Vorwort

Seit fünfundzwanzig Jahren arbeite ich als Psychoanalytiker. Ich habe Patienten in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt, in Kliniken für Psychotherapie und forensische Psychotherapie, auf Kinderstationen und Stationen für Jugendliche sowie in meiner privaten Praxis. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind zur Konsultation zu mir gekommen, zur wöchentlichen Therapiestunde oder weil sie an mich überwiesen wurden. Vorwiegend aber befasse ich mich mit der Psychoanalyse von Erwachsenen, treffe mich also mit einem Menschen über eine Reihe von Jahren vier-, fünfmal in der Woche für fünfzig Minuten. Mehr als fünfzigtausend solcher Stunden mit Patienten habe ich absolviert. Die Substanz dieser Arbeit ist die Substanz dieses Buches.

Im Folgenden werden Episoden geschildert, die aus der täglichen Praxis stammen. Aus Gründen der Diskretion wurden alle verräterischen Details geändert, doch blieben die Tatsachen unangetastet: Diese Geschichten sind wahr.

Die meisten von uns haben sich dann und wann schon einmal vom eigenen Denken und Tun blockiert gefühlt, behindert von eigenen Impulsen oder dummen Entscheidungen, gelähmt von Angst oder Traurigkeit, gefangen in der eigenen Geschichte. Wir fühlten uns unfähig, einen Schritt voranzugehen, und glaubten doch, dass es einen Weg geben muss. »Ich will mich ändern, aber nicht, wenn das Veränderung bedeutet«, hat ein Patient einmal ganz naiv erklärt. Da meine Arbeit darin besteht, Menschen zu helfen, die sich verändern wollen, handelt dieses Buch von Veränderung. Und da Veränderung und Verlust eng zusammenhängen – ohne Verlust kann es keine Veränderung geben – durchzieht Verlust dieses Buch.

Die Philosophin Simone Weil beschreibt, wie zwei Gefangene in benachbarten Zellen über einen langen Zeitraum hinweg lernen, miteinander zu reden, indem sie an die Wand klopfen. »Die Wand trennt sie und ist doch auch ihr Kommunikationsmittel«, schrieb Simone Weil. »Jede Trennung ist eine Verbindung.«

Dieses Buch handelt von dieser Mauer. Es geht um unseren Wunsch zu reden, zu verstehen und verstanden zu werden. Es geht aber auch ums Zuhören, nicht nur darum, den Worten zu lauschen, sondern auch um die Stille, die Lücken dazwischen. Allerdings ist das, was ich hier beschreibe, kein magisches Geschehen. Es ist Teil unseres alltäglichen Lebens – wir klopfen, wir lauschen.

Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste
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