9

Isabel verschlief den größten Teil des nächsten Tages, weil sich niemand die Mühe machte, sie zu wecken. Als sie die Treppe herunterkam, waren die alltäglichen Haushaltstätigkeiten schon voll im Gange, fast so, als ob die ausgelassenen Lustbarkeiten der vorangegangenen Nacht niemals stattgefunden hätten. »Guten Morgen, Mylady«, sagte Hannah und stellte das Frühstück vor sie hin. »Ihr müsst gut geschlafen haben.«

»Ja, zu gut«, antwortete Isabel und bemühte sich, beiläufig zu klingen. »Warum hat mich niemand früher geweckt? Die Mittagszeit muss schon vorbei sein.« Sie hatte sich besonders sorgfältig angekleidet, hatte sich versichert, dass ihr Gewand sauber und ihr Haar unter einem Tuch verborgen war, so dass sie aller äußeren Erscheinung nach dieselbe ehrbare junge Frau war, die sie alle am Abend zuvor zurückgelassen hatten. Aber sie hatte noch immer das Gefühl, als müsste sie irgendeine Art sündige Glut vertreiben, als müssten alle sie hinter ihrem Rücken anstarren, einander erschrocken darüber ansehen, dass sie sich in eine Dirne verwandelt hatte. Alles um sie herum war verändert. Wie konnte sie hoffen, es zu verbergen?

»Schon lange«, sagte Hannah lächelnd. »Brautus muss Euch mit seinen Kriegsgeschichten die halbe Nacht wachgehalten haben.«

»Nein, er ging früh zu Bett.« Sie nahm einen Bissen Brot, trotz ihrer blankliegenden Nerven ausgehungert. Tatsächlich fühlte sie sich fast empörend wohl, nur dass manche Stellen ein wenig schmerzten, aber wenn sie darüber nachdachte, würde sie gewiss heftig erröten. »Das haben wir beide getan.« Sie musste seltsam wirken, ihre Stimme klang in ihren Ohren hohl und falsch, gar nicht wie sie selbst. Aber Hannah schien es nicht zu bemerken. »Ich muss einfach müde gewesen sein.«

»Das sollte mich nicht wundern«, sagte Hannah und nahm ihre Spinnerei wieder auf, »nicht nach all den Sorgen, die Ihr in letzter Zeit hattet. Ihr seid eine sehr tapfere Frau, Mylady.«

»Es geht mir gut.« Ich bin verliebt, wollte sie hinausposaunen. Ich habe einen Geliebten, kannst du das glauben? »Wie war der Tanz?«, fragte sie stattdessen und tarnte ihr Kichern mit einem Husten.

»Oh, wir haben uns gut amüsiert, wie immer«, antwortete Hannah selbst auch mit einem geheimnisvollen Lächeln. »So gut, dass unsere Maikönigin noch nicht wieder zu Hause ist.«

»Susannah ist nicht hier?« Etwas daran ließ Isabel erschaudern, obwohl sie nicht wusste, warum.

»Keine Sorge, Mylady«, erwiderte Hannah und zwirbelte ihren Faden, offensichtlich unbekümmert, mit geübtem Geschick. »Sie hat mit einem Müllerssohn mit einem hübschen Gesicht und ohne Brüder angebandelt, sobald wir eintrafen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sie keine Zeit mehr für uns hatte. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie mit einem Ehemann aufkreuzte, bevor der Tag vorüber ist.« Da ihre Spindel voll war, zog sie den Strang ab und begann einen neuen.

»Einfach so?«, sagte Isabel lachend.

»O ja, Mylady. Wir gemeines Volk haben nicht annähernd die gleichen Probleme, einen Partner zu finden, wie der Adel«, sagte sie mit einem Lächeln, das nicht wenig Mitleid enthielt. »Wirklich, wir scheinen an jeder Ecke übereinander zu stolpern, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«

»Bei dir klingt das so romantisch.« War es das, was sie und Simon getan hatten – waren sie übereinander gestolpert? Er war der einzige Mann ihres Standes, den sie jemals gut genug kennengelernt hatte, um ans Heiraten zu denken, das stimmte, aber war das der einzige Grund, warum sie ihn gewollt hatte? Wäre er kleiner oder blonder oder heiterer gewesen, hätte sie ihn dann dennoch geliebt, nur weil er da war? Denn sie liebte ihn, dessen war sie sich sicher.

»Romanzen sind für die, die sie sich leisten können«, sagte das Dienstmädchen lachend. »Barden, überwiegend, und Königinnen. Die meisten von uns sind glücklich damit, einfach unbeschwert, sozusagen ungezwungen, zusammen zu sein. Eure Eltern waren auch so, wie ich mich erinnere.« Sie lächelte Isabel erneut zu, ein weises, mütterliches Lächeln. »Wartet nur ab, Mylady. Eines Tages werdet Ihr verstehen.«

»Glaubt Ihr?«, fragte Isabel und erwiderte das Lächeln, aber plötzlich war ihr gar nicht mehr nach Lächeln zumute. Ich muss nicht warten, um zu verstehen, wollte sie sagen. Ich weiß es bereits besser. Aber in Wahrheit wusste sie es nicht. Wenn Romanzen nur für die waren, die sie sich leisten konnten, fürchtete sie, dass sie sich tief verschuldet hatte. Sie hatte nicht mehr Recht, sich an Simon zu verschwenden, als sie das Recht hatte, einen Sprung über den Mond zu vollführen, nicht wenn sie wusste, dass er sie niemals heiraten könnte. Aber es kümmert mich nicht, dachte sie, eigensinnig und trotzig. Vielleicht machte Simon sich überhaupt nichts aus ihr, vielleicht war er verflucht, vielleicht würden sie niemals heiraten, und sie würde vielleicht als Hure in der Hölle schmoren, nachdem sie als alte Jungfer gestorben war. Aber heute kümmerte es sie nicht.

»Das glaube ich wirklich«, sagte Hannah, während Isabel sich erhob, um ihre Schale fortzuräumen. »Ihr werdet einen netten Ehemann finden, Mylady, daran hege ich keinen Zweifel.« Sie erwähnte Simon nicht, wie Isabel mit verbittertem, nach innen gerichtetem Lächeln bemerkte.

»So Gott will«, antwortete sie laut. »Ich werde dafür beten, dass Ihr Recht habt.«

»Mylady, Ihr seid wach«, sagte Kevin, der eintrat und blass wirkte. »Ihr solltet nach oben gehen.« Er sah sich in der Halle um. »Wo ist Brautus?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Isabel verwirrt. »Was ist passiert?«

»Er ist oben«, antwortete Hannah im gleichen Moment.

»Geh und hol ihn«, befahl Kevin seiner Frau, bevor er sich Isabel zuwandte. »Geht mit ihr, Mylady, und bleibt dort.«

»Das werde ich nicht tun«, erwiderte Isabel und erhob sich. »Kevin, was ist los?«

Sie glaubte einen Moment, er würde ihr die Antwort verweigern, aber da kamen Raymond und einige der anderen Männer hinter ihm herein. »Wir haben Susannah gesucht«, begann er, offenbar unglücklich.

»Habt ihr sie gefunden?«, fragte Hannah alarmiert.

»Nein«, sagte er kopfschüttelnd. »Aber wir haben drei andere gefunden.« Er nickte Raymond zu, der wieder hinausging. »Mylady, sie sind tot.« Raymond kam mit Mutter Bess herein, die sich auf einer Seite schwer auf seinen Arm und auf der anderen Seite auf ihren knorrigen Weidenstock stützte. »Ich fürchte, der Wolf ist zurückgekehrt.«

Sie beobachtete, mit Hannah an ihrer Seite, wie die Leichname hereingetragen wurden, hatte die Arme fest über der Brust verschränkt, als wollte sie einen Schrei unterdrücken. »Ihr habt sie zusammen gefunden?«, fragte sie und war darüber betroffen, dass ihre Stimme so ruhig klang.

»Ja, Mylady«, sagte Kevin, als der dritte und letzte der toten Männer vor die Feuerstelle gelegt wurde. Die ersten beiden trugen die Lederkleidung der Soldaten, mit schweren, wollenen Mänteln schottischer Webart. Sie sahen so aus, als wären sie von derselben Bestie getötet worden wie die Frau, die Isabel an der Kapelle gesehen hatte. Die Kehle des einen Mannes war fast bis auf die Knochen herausgerissen, und der andere wies unmittelbar unter dem Kinn eine tiefe Wunde in der Kehle auf. Aber der Dritte war kein Krieger. Er war mit einem fein gesponnenen Leinenhemd und einer wollenen Hose sowie einem Wams, das noch immer mit einer verwelkten Blume geschmückt war, festlich gekleidet. Er war jünger als die beiden anderen, und gutaussehend, und Isabel konnte nirgendwo an ihm Zeichen der Gewalt erkennen. Aber er war dennoch ebenfalls tot. »Sie wurden auf einer Lichtung in der Nähe des Druidenhains hergerichtet.«

»Hergerichtet?«, fragte sie.

»Ja«, erwiderte der alte Wat, dessen ledriges Gesicht noch grauer war als sein Bart. »Im Dreieck, Kopf an Fuß, die Arme ausgestreckt, so.« Er kratzte das Schema flüchtig in die Asche der Feuerstelle, aber seine Frau, Glynnis, schlug ihm den Stock mit einem Aufschrei aus der Hand.

»Alter Narr«, schalt sie und verwischte das Kratzbild mit dem Fuß.

»Der Junge ist der Müllerssohn«, sagte Tom und wirkte noch elender, als Isabel sich fühlte, während er das Gesicht des toten Mannes betrachtete.

»Der, der mit Susannah zusammen war?«, fragte Isabel und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

»Ja, er war bei ihr.« Er sah sie wieder an, ein seltsames Leuchten in den Augen. »Aber er war nicht der Einzige.«

»Was ist los?«, fragte Brautus, der in einem Tempo hereinstürmte, das seine Verletzungen nicht ahnen ließ. »Was ist geschehen?« Er sah die Leichname und blieb erschüttert stehen. »Isabel … kommt fort von hier.«

»Brautus …« Sie lief, ohne nachzudenken, zu ihm und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. »Still, still«, polterte er und hielt mit seinem gesunden Arm ihre Hand. »Ist schon gut.« Sie schlang die Arme um ihn, wollte ihm verzweifelt glauben. »Alles wird gut.«

Simon erwachte aus unruhigen Träumen und fand Orlando und Raymond, den Bauern aus den Wäldern vor, wie sie sich über ihn beugten. »Die Sonne ist untergegangen«, sagte Orlando und wirkte grimmig. Simon hatte ihn in der Dämmerung aus den Katakomben befreit, aber sie hatten kaum miteinander gesprochen. Der Vampir wollte seine Geständnisse für die Nacht aufbewahren, wenn er wachsam genug wäre, um sich zu verteidigen.

»Mylord, Ihr müsst kommen«, unterbrach Raymond seine Gedanken. »Mylady braucht Euch in der Halle.«

»Geht es ihr gut?«, fragte Simon ihn, während er sich erhob.

»Im Moment ja«, antwortete der Mann, blass und offensichtlich verängstigt. »Bitte, kommt einfach.«

Simon gelangte gerade in dem Moment in die Halle, als Isabel in die Arme des Schwarzen Ritters lief. »Mylord«, sagte Kevin offensichtlich erleichtert und kam ihm entgegen. »Christus errette uns. Kommt und seht.« Brautus sah ihn stirnrunzelnd an, als er vorüberging, und murmelte Isabel noch immer Trostworte zu, doch sie schaute nicht von seiner Schulter auf. Und als Simon die Leichname sah, war er froh darüber.

Zwei waren die Schurken, die er selbst getötet hatte, und sahen nach ihrem tot in den Wäldern verbrachten Tag nicht besser aus, aber der Anblick des dritten Mannes war aus einem unbestimmten Grund noch schlimmer, ein Mann, den er noch niemals zuvor gesehen hatte. »Wo habt ihr sie gefunden?«, fragte er und gab vor, beim Anblick der Wunde in der breiten Kehle des ersten Mannes zusammenzuzucken, als wäre nicht er derjenige gewesen, der sie ihm zugefügt hatte. »Waren sie zusammen?«

»Ja.« Kevin stand neben ihm. »Wir haben Lady Isabel gerade berichtet, dass sie in einer Art Hexenmuster in den Wäldern zurückgelassen wurden.«

»Hexen, dass ich nicht lache«, höhnte Brautus. »Ihr da, Sir Kreuzritter – ich dachte, Ihr habt diesen Wolf getötet.«

Simon erwiderte seinen Blick und unterdrückte ein Lächeln. In einer anderen Welt hätte er Brautus sehr gemocht, dachte er. »Das habe ich auch«, erwiderte er. Er untersuchte seine zweite Tötung sorgfältig, um sein Publikum zufriedenzustellen, und trat dann zu dem Einzigen, den er wirklich sehen musste, zu dem gutaussehenden Bauern. »Das hat kein Wolf getan.«

»Nein, Mylord«, sagte Wat eifrig. »Das habe ich auch gesagt – ich sagte, es sieht so aus, als wäre er vor Schreck gestorben.«

»Nein, Dad, er sieht so friedlich aus«, widersprach Kevin. »Sieh dir sein Gesicht an.« Hannah schluchzte, und Isabel stieß hinter ihnen auch einen kleinen Laut aus.

»Still«, warnte Simon und sah alle Männer, die mit einem verständigen Nicken antworteten, reihum an. »Genug.« Er wandte den Kopf des toten Mannes zu einer Seite und betete im Stillen, dass er nicht sehen würde, was zu sehen er sich fast sicher war, aber da war es, zwei winzige Einstichstellen in der Kehle.

»Seht da«, rief Kevin und zeigte hin, und Wat bekreuzigte sich mit einem geflüsterten Fluch.

»Ich sehe es.« Simon berührte die fast zierliche Wunde. Die Bissstellen waren zu nahe beieinander. Das konnte kein Biss eines Menschen gewesen sein. Aber es war fast sicher die Tötung durch einen Vampir.

»Susannah«, sagte Hannah hinter ihm. »Jemand muss sie suchen.«

»Sie suchen?«, fragte Simon und wandte sich um.

»Sie ist vom Tanz nicht zurückgekommen«, erklärte Isabel. Sie wirkte ebenso blass wie die Übrigen, aber sie drängte sich nicht mehr in Brautus’ Arme. »Unsere Leute haben sie gesucht, als sie diese Männer in der Nähe der Hütte von Mutter Bess tot in den Wäldern vorfanden.«

»Nicht einmal versteckt«, bestätigte Wat. »Draußen im Freien, damit alle Welt sie sehen konnte.«

Simon zog den Dolch aus seinem Gürtel und ließ ihn an der Brust des toten Mannes in die Haut gleiten.

»Jesus«, schrie Glynnis auf und streckte eine Hand zu ihrem Mann aus.

»Kein Blut«, sagte Wat ehrfurchtsvoll flüsternd, während er seine Frau festhielt.

»Es sollte auch nicht bluten«, sagte Isabel, während sie neben Simon trat. »Tote Menschen bluten nicht.« Sie berührte Simons Arm, nickte und wappnete sich gegen Übelkeit.

Er versenkte den Dolch in das Herz des Leichnams und drehte ihn, so dass Hannah aufschrie. Aber der erwartete Blutschwall blieb aus. Dicker, roter Schaum bildete sich rund um die Klinge, aber das war alles. Simon schaute zu Wat. »Kein Blut.«

»Gütiger Himmel«, rief Hannah und sank auf eine Bank nieder, als würden sie ihre Beine nicht mehr tragen. »Was ist das für eine Teufelei?«, fragte sie, als Kevin sich zu ihr gesellte. »Was hat Susannah fortgenommen?«

»Ich weiß es nicht, Liebes«, sagte Kevin und hielt sie fest. »Aber vielleicht geht es ihr doch gut.«

»Hoffen wir es«, stimmte Simon ihm zu und bemühte sich, aufrichtig zu klingen. Ein Vampir hatte diesen Menschen getötet, ein Vampir mit dem zarten Mund einer Frau oder eines Kindes. Hannah hatte Recht. Etwas hatte Susannah fortgenommen. »Verriegelt die Tore doppelt«, sagte er zu Brautus, während er seinen Dolch abwischte und in den Gürtel zurücksteckte. »Stellt auf der Mauer über der Zugbrücke eine Wache auf und auch innen. Behaltet den See im Auge.« Er begegnete Isabels Blick. »Ich komme zurück, sobald ich kann.«

Isabel beobachtete vor Schreck erstarrt, wie er die Halle verließ. Er konnte nicht wirklich vorhaben, einfach allein in die Dunkelheit hinauszustürmen. Orlando stand ihr genau gegenüber und betrachtete die Leichname mit der seltsamsten Miene, die sie je gesehen hatte, fast lächelnd, aber auch angstvoll. Der Zauberer schaute auf, als er ihren Blick spürte, und sein Gesicht unter dem langen, grauen Bart war aschfahl.

»Simon, warte!«, rief sie, ihre Lähmung war gewichen, als sie ihm eilig folgte.

Sie holte ihn am Eingang ein und zog ihn in die Schatten des Ganges zur Halle zurück. »Wohin willst du gehen?« Sie hielt ihn an beiden Handgelenken fest. »Wie willst du Susannah finden?«

»Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Ich werde dort beginnen, wo diese Männer gefunden wurden …« Er sah Tränen in ihren Augen. »Liebste, nein.« Er wandte sie zu sich um und hielt sie fest, spürte sie zittern, während sie sich an ihn klammerte, spürte ihre Tränen auf seiner Haut, als sie weinte, ihr Gesicht in der Öffnung seines Hemdes an seine Brust gepresst. »Schsch«, murmelte er und streichelte ihr Haar, und verzweifelte Liebe durchströmte ihn wie eine Woge. »Es ist gut.«

»Ist es nicht.« Sie klammerte sich mit aller Kraft an ihn, und ihr Herz pochte vor Angst und Liebe gleichzeitig. Sie durfte sich nicht so gehen lassen. Sie musste für Charmot tapfer sein. Aber sie wollte nicht tapfer sein. Sie wollte weinen und sich von Simon festhalten lassen. Sie wollte, dass er ihr Sicherheit gab.

»Nein«, stimmte er ihr zu und küsste sie auf die Stirn. »Aber es wird gut werden.« Plötzlich erfüllte ihn der Gedanke, dass ein weiterer Dämon versuchen könnte, hierherzukommen und seine Liebste zu bedrohen, mit einem fast rasenden Zorn. »Ich werde es finden.« Er zog sich zurück und umschloss ihr Gesicht mit den Händen, als er sein Versprechen gab. »Was auch immer im Wald ist, was auch immer Susannah genommen und ihren Geliebten ermordet hat, ich werde es finden, und ich werde es vernichten.«

»Und was ist, wenn du es nicht kannst?«, fragte sie. »Hast du Orlandos Gesicht gesehen?«

»Was?« Er ließ sie verwirrt los. »Nein. Was hat Orlando zu tun mit …«

»Er hat Angst, Simon.« Raymond ging an ihnen vorbei, eilte wahrscheinlich zur Mauer, und sie zog ihn tiefer in die Schatten. »Als die erste Frau ermordet wurde, hat Orlando kaum mit der Wimper gezuckt. Als wir ihn darauf hinwiesen, du könntest allein im Wald in Gefahr sein, verhielt er sich, als wäre es eine Art Scherz, als wäre es töricht, dass wir auch nur daran dachten. Aber nun hat er Angst.«

»Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist«, versprach Simon lächelnd.

»Frag ihn.« Als sie ihn lächeln sah, so tapfer und sorglos, konnte sie nur daran denken, wie er aussehen würde, wenn er sich irrte, wenn sein blutleerer Leichnam auf dem Boden der Halle läge, seine Kehle aufgerissen, mit blicklosen Augen, die auf die Balken über ihm starrten. »Weiß er, was die Männer getötet hat, Simon?«, fragte sie. Simon ist meine einzige Hoffnung, hatte der Zauberer ihr am ersten Morgen auf Charmot gesagt. Mein Krieger und meine Rettung. Aber was genau sollte Simon, seiner Meinung nach, bekämpfen? »Weiß Orlando, was in den Wäldern ist?«, fragte sie ihren Liebsten nun.

»Nein.« Ihre Frage traf ihn völlig unerwartet. Einen Moment wollte die Lüge kaum ausgesprochen werden. »Natürlich nicht, nicht mehr als ich selbst.«

»Bist du sicher?« Lügt er?, dachte sie. Er klang unsicher, überhaupt nicht wie sonst. Aber warum sollte er lügen? »Simon, wenn du etwas weißt, musst du es mir sagen. Du musst mich nicht beschützen. Ich bin kein …«

»Du bist kein Kind«, beendete er ihren Satz lächelnd für sie. Er legte eine Hand an ihre Wange. »Vertrau mir, Liebste. Ich weiß das.« Er küsste sie zärtlich auf die Lippen, und sie ließ es zu, erwiderte seinen Kuss. Sie wollte stark sein, wollte ihn dazu bringen, ihr die Wahrheit zu sagen, aber sie konnte nicht sicher sein, ob er sie nicht bereits gesagt hatte. Sie wollte nicht mit ihm streiten, nicht jetzt.

»Sei vorsichtig«, sagte sie, schroff vor Empfindungen, und bekämpfte den Drang, sich erneut in seine Arme zu werfen, als er sich zurückzog.

»Das werde ich«, versprach er. Er hauchte einen letzten Kuss auf ihre Stirn und verließ sie dann, folgte einem anderen Mann in den Hof.

Isabel ging in die Halle zurück, aus der gerade die Leichname fortgetragen wurden. Glynnis und Hannah drängten sich in einer Ecke zusammen. Hannah weinte. Isabel wurde das Herz auch schwer, als sie sich an den Vortag in diesem Raum erinnerte, an Susannah und daran, wie glücklich und hübsch sie gewesen war. Wie konnte sie fort sein? Welche Art Ungeheuer könnte sie verletzt haben wollen?

Mutter Bess saß am Feuer, so dicht, dass die glühenden Holzstücke ihre Röcke zu versengen drohten. Kevin hatte gesagt, die Leichname seien kaum einen Steinwurf von ihrer Haustür entfernt gefunden worden. »Mutter Bess«, sagte Isabel und trat zu ihr. »Geht es Euch gut? Braucht Ihr irgendetwas?«

Die alte Frau schaute erstaunt auf und lächelte dann. »Kommt und setzt Euch zu mir, Mylady.« Sie nahm Isabels Hand in die ihre. »Wenn ich daran denke, dass ich schon so lange lebe«, sagte sie sanft, und ihre Stimme zitterte ein wenig.

»Ihr werdet noch viel länger leben, Mutter«, sagte Isabel lächelnd.

»Tapferes, kleines Mädchen.« Sie drückte ihre Hand, bevor sie sie losließ.

»Ich bin kein kleines Mädchen mehr«, antwortete Isabel. »Und ich fühle mich nicht sehr tapfer.«

»Keine Sorge, Kind«, sagte die alte Frau nickend. »Eure Mutter hatte das zweite Gesicht, ihre Vision stimmte.« Sie berührte Isabels Wange. »Aber Ihr seid solch ein hübsches Ding.«

»Ich danke Euch.« Sie hatte in Wahrheit keine Ahnung, worüber die liebe, alte Frau sprach, aber sie vermutete, dass es nicht wirklich wichtig war. Nach all dem, was geschehen war, fühlte sie sich, als könnte sie selbst ein wenig Unsinn reden.

»Eure Mutter wusste, dass Ihr hübsch würdet«, sagte Mutter Bess und betrachtete mit Augen, die vom Alter getrübt waren, forschend ihr Gesicht. »Sie sagte, Ihr würdet den Wolf bezaubern.«

»Den Wolf?«, wiederholte Isabel. »Mutter, der Wolf ist tot. Simon hat ihn getötet, erinnert Ihr Euch?«

»Der Wolf kann nicht sterben, meine Liebe. Ihr wisst das. Selbst Euer Narr von Vater muss es Euch gesagt haben.« Der letzte der Leichname wurde an ihnen vorbeigetragen, der Soldat mit der herausgerissenen Kehle, und sie bekreuzigten sich. »Manches, was tot ist, kann sich dennoch erheben.«

»Mein Vater hätte das Aberglauben genannt, Mutter«, erwiderte Isabel lächelnd. »Ist das der Grund, warum Ihr ihn einen Narren nennt?«

»Der Normanne wollte in seinem Bett brennendes Feuer nicht sehen«, höhnte die alte Frau. »Aber Eure Mutter hat ihn geliebt. Sie wollte keinen anderen.« Eine Träne glitt ihre welke Wange hinab. »Sie wusste, er würde ihr unsere Siegerin schenken.«

Kaltes Zittern durchströmte Isabel, obwohl sie nicht hätte sagen können, warum. »Ihr müsst durcheinander sein, Mutter Bess«, sagte sie. »Was Ihr sagt, ergibt keinen Sinn. Lasst mich Euch etwas Brühe oder Wein holen …«

»Ihr braucht keine Angst zu haben, Kind«, sagte die alte Frau und umfasste mit überraschender Kraft Isabels Handgelenke. »Ihr werdet ihn letztlich besiegen.« Sie streichelte mit ihrer freien Hand Isabels Wange. »Aber ich denke, Ihr werdet um Euren Mann trauern. Ich trauere um diesen jungen Mann.«

»Simon?« Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie die Worte der Frau mit Humor genommen, ohne wirklich auf sie zu achten. Aber heute Abend kamen ihre Worte Isabels Ängsten so nahe, dass sie sie anscheinend unmittelbar ins Herz trafen. »Meint Ihr Simon?«

»Er trägt auch ein Zeichen«, sagte Mutter Bess und nickte. »Aber ich kann es nicht deuten.«

»Warum sagt Ihr, dass ich ihn betrauern werde?«, fragte sie. »Was glaubt Ihr, wird ihn verletzen?«

»Der Wolf, mein Kind«, sagte die alte Frau und klang überrascht über die Frage. »Der Wolf wird keine Rivalen dulden.«

»Es ist eine dunkle, böse Nacht, alte Mutter«, sagte Brautus. Isabel war so in das vertieft, was Mutter Bess gerade gesagt hatte, dass sie ihn nicht bemerkt hatte. »Nur eine Hütte allein ist vielleicht ein karger Schutz, meint Ihr nicht?«

Die alte Frau zog sich von Isabel zurück und sah ihn finster an. »Sagt mir, was Ihr meint«, beharrte Isabel, verwirrter denn je. »Welcher Wolf?«

»Ihr solltet in der Hölle schmoren, alter Mann«, sagte Mutter Bess. »Ihr und Euer närrischer Herr.«

»Ihr solltet ein wenig Suppe essen und Euren Knochen Ruhe gönnen«, antwortete Brautus ihr. »Und Eurer Zunge auch.«

»Sie weiß nichts?«, wollte die alte Frau wissen und deutete auf Isabel. »Ihr habt ihr nichts gesagt?«

»Und was hätte ich ihr sagen sollen?«, höhnte er. »Mylady ist zu alt für Märchen.«

»Vielleicht bin ich das nicht«, unterbrach Isabel ihn. In Wahrheit klang das, wovon auch immer das uralte Weib glaubte, dass sie es wissen solle, nicht wie ein Märchen, das sie jemals gehört hatte. »Erzählt es mir.«

»Die Dinge stehen bereits schlimm genug«, sagte Brautus. »Wir brauchen diese alte Hexe nicht, um sie noch durch einen Haufen heidnischer Torheit zu verschlimmern.«

»Erzählt es mir, Mutter Bess«, wiederholte Isabel. »Achtet nicht auf ihn. Dies ist mein Schloss, nicht seines.« Sie nahm die Hand der alten Frau. »Wer ist dieser Wolf, der nicht sterben kann?«

Die alte Frau berührte ihre Wange und lächelte. »Ihr seid Eurer Mutter so ähnlich.« Dann umwölkte sich ihre Miene, und ihr Blick stahl sich über Isabels Schulter zu Brautus. »Aber ja, ich bin hungrig«, sagte sie und ließ Isabel los. »Ich werde etwas Suppe essen.«

»Ihr werdet in der Küche gebraucht, Mylady«, sagte Brautus. Sie wandte sich um und blickte ihn erneut finster an, aber er lächelte, wirkte müde. »Ich schwöre dir, Kind, es ist nichts.« Er berührte ebenfalls ihre Wange. »Gibt es nicht bereits genug, weshalb wir uns fürchten müssen?«

Isabel wollte etwas einwenden, aber was hätte das für einen Sinn gehabt? »Ich werde Euch Suppe bringen, Mutter«, sagte sie und erhob sich. »Wie können später reden.« Sie warf Brautus einen letzten unheilvollen Blick zu und eilte zur Küche.

Als Simon zum Schloss zurückkehrte, fand er Orlando im Stall wartend vor. »Habt Ihr das Mädchen gesehen?«

»Keine Spur von ihr.« Er stieg von Malachis Rücken ab. »Wie geht es den Übrigen?«

»Ängstlich, aber ruhig.« Isabel hatte Recht, dachte Simon. Der Zauberer wirkte selbst ängstlich.

»Orlando, es ist alles in Ordnung«, sagte er und löste den Pferdesattel. »Ich habe zwei der Männer selbst getötet, und der Dritte …« Er brach ab, konnte es nicht einmal aussprechen.

»Der Dritte wurde von dem Mädchen getötet«, beendete Orlando seinen Satz für ihn. »Habt Ihr sie verwandelt?«

»Nein, ich habe Susannah letzte Nacht nicht gesehen.« Während er sein Pferd absattelte und abrieb, erklärte er, wie er die vorige Nacht verbracht hatte, angefangen mit einer leicht zensierten Version seiner Zeit mit Isabel, und endete mit dem Vampir, den er erschaffen hatte, dem Ritter, Tristan. »Er hat mich zurückgebissen«, sagte er mit ungläubigem Lächeln, noch immer schockiert, wenn er daran dachte. »Du hattest übrigens Recht. Ich hätte das niemals tun können, ohne es zu merken. Ich habe noch nie etwas Ähnliches empfunden.« Er streichelte Malachis Hals. »Tristan muss Susannah vermutlich verwandelt haben.«

»Ein neu erschaffener Vampir, dem niemand zeigt, wie er sich verhalten muss?«, sagte Orlando. »Unwahrscheinlich.« Er setzte sich schwer auf einen Heuballen und wischte sich mit einem Tuch übers Gesicht.

»Wer dann?« Simon hatte seinen kleinen Freund noch nie so besorgt erlebt, nicht einmal in der Nacht, in der sie sich kennengelernt hatten. »Orlando, was denkst du gerade?«

»Kivar.« Er schaute auf, blass und grimmig. »Es ist Lucan Kivar.«

»Das kannst du nicht ernst meinen.« Simon musste fast lachen, so absurd war der Gedanke. »Kivar ist tot …«

»Nein«, unterbrach Orlando ihn und schüttelte den Kopf. »Nicht tot, nur aus seiner festen Gestalt, aus seinem Vampirkörper vertrieben.«

»Was auf dasselbe herauskommt«, sagte Simon.

»Nein, tut es nicht.« Er nahm die Wahrsagesteine aus seiner Tasche und schüttelte sie in der Faust. »Wenn er einen anderen Wirtskörper gefunden hat, eine andere Art, eine menschliche Gestalt anzunehmen. Wenn er Euch gefunden hat …«

»Er hätte mich schon vor langer Zeit angegriffen«, erklärte Simon. »Ich stimme dir darin zu, dass hier etwas Seltsames vor sich geht, etwas sogar für uns Seltsames, aber warum sollten wir denken, es hätte mit Kivar zu tun?«

»Die Art, wie die Leichname hergerichtet wurden«, sagte Orlando. »Zwei von Euch getötet, seinem Vampirsohn, und einer von einer Vampirtochter.« Er erschauderte. »Es ist ein alter Kunstgriff.« Er warf die Steine auf den strohbedeckten Boden und beugte sich einen Moment lang darüber. »Ich sehe nichts«, schloss er seufzend.

»Weil es nichts zu sehen gibt.« Simon hasste die Vorstellung, für immer an das Ungeheuer gebunden zu sein, das ihn erschaffen hatte, Kivars Vampirsohn zu sein. Er hasste es so sehr, dass Orlando vor langer Zeit gelernt hatte, es nicht mehr auszusprechen, aus Angst davor, ihn zu erzürnen. Dass er es jetzt tat, bewies nur, wie besorgt er war. »Dieses Muster ist hier auch bekannt, weißt du«, sagte er. »Diese Menschen stammen von den Druiden ab, erinnerst du dich? Ein einheimischer Vampir könnte ihn für einen Zauberer halten, könnte versuchen, diese alte Magie zu benutzen, um sich selbst zu heilen oder mehr Macht zu erlangen.« Aber bei Tristan war es komplizierter, dachte er gegen seinen Willen. »Auf jeden Fall sollten wir diese Leichname heute Nacht gut im Auge behalten.«

»Ja.« Orlando nahm die Steine hoch. »Dann kommt.«

»Du gehst. Ich komme nach.« Er kraulte Malachi zwischen den Ohren, bevor er den Stall verließ. »Ich möchte sichergehen, dass es Isabel gut geht.«

Isabel schritt in ihrem Turmzimmer auf und ab und hatte ein Dutzend verschiedener Schreckensszenarien im Sinn. Sie öffnete schwungvoll die Tür und lief eilig in den Flur, sobald sie Simons Schritte die Treppe heraufkommen hörte. Sie warf sich in seine Arme, sobald sie ihn sah.

»Ich hatte solche Angst.« Sie klammerte sich mit aller Macht an ihn, presste ihre Wange an seine Brust. Du wirst um ihn trauern, sagte die Stimme der alten Frau in ihrem Kopf.

»Ist schon gut, Liebste«, besänftigte er. »Ist schon gut.« Er küsste sie, und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu erreichen, schlang ihre Arme um seinen Hals.

Sie küsste seine Wange, sein Kinn, seine Kehle, und die Angst wurde im Handumdrehen zu Leidenschaft, eine Art Wahnsinn von Liebenden. Er hob sie hoch, trug sie in ihr Zimmer zurück, und sie schlang auch ihre Beine um ihn.

»Hast du Susannah gefunden?«, fragte sie, während er mit dem Fuß die Tür hinter ihnen zuschob.

»Nein, Liebes.« Er küsste sie lange. »Tut mir leid …«

»Nein, es muss dir nicht leidtun.« Sie küsste ihn, presste ihren Mund auf seinen. »Du bist in Sicherheit.« Sie hielt ihn an sich gedrückt, streichelte sein Haar, schwach vor Verlangen, als er ihre Kehle küsste. »Ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist.« Er drängte sie gegen die kalte Steinmauer, seine Hüften fest gegen sie gepresst, und sie glitt seinen Körper hinab, ihre Beine noch immer um ihn geschlungen. »Ich brauche dich.« Sie zog ihren Rock hoch und schmolz dahin, als sein Mund ihren fand.

»Ich brauche dich.« Er klang genauso verzweifelt, wie sie sich fühlte, und seine Hände glitten fieberhaft über ihren Körper, grob und zärtlich zugleich, als er unter ihren Rock griff. Er presste sie fest gegen die Mauer, sein Geschlecht an ihrem Bauch, während er sie wieder hochhob. Eine heiße Woge des Verlangens durchfuhr sie wie ein Blitz und ließ sie keuchen, während sie sich küssten. Seine Hände glitten unter ihr Gesäß, hielten sie leicht fest, und sie lachte, streichelte seinen Nacken, küsste seinen Haaransatz. Er war stark. Er konnte sie ewig festhalten. Er konnte ihr Sicherheit bieten.

Sie küsste seine Lider und seine Stirn, strich mit der Nase über seine Wange, während sein Mund ihre Kehle fand und sich noch tiefer bewegte, ihre Haut mit seiner Zunge benetzte. Seine Hand streichelte ihre Haut, die Innenseite ihrer Oberschenkel, dann höher hinauf, und sie drängte sich seiner Berührung entgegen, und ihr Atem beschleunigte sich. »Ich will dich«, sagte sie und legte den Kopf auf seine Schulter, süße Wogen der Lust durchströmten sie, als seine Berührung tiefer drängte. Ihre Brüste fühlten sich angeschwollen und köstlich empfindlich an, als er sie durch ihr Gewand hindurch küsste, durch den Stoff an ihren Brustwarzen saugte, zuerst an der einen und dann an der anderen. »Ich will dich in mir spüren.«

Seine Hand öffnete ihr Geschlecht, rau vor Verlangen, und sie stöhnte an seiner Schulter, unterdrückte einen Schrei. Dann umfasste seine Hand ihre Wange, und sein Geschlecht füllte sie aus, ein einziger, atemloser Stoß, der unmittelbar ihre Seele zu berühren schien. Sie lachte, von reiner, süßer Wonne benommen, und er bewegte sich, ein stetiger, harter Rhythmus, wie der Schlag ihres Herzens. »Engel«, murmelte er, heiser vor Verlangen. »Isabel …« Ihre Hüften hoben sich ihm entgegen, passten sich seinem Rhythmus an, und er zog sie näher an sich, stieß tiefer in sie hinein, ließ sie aufschreien.

»Ja …« Sie weinte, und er drückte sie an sich und küsste ihre Wange, während sich ihre Körper noch immer wie eine Einheit bewegten. »Simon, bitte hör nicht auf.«

»Niemals.« Er küsste ihre Kehle, wurde grausam, ein Biss, und sie schrie erneut vor Wonne auf, nicht vor Schmerz. Eine andere Art Ekstase durchströmte sie, ließ sie in seinen Armen schwinden, während ihr Höhepunkt kam und ging und wieder kam. Sie starb, gewiss, aber es kümmerte sie nicht, nicht wenn er bei ihr war, nicht wenn er sie niemals wieder loslassen würde.

Simon hatte sie nicht beißen wollen, aber er konnte sich nicht beherrschen. Seine Dämonenzähne rissen an ihrer Haut, ihr Blut war auf seiner Zunge, und er empfand eine ungeahnte Wonne. Ihr Körper umschloss ihn, während er sich nährte, schmiegsam und glühend vor Liebe, ihre Seele in seinem Mund, flüssiges Feuer, wie er es schon so viele Male zuvor getrunken hatte. Aber dies war keine fremde, keine bedeutungslose Beute. Dies war Isabel, seine Liebe. Er löste seinen Mund gewaltsam von ihrer Kehle, glitt mit der Zunge über die Wunde, ein letzter Geschmacksschauer, während seine Dämonenmagie das Mal verbarg. Sie seufzte in seinen Armen, als empfände sie den Verlust ebenso tief wie er selbst, den Verlust seines Dämonenkusses. Er küsste nun stattdessen ihren Mund, verzückt und atemlos, und sein Körper erschauderte, ergoss sich in ihren.

»Simon«, murmelte sie und liebkoste mit ihren Händen sein Gesicht, während ihr Mund über seine Wange und Lippen strich. Er schlang seine Arme um sie, schmiegte seinen Körper an ihren, während er sie zum Bett trug, erdrückte sie fast unter sich, als sie darauffielen. Aber er konnte nicht bleiben. Die Dämmerung zog herauf. Er durfte nicht zulassen, dass er in ihren Armen einschlief. Er spürte Tränen in seine Augen steigen, Tränen ihres Blutes, die sie nicht sehen durfte.

»Simon?« Er erhob sich, wie sie erschreckt erkannte, verließ sie erneut. »Simon, nein.« Sie setzte sich auf, streckte die Hände nach ihm aus. »Bleib hier. Bleib bei mir.«

»Ich kann nicht.« Er klang tränenerstickt, aber sein Gesicht war abgewandt. »Es dämmert schon fast …«

»Na und?« Sie wandte sein Gesicht zu sich. »Mein Liebster, ich schwöre, es ist nicht real.« Sie küsste seine Wange, ihr Herz schmerzte vor Liebe. »Dieser Fluch ist nicht real.«

Er drückte sie einen Moment an sich, verbarg sein Gesicht an ihrer Schulter. »Ich wünschte, es wäre wahr.« Er küsste ihr Haar, kämpfte gegen die Tränen an. »Ich wünschte so sehr, es wäre wahr.«

Er hielt sie so fest, dass er ihr weh tat, aber sie konnte dennoch spüren, wie er sich entzog, sich in den Schmerz zurückzog, der sie ausschloss. »Erzähl es mir, Simon«, flehte sie, als er ihre Wange küsste. »Erzähl mir, was Orlando dir gesagt hat. Warum hat er gesagt, du seist verflucht?«

»Orlando?« Er zog sich zurück. »Nein, Liebste, es ist nicht Orlando …«

»Was dann?« Er wandte sich ab. »Simon, halt. Was soll ich tun?« Wenn er sagte, sie solle ihm fernbleiben, würde sie ihn auf der Stelle umbringen, dachte sie. »Willst du, dass du ewig mein Spielzeug bleibst, mein Geliebter, den ich im Keller halte?«, scherzte sie und berührte seine Schulter.

»Nein«, versprach er und wandte sich ihr mit bitterem Lächeln wieder zu.

»Willst du mich dann verlassen?« Ihr Gesicht wurde tiefrot, ihren Stolz hatte sie lange ignoriert, aber nicht vergessen. »Bin ich vielleicht das Spielzeug?«

»Nein.« Er kniete sich vor ihr auf den Boden und nahm ihre Hände. »Ich würde dich heiraten, Liebste, wenn ich könnte.«

»Dann tu es.« Sie dachte, sie müsse verrückt werden. Freude und Kummer waren in ihrem Herzen so ineinander verschlungen, dass sie dasselbe zu sein schienen. »Bitte mich, deine Frau zu werden.«

»Ich kann nicht.« Er küsste ihre beiden Handflächen. »Ich weiß, was du denkst …, aber du irrst dich.« Er schaute zu ihr hoch. »Wenn dieser Fluch gebrochen ist, gehöre ich dir.«

»Wenn dieser Fluch gebrochen ist.« Sie wandte den Blick ab, ihre Hände in seinem Griff kraftlos und still. »Wird das jemals geschehen?«

Wie konnte er ihr antworten?, dachte er. Er hatte zehn Jahre die Erlösung gesucht und sie nicht gefunden. Wie konnte er ihr versprechen, dass er sie jetzt finden würde? »Ich weiß es nicht.« Er erhob sich. »Ich …«

»Nicht.« Sie schaute zu ihm hoch. »Bitte, sag mir nicht, dass es dir leidtut.«

Er lächelte, aber es war kein freudiges Lächeln. »Das werde ich nicht tun.« Er beugte sich herab und küsste sie auf die Stirn. »Schlaf gut, Liebste.«

»Du auch.« Sie sah ihm nach, brauchte alle verfügbare Willenskraft, um ihm nicht nachzulaufen. Wenn dieser Fluch gebrochen ist, gehöre ich dir, hatte er versprochen. Dann würde er gebrochen werden.