Kapitel 3

Du siehst hinreißend aus, und ich liebe dich«, flüsterte Dan, als der Standesbeamte sie zu Mann und Frau erklärte. »Heute Nacht habe ich die Absicht, dich aufzufressen.«

Fifi kicherte bei der Erinnerung an Dans erste Worte an sie. »Du sollst mich küssen und keine schmutzigen Reden führen«, raunte sie.

All ihre Magenkrämpfe und ihre Nervosität hatten sich in Luft aufgelöst. Sobald sie Dan in seinem neuen dunkelblauen Anzug an der Tür zum Standesamt Quaker Friars gesehen hatte, waren all ihre Zweifel verschwunden. Jetzt war sie Mrs. Reynolds, und ihr gemeinsames Leben würde wunderbar werden.

Dans Vorarbeiter, Mike, ein relativ kleiner, aber stämmiger Mann um die vierzig, kam auf sie zu, um ihnen zu gratulieren, dicht gefolgt von seiner Frau Sheila, die einen roten Hut trug.

»Vielleicht wird er sich in Zukunft auf seine Arbeit konzentrieren können«, witzelte Mike. »Während der vergangenen Monate war er mit seinen Gedanken jedenfalls immer weit weg.«

Sheila küsste Fifi auf die Wange. »Wir hoffen, dass ihr beide ein langes und glückliches Leben miteinander haben werdet«, sagte sie. »Dan ist ein guter Mann, fleißig und sehr ehrlich. Er wird einen wunderbaren Ehemann abgeben.«

»Ehemann.« Das Wort kam Fifi so eigenartig vor. Es war ein Wort, das sie mit älteren Leuten in Strickjacken in Zusammenhang brachte, mit dünner werdendem Haar und einem Rasen, der gemäht werden musste. Dan sah heute wie ein Filmstar aus, sein Haar war frisch geschnitten und seine Haut so weich wie Seide, und er roch nach Old Spice. Er würde bestimmt niemals den Verlockungen von Pantoffeln oder Strickjacken erliegen.

»Setz mich herunter«, flehte Fifi, als Dan sie die zweite Treppe hinauftrug. Er keuchte vor Anstrengung, und sie hatte Angst, er würde sie fallen lassen.

»Ich werde dich über beide Türschwellen tragen«, beharrte er. »Sei nur dankbar, dass ich es nicht nach Höhlenmännerart tue und dich an den Haaren hinaufschleife.«

Fifi schloss die Tür auf, und Dan drehte sich zur Seite, um sie in die Wohnung zu bekommen, ohne dass sie sich wehtat. Dann versetzte er der Tür einen Tritt, um sie wieder zu schließen, und trug Fifi quer durch den Raum, bevor er sie auf das Bett fallen ließ.

»So, Mrs. Reynolds, und dort werden Sie bis Montagmorgen bleiben.«

Fifi lachte. »Ich kann von hier aus kein Essen kochen«, wandte sie ein.

»Ich werde dich von Kopf bis Fuß bedienen«, erklärte er, zog seine Anzugjacke aus und öffnete den Kühlschrank, um den Champagner herauszuholen. »Bis Montagmorgen wirst du entdeckt haben, dass du einen Mann mit vielen Talenten geheiratet hast.«

»Du bist wirklich äußerst talentiert«, murmelte Fifi einige Stunden später schläfrig, als sie sich an seine Schulter schmiegte. Jetzt erschien es ihr vollkommen lächerlich, dass sie noch am Morgen solche Angst vor der Liebe gehabt hatte. Es war wunderschön gewesen, das schönste Gefühl auf der Welt. Sie hätte die drei Tage bis Montag mit Freuden im Bett bleiben können.

Zuerst hatten sie den Champagner getrunken, während im Hintergrund leise Musik aus Dans Radio gespielt hatte, dann hatte er begonnen, sie zu küssen und ihr die Kleider Stück um Stück auszuziehen. Seitdem sie ihm begegnet war, hatte sie oft von empfindsamen, sanften Fingern geträumt, die sie streichelten und ihren Körper erkundeten, und beim Aufwachen hatte sie festgestellt, dass sie sich selbst berührte. Aber Dans Berührung war viel erregender, geradeso empfindsam und sanft, wie sie es sich vorgestellt hatte, doch auch selbstbewusst, liebevoll und so sinnlich, dass sie vor Wonne stöhnte. Einen Moment lang durchzuckte sie ein Stich der Eifersucht, schließlich musste er all das von einer anderen Frau gelernt haben. Aber dieser Moment verstrich, denn wie konnte sie sich darüber grämen, auf welche Weise er seine Erfahrung gewonnen hatte, wenn er sie gleichzeitig ins Paradies entführte?

Als er sich schließlich über sie legte, um in sie einzudringen, wollte sie es ebenso sehr wie er. Es tat ein wenig weh, jedoch nicht so sehr, dass es sie abgeschreckt hätte, und sie wünschte sich sehnlichst, die himmlischen Gefühle würden bis in alle Ewigkeit anhalten.

»Frauen brauchen ein wenig Übung, um zum Höhepunkt zu kommen«, murmelte er anschließend voller Zärtlichkeit. »Bitte, täusch es niemals vor, um mir einen Gefallen zu tun. Das ist etwas, woran wir beide zusammen arbeiten müssen.«

Bis zu dieser Bemerkung hatte Fifi geglaubt, dass es schöner nicht mehr werden könne, aber er wusste es offensichtlich besser. »Woher soll ich wissen, ob es passiert ist?«, flüsterte sie.

»Du wirst es wissen, das verspreche ich dir«, sagte er mit einem leisen Kichern.

Als Fifi ein wenig später aufwachte, war es draußen bereits dunkel. Sie hatten die Vorhänge nicht zugezogen, aber da die Wohnung sich hoch oben auf einem Hügel mit Blick auf die Stadtmitte von Bristol befand, fiel reichlich goldenes Licht von den Straßenlaternen in den Raum.

Sie schaute auf ihre Armbanduhr und sah, dass es acht Uhr war, und plötzlich fielen ihr ihre Eltern ein, die zu Hause auf sie warteten. Sie konnte sich das Gesicht ihrer Mutter gut vorstellen: starr vor Ärger, weil sie von der Arbeit nicht direkt nach Hause gekommen war.

Widerstrebend stieg sie aus dem Bett und ließ Dan friedlich weiterschlafen. Wenn sie ihre Eltern nicht sofort anrief und die Sache hinter sich brachte, würde sie sich heute Nacht keinen Augenblick mehr entspannen können.

Im Flur im unteren Stock befand sich ein Münzfernsprecher. Sie tastete nach ihrem Morgenmantel, den sie auf dem Boden liegen gelassen hatte, suchte ein wenig Kleingeld zusammen und ging barfuß die Treppe hinunter.

Patty nahm den Anruf entgegen. »Ich hoffe, du hast eine gute Entschuldigung dafür, dass du das Abendessen versäumt hast. Mum ist fuchsteufelswild«, warnte sie Fifi.

Als Patty ihre Mutter rief, fühlte Fifi sich versucht, einfach aufzulegen, doch neben dem Telefon befand sich ein Spiegel, und das, was sie dort sah, verlieh ihr Selbstbewusstsein. Ihr Haar, das am Morgen so adrett frisiert gewesen war, war vollkommen zerzaust, aber es ging ein Leuchten von ihr aus; sie rief sich ins Gedächtnis, dass ihr neuer Name Felicity Reynolds war, und beschloss, sich nicht einschüchtern zu lassen.

»Also, wo steckst du?«, fragte ihre Mutter ohne jede Vorrede. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst direkt nach Hause kommen.«

»Dan und ich haben heute geheiratet, Mum«, erwiderte Fifi. »Wir haben eine Wohnung in Kingsdown.«

Sie hörte Clara scharf die Luft einsaugen, dann war es still in der Leitung.

»Du hast ihn geheiratet?«, wiederholte ihre Mutter schließlich, als könnte sie nicht glauben, was sie gehört hatte.

»Ja, um Viertel nach zwei im Quaker Friars. Es tut mir leid, wenn es ein Schock für dich ist. Aber es war das, was wir wollten.«

»Wie konntest du dein Leben für diesen Mann wegwerfen?«, rief ihre Mutter erregt. »Er wird dich auf sein Niveau hinabziehen.«

»Sprich nicht so über Dan«, entgegnete Fifi, der jetzt eine ärgerliche Röte in die Wangen schoss. »Du kennst ihn nicht, aber ich kenne ihn genau, er ist wunderbar, und ich liebe ihn.«

»Wie konntest du uns das antun?«, gab ihre Mutter mit brechender Stimme zurück. »Nach allem, was wir durchmachen mussten, als du noch klein warst! Etliche Leute haben mir geraten, dich in ein Heim zu geben, aber ich habe nicht auf sie gehört, und das ist jetzt der Dank für all meine Geduld und Fürsorge.«

Die Sache mit dem Heim hatte Fifi noch nie zuvor gehört, und sie hätte gern nachgefragt, um herauszufinden, ob diese Behauptung lediglich eine hysterische Übertreibung war oder der Wahrheit entsprach. Aber ihre Hochzeitsnacht war nicht der richtige Zeitpunkt für dergleichen Dinge, und ein zugiger Flur war nicht der richtige Ort dafür. »Für mein Benehmen als Kind kann ich nichts«, antwortete Fifi. »Ebenso wenig wie ich etwas dafür konnte, dass ich mich in Dan verliebt habe.«

»Unsinn!«, blaffte Clara sie an. »Das ist keine Liebe. Es ist nichts weiter als animalischer Sex! Ich weiß, dass es so ist. Es stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben.«

Die Versuchung war groß zu sagen, dass der Sex bisher ziemlich gut gewesen sei, doch Fifi war plötzlich zu erregt für scharfsinnige Erwiderungen. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest, Mutter«, entgegnete sie scharf. »Bitte, versuch nicht, unsere Liebe in den Schmutz zu ziehen. Ich habe dir schon vor Monaten gesagt, dass ich Dan liebe. Er ist der Mann, den ich heiraten wollte, und ich habe ihn nun geheiratet. Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich euren Segen gehabt hätte, doch ich kann auch ohne ihn leben.«

»Du hast dir dein Bett gemacht, jetzt wirst du auch darin liegen«, fuhr ihre Mutter auf. »Aber komm ja nicht heulend zu uns gelaufen, wenn er sich in Schwierigkeiten bringt oder dich wegen eines gewöhnlichen Flittchens verlässt, das besser zu ihm passt. Ich bin fertig mit dir.«

Fifi konnte nur noch das Telefon anstarren, als ihre Mutter den Hörer auf die Gabel krachen ließ.

»Komm zurück ins Bett, Schätzchen.«

Fifi blickte auf und sah Dan über ihr auf der Treppe stehen. Er war nur mit seiner Jeans bekleidet, und sein sonnengebräunter, muskulöser Oberkörper wirkte kraftvoll und tröstlich. Aber sein trauriger Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er lange genug dort gestanden hatte, um mitzubekommen, was geschehen war. Tränen traten ihr in die Augen, und sie lief in seine Arme.

»Sie wird schon noch einlenken, sie ist lediglich schockiert, mehr nicht«, meinte er beruhigend, während er sie fest an sich zog.

»Ich habe nichts Unrechtes getan, ich habe nur den Mann geheiratet, den ich liebe«, weinte sie. »Warum benimmt sie sich so abscheulich?«

»Vielleicht hatte sie nicht das Glück, jemals so zu empfinden, wie wir beide fühlen«, antwortete Dan. »Aber lass dir nicht von ihr verderben, was wir haben, und denk daran, dass dies unsere Hochzeitsnacht ist.«

Als Fifi in der Nacht in Dans Armen lag, sagte sie sich, dass ihre Eltern ihr gleichgültig seien. Die beiden waren törichte Snobs, und sie konnte gut ohne sie leben. Sie war froh darüber, nicht länger nach Hause zurückkehren zu müssen, denn sie hatte jetzt ihr eigenes Zuhause, und sie war überglücklich. Dan und sie würden ihren Eltern beweisen, dass sie Unrecht hatten.

Sechs Wochen später saß Patty auf dem Sofa in der Wohnung in Kingsdown und grinste Fifi breit an. »Hör auf, dir den Kopf über Mums Gefühle zu zerbrechen«, beantwortete sie die Frage ihrer Schwester nach der Situation daheim. »Denk nur daran, wie glücklich du mich gemacht hast, weil ich unser Schlafzimmer jetzt ganz für mich allein habe.«

Eine Welle der Zuneigung zu ihrer Schwester stieg in Fifi auf. Wenn Patty gekränkt über die heimliche Hochzeit war, hatte sie sich niemals etwas davon anmerken lassen. Obwohl nach Fifis Anruf daheim die Hölle ausgebrochen und der Befehl ergangen war, dass niemand in Zukunft mit ihr sprechen dürfe, war Patty am nächsten Morgen in Fifis Büro aufgetaucht und hatte ihr einen Karton mit Besteck als Hochzeitsgeschenk mitgebracht.

Sie hatte Fifi umarmt und ihr alles erdenkliche Glück gewünscht. »Ich habe Dan von Anfang an gemocht«, versicherte sie. Dann erkundigte sie sich nach Fifis Hochzeitskleid und wollte wissen, wer bei der Zeremonie zugegen gewesen sei. »Hast du auch noch andere Geschenke bekommen?«, fragte sie.

Als Fifi eingestand, dass sie nur zwei Gäste gehabt hatten und lediglich einen elektrischen Wasserkocher von Dans Vorarbeiter geschenkt bekommen hatten, umarmte Patty sie abermals.

»Vielleicht werdet ihr eines Tages auch noch kirchlich heiraten«, meinte sie augenzwinkernd, »wenn sich erwiesen hat, dass Dan doch keine so schlechte Wahl gewesen ist.«

Seither kam Patty häufig auf dem Heimweg von ihrer Arbeit vorbei, wobei sie diplomatischerweise das Thema »Eltern« umschiffte und alle neuen Errungenschaften in der Wohnung bewunderte.

Dan mochte Patty sehr, und es freute sie beide, als auch sie einen Freund fand. In nur drei Wochen hatte sie deutlich abgenommen, und ihre Akne wurde langsam besser. Dan meinte, er könne es nicht erwarten, den Mann kennen zu lernen, der dafür verantwortlich war, doch noch war Patty zu ängstlich, um ihn jemandem vorzustellen.

»Erst recht nicht Mum«, lachte sie. »Ich habe Angst, dass sie die Sache für mich verpfuschen wird.«

»Häng ihm Knoblauch und ein Kruzifix um den Hals, wenn er zum Tee eingeladen wird«, schlug Dan vor. »Und vielleicht solltest du ihn auch mit ein paar Litern Weihwasser ausstatten.«

Fifi gab sich größte Mühe, die Einstellung ihrer Mutter genauso gelassen hinzunehmen wie Dan, aber insgeheim vergoss sie häufig einige Tränen. Es machte sie so wütend, dass ihm niemand je die Chance gegeben hatte zu beweisen, was für ein wunderbarer Mensch er war. Wann immer Patty vorbeikam, machte sie eine Bemerkung darüber, wie gemütlich die Wohnung sei, und das ging zu einem großen Teil auf Dans Bemühungen zurück.

Er brachte ständig irgendwelche Dinge mit heim, die er in Secondhandläden aufgetan hatte. Er freute sich immer, wenn er ein Schnäppchen machen konnte, daher fühlte er sich stets zu beschädigten oder hässlichen Dingen hingezogen, die günstig zu haben waren, und dann betrachtete er sie mit seinen Zauberaugen und glaubte, sie in etwas Wunderschönes verwandeln zu können.

Manchmal hatte er Erfolg. Ein abscheuliches altes Bücherregal war durch einen Anstrich mit hellblauer Farbe verwandelt worden, ein Beistelltisch, der eine neue, gekachelte Oberfläche bekommen hatte, sah fabelhaft teuer aus, und doch hatte er ihn nur drei Schilling gekostet. Aber Fifi hoffte von Herzen, dass er die Porzellanschäferin, die er zu flicken versuchte, versehentlich zerbrechen würde und dass ihm die Kuckucksuhr irgendwann genauso auf die Nerven gehen würde wie ihr.

Sie kaufte jeden Freitagabend frische Blumen für ihren kleinen Esstisch, stattete das Badezimmer mit hübschen, handgenähten Gardinen aus und bemalte einige weiße Emaillekrüge für Kaffee, Tee und Zucker mit roten Punkten. Außerdem hatten sie das entzückende Bild eines Waldes mit blauen Sternhyazinthen, zwei Tischlampen und bunte Kissen für das Bett gekauft. Fifi dachte oft, dass ihre Eltern angenehm überrascht sein würden, wenn sie sich irgendwann doch zu einem Besuch herablassen würden.

Es war Patty, die Fifis Habe Stück für Stück in die Wohnung brachte, ihren Kassettenrekorder, Kleider, Schuhe und Bücher, und jedes Mal scherzte sie darüber, auf diese Weise selbst mehr Platz in ihrem alten Zimmer zu haben. Obwohl Fifi sich sehr darüber freute, die Sachen zurückzubekommen, bekümmerte es sie auch. Es war so, als würden auf diese Weise alle Erinnerungen an sie in ihrem Elternhaus auf Dauer ausgelöscht.

Eines Abends kam Dan, kurz nachdem Patty sich verabschiedet hatte, nach Hause. Fifi wusste sofort, dass etwas passiert sein musste, weil er ungewöhnlich geistesabwesend wirkte. Während er ein Bad nahm, wärmte sie den Eintopf auf, den sie für ihn zubereitet hatte, und sobald er zu essen begann, stellte sie ihn zur Rede.

»Du weißt doch, dass die Baustelle in Horfield bis Weihnachten fertig sein wird?«, platzte er schließlich heraus. »Nun, ich dachte, wir würden gleich mit der Baustelle in Kingswood weitermachen. Aber dort hat es Verzögerungen gegeben, irgendein Problem mit der Planungsbehörde und einer Zugangsstraße, daher müssen wir jetzt nach Plymouth gehen.«

»Du meinst, wir müssen dort hinziehen?«, rief Fifi aus. »Das ist unmöglich, wir haben gerade erst diese Wohnung bekommen, außerdem habe ich meine Arbeit hier.«

»Ich weiß«, seufzte Dan. »Vermutlich werde ich mir dort ein Zimmer suchen müssen und nur an den Wochenenden nach Hause kommen.«

»Oh nein. Das könnte ich nicht ertragen«, murmelte Fifi.

»Ich auch nicht«, pflichtete Dan ihr bei. »Ich habe dem Chef gesagt, wie die Dinge liegen, aber er meinte, mehr könne er mir nicht anbieten. Entweder ich nehme den Job in Plymouth, oder ich stehe ohne Arbeit da.«

»Du denkst, er wird dich hinauswerfen, wenn du dich weigerst?«

Dan zuckte die Schultern. »Als ich den Job bei Jackson angenommen habe, war von vornherein klar, dass wir überall in der Gegend arbeiten würden. Wenn ich hierbleiben will, muss ich eine Firma von hier finden, die mich einstellt.«

»Wie schwer wird das sein?«

»Nicht sehr schwer, denke ich. Es gibt jede Menge neuer Baustellen in Bristol.«

»Dann dürfte das also kein Problem werden.« Fifi strahlte. »Ich kann dich hier bei mir behalten.«

»Frohe Weihnachten, Liebling!«

Fifi zwang sich, die Augen zu öffnen. Nur mit einem Handtuch um die Hüften stand Dan vor dem Bett und hielt ein Tablett in den Händen. »Na komm, mach ein fröhliches Gesicht, es ist Zeit fürs Frühstück!«, sagte er mit Gelächter in der Stimme. »Keine Panik, ich habe dir nichts zubereitet, was für eine Prinzessin mit einem Kater nicht genau das Richtige wäre.«

Fifi richtete sich widerstrebend auf, und Dan stellte das Tablett vor sie hin. Die Mahlzeit bestand lediglich aus Grapefruit-Stückchen in einer kleinen Glasschale mit einer gezuckerten Kirsche obenauf, und dazu gab es Toast und eine Kanne Tee.

Nach der Party im Büro am vergangenen Abend war sie rundherum zufrieden und leicht angetrunken gewesen. Sie hatte Lametta im Haar gehabt und eine Tüte voller kleiner Geschenke von den anderen Mädchen mitgebracht. Dan war kurze Zeit später nach Hause gekommen, ebenfalls ein wenig beschwipst von seinem letzten Tag bei Jackson, und sie hatten beschlossen, den Rest des Abends in »Cotham Porter’s Stores« zu verbringen, einem Pub gleich um die Ecke.

Das »Porter’s Stores« war eine etwas heruntergekommene Apfelweinkelterei, aber es herrschte dort immer eine angenehme Atmosphäre, was an dem gemischten Publikum lag, das dort verkehrte, angefangen von ernsthaften Cidre-Trinkern mit roten Nasen bis hin zu Studenten mit schmalem Geldbeutel und den Leuten, die in unmittelbarer Nähe des Pubs lebten. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, nach all dem Alkohol im Büro noch herben Cidre zu trinken, doch Fifi hatte sich rundherum wohl gefühlt, bis Robin, ihr jüngerer Bruder, mit einer Gruppe von Freunden hereingekommen war.

Überglücklich, ihn zu sehen, war sie zu ihm hinübergeeilt, und weil sie ein wenig beschwipst war und angenommen hatte, er habe nach ihr gesucht, schlang sie ihm stürmisch die Arme um den Hals.

»Bring mich nicht vor meinen Freunden in Verlegenheit«, hatte er kalt gesagt und sie von sich geschoben.

Fifi war so tief gekränkt gewesen, dass ihr nicht einmal eine kluge oder schneidende Erwiderung eingefallen war. »Ich freue mich, dich zu sehen«, hatte sie stattdessen nur gesagt, »schließlich ist Weihnachten.«

»Ich freue mich keineswegs, dich betrunken zu sehen«, entgegnete er und fügte mit einem abschätzigen Blick hinzu: »Seit deiner Hochzeit mit Dan ist es mit dir ja offensichtlich sehr bergab gegangen.«

Robin hatte schon immer eine gewisse Neigung zu Selbstgefälligkeit und Dünkel gehabt. Wenn Fifi nüchtern gewesen wäre, hätte sie seine Anschuldigungen geschickt pariert. Aber Robin drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Pub, ohne auch nur ein einziges Glas getrunken zu haben. Fifi kehrte zu Dan zurück und bestellte noch einen Cidre.

Sie erzählte Dan nicht, was vorgefallen war, aber ihre gute Laune hatte sich in Luft aufgelöst, und sie trank schnell und schweigend ihren Drink, ohne auch nur mit Dan zu sprechen.

Später erinnerte sie sich vage daran, dass Dan sie bei ihrer Heimkehr über die Schulter gelegt und die Treppe hinaufgetragen hatte, und als Nächstes hatte sie mit dem Kopf über der Toilette im Badezimmer gekniet, sich übergeben und ihn weggeschickt.

Als sie, erheblich nüchterner, aus dem Bad kam, schlief Dan bereits tief und fest, aber sie war hellwach, und ihr war überdeutlich bewusst, dass dies der erste Weihnachtstag war und dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben später nicht mit ihrer Familie am Mittagstisch sitzen würde.

Dan und sie hatten einen Baum gekauft und überall Weihnachtsschmuck angebracht, und bis zu diesem Moment hatte sie gedacht, die Wohnung sähe aus wie eine verzauberte Grotte. Aber während sie, in ihren Morgenrock gehüllt, auf dem Sofa hockte und über Robins Bemerkungen früher am Abend nachdachte, erschienen ihr die blinkenden Lichter, das Lametta und die Papiergirlanden im Vergleich zu dem eleganten Weihnachtsschmuck ihrer Eltern grell und übertrieben. Sie hatte auch nur eine Hand voll Weihnachtskarten von den anderen Mädchen aus der Kanzlei bekommen, und plötzlich wurde ihr bewusst, was sie verloren hatte.

Das Weihnachtsfest daheim war stets so fröhlich und lebhaft gewesen. Selbst als sie alle zu alt gewesen waren, um Weihnachtsstrümpfe zu bekommen, hatten sie sich am ersten Weihnachtstag in aller Herrgottsfrühe in das Zimmer ihrer Eltern gedrängt und darauf bestanden, die Geschenke auszupacken. Am Vormittag kamen Nachbarn auf einen Drink vorbei, und in der Musiktruhe spielte eine Schallplatte mit Weihnachtsliedern. Manchmal kamen ihre Tanten mütterlicherseits, Rose und Lily, mit ihren Männern und Kindern aus Somerset angereist, in anderen Jahren besuchte sie Onkel Ernest, der Bruder ihres Vaters, zusammen mit seiner Frau und den beiden Jungen, die etwa im gleichen Alter waren wie Robin und Peter. Nach einem üppigen Abendessen spielten sie dann Gesellschaftsspiele, Scharade, Monopoly oder Ludo.

In diesem Jahr würden nur sie und Dan feiern, ohne Weihnachtslieder, ohne Spiele. Bisher hatte sie angenommen, froh darüber zu sein, mit Dan allein zu sein, da Familienfeste ohnehin langweilig seien, doch mit einem Mal erschienen ihr all diese Dinge so kostbar. Sie begann zu weinen, weil sie sich verloren und einsam fühlte. Wenn Robin gegen sie war, war Peter wahrscheinlich auch gegen sie, ihr Vater stand immer auf der Seite ihrer Mutter, und damit blieb nur Patty übrig. Ihre Familie war auf eine einzige Person zusammengeschrumpft, die sie über die Feiertage nicht einmal würde besuchen können.

»Möchtest du ein Aspirin?«, fragte Dan besorgt.

Fifi zwang sich zu einem Lächeln. »Nein, mir geht es gut«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass ich gestern Abend so angesäuselt war, und frohe Weihnachten.«

»Der Weihnachtsmann war hier«, erklärte Dan und zog einen ausgebeulten Strumpf unter dem Bett hervor. Es war einer von den weißen Netzstrümpfen, deren Säume mit rotem Krepppapier besetzt waren. Solche Strümpfe hatte Fifi als Kind oft geschenkt bekommen, mit einem Teddybären mit einer roten Wollmütze, der über den Rand lugte.

»Oh Dan«, rief sie, da ihr sofort klar war, dass er dies schon vor Wochen geplant haben musste. »Ich habe gar keinen Strumpf für dich.«

»Das hatte ich auch nicht erwartet«, entgegnete er, setzte sich neben sie auf das Bett und schenkte ihr Tee ein. »Du bist alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche.«

»Ich habe durchaus Geschenke für dich«, erwiderte sie. »Nur keinen Strumpf. Eigentlich wollte ich vor dir aufstehen und sie alle unter den Baum legen. Sie sind noch immer in dem Sideboard, in dem ich sie versteckt habe.«

»Iss dein Frühstück, dann werden wir sie auspacken«, sagte er und küsste sie auf die Wange. »Unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest, das ist etwas ganz Besonderes.«

Fifis Augen füllten sich mit Tränen. Sie wischte sie fort. »Ich weine nur, weil du so lieb bist«, behauptete sie lachend, aber in Wahrheit schämte sie sich. Sie hätte ebenfalls daran denken können, Dan einen Strumpf zu machen. Und sie hätte nicht die halbe Nacht darauf verwenden sollen, über ihr früheres Zuhause nachzugrübeln und sich selbst leidzutun.

Unmittelbar nach Weihnachten wurde Dan von einer Baugesellschaft aus Bristol angestellt. Bei seiner Rückkehr nach Hause war er voller Begeisterung, denn die Firma baute eine neue Ladenkette, und die Baustelle, auf der er arbeiten würde, lag mitten in der Stadt. Er konnte sie von zu Hause zu Fuß erreichen, außerdem würde er mehr verdienen als bei Jackson. Er würde am Neujahrstag seine Arbeit dort aufnehmen.

Am Silvesterabend eilte Fifi mit zwei Steaks und einer Flasche Blue Nun vom Büro nach Hause. Sie hatten keine Pläne dafür geschmiedet, wo sie das neue Jahr begrüßen wollten, aber einige Mädchen in der Kanzlei hatten erzählt, dass es in den »Victoria Rooms« in Clifton stets eine große Party gebe. Anscheinend hatte im vergangenen Jahr jemand Waschmittel in die Springbrunnen geschüttet, und die Bläschen waren bis über die Straße geschäumt. Wenn Dan einverstanden war, würden sie vielleicht später am Abend hinübergehen und sich das Spektakel ansehen.

Als sie hereinkam, hatte Dan die Pommes frites bereits auf dem Herd stehen, und der Tisch war gedeckt. Er hatte Kerzen angezündet, und aus dem Kassettenrekorder spielte Little Eva’s Locomotion. Er nahm Fifis Mantel entgegen und hängte ihn auf, dann griff er sich die Steaks und machte sich daran, sie zu grillen, und die ganze Zeit über sang und tanzte er nach der Musik.

Dieses Stück war etwas Neues; für gewöhnlich bevorzugte er Elvis Presley für seine Imitationen. Er kannte all seine Songs auswendig, und er hatte Elvis’ Stimme, die wiegenden Hüften und all die kleinen, typischen Gesten perfekt einstudiert. Wenn er Teddybär sang, liefen Fifi vor Lachen oft die Tränen übers Gesicht.

»Na komm, Baby, mach mit mir die Locomotion«, sang er, während er das Brot auf den Tisch legte, dann trat er hinter sie und bewegte ihre Arme wie Kolbenpumpen.

»Wo hast du den guten Elvis heute Abend gelassen?«, fragte sie lachend, als die Kassette zu Ende war.

»Ein neues Jahr, eine neue Musik«, antwortete er. »Ich muss unbedingt an Cliff Richard arbeiten oder an Duane Eddy.«

»Duane Eddy singt aber nicht«, kicherte sie. »Und mit Cliff hast du nicht die geringste Ähnlichkeit.«

»Dann vielleicht Ray Charles«, sagte er, wandte sich ab und improvisierte aus zwei Bierdeckeln eine Sonnenbrille, bevor er I Can’t Stop Loving You zu trällern begann.

»Idiot«, schalt sie ihn zärtlich. »Aber lass die Steaks anbrennen, und ich werde sofort aufhören, dich zu lieben.«

»Ich bin zu satt, um irgendwo hinzugehen«, stöhnte Fifi, als sie sich eine Stunde später taumelnd vom Tisch erhob. Sie legte sich auf das Bett und öffnete den Taillenbund ihres Rockes.

Dan sah sie an und brach in Gelächter aus. »Ich dachte, du wolltest in dem Springbrunnen tanzen!«

»Das war vor dem Steak, den Pommes frites und den Pilzen«, erklärte sie. »Willst du wirklich noch ausgehen?«

Dan trat an das Fenster. »Nun, bisher dachte ich, dass ich es will«, antwortete er mit einem überraschten Unterton in der Stimme. »Aber es schneit!«

»Nein!«, rief Fifi. »Das sagst du nur, um mich dazu zu bringen, wieder aufzustehen.«

»Es schneit tatsächlich, und sogar ziemlich stark«, beharrte Dan. »Komm her und sieh es dir selbst an.«

Fifi erhob sich widerstrebend. »Wenn du mich auf den Arm nimmst, wirst du es mir büßen«, drohte sie. Aber als sie vor das Fenster trat, hielt sie erstaunt die Luft an. Dan hatte tatsächlich nicht gelogen.

Seit 1947 hatte es in Bristol keinen nennenswerten Schneefall mehr gegeben. Damals war Fifi sieben Jahre alt gewesen, und sie erinnerte sich daran, dass sie Tag um Tag Schlitten gefahren war, weil die Schulen geschlossen blieben, und sie hatte im Garten einen riesigen Schneemann gebaut. Die Erwachsenen hatten noch Jahre später über diesen schrecklichen Winter gestöhnt, aber das Ereignis hatte sich nie mehr wiederholt. Wenn es tatsächlich einmal schneite, waren es nur dünne Flocken, die für gewöhnlich innerhalb von ein oder zwei Tagen wieder schmolzen.

»Gütiger Gott«, rief sie, während sie die wirbelnden Flocken betrachtete. »Das ist ja ein richtiger Schneesturm.«

Da sie im zweiten Stock wohnten und es bereits dunkel war, konnten sie nicht sehen, ob der Schnee auf dem Boden liegen blieb.

»Wenn er liegen bleibt, werde ich nicht arbeiten können«, meinte Dan. »Lass uns hoffen, dass bis morgen Früh alles geschmolzen ist.«

Als sie am nächsten Morgen erwachten, war es grau und finster im Raum, und von den gewohnten Verkehrsgeräuschen war nichts zu hören. Fifi stand auf, und zu ihrem Erstaunen lag ganz Bristol unter einer dicken Schneedecke vergraben. Ihre erste Reaktion war Begeisterung, denn alles sah so wunderschön aus, wie auf einer altmodischen Weihnachtskarte. Voller Aufregung rief sie Dan zu sich.

Er war ebenso verzaubert wie sie, aber er wirkte auch besorgt. »Ich werde zur Baustelle gehen, doch es wird wohl kaum jemand dort sein, da ich bezweifle, dass die Busse fahren. Verdammt, das musste auch ausgerechnet dann passieren, wenn ich einen neuen Job antrete!«

»Es wird nicht von Dauer sein«, beruhigte Fifi ihn. »Dumm ist nur, dass ich zu Fuß zur Arbeit komme, auf diese Weise habe ich keine Ausrede, um nicht dort zu erscheinen. Wenn es anders wäre, hätten wir in den Redland Park gehen und im Schnee spielen können.«

Das Stadtzentrum von Bristol war buchstäblich menschenleer. Es fuhren keine Busse, und nur wenige Menschen versuchten, sich mit Autos fortzubewegen, da viele Straßen in die Stadt hinein unbefahrbar waren. Fifi beobachtete voller Erheiterung die Reaktionen der wenigen Entschlossenen, die dem Schnee trotzten, um zur Arbeit zu kommen. Dick eingemummt in Mäntel, Stiefel, Mützen und Schals, führten sie sich auf wie unerschrockene Pioniere und schrien einander Warnungen zu.

Fifi genoss ihren Spaziergang zum Büro und empfand eine geradezu kindliche Freude über die Fußspuren, die sie in dem frischen Schnee hinterließ. Alles sah so hübsch aus; selbst Müllhalden, die normalerweise einen hässlichen Anblick boten, hatten sich in ein winterliches Wunderland verwandelt. Aber der Himmel war wie Blei, und es wurde allgemein noch mehr Schnee prophezeit.

Nur einer der Rechtsanwälte und Miss Phipps, die Buchhalterin, hatten es bis in die Kanzlei geschafft, und als es um drei Uhr am Nachmittag langsam dunkel wurde, gingen sie nach Hause.

Dan war bereits zu Hause, als Fifi durch die Tür trat; er kochte gerade einen Eintopf zum Abendessen. Mit düsterer, nervöser Miene erzählte er ihr, was der Vorarbeiter auf der Baustelle ihm gesagt hatte: Für den Rest der Woche würde es keine Arbeit dort geben, und wenn sich das Wetter nicht dramatisch verbesserte, befürchtete er, dass es in der nächsten Woche so weitergehen werde.

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, meinte Fifi tröstend. »Wir kommen auch mit meinem Geld aus.«

»Eigentlich sollte ich für dich sorgen«, erwiderte er mürrisch. »Das ist kein guter Anfang für das neue Jahr.«

Das schlechte Wetter hielt noch mehrere Wochen an, und es fiel immer wieder Schnee. Dan wurde zunehmend mutlos, da er nicht zur Arbeit gehen konnte. Fifi war zu Anfang sehr mitfühlend; sie wusste, wie sehr es seinen Stolz verletzte, von ihrem Gehalt leben zu müssen. Aber während die Wochen dahingingen und sie sich täglich durch Eis und Schnee kämpfen musste, während er zu Hause in der warmen Wohnung saß, wurde sie langsam ungehalten.

Es kümmerte sie nicht, dass er kein Geld nach Hause brachte, doch ihr fehlte sein Frohsinn. Es gab keine Elvis-Imitationen mehr, er hatte nichts zu erzählen, und wenn sie abends nach Hause kam, begrüßte er sie mit verdrossener Miene. Er erledigte alle Einkäufe, putzte die Wohnung und kochte das Essen, aber das strich ihre eigenen Schwächen nur umso mehr heraus, weil er sich auf diese Dinge weit besser verstand als sie selbst und obendrein ein Experte in Sachen Sparsamkeit war.

Wann immer sie vorschlug, zur Abwechslung einmal auszugehen, wies er sie stets darauf hin, wie kalt und ungemütlich es draußen sei. Er hatte natürlich Recht, aber in Wahrheit wollte er wegen des Geldes nicht ausgehen. Sie sehnte sich nach einem Abend in einem warmen, fröhlichen Pub, nach der Gesellschaft anderer Menschen und ein wenig Spaß, und sie vermisste ihre alten Freunde schrecklich.

Sie wünschte jetzt, sie hätte sie nicht so übereilt fallen lassen, als sie Dan begegnet war. Sie hatte stets nur Verachtung für Mädchen gehabt, die ihre alten Freunde vergaßen, sobald sie einen neuen Freund fanden, und doch hatte sie sich ebenso verhalten. Nun gut, einige von ihnen hatten tatsächlich ihren Müttern gegenüber indiskrete Bemerkungen fallen lassen, die ihren Weg zurück zu Clara gefunden hatten, aber in Wirklichkeit hatte sie Dan nur nicht mit irgendjemandem teilen wollen.

Jetzt begriff sie, was für ein Fehler das gewesen war, denn diese Freunde hätten auch Verbündete sein können. Fast all ihre Mütter verkehrten mit Clara, und wenn sie Dan gemocht hätten, hätten sie Clara vielleicht zum Einlenken bewegen können. Indem sie sich von allen abgesondert hatte, hatte sie unbeabsichtigt den Eindruck vermittelt, etwas stimme nicht mit Dan.

Ja, sie war allein für den Verlust ihrer Freunde verantwortlich, das wusste Fifi, doch jetzt, da sie sich so elend fühlte, ertappte sie sich dabei, wie sie Dan die Schuld daran gab, weil er sich an dem einen Abend, an dem sich die ganze Truppe in der Wohnung eingefunden hatte, nicht allzu freundlich gezeigt hatte.

Eines Abends kurz nach ihrer Hochzeit war zu später Stunde, nachdem die Pubs geschlossen hatten, eine ganze Gruppe ihrer Freunde in der Wohnung erschienen, darunter auch Carol, das Mädchen, das Fifi an dem Abend versetzt hatte, als sie Dan zum ersten Mal begegnet war.

Sie und Dan hatten gerade ins Bett gehen wollen, und die Wohnung war nicht allzu ordentlich gewesen. Dan meinte später, ihre Freunde seien unhöflich gewesen und offensichtlich nur vorbeigekommen, um ihn unter die Lupe zu nehmen. Er war sehr schroff zu ihnen gewesen, weil sie alle betrunken durch die Wohnung gestolpert waren, einige Dinge umgeworfen und dabei eine Menge Lärm verursacht hatten. Es war Fifi furchtbar peinlich gewesen, als Dan sie zum Gehen aufgefordert hatte, und sie hatte einige bissige Bemerkungen über ihn gehört, als ihre Freunde die Treppe hinuntergetaumelt waren. Seither hatte sie keinen von ihnen mehr zu Gesicht bekommen.

Nicht einmal Patty kam noch vorbei. Obwohl Fifi genau wusste, dass das nur an dem schlechten Wetter und nicht an irgendwelchen Zwistigkeiten lag, verstärkte dieser Umstand noch ihr Gefühl, vollkommen einsam und ohne Freunde dazustehen.

Aus zwei Wochen wurden drei und vier, und es gab noch immer keine Hoffnung für Dan, bald wieder arbeiten zu können. Fifi dachte sehnsüchtig an ihr früheres Zuhause, an Sonntagsbraten und an ihre Mutter, die ihre Kleider für sie gewaschen und gebügelt hatte. In schlechten Augenblicken ertappte sie sich sogar dabei, dass sie bedauerte, sich so Hals über Kopf in die Ehe gestürzt zu haben.

Als Dan Ende Februar sieben Wochen ohne Arbeit gewesen war, schrieb ihm die Baugesellschaft, dass sie ihn nach Wiederaufnahme der Arbeiten nicht länger beschäftigen würden. Sie erklärten, aufgrund der langen Schlechtwetterperiode Sparmaßnahmen ergreifen zu müssen, was sich am günstigsten regeln ließ, indem sie ihren älteren Angestellten die Möglichkeit boten, Überstunden zu machen.

Dan war fuchsteufelswild deswegen. »Bastarde!«, rief er. »Ich hätte die ganze Zeit über schon in einem Lagerhaus oder Gott weiß wo arbeiten können. Was soll ich jetzt tun?«

»Dir einen Job in einem Lagerhaus suchen?«, schlug Fifi ohne jedes Mitgefühl vor.

»Ich bin Maurer«, fuhr er sie an. »Und zwar ein verdammt guter. Ich habe keine Lust, Lastwagen zu beladen oder Böden zu kehren.«

»Das schlechte Wetter kann nicht mehr lange anhalten«, sagte sie hoffnungsvoll, obwohl die Wettervorhersage diesbezüglich wenig Anlass zu Optimismus gab. »Sobald es Frühling wird, werden die Bauarbeiten wieder in Gang kommen.«

»Und in der Zwischenzeit muss ich wie ein Zuhälter von deinem Lohn leben«, wütete er mit zornrotem Gesicht. »Ich kann es mir nicht einmal leisten, einen Fernseher zu kaufen oder in einen Pub zu gehen. Deine Eltern werden überglücklich sein, wenn sich herausstellt, dass sie Recht hatten, was mich betrifft.«

Mit einem Mal waren sie mitten in einem Streit. Fifi blaffte ihn an, seiner schlechten Laune müde zu sein, da schließlich nichts von all dem ihre Schuld sei.

»Du benimmst dich wie ein verwöhntes Kind, das erwartet, dass alles wie im Märchenland ist«, entgegnete er aufgebracht.

Ihre Bemerkungen wurden von Minute zu Minute gehässiger, und es kam alles zur Sprache, was ihnen einfiel, Dans Neigung, Müll mit nach Hause zu bringen, ebenso wie Fifis mangelnde hausfraulichen Fähigkeiten.

»Du bist so unordentlich und schmutzig«, fuhr Dan sie an. »Und du sitzt auf einem hohen Ross, nur weil dein Vater ein beschissener Professor ist, aber wenn ich nicht hier putzen würde, würden wir in einem Schweinestall leben.«

»Was genau der richtige Platz für dich wäre«, schleuderte sie ihm entgegen. »Du isst mit offenem Mund und stützt die Ellbogen auf den Tisch. Du hältst ja nicht mal Messer und Gabel richtig.«

Sie war über sich selbst erschrocken, dass sie etwas so Boshaftes sagen konnte, doch er gab ihr keine Chance, es zurückzunehmen.

»Nun, es tut mir leid, wenn ich dein Feingefühl verletze«, schrie er sie mit flammenden Augen an, »aber während du all diese Dinge bei deinen behaglichen kleinen Teegesellschaften gelernt hast, musste ich in der Wäscherei des Kinderheims und draußen im Garten arbeiten. Du hast dein ganzes verdammtes Leben lang in einem Wolkenkuckucksheim verbracht und niemals auch nur einen Tag lang echte Not kennen gelernt.«

Dieser Abend war der erste, an dem sie ohne einen Gutenachtkuss zu Bett gingen. Fifi lag, Dan den Rücken zugewandt, in sich zusammengerollt da und schäumte vor Groll darüber, dass er es gewagt hatte, sie zu kritisieren. Sie erwartete vollauf, dass er sich entschuldigen und sie an sich ziehen würde, und als er es unterließ, verwandelte sich ihr Groll zunehmend in Verbitterung.

Sie hatte sich keine neuen Kleider kaufen oder zum Frisör gehen können. Sie hatte es satt, keinen Fernseher zu haben und sich nicht einmal eine Kinokarte leisten zu können. Sie hatte für Dan alles aufgegeben, und so dankte er es ihr!

Die nächsten drei Wochen waren so schrecklich, dass Fifi sogar daran dachte, nach Hause zurückzugehen. Dan war den ganzen Tag unterwegs, um nach einer Arbeit zu suchen, und als er nichts finden konnte – nicht einmal einen Job in einem Lagerhaus –, wurde er immer mürrischer und verdrossener. Es gab weitere Streitereien und wütendes Schweigen, und sie schliefen nicht einmal mehr miteinander.

Eines Abends, am Tag, bevor Fifis Lohn ausgezahlt wurde, fiel plötzlich der Strom aus. Keiner von ihnen hatte noch Geld für den Stromzähler; sie konnten weder den Eintopf vom vergangenen Abend aufwärmen noch sich eine Tasse Tee kochen. Ohne Heizung oder Licht blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu Bett zu gehen.

Fifi begann zu weinen, weil sie ihre letzten Schillinge am Mittag für Strümpfe und Zeitschriften ausgegeben hatte. Jetzt fühlte sie sich schuldig, weil Dan aufgrund ihrer Selbstsucht hungrig zu Bett gehen und den nächsten Tag ohne eine Tasse Tee oder auch nur heißes Wasser zum Rasieren würde beginnen müssen. Sie sprudelte mit ihrem Kummer heraus. »Ach, mir tut es so leid, Dan!«, endete sie.

Er nahm sie in die Arme. »Es spielt keine Rolle«, erklärte er, und sie stellte zu ihrer Überraschung fest, dass auch sein Gesicht nass von Tränen war. »Es ist nicht deine Schuld«, erklärte er. »Ich habe den größten Teil meines Lebens so gelebt, aber jetzt sieht es so aus, als müsstest du meinetwegen ebenfalls so leben.«

Er hielt sie fest umschlungen, strich ihr das Haar glatt und sagte ihr, wie sehr er sie liebe. »Aber sieh nur, was ich dir angetan habe! Deine Familie und deine Freunde haben sich von dir losgesagt, aber mich behältst du. Ich bin vollkommen nutzlos.«

»Das stimmt nicht, Dan«, widersprach sie ihm, »ich bin lieber mit dir zusammen als mit irgendjemandem sonst auf der Welt, auch wenn wir im Augenblick ohne einen Penny dastehen.«

»Mir bleibt nichts anderes übrig, als nach London zu gehen, um dort zu arbeiten«, erwiderte er mutlos. »Ich habe heute in der Labour Exchange eine Stellenanzeige gesehen. Morgen werde ich gleich in aller Frühe hinfahren und um nähere Informationen bitten.«

»Aber das kann ich nicht ertragen«, begehrte Fifi auf, aber er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen.

»Hör mal, Fifi«, sagte er. »Ich muss etwas unternehmen, bevor alles nur noch schlimmer wird. Sehen wir den Dingen ins Auge: Seitdem wir geheiratet haben, hat nichts mehr richtig funktioniert.«

»Es ist nur der Job, mit dem du Probleme hattest«, erwiderte sie.

»Das ist es nicht, und du weißt es«, entgegnete er leise. »Du vermisst deine Familie furchtbar, genauso wie all die Freunde, die dich fallen gelassen haben. Ich könnte behaupten, keiner von ihnen sei es wert, dass du dich um ihn grämst, doch dann würden wir uns nur wieder streiten.«

»Du versuchst nicht, mir beizubringen, dass du mich verlassen willst?«, fragte sie angstvoll.

»Sei nicht dumm. Lieber würde ich deine Mutter hier in unserem Bett schlafen lassen, als dich zu verlieren. Aber wir müssen einen Ausweg finden. Wie wäre es, wenn wir beide nach London zögen und noch einmal ganz von vorn anfingen?«

»Ich könnte dich nicht begleiten, ich habe einen Job hier«, protestierte sie.

»Als Rechtsanwaltssekretärin würdest du in London mehr verdienen«, wandte er ein. »Und ich würde ebenfalls mehr verdienen. Lass uns nur einmal annehmen, ich würde allein hinfahren und uns eine Wohnung suchen, und du kommst zu mir, wenn du so weit bist?«

Fifi dachte einen Moment lang darüber nach. Die Vorstellung, nach London zu ziehen, war durchaus reizvoll. Es war eine lebhafte, aufregende Stadt, und dort war sehr viel mehr los als in Bristol. Früher einmal hätte sie sich vielleicht davor gefürchtet, ihre vertraute Umgebung zu verlassen, aber wenn sie aus Bristol fortging, würde sie auch nicht mehr so oft an ihre Eltern erinnert werden.

»Es wäre tatsächlich ein Abenteuer«, meinte sie schließlich. »Stell dir nur vor, wir könnten an einem Sommernachmittag durch den Hyde Park spazieren oder sonntags die Petticoat Lane hinunterschlendern!«

»Die Stadt ist schmutzig, laut und schnelllebig«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Die Londoner nennen die Leute aus dem Westen Englands ›Schweden‹ und glauben, wir liefen mit Strohhalmen im Mund und in Kittelschürzen herum.«

Fifi kicherte. »Von dir würden sie das bestimmt nicht denken. Sie würden dich eher fragen, wo du Pfeil und Bogen gelassen hast.«

»Also, wirst du darüber nachdenken?«

»Ich habe es mir bereits überlegt«, sagte sie. »Ja, wir werden nach London gehen, sobald du eine Wohnung für uns gefunden hast.«

Plötzlich spielte es keine Rolle mehr, dass sie im Dunkeln dalagen und sich nicht einmal eine Tasse Tee kochen konnten. Es spielte auch keine Rolle, dass ihre Familie Dan nicht billigte. Er lag neben ihr, seine Haut so weich wie die eines Kindes, und sie liebte ihn. Sie würden nach London ziehen und sich ein wunderbares Leben aufbauen. Und zur Hölle mit allen anderen.