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Kapitel 9

Penisrestaurant in Peking
Wiedergeburt des schönen Phoenix

»Hier, probier mal«, sagt Zhaoran, Studentin der Betriebswirtschaft, und legt eine beigefarbene Ochsenharnröhre auf den Teller ihres Begleiters. Der verschluckt sich gerade an einem zähen Stück Hundepenis.

Ein Besuch im Pekinger Restaurant »Goulizhuang« ist nichts für empfindliche Gemüter. Denn hier besteht die Menüauswahl fast ausschließlich aus Penissen und Hoden – von Hirschen, Schlangen, Yaks, Pferden, Seehunden und Enten.

Die Gerichte heißen »Essenz des goldenen Buddha«, »Die Wiedergeburt des schönen Phoenix«, »Jasminblüte mit 1000 Schichten« oder »Suche nach dem Schatz im Wüstensand«. Ob solch blumige Namen den Gast an einer voreiligen Flucht hindern sollen? Immerhin besteht die »Jasminblüte« aus in Scheiben geschnittenen Eselpenissen, und bei dem Wüstenschatz handelt es sich um Schafshoden im Currybett.

»Chinesen essen alles mit vier Beinen außer Tischen und alles, was fliegt, außer Flugzeugen«, zitiert Zhaoran ein bekanntes Sprichwort. Doch ein Penisrestaurant ist selbst im Reich der Mitte ungewöhnlich. Erst im Jahr 2006 öffnete das »Goulizhuang« in der Dongsishitiao-Straße. Schnell wurde es zum Geheimtipp unter betuchten Chinesen, heute gibt es allein in der Hauptstadt vier Filialen. Die Kette expandierte sogar ins Ausland, in die Chinatown von Atlanta.

Hirschblut als Viagra-Ersatz

Kellnerin Lucy ist 20 Jahre alt, trägt einen traditionellen bestickten Seidenumhang mit Kaiserhofszenen und Pflanzendarstellungen sowie einen gelben Smiley-Anstecker. Zu ihrem Job gehört eine detailreiche Menüberatung, schließlich betreten viele der Gäste kulinarisches Neuland. »Schon vor Jahrtausenden verwendete die traditionelle chinesische Medizin Tierpenisse gegen Nierenprobleme und Erektionsstörungen«, erklärt sie. Um einen medizinischen Effekt zu erzielen, müssten die Gerichte jedoch regelmäßig konsumiert werden.

»Aber wenn es schnell gehen soll, haben wir einen Wein mit Extrakten aus Herz, Penis und Blut eines Hirsches, der wirkt schon nach 30 Minuten.« Ein solcher Potenz-Cocktail sei viel besser als Viagra, weil er keine Nebenwirkungen habe.

Ob roh oder gebraten, am Stück oder in Scheibchen, Eichel oder Wurzel: Das Penisgelage soll für die chinesischen Gäste keine Mutprobe im Dschungelcamp-Stil sein, sondern ein vergnügliches Wellnessprogramm für die Libido. »Bei diesem russischen Hund dauert der Geschlechtsakt 48 Stunden, seine Paarungszeit beträgt sieben Monate pro Jahr«, preist die bunt bebilderte Speisekarte einen 16-Euro-Penis an.

Je nach späterer Abendplanung scheint eine gewisse Sorgfalt bei der Speisenauswahl angebracht. Auch Geschlecht und Alter spielen eine Rolle. »Frauen sollten keinen Hoden essen, von den Hormonen könnten sie eine tiefe Stimme und einen Bart bekommen«, doziert Lucy. Penisse dagegen seien auch für sie völlig unbedenklich und sogar »gut für die Haut«.

Kinder unter 15 dürfen nicht ins Goulizhuang-Restaurant. Die vielen Hormone könnten ihre natürliche Entwicklung durcheinanderbringen, heißt es. Alle Gäste sitzen in Séparées, die meisten sind ältere Paare oder Gruppen, die nur aus Männern bestehen. Businessdinner auf Chinesisch. »Viele sind Geschäftsleute, die hier ihre Handelspartner treffen und auf Firmenkosten die teuersten Gerichte bestellen«, sagt Lucy.

Hundepenisknochen mit Cocktailkirsche

Ein Kellner in Nadelstreifenhose und schwarzem Jackett stellt einen Topf Brühe auf den elektrischen Kocher, dann trägt Lucy einen Glasteller mit den rohen Geschlechtsteilen von Ochsen und Hunden auf Salatblättern herein. Aus einem Glas in der Mitte des Tellers ragt ein fingerlanger spitzer Knochen, auf dem dekorativ eine Cocktailkirsche steckt. »Hunde sind die einzigen Tiere, die einen Penisknochen haben«, belehrt Lucy die Gäste und weist auf die kleine Rinne an der Seite hin, die Platz für die Harnröhre bietet.

Die Ochsenpenisse sind seitlich eingeschnitten und zu kleinen Sternen gebogen. Lucy taucht sie mit Essstäbchen nacheinander in den Hot Pot mit weißer Hühnerbrühe, in dem schon Datteln und Litschis schwimmen. Danach wird das Fleisch in Soja- oder Pfeffersauce getunkt. Konsistenz und Geschmack erinnern ein wenig an zu bitter geratene Tintenfischringe.

Zart und süßlich dagegen schmeckt das zweite Gericht namens »Henrys Peitsche«. Dabei handelt es sich um Schafpenisse am Holzspieß, gehüllt in einen Mantel aus Mayonnaise und süßem Käse. »Henry« heißt es, weil es nach westlicher Art zubereitet wurde, sagt Lucy.

Einige Spezialitäten sind sehr teuer, ein Yakpenis etwa kostet 179 Euro, ein Hot Pot mit zehn verschiedenen Penis- und Hodensorten, dargereicht auf einem hübsch verzierten Tellerturm mit kleinen Tierstatuen, 89 Euro. Für den besonderen Geschmack stehen auch Föten von Hirschen (36 Euro) und Schafen (knapp neun Euro) auf der Speisekarte.

Die zeigt übrigens, wie Restaurantmanager Chen Jianguo verrät, nur eine kleine Auswahl des tatsächlichen Angebots: »Für besondere Gäste gibt es eine Spezialkarte.« Und wie Kenner behaupten, stehen darauf auch die Geschlechtsteile geschützter Arten wie etwa des Tigers. Dafür aber muss man ein Antragsformular für eine Silber-, Gold- oder Platin-Mitgliedskarte ausfüllen und bis zu 905 Euro bezahlen.

Zum Abschied überreicht Lucy eine rote Schachtel mit Schleifchen, in der sich der Hundepenisknochen befindet. Ein solches Souvenir bringe Glück und schütze gegen schädliche Strahlung, versichert sie.

Risiken und Nebenwirkungen? Ist es nur Einbildung, dass der Puls beim Verlassen des Lokals schneller geht? Und waren die Flecken auf dem Arm schon vorher da?

»Ich glaube, meine Stimme wird schon langsam tiefer«, sagt Zhaoran.

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Was hilft wirklich
bei Durchfall?

Die häufigste Erkrankung unterwegs ist die Reisediarrhö. Meist ist sie nach drei bis fünf Tagen wieder vorbei und nicht gefährlich, doch unangenehm ist »Montezumas Rache« allemal. Was gehört also für den Fall des Durchfalls in die Reiseapotheke? Am weitesten verbreitet ist das Medikament Imodium, doch Experten wie Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin raten von diesem und anderen Mitteln mit dem Wirkstoff Loperamid ab. Die seien zwar starke Durchfallstopper und schnell wirksam, da sie als Opium-Derivate die Darmmuskulatur lähmen. »Oft ist Durchfall aber eine Abwehrreaktion des Körpers, um Keime loszuwerden«, sagt Jelinek. Werde der Darm mit Loperamid »verstopft«, könnten sich die schädlichen Bakterien dort vermehren. Er empfiehlt stattdessen pflanzliche Medikamente mit den Wirkstoffen Tannin und Ethacridin.

Um die verlorene Flüssigkeitsmenge auszugleichen, ist es wichtig, viel zu trinken, am besten industriell abgefüllte Getränke. Sinnvoll seien auch Elektrolytlösungen aus der Apotheke, sagt Sebastian Dieckmann, Leiter der tropenmedizinischen Ambulanz an der Berliner Charité.

Wenn neben dem Durchfall auch Schmerzen oder Fieber auftreten, sollte man noch im Urlaubsort zum Arzt gehen. »In den typischen Urlaubsgebieten haben die Ärzte Erfahrung mit Durchfallerkrankungen und wissen in der Regel, was zu tun ist«, sagt Dieckmann. Durchfall könne auch ein erstes Symptom von Malaria sein.