PATRICIA SHAW MATHEWS

 

Höllenfeuer über den Hellers

 

Auch Pat gehörte zu den Autorinnen, die Darkover von Anfang an begleitet haben und deren Art, über den Planeten und seine Bewohner zu schreiben, meiner eigenen sehr nahekommt. Sie lebt nach wie vor in Albuquerque, ist geschieden und hat zwei erwachsene Töchter, die inzwischen ausgezogen sind, und ihr jede Menge Katzen vererbt haben. Meine Kinder haben ihre Katzen alle mitgenommen: Patches folgte Beth, Kristoph nahm Mozart mit, und mir blieb nur eine Stoffkatze namens Victoria Regina, die niemals Möbel zerkratzt oder den Teppich zerstört. Manchmal frage ich mich, ob die Nachteile nicht die Vorteile dieser Katzenlosigkeit überwiegen – oder sind es doch die Vorteile, die den Nachteilen vorzuziehen sind?

Pat schreibt, daß sie »zu der Gestalt von Bruder Auster durch das Leben von Reverend James Patterson Shaw (19.111.966) aus Westpennsylvania angeregt wurde, der die Schrecken des Zweiten Weltkriegs als freiwilliger Rot-Kreuz-Helfer erlebte. Obwohl er sich stets weigerte, eine Waffe zu tragen, weil dies seinen Prinzipien widersprach, wurde er mit der Tapferkeitsmedaille ›Silver Star‹ ausgezeichnet. Wie viele andere seiner Generation mäßigte er seine Ansichten später, trat jedoch immer unbeirrt für die soziale Gerechtigkeit ein. Vielleicht predigt er sein Evangelium wie der Bischof des englischen Erzählers C. S. Lewis in der Hölle, wo es viel nötiger ist als im Himmel. Möge er in Frieden ruhen.«

Wozu ich nur aus ganzem Herzen eins sagen kann: Amen!

 

 

 

Das grelle Sonnenlicht, das das Ende des Winters und den Frühling ankündigte, brach durch das Gitterwerk der Steinwand über dem gepflasterten Weg und schmerzte die altersschwachen Augen des Abtes. Der böige Wind drehte und pfiff durch die abgetragene, braune Kutte des alten Mönchs, der am Ende der langen Reihe langsam den Weg entlangschritt. Vor ihm schlurften, angeführt von dem jüngsten Novizen, seine Mitbrüder in Zweierreihen über die verschneiten Pflastersteine und versuchten, sich die Kälte nicht anmerken zu lassen.

Ein besonders großer und schlacksiger Novize schritt einher, als ob weder Kälte noch Hitze ihm irgend etwas anhaben könnten. Es war Bruder Auster, der heute mit der Tageslesung an der Reihe war.

»Wir müssen endlich etwas wegen Bruder Auster unternehmen«, hörte der Abt den Novizenmeister Randolph schimpfen, als sie gerade die kleine, eiskalte Kapelle betreten wollten. Er, der sonst so gütig sprach, mußte an sich halten, um nicht lautstark zu poltern. »Wir können ihn nicht länger hier behalten.«

Der Novizenmeister verlangsamte seinen Schritt, so weit es ihm möglich war. Seine Halbglatze war von Kälte weiß und seine buschigen grauen Augenbrauen zogen sich zornig zusammen. »Er stiftet nur Unruhe!« Dann trieben ihn einige herumwirbelnde Schneeflocken, die auf seinen geröteten Wangen landeten, ins Innere der Kapelle.

Die Reihen der rauhen Kirchenbänke füllten sich allmählich, während die rote Sonne hinter einer vorbeiziehenden Wolke hervorschaute, um den Eingang der Kapelle kurz zu erwärmen. »Ich weiß das ebensogut wie Ihr«, pflichtete der Abt ihm bei. »Aber was haben wir schon gegen ihn vorzubringen? Seine Führung ist so untadelig wie die des jungen Varzil da drüben.« Und mit einer Kopfbewegung wies er auf den jungen, rothaarigen Postulanten, der die Prozession angeführt hatte.

Der Novizenmeister nahm seinen Platz ein, als der Türsteher die schwere Holzpforte hinter ihnen schloß. Die altehrwürdige Liturgie des Abendgebets erklang. Die hellen Sopranstimmen der jüngsten Postulanten mischten sich in den Alt der Novizen und verbanden sich mit den tiefen Männerstimmen zu einem Gesang, der dem alten Mönch ein paar Tränen entlockte. Ein Augenblick des Friedens, bevor dieser Friede zerstört würde.

 

»… und wehe denen«, deklamierte Bruder Auster mit einer rudernden Handbewegung, die für einen Mönch dann doch etwas zu theatralisch ausfiel, »die Teil haben an diesem verabscheuungswürdigen Zuchtprogramm!« Er hatte die riesigen, schwieligen Hände eines Bergbewohners. »Wehe denen, die unschuldige Mädchen und Knaben ihren Eltern entreißen, damit sie bei ihren Herren liegen oder Unzucht treiben mit denen, die ihre Herren auswählen. Sie werden auf ewig in der Hölle schmoren!«

»Meint er seine Verlobte?« flüsterte einer der Postulanten seinem Nachbarn zu. Der Novizenmeister blickte den jungen Varzil tadelnd an, unternahm aber weiter nichts.

»Nein, seine kleine Schwester«, gab ein knorriger Bergjunge zurück. »Sie nahm sich das Leben, als sie dazu gezwungen wurde. Sie war noch keine zwölf Jahre alt.«

»Der Himmel steh’ uns bei!« In den edlen Gesichtszügen des jungen Ridenow-Adligen mischte sich ein tiefes Schuldgefühl über die Untaten seiner Vorfahren mit neuer Hoffnung, als er zu dem Prediger aufblickte.

»Wehe denen, die ihre Kinder dazu zwingen, bei ihren Geschwistern zu liegen um des Zuchtprogramms willen!« Bei diesem Wort verzog Bruder Auster den Mund voller Verachtung. »Ihre Söhne und Töchter werden ihnen nie vergeben, und auch Gott in der Höhe wird es nicht. Wehe denen, die mit Tieren wie mit Menschen verkehren, so daß kein aufrichtiger Mann mehr sagen kann, er unterscheide sich vom vernunftlosen Vieh. Vor Gott und den Menschen ist solches Handeln schändlich! Das Höllenfeuer komme über jene, – und ihr wißt, geliebte Mitbrüder, wen ich meine – die solches tun oder dazu anstiften, und die Seelen der unschuldigen Opfer werden diesen Hali’imyn ihre Taten nicht verzeihen!«

Bruder Auster beendete seine Predigt. Viele der jungen Postulanten und Novizen schauten zu ihm auf; einige hatte ein heiliger Zorn ergriffen, aber die meisten hungerten nur nach der Wahrheit, die die Ältesten nicht auszusprechen wagten.

Jetzt erhoben sich die Stimmen zu einer harmonischen Lobeshymne auf die Schönheit der Schöpfung und der Liebe. Bruder Auster blickte mit seinen klaren, blauen Augen himmelwärts und schien die Botschaft des Liedes nicht zu vernehmen.

»Ihr habt recht, wir müssen wegen Bruder Auster etwas unternehmen«, meinte der Abt, als die Mönche nacheinander die Kapelle verließen.

 

Eine stinkende Talgkerze flackerte im Wind, der durch die undichten Fensterläden in die Klause des Abtes drang. Der Novizenmeister Randolph wischte ein paar Schneeflocken von seinem Stuhl und setzte sich. Auf seinem Schoß hielt er ein schweres, in schwarzes Leder gebundenes Buch. Draußen fegte der Wind durch die kahlen Äste. »Er hat sich keinerlei schwerwiegenden Bruch der Regeln zuschulden kommen lassen«, erklärte er fast schon empört. »Nichts außer ein paar geringfügigen Verstößen wie zu lautes Sprechen oder gelegentlich eine hartherzige Äußerung. Und auch das meist unbeabsichtigt.«

Der Abt faltete seine Hände. »Wer von uns wäre frei von dieser Schuld?« fragte er gütig. »Und nimmt er seine Buße mannhaft auf sich?«

Der Novizenmeister rutschte auf dem wackeligen Stuhl unruhig hin und her. Aus der Ferne war der Schrei eines Banshees zu hören. »Nicht nur das. Er beichtet immer sofort und legt sich selbst die härteste Strafe auf.«

»Das verrät einen gefährlichen Übereifer«, bemerkte der alte Mönch und strich sich dabei mit der blau geäderten Hand durch das dünner werdende, weiße Haar.

»Der Junge ist ein Fanatiker«, schnaubte Randolph barsch.

»Er hat aber auch sehr gelitten«, räumte der Abt besänftigend ein. »Wie verhalten sich denn seine Anhänger?«

»Er hält sie stets zu noch strikterer Einhaltung der Regeln an. Kein Genuß von Fleisch. Aber seine aufrührerischen Predigten …«

»… halten sich doch streng an die Doktrin«, stellte der Abt fest. Die beiden Mönche schauten sich im flackernden Kerzenlicht ratlos an. »jedenfalls kann er nicht hier bleiben. Andererseits haben wir keinen Grund, ihn auszuschließen.«

»Er ist ein begabter Prediger«, räumte der Novizenmeister ein und rieb sich dabei die Hände. »Und die Mißbräuche, gegen die er wettert, gibt es wirklich. Wenn ich nicht Repressalien gegen unseren Orden befürchten müßte, – und Ihr wißt selbst, wie schwach und verwundbar wir noch sind – wäre ich fast versucht, ihn auf die Comyn-Lords loszulassen. Sollen sie sich doch gegenseitig an die Gurgel gehen. Oder vielleicht gerät er ja auch mit einem dieser Halbmenschen aneinander, über die er herzieht. Das könnte ihm eine Lektion erteilen.«

Der alte Mönch schüttelte den Kopf. »Er stammt aus den Hellers, wo es genügend von diesen Kreaturen gibt.«

»Und wo nur ein toter Halbmensch ein guter Halbmensch ist«, meinte der Novizenmeister höhnisch. Dann kam ihm ein Gedanke, bei dem er fast schon bösartig lächelte. »Dort droben sind die Leute vom wahren Glauben noch weiter entfernt als selbst die Comyn, deren Götter ja immerhin vorgeben, Gutes zu bewirken. Wenigstens tun drei der vier das. Aber die Bewohner der Hellers beten ausnahmslos diese Feuergöttin an …«

Der Abt fing Randolphs Blick auf. »Ihr geht zu weit, Bruder. Und wer weiß, dieser Junge bringt es am Ende fertig, selbst die Bergbewohner von ihrem Dämonenglauben zu bekehren.«

Worauf der Novizenmeister nur hämisch spottete. »Und die Hundert Königreiche werden eins und legen auf ewig ihre Waffen nieder.«

 

Die glutrote Sonne Darkovers war noch nicht aufgegangen, als Bruder Auster bereits durch das Refektorium eilte und genauso geschäftig, wie er früher das Vieh auf der Farm seines Vaters versorgt hatte, jetzt die Schüsseln mit Porridge auf den Tischen verteilte. Während der Essenszeiten waren die Mönche von dem Schweigegelübde befreit, sodaß gedämpfte Stimmen den Raum erfüllten.

Auster schaute wie immer mürrisch drein, als er die Holzschüsseln auf dem ihm zugewiesenen Tisch abstellte und sich zum Gebet niedersetzte.

»Du weißt, Bruder Varzil«, wandte er sich dem jungen Postulanten zu, dem seine Predigt am Vortag so sehr in die Knochen gefahren war, »daß alles, was ich gesagt habe, wahr ist. Der heilige Lastenträger soll mich im Kadarin tränken, wenn ich nur ein Jota hinzugefügt habe. Aus Rücksicht auf die zarten Seelen der Jüngsten habe ich eher noch Dinge verschwiegen! Ich hab’ es selbst erfahren. Mein eigener Hochlandlord war keinen Deut besser als all die anderen. Das hat mich dann auch hierher getrieben, aus Angst, ich würde ihn sonst erschlagen, Hand an ihn legen, so wie das Mädchen, von dem ich sprach, Hand an sich gelegt hat.« Er lief zornesrot an. »Eine Sünde ist’s, so sehr wie ein Mord eine Sünde ist, und es läßt mir keine Ruh’!« Plötzlich fiel ein Schatten auf den Tisch und Auster blickte auf. »Ihr wünscht, ehrwürdiger Vater?«

Der alte Mönch hatte offensichtlich etwas Unerfreuliches mitzuteilen und suchte nach den passenden Worten. Bruder Auster saß mit gefalteten Händen, wie es die Regel verlangte, und bekämpfte seine wachsende Ungeduld. Der Abt sprach nur kurz mit ihm und bestieg dann das Pult am Ende des Refektoriums. »Bruder Auster ist heute dazu ausersehen worden, in seine Heimat, die Hellers, zurückzukehren, um dort die Botschaft des heiligen Lastenträgers zu verbreiten. Nehmt Ihr diesen Auftrag an, Bruder Auster?«

Auster, der bereits vorgewarnt worden war, erhob sich. Seine blauen Augen blitzten auf. »Jawohl, ich nehme den Auftrag an. Es ist mir eine Ehre«, erklärte er feierlich und nahm wieder Platz.

Der junge Adlige war empört. »Die Hellers! Aber, aber das ist … eine Strafexpedition! Und du hast doch nur die Wahrheit gesagt. Ich könnte auch einige Dinge erzählen, von meiner eigenen Familie!«

Auster biß sich auf die Lippen. »Laß es gut sein, Varzil. Du mußt nicht meinen, ich wüßte nicht ganz genau, warum sie mich in die Berge schicken. Sie wollen keine Scherereien, aus Angst vor dem Hali’myn. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich gehe freiwillig.«

Varzils bekümmerte Miene hellte sich voller Bewunderung auf. »Ich verstehe. Welch eine wunderbare Bewährungsprobe für deinen Glauben, Bruder Auster!«

»Schon möglich«, gab er kurz angebunden zurück. Er mußte an sich halten, das schwärmerische Gefasel des Jungen nicht mit einem gezielten Faustschlag zu beenden. Schon wieder dieser Mangel an Nächstenliebe! Auster war sich seiner eigenen Schwächen nur allzu sehr bewußt, und gerade einem armen Sünder wie ihm hätte etwas mehr Nachsicht gut angestanden. Denn auch er hatte sich zu Hause mit den anderen Jungs geprügelt, hatte gehurt und gesoffen und mit seinen Brüdern anderen Pächtern das Vieh von der Weide getrieben. Und die Versuchung dazu war noch immer vorhanden!

Dann stiegen andere Bilder vor seinem geistigen Auge auf: seine Verlobte, von ihrem Vater als Konkubine an einen Comyn-Lord verschachert; der Leichnam seiner Schwester, den sie in der kargen Bergerde vergruben; das abscheuliche, pelzige Geschöpf, das die Nachricht ihres Todes überbracht hatte; das Gesicht seines Vaters, das ebenso versteinert war wie der Boden, den er bewirtschaftete; die verhärmten und resignierten Züge seiner Mutter.

Dorthin würde er zurückkehren, in die Hellers, zu seinen eigenen Leuten, so wie es diese winselnden Feiglinge von ihm verlangten. Er würde keinen bewaffneten Aufruhr predigen, aber er würde ihnen klar und deutlich sagen, daß es nur einen Gott gab, dem die Taten der Comyn-Lords ein Greuel war. Die Männer der Hellers waren gewohnt, ihren Verstand zu gebrauchen und selbständig zu denken; sie würden sich für die gerechte Sache erheben.

»Wenn ich alt genug bin«, erklärte der junge Ridenow ungeduldig, »werde ich den ehrwürdigen Vater bitten, daß ich dir folgen darf.«

Auster schüttelte den Kopf. »Eher legen die Hundert Königreiche die Waffen nieder und schließen Frieden«, zitierte er unbewußt den Novizenmeister, »und die Comyn-Lords wandeln auf dem Pfad der Gerechtigkeit. Dort soll deine Aufgabe liegen, wenn du dich daran machen willst.«

»Wenn das jemand vollbringen könnte«, meinte Varzil voller Zweifel, »ich würde es gewiß für ein Wunder halten.«

Auster sah ihn durchdringend an. »Ja, glaubst du denn nicht an Wunder?«

 

Die blutrote Sonne schien auf das winzige Bergdorf, das ein müder Bruder Auster auf seinem Maultier erreichte. Ein Junge stahl sich gerade mit Früchten beladen aus einem Eismelonenfeld, worüber der Mönch ungewollt lachen mußte. Ja, so waren seine Leute – rauhe Sitten in einem rauhen Land, und bestimmt keine Herde, die einfach zu hüten war!

In Dead Man’s Crossing hatte einer der Bauern ein Faß mit schwarzgebranntem Schnaps aufgemacht und allen Vorbeikommenden so freigebig ausgeschenkt, daß Auster einer Gemeinde predigte, die eher einem betrunkenen Haufen beim Mittwinterfest glich. Am Crooked Creek hatte sich jemand mit einer Kutte verkleidet und die Nacht bei einer drallen Witwe verbracht, um dann am nächsten Morgen das Gerücht in die Welt zu setzen, Bruder Auster wäre es gewesen. In der Nähe von Bitenose Peak hatte ihn eine alte Frau öffentlich beschimpft, er mißachte seine Vorfahren. Und am Mulekick Pass hatte eine Zwischenruferin, nachdem sie sich heiser geschrien hatte, einfach den Rock gehoben und ihren Allerwertesten präsentiert, um ihm so zu zeigen, was sie von seiner Predigt hielt. Ja, so waren seine Leute!

Aber fast noch mehr ärgerte ihn, daß sie so bereitwillig seine Botschaft vom Höllenfeuer annahmen. Schließlich schrie er sie an: »Glaubt ihr, ich wüßte nicht, warum ihre diese Lehre so begrüßt? Ihr hofft wohl, eurer Leben lang weiter zu sündigen und es danach hübsch warm zu haben! Aber täuscht euch nicht!«

»Mach du dir mal keine Sorgen, von wegen warm haben und so«, gab ihm eine stämmige Bauersfrau zurück. »Mit deinem Gequatsche produzierst du so viel heiße Luft, damit könnte man glatt die ganzen Hellers heizen! Was gehen uns die Comyn-Lords an? Sollen sie doch im Tiefland bleiben und tun, was sie wollen, solange sie uns in Ruhe lassen!«

Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und der Boden ächzte und stöhnte. Die Hügel erzitterten und im Süden verfärbte der Himmel sich glühendrot, als ob die ganze Welt in Flammen stünde. Bruder Auster schwang sich von seinem Maultier, fand auf dem wankenden Boden keinen Halt und fiel, mit dem Gesicht voran, der Länge nach in den Matsch. Die Hügelketten schwankten hin und her, als ob die Berge über ihnen zusammenstürzen wollten. Ein bläulich-weißes Blitzlicht loderte auf, das so grell war, daß Bruder Auster jeden Knochen seiner Hand einzeln sehen konnte, als er sie schützend vor die Augen hielt. Er wagte kaum zu atmen, als rings um ihn die Welt erbebte und unter einem Krachen, das lauter als tausend Donner war, neue Formen hervorbrachte.

Das ist der Tod, dachte er, und das ist die Verdammnis, die ich so lange gepredigt und doch so sehr gefürchtet habe! In Gedanken konnte er millionenfach die panischen Entsetzensschreie hören: »Oh Herr, ich glaube! Heiliger Lastenträger, ich hab’ Dein Feuer geschaut und jetzt glaube ich!«

Ihr Narren, zürnte Auster. Nicht aus Furcht sollt ihr glauben, sondern um des gerechten Zornes willen über die verübten Verbrechen!

Die Berge erbebten erneut und stürzten zu neuen Formationen übereinander, bis schließlich das Zittern ganz allmählich erstarb. Bruder Auster erhob sich, auch er zitternd, und blickte sich um. Der Wald stand hier, Gott sei es gepriesen, noch nicht in Flammen, aber im Süden und Osten loderte der Himmel von einem übernatürlichen Feuer. Bruder Auster mußte mit ansehen, wie die Höllenfeuer, die er gepredigt hatte, auf das Land herabregneten, und er klagte um all die Menschen, die darin umkamen. Es waren seine Leute.

Eine dunkle Wolke hing über ihnen und regnete Ruß herab, der Austers Habit und Tonsur schwarz bedeckte. Aus dem Dorf wagten sich verängstigte Männer auf die Straße; einige waren mit Mistgabeln bewaffnet, andere versuchten, ihre Habseligkeiten zu retten. »Jetzt glaube ich dir, Prediger«, sagte der Älteste von ihnen und hielt drohend ein langes Schlachtmesser, »aber mußtest du es uns so aufs Fell brennen?«

Bruder Auster sah den alten Mann unerschrocken an. »Ich war es nicht, der das über euch gebracht hat, sondern die Lords der Tieflande. Aber wenn ihr unbedingt einen Sündenbock braucht, bitte, dann haltet euch an mir schadlos. Oder sollte ich euch nicht vielleicht doch besser helfen, das Feuer dort drüben zu bekämpfen?«

Während der alte Mann sich noch verlegen und verdutzt den Kopf kratzte, schaute Bruder Auster zu der Wolke hinauf, die jetzt den gesamten Himmel bedeckte. Schon breitete sich über das Land Winterkälte, obwohl es gerade erst Mittsommer war. Ungefragt würde Bruder Auster nie mehr predigen, denn die Übel, gegen die er gewettert hatte, waren verschwunden – gerichtet durch ihr eigenes Verschulden. Was die Welt jetzt brauchte, war ein Wunder. Bruder Varzil! Er dachte an den jungen Adligen aus dem Konvent, während er noch darauf wartete, ob der alte Mann sein Messer gegen ihn richten würde oder nicht. Ich bereue es, wenn ich dich in die Irre geführt habe. Aber ich glaube nicht, daß du dieses Wunder erleben wirst. Oh Gott, vergib mir meinen Unglauben.

Aber ich glaube daran! Der Geist – oder war es die lebendige Seele? – des jungen Ridenow antwortete ihm. Und glaube ich auch nicht an deinen Gott, so glaube ich doch an deine gerechte Sache. Und Wunder können geschehen, wenn wir dazu beitragen.

Nein, dachte Auster mit seinem letzten Atemzug. Nur die Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf. Hüte dich vor dem, was du verlangst; es könnte wahr werden.

Hinter ihm glühten die Länder, die einst die Hundert Königreiche waren, in grausamer Glorie.