19 Bitte rottet die Pandas aus!

Vielfach wird gemeint, die Chinesen hätten an Tieren nur ein kulinarisches Interesse. Dass dies so nicht ganz stimmt, beweist die große Zahl von Zoos in China, in denen eine ganze Reihe vollkommen unverzehrter Tiere leben. Der Pekinger Zoo ist besonders schön und hat eine lange, wechselvolle Geschichte. Noch in der Kaiserzeit gebaut, lebten bei der Gründung der Volksrepublik China nur noch zwölf Affen, zwei Papageien und ein blindes Emu in den Gehegen. Die restlichen Tiere hatten die japanischen Besatzer vergiftet. Heute gibt es dort wieder rund siebentausend Tiere, darunter die weltweit größte Zoopopulation an großen Pandabären.

 

Ich kann Pandas nicht sonderlich leiden. Die Chinesen aber sind ganz vernarrt in diese Tiere. Sie malen sie deshalb auch überallhin: auf Busse, Bettwäsche, Schulhefte, T-Shirts und Müllcontainer. Die Kaufhäuser quellen über von Pandastofftieren, es gibt Kioske und Papierkörbe in Pandaform. Wer will, kann auch Pandagoldmünzen kaufen oder – im Pandazuchtzentrum in Sichuans Hauptstadt Chengdu – Pandapapier. Das wird aus Pandaexkrementen gewonnen. Kein Scheiß.

Die hiesigen Zeitungen werden noch nicht darauf gedruckt. Dafür sind sie voll mit Pandameldungen, und seien sie noch so alt. So konnte man in China Daily am 16. Januar 2007 ganz groß lesen, die Pandabärin Qing Qing habe im Zoo von Fuzhou ein Junges bekommen: vor fünfzehn Jahren. Der neueste Trend sind allerdings Online-Panda-Benamsungswettbewerbe. Als man 2006 Taiwan zwei Pandas schenken wollte, beteiligten sich auch meine patente Dolmetscherin und ich an einem solchen Preisausschreiben: Wir schlugen die Namen Ping Ping und Peng Peng vor, denn Pandas kriegen fast immer Doppelnamen, weil das so niedlich ist. Außerdem bedeutet Ping Frieden und Peng Freund. Unsere subtilen Vorschläge gewannen leider nicht. Stattdessen wählte man Tuan Tuan und Yuan Yuan aus, weil das «Wiedervereinigung nach langer Trennung» bedeutet. Die taiwanesische Regierung hat sich dann auch prompt geweigert, das Geschenk anzunehmen.

Nachdem im Januar 2008 allerdings die Pro-Unabhängigkeitsregierung in Taipeh abgewählt worden war, wollte die neue Regierung unter Präsident Ma Ying-Seou die Pandas dann plötzlich doch. Sie bauten Tuan Tuan und Yuan Yuan im Zoo der Hauptstadt ein schickes, dreistöckiges Haus für umgerechnet zehn Millionen US-Dollar. Kurz vor Weihnachten desselben Jahres wurden dann die Pandas mit einem Jumbo-Jet von Chengdu nach Taipeh geflogen, wo sie pünktlich zum Beginn des chinesischen neuen Jahres von Zehntausenden Taiwanesen gefeiert und bestaunt wurden. Die Unabhängigkeitsbefürworter von der Demokratischen Partei (DPP) jedoch, die die Annahme der Pandas als Regierungspartei verweigert hatten, ärgerten sich maßlos über die große Pandasause. Einige DPP-Abgeordnete riefen die Taiwanesen zum Zooboykott auf und schlugen vor, Taiwan sollte Festlandchina im Gegenzug zwei einheimische Affen mit den Namen Tai Tai und Du Du schenken. Spricht man diese Namen zusammen aus, heißt das «Taiwanesische Unabhängigkeit». Wenn nicht jemand noch ganz schnell auf etwas Dümmeres kommt, geht diese Idee sehr sicher als die billigste Retourkutsche in die Geschichte des modernen Chinas ein.

 

Mian Mian und Lang Lang sind übrigens trotz Doppelnamen keine Pandas. Mian ist eine lausige Schriftstellerin, die unter anderem ein Buch geschrieben hat, das «Panda Sex» heißt, Lang ein pummeliger Pianist, der hauptsächlich in Fernsehshows und bei Olympischen Spielen auftritt. Beide sind sehr emsig. Der Panda dagegen ist ein entsetzlich faules Tier. Er verbringt sechzehn Stunden am Tag mit Bambusfressen. Weil er den Bambus nicht anständig verdauen kann, braucht er täglich bis zu dreißig Pfund davon. Wenn er gerade mal nicht frisst, schläft er. Vor lauter Faulheit mag sich das mollige Vieh nicht einmal fortpflanzen. Das Weibchen hat nur einen einzigen Eisprung pro Jahr und ist dann nur wenige Tage fruchtbar. Also muss der Mensch nachhelfen. In den mehr als dreißig Pandareservaten Chinas bemüht man sich um das Sexleben der Pandas. Hier wird künstlich befruchtet, was die Phiole hergibt, wozu das Pandasperma bisweilen um die halbe Welt verschickt wird. Oder man versucht die Pandas mit Tricks zur Paarung zu bewegen. Seit neuestem werden jungen Tieren sogar Filme gezeigt, die für Menschen hierzulande strikt verboten sind: Pornos. Sie zeigen etwas geilere Pandas bei der Paarung, von vorne, von hinten und mit allen erdenklichen Brunstlauten. «Es wirkt», sagt dazu stolz der Direktor der Research Base of Giant Panda Breeding in Chengdu, Zhang Zhihe, statt sich was zu schämen.

Natürlich kosten die ganzen Zuchtprogramme Unsummen. Um das Geld wieder einzuspielen, sind die Chinesen dazu übergegangen, Pandas an ausländische Zoos zu verleihen – gegen hohe Gebühren. Wie die New York Times berichtet, bekam der Zoo von Atlanta seine beiden Leihpandas für zehn Jahre gegen eine Gebühr von zwei Millionen Dollar, zahlbar an die chinesische Regierung. Die Amerikaner haben auch noch vier Pfleger für die faulen Säcke abgestellt, die pro Tag vierundachtzig Pfund Qualitätsbambus wegfressen.

Weil sie so teuer sind, spielt man in Atlanta bereits mit dem Gedanken, die Pandas wieder abzuschaffen. «Diese Bären», sagt Zoodirektor Dennis W. Kelly, «gehören zu den verwöhntesten Tieren auf diesem Planeten.»

Könnten sich die Chinesen doch nur zu demselben Schritt entschließen. Um wie viel nützlicher ließe sich das viele Geld verwenden, das man den Schmarotzern in ihren stets aufgesperrten Rachen wirft. Sowieso passen Pandas nicht in die moderne Welt. Sie faulenzten schon vor fünf Millionen Jahren herum, als Zeitgenossen der Mammuts. Die Mammuts sind längst weg. Wann verschwindet der Panda? Man müsste das nutzlose Tier nur sich selbst überlassen. Doch weil die Chinesen es so putzig finden, haben sie mit ihren Schutz- und Zuchtmaßnahmen den Pandabestand sogar von einst tausend auf heute dreitausend Exemplare gesteigert. Dabei ist dieses Putzigfinden hochgefährlich. Im Pekinger Zoo biss Panda Gu Gu einen betrunkenen Besucher, der in emotionalem Überschwang ins Gehege kletterte, um dem putzigen Kerl «die Hand zu schütteln». Ein Jahr später griff derselbe Panda einen fünfzehnjährigen Jungen an, der aus Neugierde ins Gehege gesprungen war. Und Anfang 2009 machte das bösartige Vieh schon wieder Schlagzeilen, als er einem Mann beide Hände zerbiss, der den Plüschpanda seines Sohnes aus dem Pandakäfig retten wollte. Etwa einen Monat vorher hatte im Hongkonger Ocean Park Panda An An seine Pflegerin angegriffen. Panda-Experte Zhang Hemin erklärte diesen Ausfall damit, dass ältere Pandas öfter an zu hohem Blutdruck litten. Es gibt wohl für diese brutalen Gesellen immer eine Entschuldigung, und das nur, weil sie Pandas sind und dunkle Ringe um die Augen haben.

 

Statt aber mal die Existenzberechtigung der Pandas zu hinterfragen, wird in China überlegt, ein Tier auszumerzen, das es gar nicht gibt. Der Drache ist seit nunmehr siebentausend Jahren das Nationaltier Chinas, doch Professor Wu Youfu von der Universität für internationale Studien in Shanghai glaubt, das Fabelwesen könne im Westen missverstanden werden, da es dort Machtstreben und Aggressivität symbolisiere. Deshalb leitet er bereits eine Arbeitsgruppe, die ein neues, «positives» Nationaltier finden soll. Sie wird dazu nicht lange brauchen. Nein, auch wenn ich selbst schwer dafür bin: Das blinde Emu wird es leider nicht.

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs
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