Metall und Plastik rauchten und schmolzen in dünnen Rinnsalen. Es sah aus, als habe ein Riese mit einem dicken schwarzen Bleistift das zwölf Fuß lange Gesicht der Kontrollbank bekritzelt. In Sekunden machte die Hitze des Laserstrahls Schrott aus einer Ausrüstung, die mehrere Millionen Kredits wert gewesen sein mußte und nur auf der Erde erhältlich war.
Jef starrte auf die ruinierten Instrumente. Die Ungeheuerlichkeit der Zerstörung lähmte ihn so, daß er nicht darauf reagieren konnte. Bis zu diesem Augenblick hatte er keine Sympathie für die Wild-Rancher des Oberlands gehabt; doch daß er zusehen mußte, wie diese Anlage in Sekundenschnelle vernichtet wurde, traf ihn überraschenderweise beinahe so hart, als sei er einer aus Beaus Gruppe. Er öffnete den Mund, um zu sagen, was er dachte – aber er fand keine Worte, die der Situation angemessen gewesen wären.
Dann fiel ihm etwas anderes ein.
„Dann sind es also die Stadtleute und die Wisentbesitzer, für die Sie arbeiten, und nicht diese Wild-Rancher“, sagte Jef.
„Aber, Herr Robini“, meinte Martin ruhig, „was macht Sie denn so sicher, daß sich dieser Planet Everon sauber in zwei Lager spalten läßt? Und außerdem, was macht Sie so sicher, daß ich für eines der beiden Lager arbeite, statt einfach meine Pflicht als John Smith zu erfüllen und das zu tun, was für alle selbst das beste ist?“
„Sie wollen mir doch nicht immer noch vormachen, Sie seien ein John Smith?“ fragte Jef zurück. „Der Konnetabel hat Ihre richtigen Papier gesehen. Und ich auch.“
Martin nickte.
„An jenem Abend, als ich unten beim Diner war, natürlich.“ Er musterte Jef, und Jef, dem plötzlich einfiel, wie er mit Mikeys Hilfe die Tür von Martins Zimmer bezwungen hatte, geriet in Verlegenheit.
„Schon gut“, brummte er. „Ich bin nicht stolz darauf, daß ich in Ihrem Gepäck geschnüffelt habe. Aber ich war der Meinung, ich müsse mehr über Sie wissen – rein der Selbsterhaltung wegen. Wie dem auch sei, ich habe Ihre regulären Papiere gesehen.“
„Meine regulären Papiere? Na, so was!“ sagte Martin. „Sie wissen doch bestimmt – und falls Sie es vorher nicht gewußt hatten, so habe ich es doch Ihnen gegenüber erwähnt –, daß ein John Smith wie ich viele Namen, viele Identitäten hat, je nachdem, wie seine Arbeit es erfordert. Daran sollten Sie sich erinnern, und Konnetabel Avery Armage auch.“
„Ich glaube, Armage hat sich sein Urteil über Sie bereits gebildet“, erwiderte Jef. „Jedenfalls klang es ganz so, als er mit mir im Posten Fünfzig sprach.“
„Ah, dann war er dort, bevor Sie entflohen?“
„Ja – woher wissen Sie, daß ich entflohen bin?“ Jef durchbohrte ihn mit seinen Blicken. „Woher wußten Sie, daß man mich dort festgehalten hat?“
„Es gehört zu meinem Job, einiges zu wissen“, entgegnete Martin. „Tatsächlich war ich selbst schon unterwegs, um Sie zu befreien, aber ich erfuhr, daß Ihnen von anderer Stelle geholfen wurde, bevor ich eintraf. Was hat der gute Konnetabel denn zu Ihnen gesagt?“
„Er wollte etwas über Sie erfahren. Er gab sich den Anschein, als halte er mich für eine Art Partner von Ihnen“, antwortete Jef. „Aber ich glaube, er wußte es besser. Er dachte nur, ich sei noch so frisch vom Raumschiff weg, daß er mich durch einen Bluff dahin bringen könne, ihm alles zu erzählen, was ich wußte.“
„Und sein Bluff hat nicht funktioniert?“
„Ich deutete an, er werde selbst vor Gericht gestellt werden, wenn er mich nicht freigäbe.“
„Doch statt zu warten, bis er Sie freigab …“ – Martin sah ihn scharf an – „… zogen Sie es vor, zu fliehen – vor einem Planeten-Konnetabel.“
„Ich glaube, er steckt selbst bis über beide Ohren in einer illegalen Sache“, erklärte Jef geradeheraus. „Jedenfalls bot sich mir eine Gelegenheit, Posten Fünfzig zu verlassen, und ich ergriff sie.“
„Sie setzen mich in Erstaunen, Herr Robini“, bemerkte Martin im Plauderton. „Sie haben einen Sinn für das Praktische, den ich in Ihnen nicht vermutet hätte. Ich rate Ihnen, ihn jetzt anzuwenden und den Staub dieses Lagers von Ihren Füßen zu schütteln.“
„Ich bin hier, um Beau zu sprechen, und ich habe ihn noch nicht gesehen.“
„Sie wären gut beraten, wenn Sie ihn überhaupt nicht sähen. Ich bin selbst dabei, mich von hier zu entfernen …“
„Das wundert mich gar nicht.“ Jef blickte auf die ruinierte Kontrollbank.
„Andernfalls würden Sie in meiner Achtung auch sehr sinken, Herr Robini. Nun schlage ich vor, daß Sie mir sechzig Sekunden Vorsprung lassen und sich dann in der ersten Richtung, die Ihnen anziehend erscheint, in den Wald stürzen. Ihr Maolot und andere treue Freunde werden Sie vor Sonnenaufgang finden, und bis dahin sollten Sie eine sichere Entfernung zwischen sich und dieses Lager gelegt haben.“
Mit diesen letzten Worten trat Martin in die Dunkelheit des Vorraums und verschwand buchstäblich. Jef strengte die Augen an, um irgendein Zeichen zu sehen, daß die Außentür sich öffnete und ihn hinausließ, aber wegen der Helligkeit des Kommunikationsraums war das nicht möglich. Jef sah auf seine Uhr. In der jetzt eingetretenen Stille hörte er das schnelle Klopfen seines eigenen Herzens. Er konnte hier nicht weg. Er wollte hier auch nicht weg und damit seine einzige Chance aufgeben, herauszufinden, was Will in Wirklichkeit zugestoßen war.
Wieder warf er einen Blick auf seine Uhr. Etwas mehr als eine Minute war vergangen. Er machte einen Schritt auf den Korridor zu – und Bill Eschak materialisierte sich im Eingang am anderen Ende. Jef blieb stehen.
Bill kam herein und ließ ihn dabei die ganze Zeit nicht aus dem Auge. Dann erreichte er den Eingang zum Kommunikationsraum, und sein Blick wanderte an Jef vorbei auf die Einrichtung. Sein Gesicht wurde oberhalb des Bartes blaß.
Er drehte sich um und sah Jef von neuem gerade ins Gesicht, und Jef fühlte, wie ihm der Atem in der Brust stockte. Jetzt wurden Bills Augen dem Ruf gerecht, den Jarji ihm zugeschrieben hatte. Aber er drehte sich nur um und ging zu einem kleinen Telefonapparat an einer der Seitenwände. Er nahm ihn herab und drückte den Rufknopf mehrere Male.
„Beau?“ fragte er nach einer Sekunde. „Ich habe ihn gefunden – im Hinterraum des Lagerhauses. Ja, richtig … ich habe draußen nach ihm gesucht und meinte, jemanden in diese Richtung gehen zu sehen. Folglich kontrollierte ich die Vordertür, als ich am Lagerhaus angekommen war, und sie war aufgebrochen. Beau, die Ausrüstung ist ruiniert. Mit einem Laser in Streifen geschnitten.“
„Das war ich nicht“, fiel Jef ein. „Ein Mann namens Martin Curragh, der sich als ein John Smith ausgibt, hat sie zerstört. – Hören Sie das?“
Selbst Jefs von der Zivilisation abgestumpfte Ohren konnten durch die dicken, aus Holzstämmen bestehenden Wände das schwache Summen des Verbrennungsmotors eines kleinen Flugzeugs hören. Das Geräusch war plötzlich aufgeklungen und erstarb jetzt wieder sehr schnell.
Mit brennenden Augen sah Bill über den Telefonapparat hinweg zu Jef hin.
„Hast du das Flugzeug gehört, Beau?“ sprach Bill in den Hörer. „Robini sagt, Curragh hat es getan – und mit dem Flugzeug wird er sich gerade davongemacht haben. Bestimmt hat er einen unserer Vögel genommen. Er konnte es ja nicht riskieren, eine eigene Maschine dicht am Lager zu landen, denn dann hätten wir sie gehört. Soll ich Robini verhören? Nein, ich hatte keine Ahnung von Curragh … ja, gut. Gut, wenn du es so wünschst, Beau. Wir warten hier.“
Er stellte den Apparat zurück. Sie warteten.
Ein paar Minuten später hörten sie Schritte von mit Stiefeln versehenen Füßen in der Dunkelheit des Vorraums, und ein Mann trat ein, neben dem Bill wie ein Zwerg aussah – ein Mann, der sogar noch größer war als der Konnetabel.
Der Neuankömmling trug wie Bill einen Bart, aber seiner war eine gewaltige rote Masse, die in Kaskaden bis zur Mitte der breiten Vorderfront seiner dicken, rustikalen Jacke fiel. Eine gestrickte braune Strumpfmütze saß auf einer Haarmähne, die so rot war wie der Bart. Der allgemeine Eindruck, den er hervorrief, war der eines großen Tieres mit rotem Fell. Er warf einen schnellen Blick auf die zerstörte Einrichtung und blieb dann stehen und sah Jef an. Eine Sekunde wirkten die Augen in dem breiten Gesicht wie Scherben von grünem Flaschenglas. Dann wurden sie plötzlich weicher, und sein Bart teilte sich in einem Lächeln.
„Hallo, Jef“, sagte er in einem weichen Bariton. Er streckte eine riesige Pranke aus. „Wie geht es dir? Bill, ich muß mich über dich wundern. Will Robinis Bruder würde uns niemals so etwas antun. Will war ein Freund von mir, Jef. Ich möchte, daß du das weißt. Ich wäre nicht so hereingekommen, wie ich es gerade getan habe, wenn ich nicht gedacht hätte, du wärest jemand, der sich nur für Wills Bruder ausgibt. Aber du bist ein naher Verwandter, das beweist mir der erste Blick. Du kannst gar kein anderer sein mit diesem Gesicht.“
„Natürlich nicht“, antwortete Jef vorsichtig. Seine Nerven waren zu angespannt gewesen, als daß er sich jetzt schnell hätte entspannen können, auch wenn ihm Beau offensichtlich freundlich gesinnt war.
„Du sagst, Martin Curragh hat den Schaden hier angerichtet?“ fuhr Beau fort.
„So ist es“, bestätigte Jef. Er erzählte dem großen Mann die Geschichte, wie er Martin kennengelernt hatte, und endete mit seiner eben erst gemachten Entdeckung, daß Martin ihn absichtlich dem Konnetabel in die Hände gespielt hatte.
Als er fertig war, nahm Beau seine Strumpfmütze ab und fuhr sich mit den Fingern durch die Haarmassen. Eine Sekunde lang ließ diese Bewegung ihn müde und viel älter erscheinen. Dann setzte er die Mütze wieder auf und war von neuem ein Bild imposanter Tatkraft.
„Und du hast keine Ahnung, wohin er will oder mit wem er zusammenarbeitet?“ erkundigte sich Beau.
„Nein. Ich meine, ich weiß nicht, wohin er will. Ich beschuldigte ihn, für die Wisent-Rancher und die Stadtleute zu arbeiten, und er sagte, sie glaubten nur, er arbeite für sie – du weißt doch, ich habe es gerade erzählt.“
„Das hast du.“ Beau blickte wieder zu der ruinierten Kommunikationswand hin. „Wir haben einen Fehler gemacht, als wir Curraghs Hilfe annahmen. Weißt du, Jef, es wäre viel leichter für uns, wenn dein Bruder noch am Leben wäre. Er hatte die Erfahrung, mit einer solchen Anlage umzugehen, und ihm hätten wir vertrauen können.“
„Will?“ Das war für Jef ein neuer Schock. Was Beau sagte, ergab keinen Sinn. „Aber ihr plant, Antilopen-Embryos einzuschmuggeln. Das wird das natürliche ökologische Gleichgewicht hier stören. Es ist gegen die Vorschriften des Ökokorps. Will hat für das Ökokorps gearbeitet.“
„Er war mein Freund“, brummte Beau. „Er war einer von uns.“
„Ich weiß, aber …“ Jef suchte nach Worten, die klar ausdrückten, was er meinte, ohne Beau und die anderen Wild-Rancher im allgemeinen zu beleidigen. „Will hätte so etwas nicht getan. Er glaubte an das Ökokorps und seine Vorschriften. Ganz gleich, wie gut ihr befreundet wart, er hätte nicht gegen die Vorschriften …“
„Hör mir zu!“ verlangte Beau energisch. „Ich sagte, er wäre der richtige Mann dafür gewesen; ich habe nicht gesagt, er wäre einverstanden gewesen, es zu tun. Das war damals, ehe wir noch an … an all das gedacht haben. Aber schon damals wußte er, daß die Wisent-Rancher hinter der Vergiftung unserer Antilopen stecken. Er hatte die Absicht, dem Ökokorps in unserem Namen eine Beschwerde vorzulegen.“
„Will wollte eine Beschwerde vorbringen?“
„Ja, das wollte er“, sagte Beau, „auch wenn ich ihm sagte, es sei dafür schon zu spät. Wenn das Ökokorps hier auftauchte, könnte es die Wisent-Rancher nur noch daran hindern, ihre Gebiete durch Abholzen unserer Wälder noch weiter auszudehnen. Hätte es sich um die Anzeige eines Verbrechens gehandelt oder etwas, das mit Außenweltlern zu tun hatte, dann wäre es anders gewesen. Aber wir hatten bereits die Zweite Hypothek bekommen. Sogar schon vor acht Jahren waren uns die Wisent-Rancher zu weit voraus.“
„Was meinst du mit ,zu weit voraus’?“ erkundigte sich Jef.
„Ich meine, wir haben auf die Tatsache, daß sie unsere Antilopen vergifteten, um sich einen Vorwand zu verschaffen, unsern Wald auf legale Weise abzuholzen, zu langsam reagiert“, erklärte Beau. „Sie hatten schon zuviel Land gerodet. Everon steuert bereits darauf zu, nichts als ein Weideplanet für Wisente zu werden, und entwickelt eine Monokultur. Die einzige Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten, ist die Einfuhr von genügend Antilopen, um wieder Gewicht auf die andere Waagschale zu legen.“
„Damit es zu einer einseitigen Wirtschaft ausschließlich mit Antilopen kommt?“
Beaus Gesicht wurde hart.
„Ich versuche, dir die Dinge zu erklären. Willst du jetzt zuhören oder nicht?“
„Ich höre zu“, versicherte Jef. „Aber warum wollte Will überhaupt Klage erheben? Ich hätte gedacht …“
„Er verschwand, bevor er es tun konnte.“ Beaus Augen begegneten offen Jefs Blick. „Das ist alles, was ich weiß. Alles, was irgend jemand weiß. Er brach hier auf und wollte zurück zu seinem Büro am Raumhafen – das Wochenende war gerade vorbei –, aber er ist am Raumhafen nie aufgetaucht.“
„Und keiner von euch hat nach ihm gesucht?“ fragte Jef.
„Rede keinen Unsinn! Natürlich haben wir nach ihm gesucht“, brummte Beau. „Wir haben Männer, die sich darauf verstehen, Spuren zu lesen. Wir verfolgten seinen Weg bis hinunter in die Ebene, und dann verloren wir die Fährte an einer Stelle, wo eine ganze Wisentherde meilenweit in die gleiche Richtung gelaufen war.“
„Verstehe“, sagte Jef. „Wenn du Mikey und mir jetzt nur zeigen würdest, wo …“
„Nicht jetzt.“ Mit einer schnellen, plötzlichen Bewegung stand Beau auf. „Soviel an Erklärung war ich dir schuldig. Aber nun müssen wir uns um unsere eigenen Probleme kümmern. Das Schiff mit den Embryos ist immer noch oben im Orbit, und die Anlage, mit der wir es hier in den Wäldern hätten landen können, ist nicht mehr zu reparieren.“
„Wir sind aufgeschmissen“, bemerkte Bill Eschak.
Beau schüttelte den Kopf wie ein rotpelziger Bär.
„Noch nicht. Wir dürfen die Antilopen nicht jetzt noch verlieren. Es gibt auf diesem Planeten eine zweite Anlage, die das Schiff hier bei uns auf die Oberfläche herunterholen kann, und das ist die Kontrolle am regulären Raumhafen.“
Bill musterte ihn.
„Wer wird sie bedienen?“ fragte der graubärtige Mann.
„Curragh“, antwortete Beau. „Wir brauchen nichts weiter zu tun, als den Raumhafen für höchstens eine Stunde zu besetzen. Dann haben wir ihm genügend Zeit dafür gegeben.“
„Ich …“ Jef hatte Hemmungen, sich in das Gespräch der beiden anderen einzumischen, aber es erschien ihm notwendig. „Ich glaube nicht, daß Martin es für euch tun wird.“
„Wir werden ihn dafür bezahlen“, erklärte Beau kurz. „Wenn er uns ans Unterland verkauft hat, ist er käuflich. Wir werden ihm seinen Preis zahlen.“
Bill gab sein beinahe geräuschloses Lachen von sich. „Oder wir werden ihn vor eine Wahl stellen.“
Beau warf seinem Leutnant einen etwas verdrießlichen Blick zu.
„Ich denke, wir können einen Preis nennen, für den dieser Mann zu haben sein wird.“ Er wandte sich wieder an Jef. „Was meinst du, wo könnten wir Curragh jetzt finden?“
„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte Jef. Er dachte nach. „Wenn ich raten soll, würde ich sagen: Da er für die Stadtleute gearbeitet hat, wird er zum Konnetabel unterwegs sein.“
„Das glaube ich auch“, sagte Beau zu Bill. „In den Wäldern gibt es keine Stelle, wo er sicher landen könnte. Da laufen zu viele von uns herum. Und in der Ebene geht es auch nicht und ebensowenig wird er sich offen in der Stadt zeigen wollen, wo man ihn erkennen und die Nachricht an uns weitergeben könnte. Er wird mit Avery Armage an irgendeinem versteckten Ort zusammentreffen. Aber wo?“
„Im Haus des Konnetabels vor der Stadt“, meinte Bill. „Da ist es hübsch ruhig, und sie haben viel Platz, um andere Leute über Nacht aufzunehmen, falls sie einen ganzen Haufen zusammenholen wollen.“
„Wie viele startbereite Flugzeuge haben wir?“
„Nun, die üblichen fünf, Beau. Aber die Kuriermaschine braucht nur routinemäßig überholt zu werden. Wir könnten sie auftanken.“
„Das macht fünfzehn Personen.“ Beau dachte eine Minute lang nach. „Ich glaube, wir können das Gebäude mit fünfzehn Mann angreifen.“
Erst jetzt schien er sich dessen bewußt zu werden, daß Jef immer noch da war.
„Oh, Jef“, sagte er, „wir müssen dich für ein paar Tage hier unterbringen, bis ich Zeit finde, mit dir über Will zu sprechen. Du findest doch allein in dein Zimmer zurück?“
„Du hast ihn noch gar nicht gefragt, wie er hierhergekommen ist“, warf Bill ein.
Jef hatte inzwischen Zeit gehabt, sich eine Antwort auf diese Frage zu überlegen.
„Ich meinte, draußen Mikey – das ist mein junger Maolot – zu hören. Mikey ist gestern fortgelaufen. Ich ging hinaus, um zu sehen, ob ich ihn einfangen könne, und ging im Dunkeln in der falschen Richtung zurück. Ich dachte, dieses Gebäude sei dasjenige, in dem ich geschlafen hatte, und dann, als ich bemerkte, daß die Tür offenstand und daß es nicht das richtige Haus war, sah ich hier hinten ein Licht. Ich trat ein und hielt nach jemandem Ausschau, der mir sagen konnte, wie ich wieder in mein Zimmer zurückfände.“
„Klar“, sagte Beau ein wenig ungeduldig. „Bill, geh doch bitte mit Jef an die Tür und zeige ihm das richtige Haus.“
Bill nickte und ging auf die Tür zu. Jef wollte dem älteren Mann gerade folgen, als ihm eine Frage in den Sinn kam. Ihm war wahrlich oft genug vom Fragenstellen abgeraten worden, aber diese eine schien harmlos zu sein.
Er wandte sich noch einmal zu Beau zurück. „Sag mal, wirken die einheimischen Pflanzen, die für irdische Tiere unbekömmlich sind, nur auf die Variform-Tiere von der Erde schädlich oder auch auf die Everon-Tiere? Ich dachte gerade daran, daß Mikey in letzter Zeit alles gefressen hat, was er finden konnte. Da er auf der Erde aufgewachsen ist, fehlt ihm vielleicht der Instinkt, der ein Everon-Tier Dinge verschmähen läßt, die für es ungesund sind …“
„Nein, nein“, antwortete Beau. Bill war stehen geblieben und hatte sich wieder zu ihnen umgedreht. „Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Ganz und gar nicht. Nichts kann einen Maolot vergiften. Sie können alles fressen. Die Wisent-Rancher haben alles unter der Sonne versucht. Einen Maolot kann man kaum anders aufhalten, als daß man ihn erschießt.“
„So ist es“, bestätigte Bill.
Beaus Ton war beruhigend und völlig überzeugend gewesen. Aber in Bills Stimme klang plötzlich eine neue Note mit.
„Ich würde mir an deiner Stelle darüber keine Gedanken machen“, fuhr Beau freundschaftlich fort. „Weißt du – mir fällt gerade ein, Bill, du solltest Jef doch lieber bis an die Tür seines Hauses zurückbringen. Er soll sich doch nicht wieder verlaufen.“
„Es ist mir ein Vergnügen“, meinte Bill. „Komm, Robini.“
Er ging voraus. Jef folgte ihm. Aber in dieser Antwort hatte er wieder den seltsamen Unterton wie bei der vorherigen Bemerkung Bills verspürt. Verspätet gellten Alarmsignale in seinem Gehirn auf. In der kurzen Zeit, die er brauchte, um dem anderen bis an die Tür des Gebäudes zu folgen, verwandelte sich der neue Argwohn in Überzeugung. Ganz sicher machte ihn der Gedanke an Bills Gesichtsausdruck, als er hereingekommen war und ihn vor der vernichteten Kontrollbank gefunden hatte. Jarji hatte nicht übertrieben. Bill war nicht nur fähig, einen Mord zu begehen – offensichtlich empfand er auch noch Genuß dabei. Und es war ein langer, dunkler Weg von dem einen Gebäude zum anderen, und Beau hatte dem älteren Mann eingeschärft, Jef dürfe sich nicht wieder verlaufen. In Jefs Gedanken nahm dieser Satz jetzt den Charakter eines geheimen Befehls an.
Bill wartete außerhalb der Tür auf Jef. In der Düsternis der vom Mond nur schwach erhellten Nacht setzten sie sich in Marsch.
Nach einem halben Dutzend Schritten machte Jef einen Versuch, das Schweigen zu brechen. „Scheußlich, die Sache mit der Kontrollanlage.“
„Ja, scheußlich“, bestätigte Bill. Obwohl er an Jefs Seite ging, klang seine Stimme seltsamerweise, als habe er einigen Abstand zu ihm. Schritt für Schritt entfernten sie sich von dem Gebäude, das sie soeben verlassen hatten. Aus dem offenen Eingang fiel immer noch etwas Licht. Doch mit jedem Schritt gerieten sie tiefer in die Finsternis.
„Hast du meinen Bruder gekannt?“ fragte Jef. „Beau sagt, Will sei einer seiner besten Freunde gewesen. Dann mußt du ihn auch gekannt haben.“
„Ich habe ihn gekannt.“
Jetzt schien Bills Stimme aus einer noch größeren Entfernung zu kommen. Jef drehte den Kopf und bemerkte, daß der andere Mann ein wenig hinter ihm zurückblieb. Jef verlangsamte den Schritt, aber offenbar tat Bill das gleiche, denn er holte nicht auf.
„Warst du einer von denen, die seine Spur verfolgt haben, wie Beau erzählte?“ fragte Jef weiter.
„Nein, Robini.“ Bills Stimme klang jetzt beinahe barsch. „Ich bin ihm nicht gefolgt. Dreh dich um.“
„Warum?“ Jef blieb stehen und blickte zurück.
Bill befand sich jetzt einen ganzen Schritt hinter ihm. Er stand still. Eine Hand hatte er in sein Hemd hinter einen Knopf geschoben, der nun aufgeknöpft war.
„So ist es richtig“, sagte Bill.
Der bärtige Mann sprach mit einer eigentümlichen, dickzüngigen Langsamkeit. Mit der gleichen befremdlichen Langsamkeit zog er seine Hand wieder aus dem Hemd hervor. Jef sah die weiße Haut auf dem Handrücken in der Dunkelheit bleich aufleuchten – und dann gab es etwas wie einen kurzen Windstoß und einen schweren Aufschlag. Bill ging zu Boden. Noch in der gleichen Sekunde tauchte eine riesige Gestalt vor Jef in der Finsternis auf, ein massiger Kopf neigte sich herab, hakte mit den Zähnen in Jefs Gürtel und hob ihn mühelos in die Luft. Jef verlor den Boden unter den Füßen. Im nächsten Augenblick galoppierte die Erscheinung, die ihn gepackt hatte, mit ihm davon in den nächtlichen Wald, als sei er ein Stoffpüppchen im Maul eines verspielten Hundes.