17.

Die Bantaskin Street in Maryhill war nun wirklich nicht der Sunset Strip in Hollywood, und ein Gebäude aus einem Auto heraus zu observieren ist ziemlich auffällig, wenn man in einem von nur drei Fahrzeugen sitzt, die die gesamte Straße zieren. Ich musste den Atlantic deshalb in einiger Entfernung zur Boxhalle in einer Seitenstraße parken, ihn stehen lassen und meine Überwachung von einer Hausecke aus vornehmen.

Ich hatte nicht erwartet, etwas Verwertbares aus Collins herauszubekommen. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig lag, dauerte es nicht länger als ein kurzer Anruf, und Collins käme aus dem Nebeneingang der Boxhalle gehastet. Ich hatte mit zehn Minuten gerechnet, doch es waren eher zwanzig, bis er auftauchte. Er überquerte die Straße zu seinem Lanchester. Ich sprintete zum Atlantic zurück und bog gerade noch rechtzeitig um die Ecke, um das Heck seines Wagens zu sehen, der soeben in die Cowan Street einbog.

Ich hatte gehofft, dass sich ein anderes Auto zwischen mich und Collins’ Lanchester setzte, aber auf der Maryhill Road fuhren fast nur Straßenbahnen und Busse. Also musste ich Abstand halten. Zum Glück ließ sich das Burgunderrot seines Lanchesters unmöglich übersehen.

Collins führte mich die Maryhill Road hinauf und durch Milngavie. Ich lächelte triumphierend, auch wenn es niemand sehen konnte: Wir näherten uns Bobby Kirkcaldys Haus in Blanefield. Doch ich irrte mich. Wir durchquerten Strathblane und Blanefield und fuhren weiter nördlich nach Stirlingshire hinein. Ich konnte mich wirklich nicht beschweren, meine Arbeit sei nicht abwechslungsreich. In den letzten beiden Wochen hatte ich mehr von der schottischen Landschaft zu Gesicht bekommen als ein Reisebusfahrer.

Wir waren die einzigen Wagen auf der Straße, und ich hielt großen Abstand. Ich ließ mich vom Blutfleck am Horizont – Collins’ Lanchester – führen, wenn er einen Hügel überquerte oder eine Kurve nahm. Entkommen konnte er hier nicht, was mich ein wenig beruhigte, aber zugleich verwirrte, weil ich keine Ahnung hatte, wohin es ging.

Wir befanden uns nun in jenem Teil Schottlands, der eher malerisch als beeindruckend war, aber die Berge voraus erinnerten mich daran, dass wir uns immer weiter voneinander entfernten. Als ich um die nächste Kurve bog, bemerkte ich, dass ich Collins verloren hatte. Ich gab Gas, bis ich zur nächsten Kurve kam. Noch immer nichts. Ich achtete nicht mehr auf die Landschaft, schaltete herunter und trat das Gaspedal durch. Die nächste Kurve nahm ich zu schnell, und die Hinterreifen kreischten protestierend. Noch immer kein Collins. Ich brachte das nächste gerade Stück so schnell hinter mich, wie ich konnte, und bremste scharf an der Kurve. Diesmal lag eine lange gerade Strecke vor mir, wo die Straße sich zwischen Bäume senkte, um dann allmählich wieder anzusteigen und den Bergen zuzustreben. Und immer noch kein Collins. Auf keinen Fall konnte er diese Strecke hinter sich gebracht haben, bevor ich um die Ecke gebogen war.

Ich fand nicht sofort eine Stelle zum Wenden. Der Atlantic protestierte, als ich erneut das Gaspedal durchtrat. Ich fuhr wieder den Hügel hinauf und bog um die Kurve. Auf dem geraden Stück bremste ich ein bisschen ab und blickte durch jedes Hoftor und auf jeden Feldweg, spähte durch die dichten Baumgruppen. Ich kam an etwas vorbei, das wie die Zufahrt zu einem Haus aussah, aber das Gebäude selbst konnte ich wegen der Bäume und Sträucher an der Straße nicht entdecken, nur ein bisschen nackte Erde und eine Einfahrt. Ich fuhr noch gut fünfhundert Meter weiter und hielt nach Anzeichen Ausschau, wo Collins abgebogen sein konnte. Nichts. Er musste die Zufahrt zu dem Haus genommen haben.

Ich fand eine Art Parkbucht und stellte den Wagen ab, sodass ich zu Fuß die Einfahrt entlangschleichen und ein bisschen herumschnüffeln konnte. Das wurde allmählich zur Gewohnheit; ich war schon mehr Stiefelknecht als Plattfuß. Während ich der Straße zur Einmündung der Zufahrt folgte, fragte ich mich, ob ich den Atlantic vielleicht gegen einen Traktor eintauschen sollte.

Die Zufahrt war lang, von Bäumen gesäumt und gewunden, sodass man keinen Blick auf das Haus bekam, ehe man es fast erreicht hatte. Es erwies sich als großes georgianisches Gebäude, größer und mit mehr Klasse als Sneddons jüngst erworbener Landsitz mit Boxscheune. Aus der Nähe sah ich, dass die Läden der meisten Fenster geschlossen waren und dass jemand die Seitentür mit Brettern vernagelt hatte. Noch ein leer stehendes Haus. Aber verlassen war es nicht. Es machte den Eindruck eines Hauses, das verrammelt worden war, weil die Eigentümer eine lange Reise machten oder weil es zum Verkauf stand.

Die Zufahrt verbreiterte sich vor dem Haus zu einem großen Halbkreis. Kein blutroter Lanchester weit und breit. Überhaupt keine Autos. Ich hätte mir die Zeit sparen und hierher fahren können, anstatt zu Fuß zu gehen. Offensichtlich war niemand hier, am wenigsten Collins. Ich hatte ihn verloren. Trotzdem beschloss ich, das Haus auszukundschaften.

Ich verließ die Zufahrt. Der Kies knirschte bei jedem Schritt, während rings um mich her alles das Schweigegelübde der Trappisten abgelegt zu haben schien. Ich überquerte ein breites dreieckiges Rasenstück, das sich schon lange nach einem Mäher sehnte, und ging um das Gebäude herum. Am ersten Fensterpaar, das ich fand – die übliche hohe, elegante georgianische Ausführung –, waren die Innenläden geschlossen, aber als ich auf die Rückseite gelangte, entdeckte ich ein unverschlossenes Fenster mit einer Scheibe, die so schwarz war wie Obsidian. Ich versuchte hindurchzublicken, indem ich mein Gesicht an die Scheibe drückte und meine Augen mit den Händen beschirmte, aber es nutzte nichts: Im Haus war es so dunkel, dass ich nichts sehen konnte.

Ich richtete mich auf. Plötzlich spiegelte sich in der dunklen Scheibe neben meinem Gesicht noch ein weiteres; es gehörte jemandem, der hinter mir stand. Es war ein geschundenes Gesicht, dessen Alter unmöglich zu schätzen war und das aussah, als wäre es jahrzehntelang als Sandsack benutzt worden. In meinem Kopf bildete sich der Name »Onkel Bert«, und ich wollte mich umdrehen, als irgendetwas, das sich wie Stahl anfühlte, mich genau über dem Becken in den Rücken traf. Schmerz durchraste mich, und mir war, als wäre meine Niere geplatzt. Der Hieb hatte mich genau da getroffen, wo ich von meiner Begegnung mit Costellos Schlägern noch immer wund war.

Ich schlug wild nach dem alten Mann, doch er blockte meinen Schwinger mit dem Unterarm ab. Dann knallte seine Faust, die aus Stahl und nicht aus Muskeln und Knochen zu bestehen schien, in meinen Solarplexus. Das letzte bisschen Luft schoss mir aus der Lunge. Ich gab jede Gegenwehr auf, jedes Denken. Meine ganze Existenz konzentrierte sich auf den simplen Versuch zu atmen. Onkel Bert stieß mich zurück, und ich prallte gegen die Wand.

Er ließ sich Zeit. Mit einer Hand hielt er mich fest, mit der anderen Faust holte er aus, um mir einen Schlag zu versetzen, der mich – das wussten wir beide – ins Land der Träume und vielleicht noch weiter weg schicken würde. Er hatte die Beine auseinandergestellt, um die größtmögliche Kraft in seinen Schlag legen zu können. In diesem Augenblick brachte ich meinen Fuß so hart und so schnell hoch, wie ich konnte. Der Fuß zischte zwischen seinen Beinen hindurch, aber mein Schienbein krachte in seine Weichteile. Er krümmte sich zusammen, und ich packte seine Ohren, riss ihn hoch und knallte ihm meine Stirn ins Gesicht. Der gute alte Glasgower Kuss.

Ich stieß ihn weg. Das Blut quoll ihm aus der Nase. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er zusammenbrach, aber Onkel Bert war ein alter Profi und griff sofort wieder an. Ich riss den Schlagstock aus der Tasche und landete einen Schwinger auf seiner Schläfe. Er wurde zur Seite geworfen, blieb aber erstaunlicherweise auf den Beinen. Aus der Rückhand traf ihn der Schlagstock erneut. Er sank auf ein Knie, und ich trat ihm ins Gesicht. Onkel Bert stürzte nach hinten auf den Rücken. Ich taumelte nach vorn, sog Luft in meine leere Lunge und krümmte mich, als aus der Nierengegend wieder greller Schmerz durch meinen Körper schoss. Der Hass und die Wut waren wieder da: Ich stellte mich neben den alten Mann und hob den Fuß, um ihm den Absatz in die hässliche, zerschundene Visage zu rammen.

Ein Schuss knallte. Ich taumelte zurück.