img

Tagebuch Neuseeland

Scheußlichkeit auf vier Rädern

Die Ölkrise begann für mich und meinen australischen Mitfahrer Gary bei abendlicher Dunkelheit, mitten in der Einsamkeit der neuseeländischen Südinsel. Fasziniert beobachteten wir während der Fahrt die flackernde Öl- und die kontinuierlich steigende Temperaturanzeige am Armaturenbrett – bis Gary plötzlich »Stopp!« schrie und ich den Mitsubishi Lancer augenblicklich zum Stillstand brachte. Eine gute Entscheidung, denn wie sich später zeigte, war die Ölpumpe defekt, im Auto war kein Tröpfchen Öl mehr – und ein Motor ohne Öl ist eben wie ein Fisch ohne Wasser zum Tode verdammt.

Die fast fatale Ölknappheit zwischen Punaikaki und Rapahoe war nur eine von vielen Pannen, mit denen mich mein erstes eigenes Auto immer wieder aufs Neue herausforderte. Ich hatte den Mitsubishi gleich nach meiner Ankunft in Auckland gekauft, und es war Abscheu auf den ersten Blick. Der Verkäufer fuhr den Inbegriff eines spießigen Mann-mit-Hut-Autos vor: goldfarben, mit Stufenheck, 15 Jahre alt – ganz das Gegenteil von dem, was ich unter einer coolen Karre für meinen dreimonatigen Urlaub verstand. Doch der Preis von 800 Neuseeland-Dollar war überzeugend günstig, also schlug ich zu und taufte den Mitsubishi »meine japanische Scheußlichkeit«.

Trotz seiner Optik verschaffte mir das goldene Auto viele interessante Bekanntschaften: Wenn mir ein Anhalter freundlich zuwinkte, nahm ich ihn mit und holte mir so für einige Stunden bis Tage Unterhaltung an Bord. So lernte ich unter anderem Gary (Schauspieler aus Tasmanien), Russ und Mark (Haschschmuggler aus Cheshire) und Beate (Krankengymnastin aus dem Saarland) kennen. Und blieb ich mit dem Mitsubishi mal wieder liegen, war sich kein Neuseeländer zu schade, mir zu helfen.

So auch im Fall der streikenden Ölpumpe: Bei unserem Zwangsstopp an der Westküste verbrachten Gary und ich zunächst einen netten Abend. Wir schlugen unsere Zelte am Meer auf und entfachten am Strand ein Feuer. In dieser am dünnsten besiedelten Region Neuseelands dauerte es bis zum nächsten Vormittag, bis sich ein Pick-up näherte. Der nette Farmer ließ sich eine Flasche mit Motoröl abkaufen – und die Fahrt zum nächsten Schrauber in Greymouth war gesichert.

Längst hatte sich die »Scheußlichkeit« ihren Zweitnamen »Katastrophenkarre« verdient. Vor allem Reifenpannen waren ihre Spezialität, viermal ging einem der Räder die Luft aus. Beim Radwechsel wurde ich Profi und konnte mir mit dem immer routinierter wirbelnden Kreuzschlüssel durchaus Respekt bei meinen Anhaltern verschaffen. Was dabei von Vorteil war: Der alte Mitsubishi lief noch auf Gummischläuchen, die wie beim Fahrrad einfach mit einem Klebeflicken repariert werden konnten – wenn ich erst mal mit dem eigentlich viel zu kleinen Reservereifen in eine Werkstatt gehoppelt war.

Weniger gelassen erlebte ich einen Abstecher auf einen spektakulären Aussichtspunkt unter dem knapp 1 800 Meter hohen Mount Arthur. Die Steigung der Graham Valley Road hatte ich komplett unter-, die PS des Mitsubishis deutlich überschätzt. Serpentine für Serpentine erklommen wir im ersten Gang die extrem enge Bergstraße, unter den Rädern der rutschende Schotter, rechts der klaffende Abgrund. Eine Kehrtwende war nicht möglich, Rückwärtsfahren schien mir lebensgefährlich. Schweißgebadet (ich) und mit kochendem Kühlwasser (Mitsubishi) erreichten wir den Parkplatz – dort erwartete uns eine Armada an Geländewagen mit Allradantrieb.

Als schließlich auch noch der Kühlwasserbehälter leckschlug, war ich mit Finanzen, Urlaub und Geduld fast schon am Ende. Für die letzten paar hundert Kilometer war die Lösung eine Rückbank voller Wasserflaschen und ein Auffüllstopp alle 50 Kilometer. Um den Motor zu kühlen (Tipp eines britischen Anhalters), drehte ich die Heizung auf volle Pulle, und das bei eh schon 30 Grad Außentemperatur. Da half nur eines: Arm aus dem offenen Fenster hängen und jeden Gedanken an Ökobilanz und Energieverschwendung unterdrücken.

In Christchurch wanderte die »japanische Scheußlichkeit« alias »Katastrophenkarre« dann in die nächsten Backpackerhände. Der neue Eigentümer wirkte richtig glücklich. Immerhin verfügte sein wirklich günstiges, goldenes Urlaubsauto über eine nagelneue Ölpumpe, rundum geflickte Reifen und einen Kühlwasserbehälter, dessen Leck bereits wieder zugerostet war.

Antje Blinda