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Man kann sich an der Landungsbrücke, die noch vom Eisgang des Winters her etwas schief ist, ein Ruderboot nehmen. Schon zu Ostern hat der Fischer die Boote frisch gestrichen, geteert und zu Wasser gebracht. Heute, Anfang Mai, ist es fast hochsommerlich warm, und man kann also ruhig etwas auf den See hinausrudern, den großen, weiten See, der im Rund der gewaltigen Berge liegt. Draußen läßt man das Boot am besten treiben und schaut in die grüne Tiefe, wo die Lichtbalken der Mittagssonne in kristallene Tiefen stoßen, alle einem geheimnisvollen Mittelpunkt zustrebend.

Wenn man dann den Blick hebt, wird man das Dorf sehen, das etwas oberhalb des Sees liegt und Stephanskirchen heißt. Es unterscheidet sich wenig von hundert anderen oberbayerischen Dörfern und hat auf seinem höchsten Punkt eine Kirche, deren hoher weißer Turm in den Himmel stößt wie eine Weltraumrakete, die sehr schlecht zu der verschlafenen Gemütlichkeit und breiten Lebensfülle des Dorfes paßt. Dabei ist der Kirchturm auf den riesigen Grundmauern eines römischen Wachtturmes erbaut. Das hat man in früheren Jahrhunderten oft und gern in Bayern getan und meist mit sehr viel Geschmack und dicken, gemütlichen Zwiebeltürmen. Aber wie man an unserem Turm sieht, gab es auch damals schon Patzer.

Rechts unterhalb des Dorfes liegt der Strand, schon von den Wigwams einzelner Camping-Indianer bevölkert, die erst im September das Schlachtfeld wieder räumen und eine Wüste von Bierflaschen, Sonnenbrandtuben, Plastikbeuteln, Konservenbüchsen und weit schlimmeren Requisiten zurücklassen werden. Der Sailer-Maxl sammelt das dann im Solde der Gemeinde auf, weil er der letzte Arbeitslose ist. Im Sommer rollt er Fässer im Königsbräu, weil er zu anderem zu dusselig ist. Im übrigen eine Seele von Mensch, und wir mögen uns sehr gern.

Auf der anderen Seite stehen zwei einsame Häuschen, dicht am Ufer. Das rechte — vom See aus gesehen — gehört mir und meiner Familie, die aus meiner Gefährtin Anette sowie der bis dato sechsundachtzigjährigen, wieselschnellen, witzigen und munteren Mama und dem Drahthaarfoxl Weffi besteht. Er ist der letzte Überlebende eines >Bundes der Drei<, bestehend aus dem Springercocker Cocki, den wir wegen seines Mutes und seiner Stärke auch den >kleinen Löwen< nannten, dem Pudelbastard Peter und eben diesem Weffi, der nun auch schon dreizehn Jahre zählt. Als erster wurde, vor zehn Jahren, das Peterle abberufen. Unter einem Lastwagen fand er den Tod. Nach Peters Tod entwickelte sich der zwischen Cocki und Weffi herrschende Waffenstillstand so ganz allmählich zu einer festen Kameradschaft. Man stromerte zusammen, buddelte zusammen, und wenn Cocki auf nächtlichen Liebesfahrten war, saß Weffchen mit seinem weißen Kastenbart und schlotternden dicken Fellbeinchen halbe Nächte hinter der Terrassentür, bis die tiefe Stimme des endlich heimkehrenden Liebesfahrers herrisch Einlaß begehrte.

Nun haben wir vor kurzem auch Cocki begraben müssen: ein zu spät erkannter Magenkrebs. Nur Weffi ist noch übrig und in den wenigen Tagen seit Cockis Tod ein alter Hund geworden. Genau wie die Mama seitdem durchsichtig wurde und uns Sorge macht.

Im Haus nebenan wohnt die Familie Addi und Teddy Bentler, mit denen wir so befreundet sind, daß wir schon vor Jahren den Zaun, der unsere beiden kleinen Gartenstücke trennte, herausrissen und verheizten und dadurch einen recht netten gemeinsamen Garten gewannen. Der Jahrestag der Zaunverbrennung wird noch jetzt mit gewaltigem Alkoholaufwand gefeiert.

Auch bei den Bentlers ist es stiller geworden. Sie haben zwei Töchter, die zierlich blonde Susanne und die dunkelbraune, lebhafte und intelligente Margot. Ich kenne sie beide, als ihnen noch die Popochen gepudert wurden, und habe sie auf dem Höhepunkt ihrer Backfischzeit sogar einmal vier Wochen lang als »Töchter auf Pump< auf dem Hals gehabt, weil Addi und Teddy nach Italien fuhren. Es war die aufregendste Zeit meines Lebens seit dem Krieg.

Inzwischen ist Susanne mit einem jungen Architekten Vornamens Marc verheiratet, einem ellenlangen Kerl mit schwarzen Zauslhaaren und einer Brille, hinter der er besorgt ins Leben schaut. In letzter Zeit noch besorgter, und er hat allen Grund dazu.

Margot studiert in München Jura, und dasselbe tut ihr Jugendfreund und unentwegter Anbeter Buddy. Als Grund für sein Studium gibt er an: »Damit sie mich später beim Scheidungsprozeß nicht so übers Ohr hauen kann!«

Wenn man nun etwas näher heranrudert, wird man in der Garageneinfahrt des rechten — also meines — Hauses einen langen Lulatsch mit Hornbrille und Badehose erkennen, der sich offenbar entmutigt auf eine Schaufel stützt. Das bin ich. Die Entmutigung hängt mit eben dieser Garageneinfahrt zusammen, in die der gestrige Gewitterregen wieder tiefe Canyons gefressen hat. Bis in die Mitte der Wiese schleppte er Sand und Kiesel, und ich versuche nun, die ärgsten Löcher wieder zu schließen, ohne daß ich das notwendige Material dazu habe. Ein paar Meter weiter links liegt Teddys Einfahrt. Während sie jedoch vorbildlich fest und zweckentsprechend ist, gelang es mir nie, meiner eigenen Einfahrt die nötige Form zu verleihen. Teddy hat seinen Kies im richtigen Verhältnis mit Erde gemischt und ihn dann von einer Walze plätten lassen. Mir hingegen verpaßte der Bauunternehmer eine Sorte Dreck mit Fusseln, der zwar billig war, in dem ich mich aber dauernd einmahlte.

»Du brauchst mehr Kies!« sagte Teddy.

Ich wartete bis zum Winterbeginn und organisierte mir dann von dem Besitzer einer Grube, die dreißig Kilometer entfernt liegt, Kies. Ich schippte den Gepäckraum meines Wagens so voll, daß er X-Beine bekam, und verbrauchte bei der ganzen Aktion mehr Benzin, als die Sache überhaupt wert war. Da ich aber von Natur hartnäckig bin, ruhte ich nicht eher, als bis ich die ganze Auffahrt voller Kies hatte, zentimeterdick. In dem rutschte ich dann herum wie auf Schmierseife und feuerte mit den Hinterrädern Kies in alle Windrichtungen.

»Schaff dir lieber gleich ‘n Maschinengewehr an«, sagte Teddy, dem ich Kies auch gegen die Seitenwand seines stets funkelnd sauberen VWs gefeuert hatte.

»Du hast mir doch gesagt, ich hätte zuwenig Kies!«

»Natürlich zuwenig Kies, aber jetzt hast du ja bloß Kies, du Hanswurst! Du brauchst Bindematerial. Schmeiß doch ‘n bißchen Erde dazwischen.«

Ich begann Bindematerial zu holen, indem ich im nächsten Frühjahr mit Schaufel und Eimer auf die benachbarte Bauernwiese zog und dort die Maulwurfshügel abbaute. Der Bauer, mein alter Freund Wurzel-Sepp, kam am dritten Tag aus seinem Haus auf die Wiese und sah sich das eine Weile an. Schließlich erhob er Einspruch. Er tat das verhältnismäßig sanft, da wir die Eier und die Weihnachtsgans von ihm beziehen: »Was treibst denn da, alte Krampfhenne?« fragte er.

»Bindematerial für meine Garageneinfahrt«, erklärte ich stolz.

Der Wurzel-Sepp paffte aus seiner Halblangen eine blaue Wolke, die ein Stinktier neidisch gemacht hätte, kratzte sich nachdenklich am Hintern und sah zu meinem Haus hinüber: »Ja mei — des wird ja a Bahndamm!«

»Das verstehst du nicht. Das walze ich mit dem Wagen alles wieder flach. Außerdem solltest du mir dankbar sein, daß ich deinen Maulwürfen die Hügel wegnehme! So was geht ihnen sicher auf die Nerven, und sie verziehen sich!«

Der Wurzel-Sepp schob die Unterlippe vor: »Zwegen die Viecher brauchst dir net ‘n Arsch verrenka. Die san nützlich, verstehst? Außerdem ham Viecher koa Nerven net.«

Ich richtete mich auf, wischte mir den Schweiß von der Stirn und war einen Moment lang versucht, seine Anschauung von der Nervenlosigkeit der Tiere zu widerlegen. Aber ich fühlte, es war völlig sinnlos, einem Bauern zu widersprechen, dem man etwas von seiner Erde wegnimmt. So sagte ich nur: »Na schön, ich bin ja schon fertig.«

Er nickte: »Alsdann — pfüat di!« und stampfte davon. Noch seine bis in die Knie hängenden Gamsledernen drückten Verachtung und Kummer aus.

Bei normalem Wetter funktionierte der Bahndamm nun. Aber jetzt, da Gewitter und Regen gekommen sind, geht’s wieder los, und wenn ich etwas zuviel Gas gebe, wühle ich mich durch Erde und Kies wieder bis auf den alten Dreck mit Fusseln.

Einen Augenblick betrachtete ich kummervoll das Trichterfeld. Vielleicht lasse ich mir doch noch die Straßenwalze kommen...

Diese Idee empfinde ich als ausgesprochen genial, da sie meine weitere Arbeit an der >Rollbahn< — wie Teddy meine Einfahrt zynisch zu bezeichnen pflegt — überflüssig macht. Aus der leeren Garage (Frauchen ist in geheimer Mission mit dem Wagen unterwegs) hole ich mir einen Liegestuhl und lege mich in den allerhintersten Winkel unseres Gartens neben Cockis frisches Grab.

Meine linke Hand sucht zwischen den Tännchen, die um seinen Hügel wachsen, nach dem weißen Stein, auf den ich den Namen >Cocki< schrieb. Obwohl es nun schon zwei Monate her sind, seit ich seinen Körper in die Grube senkte und seine Decke über ihn breitete, den abgeknabberten Gummiball neben ihn legte, ist es mir, als sei es gestern gewesen. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden. Wieder erlebe ich, wie er, der gewaltige Fresser, immer dünner wurde und so zu frieren begann, daß er schließlich zu mir ins Bett kroch, um sich zu wärmen. Nur Durst hatte er immer, nur Durst. Minutenlang soff er unten am Bach, um das teuflische Feuer zu löschen, das in seinen Eingeweiden fraß. In den letzten Tagen mußte ich ihn zu seinem geliebten kleinen Bach hinuntertragen, weil er es nicht mehr bis dorthin schaffte. Und dann, als er im Hundehimmel war, wo er sicher wieder in voller königlicher Kraft über die anderen Himmelshunde herrscht, geschah etwas Seltsames: alle Hunde der Nachbarschaft, die sich sonst nie hereingetraut, kamen in den Garten und hoben feierlich das Bein: der Rattler von nebenan, der Foxl von gegenüber, der Setter vom Gutshof, der Boxer vom Sägewerk. Sie alle kamen, spendeten ihren Gruß und verweilten eine Zeitlang bei Weffi, der neben dem frischen Hügel saß und jede Speise verweigerte...

Und gerade, als ich an ihn, den Weffi, denke, macht es >uuuaaahhh< von der Terrassentür. Dort sitzt er, der letzte der drei, und gähnt in all den glänzenden, sonnentrunkenen Tag. Wie hundert Jahre alt sieht er aus, finde ich, und das Herz tut mir weh.

Aber die Mama sieht auch nicht viel besser aus, als sie jetzt auf den Balkon tritt und auf mich herunterschaut. Die Augen scheinen größer geworden und die Nase spitzer, weil ihr an sich schon kleines Gesicht seit Cockis Tod eingeschrumpft ist. Auf irgendeine mysteriöse Weise hatte sie seit Beginn seiner Krankheit ihr Leben mit dem seinen identifiziert, und seit seinem Fortgang besteht ihr Dasein nur noch im Warten auf den eigenen Tod. Jeden Tag bekommen wir serviert, daß die sechshundert Mark, die sie sich für ihren Sarg gespart habe, oben in ihrer Schublade lägen, »weil ja im Moment, wo ich zu Cocki gehe, wahrscheinlich wieder mal kein Geld im Hause ist«. Außerdem will sie dauernd, daß ich zur Gemeinde gehen und fragen soll, ob es nicht doch möglich wäre, im Garten zwischen Cocki und Peter begraben zu werden. Peter ruht in der westlichen Ecke unter dem Holunderbusch. Cocki habe ich unter dem Flieder begraben. Dort fing er — schon ehe seine Krankheit uns in ihrer ganzen Schwere offenbar wurde — ständig an zu buddeln. Er fühlte den Tod in sich, und der Wildhund in ihm erwachte, der ur-ur-alte, der sich sterbend im Dickicht verkriecht. Ach, mein Cockchen... Wenn doch nur Frauchens geheime Mission Erfolg hätte...

»Wo ist eigentlich Frauchen?« fragt die Mama von oben, als habe sie meine Gedanken gelesen.

»Keine Ahnung«, lüge ich.

»Und an der Einfahrt machst du wohl auch nicht weiter?«

»Nein.«

»Na, ist egal. Geht mich ja hoffentlich bald nichts mehr an.« Weg vom Balkon, Tür zu. Mein Schloßgeist, mein aggressiver, witziger, ewig deine beiden wilden >Kinder< triezender — was ist aus dir geworden!

»Hallo — Colonel!« sagt Susannes Stimme. Den Spitznamen >Colonel< haben mir meine beiden Töchter auf Pump vor sieben Jahren verpaßt, weil ich angeblich einem Obersten in einem amerikanischen Kriegsfilm ähnlich sah, der großen Eindruck auf sie machte. Susanne steht drüben im Hauseingang und wartet offenbar darauf, daß sie mir ihr Herz über ihren Marc ausschütten kann. Ich aber sage nur unverbindlich »hallo« — und tue, als ob ich arbeite. Fremden Kummer kann ich im Augenblick einfach nicht ertragen. Sie geht wieder ins Haus.

Kurz darauf erscheint an ihrer Stelle Addi und beginnt, im Garten irgend etwas zu pflanzen. Plötzlich hält sie inne und sieht zu mir: beide denken wir an das gleiche: Wie Cocki bei solchen Gelegenheiten immer mit gefurchter Löwenstirn hinter ihr stand. Sobald sie verschwunden war, grub er mit seinen dicken Tatzen die Blumenzwiebeln wieder aus, beroch sie und watschelte dann voller Verachtung von dannen: blödsinniges Volk, diese Zweibeiner. Vergraben solchen Mist. Wenn’s noch ein schöner, stinkiger Knochen wäre...

Addi kommt zu mir herüber, steht einen Augenblick neben mir und streicht mir über den Kopf: »Wann kommt denn Anette?« (Sie ist in die geheime Mission des Frauchens eingeweiht.)

»Lange kann’s nicht mehr dauern.«

»Na, es wird schon helfen«, sagt sie, beugt sich zu mir nieder und gibt mir einen Kuß. Ich sehe ihr nach, wie sie zum Haus zurückgeht, und in meinem Herzen beginnt so eine ganz kleine, sentimentale Melodie, wie immer, wenn ich Addi sehe. Mit ihren vierzig Jahren ist sie auf der Höhe des Lebens, ein langbeiniges Geschöpf mit goldbraunen Augen, das in jedem Mann die Frage weckt, ob er nicht in seinem Leben etwas Wichtiges versäumt habe. Vor allein aber fragt sich jeder Mann — ich trotz aller Freundschaft zu Teddy nicht ausgenommen —, wie sie dazu kam, diese Kreuzung zwischen Bulldogge und Küchenschrank zu heiraten. Aber sie muß es ja wissen. Auf jeden Fall ist Teddy der gutmütigste und aufopferndste Kerl, den ich kenne, und hat sich als Vertreter von Waschmaschinen fast zu Tode gerackert, um seinen kleinen Verein einigermaßen anständig über die Runden zu bringen. Die Quittung bekam er denn auch vor einem Jahr in Form eines Herzinfarkts. Man brachte ihn gerade noch so durch. Seitdem braucht er nicht mehr selbst zu reisen, sondern ist zum Distriktchef avanciert.

Hinter diesem — in unserem grimmigen Berufskampf ziemlich ungewöhnlichen — Ereignis steckte nicht nur Teddys vieljährig bewiesene Tüchtigkeit und Loyalität, sondern auch die Diplomatie seiner Addi. Sie hatte nach dem Infarkt, als sich Teddy im Krankenhaus mit Zukunftssorgen zermarterte, kurzerhand den Generaldirektor in der Hauptstadt aufgesucht und war mit der Beförderung heimgekommen. Das Ergebnis in bezug auf Teddy entsprach jedoch nicht ganz ihren Erwartungen, denn seitdem zerwuzelte sich Teddy nicht mehr über seinen Beruf, sondern über ihre Treue! Das Ganze endete in einer merkwürdigen Szene, bei der ich Zeuge war. Ich saß mit Addi an Teddys Bett, und zum zigsten Male sagte er zu mir: »Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu, Hannes! Ich kenne den Alten, nie käme er auf eine so generöse Idee, wenn nicht Addi... ich meine, Addi, du hast es gut gemeint, aber der Preis, den du dafür zahlen mußtest...«

Der Professor hatte uns gesagt, wir müßten alles versuchen, um Teddy über diesen Punkt zu beruhigen. Sonst sei die Heilung fraglich. Wie wir das anfingen, dafür könne er keine bestimmte Therapie angeben. Es hänge von der psychologischen Situation ab.

Addi löste diese psychologische Situation auf ihre Weise, indem sie auf stand, sich über das Bett beugte und Teddy rechts und links eine Ohrfeige haute. »Du Rindvieh«, sagte sie, und ihre Augen funkelten wie zwei Sonnen, »lieber würde ich mit dir an der Straßenecke Streichhölzer verkaufen, als mit einem anderen Kerl ins Bett gehen. Wenn du wieder bei dir bist, schreib mir ‘ne Postkarte!«

Wir starrten eine Weile mit offenem Mund auf die Tür, die hinter ihr zugeknallt war. Dann machte ich den Mund zu, und Teddy fragte: »Was sagst du dazu?«

»Ich —hm — ja — es ist vielleicht nicht ganz geeignet für einen Infarktkranken, aber ziemlich überzeugend, finde ich.«

Teddy sah plötzlich zehn Jahre jünger aus: »Ziemlich überzeugend, sagst du... Es ist mehr, für mich ist es der Beweis! Mensch — was für ‘n Stein ist mir vom Herzen gefallen!« Er sank in die Kissen zurück und sagte nach einer Weile leise: »Ich war wirklich ein Idiot.«

»Niemand widerspricht.«

Er lachte, richtete sich wieder auf: »Wenn ich bloß wüßte, wie sie das zustande gebracht hat!«

»Leg dich sofort wieder hin, Esel!« befahl ich. »Wie sie das zustande gebracht hat? Erstens hast zur Hälfte du es zustande gebracht, weil du gut verkauft hast und nicht zur Konkurrenz gegangen bist, als es damals eurer Firma dreckig ging. Das hat sich dein Boß offenbar gemerkt.«

Er hatte sich wieder hingelegt: »Hm — und zweitens?«

»Zweitens hat sie so eine ganz verteufelte Art, einen auf neunundneunzig zu bringen und dann plötzlich abzudrehen.«

Mißtrauisch sah er mich an: »Eigene Erfahrung?«

»Natürlich, und du brauchst mich gar nicht so anzuglotzen, Othello! Denk dran, was du mit meinem Exemplar aufgeführt hast bei unserer letzten Zaunfeier! Davon abgesehen aber hast du keine Ahnung, was für eine großartige Frau du besitzt!«

»Doch.«

Er drückte die Klingel und sagte dann zu der Schwester: »Bitte, bringen Sie mir eine Postkarte.«

Als ich hinunterkam und die Wagentür öffnete, saß Addi drin, eine ziemlich elende Addi mit verheulten Augen: »Ich kann’s ihm ja nicht verdenken«, schluchzte sie, »aber — ich — ich wußte wirklich keinen anderen Weg mehr!«

Ich nahm sie in den Arm und lächelte. »Es war eine prima Schockbehandlung, Mädchen. Er hat schon nach der Postkarte geklingelt.«

Sie stemmte sich von mir ab und musterte angstvoll mein Gesicht: »Meinst du wirklich?«

»Ich meine wirklich, Goldstück. Er fühlte sich, als ob er das Große Los gewonnen hätte. Ich habe...«, fügte ich bescheiden hinzu, »natürlich noch ein bißchen nachgeholfen.«

Sie warf die Arme um mich und gab mir einen Kuß, an dem aber wirklich alles dran war. Als ich wieder zu Atem kam, konnte ich nur noch murmeln: »Es wird, glaube ich, höchste Zeit, daß dein dickes Möbel da oben wieder gesund wird!« Dann bemerkten wir, daß der Professor neben uns stand, das eine Bein in seinem Wagen und beide Augen in unserem. Ich kurbelte das Fenster hinunter: »Frau Bentler ist so glücklich, daß es ihrem Mann bessergeht!«

Der Professor nickte, stieg wortlos in seinen Wagen und fuhr ab.

»Er sah nicht sehr überzeugt von deiner Erklärung aus«, meinte Addi, »und ziemlich enttäuscht!«

Ich drückte den Anlasser: »Das geht uns allen so mit dir, mein Kind. Mit Ausnahme deines Besitzers.«

Und da biegt Frauchens Wagen in die Einfahrt und schlittert auf dem Trichterfeld bis dicht an meinen Liegestuhl. Ich kann — aus meinen Addi-Träumen gerissen — gerade noch zur Seite springen, aber das Frauchen klettert ohne jeden Sinn für die knapp vermiedene Zermalmung des Hausherrn hinter dem Steuer vor und gräbt etwas aus der Tiefe des Wagens — die Zaubermedizin, die — wie wir hoffen — uns unsere beiden Liebsten, die Mami und das Weffchen, erhalten soll.