesen. Sie wurden von einer dunklen Kraft erschaffen. Wir müssen zu anderen Mitteln greifen!« Großmutter Knall legte den Pflock zurück in die Truhe und setzte sich wieder an den Tisch. »In der Nacht vor dem St.-Georgs-Tag, bevor die Uhr Mitternacht schlägt, verlieren die Geisterwesen für eine halbe Stunde den Schutz der dunklen Mächte. Bringt die beiden Vampire ins Kloster Snagov und setzt sie an Draculas Grab aus. Dort werden sie sich gegenseitig vernichten! Denn fließt in dieser Nacht das Blut des Bösen, wird sich der Fluch der Vampire lösen. Und nun lasst uns mit den Vorbereitungen beginnen!«
Emsig machte sich
Großmutter Knall im Haus
zu schaffen. Sie füllte Yashas Rucksack randvoll mit Knoblauchknollen. Vor dem Kruzifix, das an der Wand hing, zögerte die alte Dame einen winzigen Augenblick, doch dann nahm sie es ab und reichte es Yasha. Die Haustür knallte hinter Emil ins Schloss, als er außer Atem mit einem gefüllten Krug wiederkam. »Hat der Herr Pfarrer das Wasser gesegnet?«, fragte Großmutter Knall, Emil nickte. Die alte Dame streute Asche aus der Feuerstelle in den Wasserkrug. Während sie die Mixtur umrührte, murmelte sie leise vor sich hin. Dann füllte sie ein Glas und reichte es Georgy. »Trink, Pferdehändler! Es ist gegen den bösen Blick, mit dem dich die Vampire gelähmt haben.« Angeekelt betrachtete Yasha die trübe, graue Flüssigkeit, in der winzige schwarze Kohlebröckchen schwammen. Leise blubbernd saugten sie sich mit Wasser voll.
Pünktlich am Abend
vor dem
St.-Georgs-Tag erreichten Yasha und Georgy mit ihren unheimlichen Gefangenen das Ufer des Snagov-Sees. An einer einsamen Bucht zügelte Georgy die Pferde. Vor ihnen, auf einer bewaldeten Insel mitten im See, lag Kloster Snagov. Mit einem Fluch sprang der Pferdehändler vom Wagen. Yasha verstand gerade noch das Wort Boot, das Georgy ihm über die Schulter zurief, da war er auch schon zwischen den Sträuchern verschwunden. Yasha war mit den Vampiren allein. Misstrauisch drehte er sich zum Käfig um. Kopfüber hingen die beiden da, ihre vogelartigen Klauen um die Gitterstäbe geklammert. Im hellen Sonnenlicht glänzte jede einzelne Kralle wie eine silberne Nadel. Das einzig Hübsche waren ihre weichen Flügel, in die sich die Vampire zum Schlafen einhüllten. Die Flügel sahen aus wie große Umhänge aus feinem, mausgrauem Fell, das sich fast unmerklich im Rhythmus der leisen Schnarchgeräusche bewegte. Yasha war froh, dass er die kleinen, hässlichen Gesichter der Vampire nicht sehen konnte. Wo blieb nur Georgy mit dem Boot? Nervös ging Yasha auf und ab.
Als es zu dämmern begann, erwachte der erste Vampir. Eine schmutzige Hand tastete sich hervor und schob die Flügel zur Seite. Modriger Geruch stieg Yasha in die Nase und seine Nackenhaare sträubten sich, als der winzig kleine Kopf hervorschoss und sich mit ruckartigen Bewegungen umschaute. Der graugrüne Kopf wirkte eigentlich viel zu klein für ein Wesen dieser Größe. Die roten Äuglein blieben auf Yasha hängen. Unwillkürlich schnellte die Zunge zwischen den spitzen weißen Zähnen hervor. Der Käfig wackelte bedrohlich, als der Vampir sich fallen ließ und mit einer eleganten Drehung auf den Füßen landete. Der zweite Vampir zog seine Flügel fest um sich herum und zischte ärgerlich. In diesem Moment erschien Georgy. Er hatte es tatsächlich geschafft, ein Boot zu organisieren. Der Pferdehändler hatte ein Ruder mitgebracht. Sie kletterten auf die Ladefläche und steckten es durch die Gitterstäbe. Die Vampire kreischten und bissen wütend in das Ruder, aber das half ihnen nicht. »Vorsicht! Pass auf, dass sie dich nicht beißen! Und jetzt zugleich!«, zischte Georgy Yasha zu. Jeder nahm eine Seite des Ruders. Mit einem Ruck wuchteten sie den Käfig vom Wagen. Dann brachten sie ihre unheimliche Fracht zum Boot.
Eine halbe
Stunde vor
Mitternacht erreichten sie Kloster Snagov und schleppten den Käfig in die Kapelle. Schwaches Mondlicht fiel durch die schwere Eichentür. Georgys Taschenlampe warf geisterhafte Schatten an die prachtvoll vergoldeten Wände. Der Lichtkegel blieb auf dem Boden vor dem Altar an einer schmucklosen Platte hängen. Sie war mit einem schmalen Marmorrand eingefasst und trug keine Inschrift. »Das Grab von Fürst Vlad Draculea habe ich mir ganz anders vorgestellt!«, wisperte Georgy leise. »Ja, ich auch! Aber das muss es sein! Der grausame Fürst lebte vor 400 Jahren. Schau, wie alt die Grabplatte aussieht! Stell den Käfig ab!«, antwortete Yasha atemlos. »Öffnen!«, schrie Georgy. Seine Stimme hallte von den Wänden zurück. »Öffnen! Öffnen! Öffnen!« Der Strahl seiner Taschenlampe beleuchtete das Schloss des Käfigs.
Fast wäre Yasha der Schlüssel aus den Händen geglitten. Die Vampire drängten sich ihm entgegen und versuchten, ihre Hände durch die Gitter zu schieben. Plötzlich fühlte Yasha einen brennenden Schmerz, Blut sickerte aus einem Kratzer, der sich quer über seinen Handrücken zog. Georgy griff nach dem Ruder, holte aus und schlug damit auf den Käfig. Erschrocken schauten die Vampire nach oben. Blitzschnell drehte Yasha den Schlüssel um und sprang zur Seite. Dabei stieß er mit Georgy zusammen, die Taschenlampe fiel zu Boden und erlosch. Die Käfigtür wurde aufgestoßen.
Im Mondlicht sahen sie,
dass sich die Vampire mit kräftigen Flügelschlägen unter die Decke der Kapelle flüchteten. Ein dumpfer Knall ließ Yasha und Georgy erstarren. »Mein Gott! Die Tür ist zugefallen! Komm, Yasha! Hier bin ich! Nimm meine Hand! Wir müssen zusammenbleiben! Schnell! Wenn die Glocke Mitternacht schlägt, haben die Bestien wieder ihre volle Macht. Und sie finden uns auch im Dunkeln, denn sie haben dich verletzt und riechen dein Blut!«, schrie Georgy durch die Dunkelheit und rüttelte mit aller Kraft an der Tür. Etwas Weiches streifte Yashas Gesicht. Für einen Augenblick nahm er den modrigen Geruch des Vampirs war. Panik stieg in ihm hoch. »Talisman«, flehte er, »so hilf uns doch!« Vielleicht hatte der Talisman so viel Angst, dass er wie Georgy erstarrt war. Auf jeden Fall reagierte er nicht. Im Dunkeln tastete Yasha im Rucksack herum. Einige Knoblauchknollen rollten über den Boden, als er das Kruzifix von Großmutter Knall herauszog und es dem Pferdehändler in die Hand drückte. Die ausgehungerten Vampire schwirrten nun dicht um sie herum. Yasha spürte den Lufthauch ihrer Flügel, als er die Knoblauchknollen mit aller Wucht um sich warf. Dummerweise verhielt es sich mit dem Knoblauch so wie mit dem Sonnenlicht. Das hatte den beiden Vampiren nämlich gar nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Sie wurden immer dreister und griffen ihre Opfer nun im Sturzflug an. Verzweifelt riss Yasha einen Kirchenstuhl an sich und wirbelte ihn durch die Dunkelheit. Getroffen kreischten die Vampire, aber leider auch Georgy, den Yasha aus Versehen erwischte. Stöhnend fiel der Pferdehändler zu Boden. In diesem Moment begann der steinerne Schmetterling so stark zu glühen, dass er Yasha fast verbrannte. »Jetzt! Bitte, Talisman! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche weit weg von hier zu sein! Bring uns nach Ungarn zurück!«, brüllte Yasha und klammerte sich an Georgy fest. Die Reaktion war grandios. Mit gewaltigem Dröhnen sprang die Tür der Kapelle auf. Mit Georgy im Arm wurde Yasha in die Nacht gewirbelt. Ihm wurde so schwindelig, dass die glitzernden Sterne vor seinen Augen verschwammen.
Die Sonne schien über der Puszta und die Pferde weideten friedlich auf der Koppel. Nicht einmal an der Arbeit des neuen Stallburschen hatte Anna etwas auszusetzen. Aber ihre Stimmung war düster. »Hast ein riesiges Loch in der Birne. Wer hat dir bloß so aufn Dötz gehauen, dass du nich wach wirst? Kohle gäbe ich drum, es zu erfahren«, brummte sie und betrachtete Georgy, dessen Gesicht fast so weiß wie der riesige Verband war, den der Arzt um seinen Kopf gewickelt hatte. Anna seufzte tief und dachte an den verpatzten Kinoabend in Budapest und den Abschied vor Onkel Kyrils Haus. Das war lange her. Nun lag Georgy hier und sagte keinen Piep. Aber er war nicht Annas einziger Patient. Nebenan im Zimmer lag ein fremder Junge mit hohem Fieber. Sie musste nach ihm sehen. Und dann gab es auch noch Amy, die bald fohlen würde. Nein! Es war wirklich nicht so, dass sich Anna über mangelnde Arbeit beschweren konnte. Die Bettfedern schnellten erleichtert nach oben, als Anna sich schnaufend erhob.
Als Yasha
wieder zu sich
kam, stand eine stattliche Frau vor seinem Bett und hielt ihm ein Glas Milch entgegen. »Hier! Trink! Das ist gut für dich, Stutenmilch!« Folgsam griff Yasha nach dem Glas. »Ich bin Anna, die Frau von Georgy. Und wer bist du?«, begann Anna das Gespräch. »Yasha! Ein guter alter Freund von Georgy.« Anna schlug sich auf die Schenkel und lachte, bis ihr die Tränen über die rosigen Wangen rollten: »Yasha? Hm. Ein alter Freund kannste nich sein. Du siehst aus, als wären dir gerade erst die Milchzähne ausgefallen.« Empört richtet sich Yasha auf, aber gegen Anna hatte er nicht den Hauch einer Chance. Mit der Entschlossenheit eines Feldwebels drückte die stattliche Frau ihn in die Kissen zurück und grollte: »Nee, nee, du lütter Schitbüdel bleibst im Bett, bis dat Fieber wech is!« »Aber ich habe kein Fieber mehr!«, murmelte Yasha leise. Bedrohlich neigte sich Anna vor, bis ihre Nase fast die von Yasha berührte und fauchte: »Der Pastor predigt nich zweimal! Fieber hast du, so is dat. Sabbelst ne ganze Woche Dummtüüch von Vampiren und verzauberten Eltern und schlägst wild um dich. Nee, dat will ich nich noch mal haben! Wenn du aufstehst, gifft dat mächtig Mecker! Und jetzt is Ruhe in der Bude!« Energisch wand sich Anna ab und öffnete das Fenster. Als sie sich wieder umdrehte, war Yasha schon wieder eingeschlafen. Ganz leise verließ Anna das Zimmer.
In der Nacht
schrak
Yasha auf. Lautes Wiehern und ein Schrei von Anna drangen über den Hof in sein Zimmer: »Es ist ein Wunder geschehen! Ein Wunder! Brav so, Amy, brav!« Yasha sprang aus dem Bett und raste aus dem Haus. Im Stall brannte Licht. Die Tür quietschte leise, als er sie öffnete. Der Anblick war herzergreifend. Anna tätschelte die Stute. Amy, die stolze Mutter, leckte ihr Fohlen sorgfältig ab. Das Kleine war ganz weiß. Als Yasha näher kam, sah er auf der Stirn des Fohlens eine schwarze, herzförmige Blesse. »Es sieht genauso aus wie Georgys Lieblingshengst Pegasus! Das ist mehr als ein Wunder. Das ist der Sieg über das Böse!«, flüsterte Yasha bewegt. Unendlich zart und gebrechlich stand das kleine Wesen auf seinen zitternden Beinen vor ihnen. »Du hast Recht, Yasha! Pegasus soll der Lütte heißen. Und nun trink lieb von deiner Mami, Pegasus!«, seufzte Anna mit gebrochener Stimme. »Yasha, leg dich wieder hin, mach ’ne Fliege!«, raunzte Anna und schubste Yasha aus dem Stall. Die ruppige Anna wollte nicht, dass jemand sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Dass unter ihrer rauen Schale ein butterweiches Herz steckte, hatte Yasha längst bemerkt. Also trollte er sich ins Haus.
Leise betrat
der Junge
Georgys Zimmer und erschrak. Der Kopf des Pferdehändlers war mit weißen Bandagen umwickelt, reglos und bleich lag er im Bett. Vorsichtig griff Yasha nach Georgys Hand und flüsterte: »Georgy! Georgy, hörst du mich? Ein kleiner Pegasus ist geboren! Das Gute hat über das Böse gesiegt!« Yasha spürte, dass Georgy fast unmerklich seine Hand drückte.
Als Georgy zum ersten Mal aufstehen konnte, begleitete ihn Yasha zur Pferdekoppel. Eine Weile lehnten sie schweigend am Zaun und bewunderten den kleinen Pegasus, der mit munteren Sprüngen über die Koppel sauste. Plötzlich sagte Georgy: »Yasha! Es gibt etwas, was du unbedingt wissen musst. Es hat mit dem Kino zu tun. Du erinnerst dich doch daran, dass ich mit Anna nicht in die Vorstellung gelassen wurde. Weißt du, mit wem wir uns im Kino treffen wollten? Mit deinen Eltern und mit Panna und Androsh. Yasha, da stimmt etwas nicht! Wir hatten die Karten mit der Post bekommen, aber keiner von uns hat sie gekauft oder an einem Gewinnspiel teilgenommen. Und jetzt halt dich fest! Panna und Androsh sind seit der Kinopremiere spurlos verschwunden. Das weiß ich von Anna. Onkel Kyril war krank geworden und sie fuhr mit ihm zu Panna, aber die Praxis war geschlossen.« »Und meine Eltern?«, fragte Yasha tonlos. Georgy schaute ihn traurig an: »Nur Panna und Androsh wissen, wo sich deine Eltern aufhalten. Sie haben Ärger mit irgendeinem finsteren Kerl und halten sich in Budapest versteckt. Genaueres kann ich dir leider nicht sagen. Aber Anna hatte eine gute Idee: Ihr Onkel Kyril wohnt ganz in der Nähe von Budapest. Du kannst bei ihm wohnen, bis du Genaueres weißt.« Da unterbrach Anna sie und rief: »Georgy! Der Bengel soll sich endlich auf die Socken machen … ja, er soll ‘n Schuh machen!« »Ihre Sprache! Mein Gott! Yasha, nimm es ihr nicht übel! Sie meint es nur gut!«, stöhnte Georgy. »Ab die Post!«, drängte Anna und gab Yasha zum Abschied einen feuchten Kuss auf die Wange. »Halt die Ohren steif, min Jung, denn ich hab dich lieb!« Und so machte Yasha einen Schuh!