7

 

Jef erwachte in der Morgendämmerung. Das Feuer war ausgegangen. Mikey schmiegte sich immer noch an ihn.

Steif kam Jef auf die Füße. Er zündete das Feuer wieder an und bereitete Frühstück für sie beide. Sobald die Flammen Hitze ausstrahlten und er selbst langsam wach wurde, fühlte er sich lebendiger. Ein Nebenprodukt dieser Empfindung war es jedoch, daß er merkte, wie wund sein Nacken, sein Gesicht und seine Handrücken waren. Er hatte sich auf der Erde eine ordentliche Sonnenbräune erworben, aber offenbar war die goldene Sonne von Everon etwas Besonderes. Auf der gestrigen Wanderung hatte er sich an den unbedeckten Stellen seiner Haut einen Sonnenbrand geholt. Jef kramte in der kleinen Erste-Hilfe-Tasche herum, die er im Rucksack mit sich trug, fand aber nichts gegen Sonnenbrand. Er kam sich ziemlich dumm vor, und schließlich musterte er seinen Lebensmittelvorrat. In einer Vakuum-Druckdose hatte er etwas Butter, und er bestrich die wunden Stellen damit. Mikey versuchte, ihm die Butter von den Händen zu lecken.

So bald wie möglich löschte Jef das Feuer und setzte sich in Marsch. Er hatte schlecht geschlafen, war von Zeit zu Zeit unter dem Eindruck aufgeschreckt, er habe ganz in der Nähe das Brüllen des erwachsenen Maolots gehört, war dann wieder eingenickt und hatte geträumt, das große Everon-Raubtier stehe über ihm. Aber mit dem Frühstück im Magen und der Wärme, die die körperliche Bewegung durch seinen vom Schlaf ausgekühlten und steif gewordenen Körper trieb, verblaßten die nächtlichen Träume bald.

Es war ein schöner Morgen. Der Wald war hier licht; hohe Variformen der westlichen Waldkiefer verhinderten den Wuchs von Unterholz, und die gelbleuchtenden Strahlen des Sonnenlichts fielen schräg auf den niedrigen grünen Teppich der Waldform des Moosgrases und ließen es aufleuchten. Es war beinahe wie ein Spaziergang in einem Park zu Hause auf der Erde. Die Glockenvögel riefen ringsumher fröhlich, und gelegentlich war ein kleines vorbeihuschendes einheimisches Tier zu sehen – wenn auch nicht für lange. Offenkundig verschwendeten sie alle keine Zeit dabei, diesen beiden Fremden aus dem Weg zu gehen. Jef fragte sich, wer von ihnen der Anlaß sein mochte, daß sie so schnell in Deckung gingen: Er selbst oder Mikey, so jung der Maolot auch noch war.

Aber es gab keine Möglichkeit, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Von Zeit zu Zeit zog Jef seinen Marschcomputer zu Rate, aber die rote Linie, die seine tatsächliche Route kennzeichnete, lief ständig genau neben der schwarzen Linie des vorausgeplanten Weges her. Irgendwie kam Jef etwas an dem Gebiet, das im Fenster gezeigt wurde, nicht richtig vor, aber erst als er zum vierten oder fünften Mal nachsah, wurde ihm klar, was es war.

Der Karte zufolge lag Posten Fünfzig tief im Waldgebiet, und offenes Land kam nirgends näher als zwanzig oder fünfundzwanzig Kilometer an diesen Punkt heran. Aber Jarji hatte erzählt, Beau leCourboisiers Wildranch, die in der Nähe von Posten Fünfzig gelegen hatte, sei inzwischen gerodet und zum Weideland für Wisente gemacht worden. Wenn dem so war, dann zeigte die Karte die Veränderung nicht.

Es war kaum zu glauben, daß ein bis zu zwanzig Kilometer langer Streifen eines Gebietes, das Wald gewesen war, völlig gerodet und in Wiese verwandelt worden sein sollten. Nicht, daß es technisch unmöglich gewesen wäre; auch mit der Art von Geräten, die eine neue Welt wie Everon mit der Ersten Hypothek erhielt, war es durchzuführen. Aber man konnte sich nicht vorstellen, daß auf einer so jungen Welt Wald in diesem Ausmaß absichtlich von Kolonisten zerstört wurde. Bestimmt würde das Ökokorps hier früher oder später eine Kontrolle durchführen, und bestimmt würde das Korps es niemals billigen, daß man eine so massive Einmischung in die einheimische Ökologie begangen hatte – oder?

Die Frage ging Jef im Kopf herum, ohne daß er eine Antwort darauf fand. Sie quälte ihn, bis er sich zwang, überhaupt nicht mehr daran zu denken. Glücklicherweise zeigte ihm ein Blick auf den Marschcomputer, daß er jetzt nicht einmal mehr acht Kilometer von Posten Fünfzig entfernt war. Es war bereits Vormittag des fünfundzwanzigstündigen Everon-Tages. Jef würde den Posten um die Mittagszeit erreichen, wie Jarji gesagt hatte – oder noch früher.

Jef gab das Denken auf und überließ sich der Freude an seiner Wanderung. Mikey schritt neben ihm her, offensichtlich ebenfalls entspannt und friedlich. Nur streifte er von Zeit zu Zeit leicht mit dem Kopf Jefs Hüfte, als wolle er sich vergewissern, daß Jef immer noch da war.

Etwa vier Kilometer vor Posten Fünfzig flackerte weiter weg in den Schatten der Bäume etwas Bläulichgrünes auf. Jef blieb so plötzlich stehen, daß Mikey mit ihm zusammenstieß. Eine Sekunde lang sah Jef mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in der er die Bewegung wahrgenommen hatte, doch er entdeckte nichts mehr, was ihm einen Hinweis hätte geben können.

Dann stellten sich seine Augen richtig ein, und er merkte, daß er das, was sich bewegt hatte, direkt angesehen hatte, ohne es zu erkennen, weil die Farben des stockähnlichen Körpers völlig mit dem Grün der Bäume und dem Moosgras am Boden verschmolzen.

Es war ein sogenannter Blattschleicher, eine der auf Everon einheimischen Lebensformen. Der Blattschleicher, so erinnerte Jef sich aus seinen Studien, war ein völlig harmloses, insektenähnliches Geschöpf, das von den winzigen Tierchen im Moosgras und auf den Baumstämmen lebte. Das einzig Bemerkenswerte an dem Blattschleicher war seine Größe. Er stand rund sechzig Zentimeter hoch auf seinen leuchtend blaugrünen, stockförmigen Beinen – höher als jedes Insekt der Erde. Von seinem Rücken hoben sich ein Paar Scheinflügel, die in allen Farben des Spektrums schimmerten. Während Jef hinsah, bewegte das Insekt sie in geziert anmutender Weise und prüfte die Zweige eines kleinen Busches mit seinem dunkelblauen stabförmigen Kopf.

Jef schämte sich seines kurzen Schreckens und blieb stehen, um den Blattschleicher zu bewundern. Er sah aus wie ein seltsames, unmögliches, aber wunderschönes Phantasiegeschöpf mit seinen weichen Farben und den eigentümlichen Bewegungen. Jef bemerkte, daß das Insekt plötzlich aufhörte, sich zu bewegen, und damit verschmolz es wieder fast völlig mit den Farben des Hintergrundes.

Gleichzeitig preschte Mikey mit einem Mal so plötzlich vor, daß Jef taumelte und beinahe zu Boden gefallen wäre. Eine Sekunde später brach das tiefe, rollende Brüllen eines erwachsenen Maolot-Mannes die Stille. Diesmal kam es nicht aus weiter Ferne, sondern ganz aus der Nähe.

Jef gewann das Gleichgewicht zurück und erstarrte – wie der Blattschleicher erstarrt war.

Das Brüllen erklang von neuem. Es wurde lauter, bis der ganze Wald davon zu vibrieren schien. Es kam von vorn, es kam von hinten – es war nicht festzustellen, aus welcher Richtung es kam, weil das Echo von allen Seiten hin und her geworfen wurde.

Dann erstarb es langsam. Aber auch als im Wald wieder Stille herrschte, stand Jef weiter bewegungslos wo er war, gelähmt von der Erinnerung an dieses Brüllen, das immer noch in seinem Kopf widerhallte. Allmählich klärten sich seine Gedanken. Ihm fiel ein, daß Posten Fünfzig jetzt sicher nur noch ein paar Kilometer entfernt war. Wenn er erst in Sichtweite des Postens war …

Doch als er sich gerade wieder in Bewegung setzen wollte, bannte ihn ein neuer Gedanke an Ort und Stelle. Das Brüllen, das er soeben gehört hatte, war von einer Stelle gekommen, die nur wenige Meter von ihm entfernt war – aber in welcher Richtung? Wenn der voll ausgewachsene Maolot-Mann sich nun direkt zwischen ihm und dem Posten befand und er, wenn er weiterging, genau in ihn hineinlief?

Jef wurde von eiskalter Ruhe erfaßt. Er versuchte sich zu erinnern, von wo das Brüllen zu kommen schien, als es einsetzte. Aber sein Gedächtnis ließ ihn im Stich – und dann sah er, daß Mikey den Kopf gewandt hatte und blind in eine Richtung starrte. Sie lag geradeaus, aber ein bißchen links von ihrem Weg zum Posten.

Jefs Blick folgte dem Weg, den Mikeys Schnauze wies. Er sah eine Gruppe dicht zusammenstehender Bäume und einen dunkleren Schatten – und dann, während er hinsah, schritt der erwachsene Maolot-Mann, weniger als dreißig Meter entfernt, aus der Deckung.

Jef hörte auf zu atmen. Er hatte von den erwachsenen Maolots gelesen, er hatte heute nacht von Jarji eine Beschreibung gehört, er hatte acht Jahre lang mit Mickey gelebt. Aber nichts davon hatte ihn auf diesen Anblick vorbereiten können.

Wie Jarji gesagt hatte, betrug die Schulterhöhe des Maolots, der nun Jef und Mikey gegenüberstand, beinahe zwei Meter. Der von dem mächtigen Hals getragene Kopf sah aus mehr als zwei Metern Höhe auf Jef und Mikey herab. Eigentlich war er nicht größer als ein großes irdisches Pferd. Nur wurde der Vergleich mit einem Pferd dem Eindruck enormer körperlicher Kraft und Majestät, der von ihm ausstrahlte, nicht im mindesten gerecht.

Seine Gestalt war katzenartig, aber seine Knochen – insbesondere der schwere Kopf – waren selbst für diese Größe massiv. In den Büchern, die Jef über Everon gelesen hatte, war erwähnt worden, ein Maolot-Mann könne einen ausgewachsenen Wisent – einen dieser schweren Büffel – mit dem Maul hochnehmen und davontragen, wie es eine Katze mit einer Maus tut. Jetzt, wo er diesem wilden Jäger der Wälder Everons von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, wurde Jef klar, daß Jarji mit ihrer Weigerung, ihm eine Armbrust zu leihen, mehr Klugheit gezeigt hatte, als ihm bewußt gewesen war. Vielleicht konnte eine Armbrust in ihren geübten Händen einem solchen Tier, wie es Jef nun gegenüberstand, einigen Schaden zufügen. Hätte Jef in diesem Augenblick eine Armbrust gehalten, wäre sie ihm ebenso nützlich gewesen wie eine Steinschleuder.

Jef wurde schwach in den Knien. Er begann wieder zu atmen, aber nur flach. Vor diesem riesigen Maolot war er so hilflos, wie es auf der Erde ein kleiner Vogel vor den Klauen einer Hauskatze gewesen wäre. Ein kalter, langer Schauer überlief ihn, und zum ersten Mal in seinem Leben sah er der Tatsache ins Auge, daß er in ein paar Sekunden tot sein konnte.

Dann geschah das Wunder.

Mikey hatte sich, wie er es immer tat, gegen Jefs Beine gedrückt. Aber als Jef erschauerte, löste sich Mikey überraschenderweise von ihm und bewegte sich auf den großen Maolot zu. Ungefähr drei Körperlängen schritt er vor. Er stellte sich zwischen Jef und den anderen Maolot, und aus seiner Kehle drang das rollende, ansteigende Warnungsknurren, mit dem er in der letzten Nacht auf Jarjis Auftauchen reagiert hatte.

Dieser eine Augenblick, in dem sich Mikey der großen, stummen Gestalt des anderen Maolots gegenüberstellte, schien Jef eine Ewigkeit zu dauern. Aber schließlich verstummte Mikeys Knurren, und die beiden Maolots standen sich schweigend gegenüber.

Etwas geschah.

Jef kniff die Augen zusammen. Weder er noch einer der beiden Maolots hatte sich bewegt, weder Mikey noch der erwachsene Maolot hatten einen weiteren Ton von sich gegeben. Es hatte etwas Nicht-Körperliches stattgefunden. Irgend etwas hatte sich vollzogen. Ohne Vorankündigung, lautlos wie eine Wolke, die vor dem Angesicht der Sonne vorbeizieht, wandte sich der riesige Maolot-Mann um und verschwand. Ganz plötzlich war die Stelle, wo er gestanden hatte, leer bis auf das Sonnenlicht und das Moosgras. Zur rechten Hand erhaschte Jef einen Blick auf ein blaugrünes Flackern. Der Blattschleicher fing wieder an, sich zu bewegen und zu fressen.

Mikey drehte sich um, kam zurück und rieb sich an Jef, als sei gar nichts geschehen.

Die Berührung des jungen Maolots gab Jef die Fähigkeit zurück, zu atmen und sich zu bewegen. Keuchend entließ er die Luft aus seinen Lungen. Er starrte auf Mikey hinab.

„Mikey?“ fragte er. „Was ist geschehen?“

Mikey stieß seinen Kopf in Jefs Magen, als habe er im ganzen Leben noch keinen anderen Gedanken gehabt als an Spielen und Essen. Jef lehnte sich eine Sekunde lang an ihn. Er ließ sich von dem starken, vierfüßigen Körper stützen, bis die Schwäche in seinen Knien nachließ.

Schließlich richtete er sich auf. „Gut, Mikey, gehen wir. Aber warum konntest du uns das, was du gerade mit dem anderen Maolot gemacht hast, nicht in den Jahren auf der Erde zeigen, als das Forschungsteam dich jede Woche getestet hat?“

Wieder rieb Mikey sich an ihm. Jef seufzte, und sie wanderten weiter durch den Wald.

Aber jetzt waren Jefs Gedanken zu der Frage zurückgekehrt warum Mikey nicht erwachsen geworden war, und zu all den anderen ungelösten Problemen, die sich im Zusammenhang mit ihm und den Maolots im allgemeinen ergaben. Heutzutage schienen die Maolots zumindest in den Ranch-Gebieten hauptsächlich von den Wisenten und Antilopen zu leben, die die Kolonisten importiert hatten. Aber vor der Ankunft dieser fremden Nahrungsquelle hatten sie offenbar von einer Schar einheimischer Tierarten gelebt, einschließlich kleinerer Raubtiere wie den Galuschas. Ganz klar, daß die Maolots an der Spitze der Nahrungskette auf Everon standen, aber wie bei den Wegweisern war unbekannt, welche Rolle im Ökosystem sie genau spielten.

Die meisten Raubtiere auf den meisten Welten hatten eine gesund erhaltende Wirkung auf die Spezies, die ihre natürliche Beute war. Normalerweise schlugen sie die alten und kranken Tiere jener Arten, von denen sie lebten. Aber die erwachsenen Maolots mit ihrer Geschwindigkeit und ihrer Kraft mußten imstande sein, jede Beute zu nehmen, die sie wollten, gesund oder krank, stark oder schwach, und sie beschränkten ihre Jagd nicht auf die Tiere, die am ehesten erübrigt werden konnten.

Zudem hatte die Fauna auf Everon eine Eigentümlichkeit, die sich bisher jeder Erklärung entzogen hatte. Zu bestimmten Zeiten entschloß sich ein Beutetier, buchstäblich in die Kiefer des Raubtiers zu spazieren, ohne daß das Raubtier irgendeine Anstrengung machen mußte. Jef hatte bisher noch kein Beispiel erlebt, aber die Aufzeichnungen, die das Ökokorps während der Zeit der ersten Untersuchungen auf dem Planeten gemacht hatte, enthielten zahlreiche Augenzeugenberichte darüber. In mancher Beziehung war Everon die rätselhafteste Welt, die die Menschheit je zu besiedeln versucht hatte. Deshalb war es nicht einfach Glück gewesen, daß Jef aus dem Untersuchungsfonds die Mittel dazu erhalten hatte, Mikey zwecks Beobachtung in seiner angestammten Umgebung hierher zurückzubringen.

Die Interessen des Forschungsamtes und des Ökokorps gingen nämlich weit über die Frage hinaus, warum Mikey auf einer für ihn fremden Welt nicht zur vollen Reife herangewachsen war. Ja, es handelte sich letzten Endes nicht einmal um den Nutzen, den Everon von den Ergebnissen haben mochte, die Jef erzielte. Trotz aller Mühe, die sich verdienstvolle Forscher in den letzten hundert Jahren gegeben hatten, war niemals ein unwiderlegbarer Beweis für die sogenannten außersinnlichen Fähigkeiten – Telepathie, Clairvoyance, Hervorrufen von „Poltergeistern“ – erbracht worden. Aber die Maolots ließen vermuten, daß sie untereinander und besonders im Kontakt mit den männlichen Jungen, die bis zum Eintritt der Geschlechtsreife blind blieben, eine Kommunikationsmethode hatten, die sich nicht der gewöhnlichen Sinne bediente.

Bei den Maolots gab es keinen Hinweis darauf, daß sie im menschlichen Sinne intelligent waren – obwohl sie als Tiere mit den intelligenteren nichtmenschlichen Spezies der Erde zu vergleichen waren. Soviel war einwandfrei festgestellt worden. Aber diese Feststellung war keine Hilfe bei der Lösung der Frage, ob sie tatsächlich über enge Grenzen hinaus miteinander kommunizieren konnten. Wozu brauchten sie übersinnliche Kommunikationsmittel? Für die Maolot-Jungen wäre es gewiß einfacher, wenn sie gleich mit offenen Augen geboren würden oder die Augen kurz nach der Geburt öffneten, wie es bei den Neugeborenen der Menschen und der meisten irdischen Spezies der Fall war.

So sagte es der gesunde Menschenverstand. Die Phantasie vermutete jedoch etwas anderes – etwas, das den menschlichen Geist fesselte. Wenn die Menschen nun durch die Maolots eine Möglichkeit finden würden, für sich selbst ein übersinnliches Kommunikationsmittel zu erschließen?

Auf der Erde hatte das Forschungsamt Mikey in Kontakt mit einer Reihe von Personen gebracht, von denen berichtet worden war, daß sie übersinnliche Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatten. Aber keiner dieser Kontakte hatte irgendein Resultat gehabt. Keine der beteiligten Personen war imstande gewesen, irgend etwas von Mikey zu „empfangen“, und Mikey seinerseits hatte sie völlig ignoriert. Tatsächlich hatte sich der junge Maolot den meisten Menschen gegenüber stets gleichgültig verhalten, solange er sich durch sie nicht bedroht fühlte. Die einzigen Ausnahmen waren Jef, sein Vater und seine Mutter gewesen. Mikey pflegte außer sich zu geraten, wenn er länger als ungefähr sechs Stunden von allen dreien getrennt war, und er beruhigte sich erst dann wieder, wenn er mit mindestens einem von ihnen wieder vereinigt war.

Bei alldem war Jef selbst immer überzeugt gewesen, daß sich zwischen ihm und Mikey etwas abspielte, das jenseits des Normalen lag. Natürlich hatte er immer eine besondere Beziehung zu Mikey gehabt, und wahrscheinlich stimmte es, daß ihre gegenseitige Vertrautheit sie gelehrt hatte, die nicht-verbalen Signale des anderen zu deuten. Seine Wahrnehmungsfähigkeit war in jeder anderen physischen Beziehung nicht nur gut, sie war unübertroffen. Das Deuten von Signalen erklärte jedoch Mikeys Empathie mit Jef nicht, wenn Jef von dem Maolot über einige Entfernung körperlich getrennt war.

Bei sich hatte Jef immer zu der Überzeugung geneigt, daß zwischen Mikey und ihm eine Verbindung bestand, für die es keine herkömmliche Erklärung gab. Seit der Landung hier auf Everon waren zwei in seinen Augen überzeugende Beweise hinzugekommen: Mikeys Fähigkeit, durch einen unbekannten Wald zu rasen, ohne irgendwo anzustoßen, und außerdem das, was sich gerade eben zwischen dem jungen und dem erwachsenen Maolot abgespielt hatte.

Ein ganz besonders starker Beweis war das, was Jef während der Konfrontation zwischen Mikey und dem älteren Maolot gespürt hatte. Doch genauso, wie er früher nie imstande gewesen war, für Mikeys empathische Fähigkeiten einen handfesten Nachweis zu liefern, so gab es auch jetzt für ihn keine Möglichkeit, andere davon zu überzeugen, was er empfunden hatte, als sich die beiden Maolots gegenüberstanden. Er selbst war hundertprozentig sicher. Etwas hatte er „gehört“, von etwas war er Zeuge geworden. Er war dabeigewesen, und er wußte, was er gespürt hatte. Ihm kam der Gedanke, daß man zu einem bestimmten Zeitpunkt besser aufhörte, so zu tun, als sei man ganz objektiv, und sich die Möglichkeit zugestand, etwas zu wissen, das allen anderen verborgen war.

Tief in Gedanken versunken, wie er war, bemerkte Jef erst dann, daß er den Schutz des Waldes verlassen hatte, als ihn die Sonne stark und heiß ins Gesicht traf. Er blieb stehen und sah sich um!

Er war auf eine Lichtung hinausgetreten, auf der mehrere lange, niedrige Blockhäuser standen. Automatisch überprüfte er den Marschcomputer, aber notwendig war das eigentlich nicht.

Das hier mußte Posten Fünfzig sein.

Er ging auf eines der Gebäude zu, vor dem in der mittäglichen Brise die Fahne von Everon flatterte, ein einziger goldener Stern in einem blauen Feld.