1.

Manche Dinge sind dem Glasgower fremd. Salat. Zahnpflege. Versöhnlichkeit.

Trotzdem hatte ich mir bis zum Abend des Mordes an Small Change MacFarlane keine richtige Vorstellung davon gemacht, wie nachtragend es in Glasgow zuging. Schon bald sollte ich in dieser Hinsicht zu einem Experten werden.

Wir steckten mitten in einer Hitzewelle. Es war heiß und feucht. An dem Abend, an dem McFarlane ermordet wurde, hatte ich ein noch heißeres und feuchteres Rendezvous mit seiner Tochter Lorna. Wir waren in meinem Austin Atlantic auf die Gleniffer Braes oberhalb der Stadt gefahren und hatten an einer Stelle geparkt, an der ganz Glasgow unter uns ausgebreitet lag, dunkel und mürrisch im schwülen Dämmerlicht. Aber wenn ich ehrlich sein soll, auf die Aussicht achteten wir nicht besonders.

Während ich mich also mit Lorna vergnügte, biss ihr Vater ins Gras. Im Rückblick erscheint es ironisch, dass fast genau zur selben Zeit in zwei Angehörige der Familie MacFarlane ein stumpfer Gegenstand eindrang, wobei Lorna mit Sicherheit die Glücklichere von beiden war.

Lorna lag ein bisschen über dem Glasgower Durchschnitt: hübsch, rotblondes Haar, umwerfende Figur. Wie die meisten Ganoven, die den Aufstieg geschafft hatten, bemühte ihr Vater sich stets um einen Hauch von gesellschaftlichem Ansehen und hatte Lorna auf ein teures Edinburgher Internat geschickt, vermutlich in der Hoffnung, dass sie zu einer weltgewandten kleinen Dame wurde. Ich weiß zwar nicht, welche Sprachen man ihr auf dem Internat beigebracht hatte, aber auf der Rückbank meines Atlantic zeigte sich schnell, dass Lorna ein natürliches Talent für Französisch besaß.

Wenn ich meine Beziehung zu Lorna beschreiben soll, wäre »seicht« wohl das treffendste Wort. Sicher, dieses Attribut passte zu fast allen meinen Beziehungen zum anderen Geschlecht, doch Lorna und ich stellten besonders geringe Ansprüche an den anderen. Lorna schlug die Zeit tot, bis sie sich den richtigen Mann zum Heiraten angeln konnte, und ich ... na ja, ich tat, was ich bei solchen Gelegenheiten immer tat. Wäre es nicht so gekommen, wie es in dieser Nacht kommen sollte, hätten wir uns wahrscheinlich früher oder später aus den Augen verloren, ohne dass unsere Trennung erwähnenswerten Schmerz bei einem von uns beiden hinterlassen hätte. In dieser Nacht auf den Gleniffer Braes ahnten wir jedenfalls nicht, was uns bevorstand.

Mein Unwissen war besonders segensreich. Ich hatte noch keine Ahnung, dass in dieser Nacht eine Blutschuld eingefordert wurde, und ich wusste noch nicht, was ein Baro oder ein Bitchapen waren. Und wäre an diesem feuchten, heißen Sommerabend der Name John Largo gefallen, hätte ich an irgendeine Figur aus einem Wildwestfilm gedacht. In gewisser Weise hätte ich damit sogar richtig gelegen, nur dass es im Wilden Westen vermutlich nicht so wild zuging wie in Glasgow.

Aber John Largo war kein Cowboy, sondern ein éminence gris, wie die Franzosen sagen. Eine graue Eminenz. Ein Mann im Hintergrund. In diesem Fall ein gefährlicher Schatten mit einem sehr langen Arm.

Jedenfalls, nach unserem Rücksitztango fuhr ich Lorna nach Hause. Sie wohnte in Pollokshields. Glasgow hatte seine eigene gesellschaftliche Geografie, die jemandem von außerhalb nichts sagte, für die kleine Mittelschicht der Stadt jedoch von größter Bedeutung war. Im Grunde war Glasgow eine klassenlose Stadt, in der nur das Geld zählte. Der Glasgower Dialekt allerdings war über die gesellschaftlichen Schranken hinweg verbreitet; deshalb wurde das gesellschaftliche Ansehen von der Wohngegend bestimmt und damit auch von subtileren sozialen Indikatoren wie der Entfernung zu einem nicht verstopften Klo und der Frage, ob die Oma noch immer in einer Bretterbude hauste.

Was sein Revier anging, hatte Small Change es im Laufe der Jahre gut getroffen, besser als fast jeder andere Buchmacher in Glasgow. Doch er hatte weder das nötige Geld noch das erforderliche Ansehen erlangt, um die South Side zu verlassen und auf die andere Seite des Clyde zu kommen. Und das war nun mal die Grundvoraussetzung zum Erklimmen der gesellschaftlichen Leiter in der Stadt. Das Haus der MacFarlanes stand südlich des Flusses. Es war groß und frei stehend, die typische fantasielose, schottisch-viktorianische Sandsteinvilla in einer Straße aus beinahe identischen fantasielosen, schottisch-viktorianischen Sandsteinvillen, die alle das presbyterianische Prinzip befolgten, den Wohlstand mit Anonymität abzuschwächen. Zugleich hatten die Besitzer den Drang, sich irgendwie hervorzutun, und so trugen fast alle Häuser auf der Straße keine Nummern, sondern Namen. McFarlanes Villa zum Beispiel hieß »Ardmore«.

Als wir in dieser Naht Ardmore erreichten, versperrte ein Fuhrpark schwarzer Streifenwagen die Zufahrt. Normalerweise ist das der Augenblick, wo ich mich umsehe, wie weit und schnell ich in die entgegengesetzte Richtung fahren kann, aber Lorna bekam es mit der Panik, also parkte ich am Straßenrand und ging mit ihr zum Haus. Wir rechneten mit etwas hochgradig Unangenehmem und wurden nicht enttäuscht: Die Unannehmlichkeit war eins fünfundneunzig groß, hieß Detective Superintendent Willie McNab, steckte in einem Tweedanzug und trug derbe Straßenschuhe von der Farbe getrockneten Blutes.

»Was ist los?«, fragte ich, aber McNab gönnte mir keinen Blick.

»Miss MacFarlane?«, sprach er Lorna in besorgtem Tonfall an. Ich war beeindruckt, wie überzeugend er das menschliche Wesen mimte. »Würden Sie mich bitte begleiten?« Er führte sie in den Eingang. Im Gehen schenkte er mir immerhin einen Blick über die Schulter, der sagte: Und du rühr dich bloß nicht vom Fleck!

Ich lächelte. Es war schön, wenn man wahrgenommen wurde.

Ich blieb mit dem Bobby stehen, der an der Haustür Wache schob. Er war ein großer Junge, ein Highlander, wie neunzig Prozent aller Streifenbeamten in der City of Glasgow Police. Highlander stellte man wegen ihrer Größe ein, nicht wegen ihres Verstandes; diese Typen ließen sich leicht von Glasperlen oder elektrischem Strom beeindrucken. Ich brauchte nur zwei Minuten, bis ich von Bobby erfuhr, was los war: Small Change MacFarlane, Lornas Vater und Glasgows erfolgreichster Buchmacher, lag auf dem Boden seines Arbeitszimmers und versaute den Teppich mit mehreren Spätschoppen 0-Rhesus negativ.

»Wir glauben, er war grad von ’nem Rennen reingekommen«, vertraute Bobby mir mit melodischer Stimme an. »Er war ’n Buchmacher, wissen Se. Jemand hat ihm die Statue von seinem Lieblingswindhund übergezogen. Billy Boy heißt der Köter.«

Ich bekundete meine Bestürzung mit einem Stirnrunzeln. »Welche Quote er darauf wohl gegeben hätte?«

***

Als McNab wieder in die Eingangshalle kam, stand ich noch immer an der Türschwelle, aber ich konnte an ihm vorbei ins Wohnzimmer sehen, als er die Tür öffnete. Lorna saß verstört auf dem Sofa und wurde von ihrer Stiefmutter getröstet. Ich machte einen Schritt ins Haus, doch McNabs riesige Hand vor meiner Brust hielt mich auf.

»Was genau hatten Sie mit Jimmy MacFarlane zu tun?«, fragte er.

Ich bedachte McNab mit meiner besten »Nimm-deine-verdammten-Drecksgriffel-von-mir«-Miene, doch es zeigte so viel Wirkung, als hätte ich Nepalesisch gesprochen. Er ließ seine Pranke auf meiner Brust.

»Mit Small Change? Nichts«, antwortete ich. »Ich bin bloß ein Freund seiner Tochter.«

»Ein enger Freund?«

»Sagen wir mal so ... wir sehen uns im Moment ziemlich oft.«

»Und das ist Ihre einzige Verbindung zu James MacFarlane?«

»Ich bin ihm ein paar Mal begegnet. Hauptsächlich über Lorna«, sagte ich, ohne zu erwähnen, dass Small Change mir zwei Karten für den bevorstehenden großen Kampf zwischen dem hiesigen Boxtalent Bobby Kirkcaldy und dem deutschen Titelverteidiger Jan Schmidtke versprochen hatte. Tatsächlich war mein erster Gedanke, nachdem ich von Small Changes Ableben erfahren hatte, die bange Frage gewesen, ob er die Karten für mich noch hatte zurücklegen können, ehe ihm der Schädel zu Brei geschlagen wurde. Ich weiß, dies offenbart eine der weniger ansprechenden Seiten meiner Natur. Andererseits war die Sache mit den Karten noch nicht einmal das Schlimmste, was mir durch den Kopf ging, denn als Zweites hatte ich mich gefragt, wie viel Zeit nach dem Tod ihres Alten wohl vergehen würde, bis Lorna wieder in Stimmung wäre, sich auf der Rückbank meines Wagens durchfiedeln zu lassen.

»Sonst nichts?«, fragte McNab. »Sie haben nie für ihn gearbeitet? Irgendwas ausgeschnüffelt?«

Ich schüttelte den Kopf und blickte auf die Hand auf meiner Brust. Die massige Faust öffnete sich. Dicke Finger, schwielige Knöchel. Gestärkte weiße Manschetten unter dem Tweed.

»Na, das werden wir dann ja noch sehen. Jedenfalls halten Sie Ihre Nase aus der Geschichte raus, kapiert?«, sagte McNab. »Das ist Sache der Polizei.«

»Ich habe nicht die Absicht, mich einzumischen.« Ich runzelte die Stirn; es verwirrte mich ein wenig, dass McNab mich so offensichtlich von dem Fall fernhalten wollte. »Was war eigentlich das Motiv?«

»Oh, das ist eine sehr, sehr schwierige Frage ...« McNab rieb sich nachdenklich das Kinn. »MacFarlane war einer der reichsten Buchmacher und Windhundzüchter Glasgows. Er war gerade von der Rennbahn nach Hause gekommen und hatte eine Tasche voller Geld dabei, die wir nicht finden können ... na klar! Ich hab’s! Verbrechen aus Leidenschaft!«

»Sie sollten bei dem bleiben, was Sie gut zu können glauben, Superintendent, und den Sarkasmus mir überlassen.«

»Dann überlassen Sie mir die Polizeiarbeit. Das ist ein simpler Raubmord. Das schaffen wir auch alleine, Lennox. Zwei Tage, und wir haben das Schwein gefasst.«

»Ah.« Ich lächelte und nickte anerkennend. »Die schottische Justiz bei der Arbeit. Die Verkörperung von Fairness und Gerechtigkeit, wo jeder Mensch als unschuldig gilt, bis sein Katholizismus erwiesen ist.«

Im Kino versicherten die Kripoleute den Typen, die verhört werden sollten, fast jedes Mal, alles sei »nur Routine«. Ich fragte mich, ob die Glasgower Polizei das auch so hielt. Wir behalten Sie nicht lange hier, alles nur Routine. Noch ein paar Tritte in die Rippen und ein paar Schläge in die Fresse, dann können Sie Ihre Zähne vom Boden auflesen und dürfen nach Hause kriechen.

»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, fragte McNab in meine Gedanken hinein.

»Es ist Ihr Job, Fragen zu stellen, Superintendent«, erwiderte ich, ohne hinzuzufügen, dass er die Antworten auf seine Fragen gewöhnlich aus den armen Schweinen herausprügelte, die er in die Hände bekam.

»Warum verpissen Sie sich eigentlich nicht nach Kanada?«

»Soll das eine Frage sein, oder ist es der neue Slogan der kanadischen Einwanderungsbehörde? Der Spruch hat was, das muss ich Ihnen lassen.«

»Sie sind ein echter Spaßvogel, Lennox.« Er sah an mir vorbei oder über mich hinweg, über den Garten hinaus, als interessiere unser Gespräch ihn plötzlich nicht mehr. Dann blickte er mir unvermittelt in die Augen und beugte sich vor. Sein Gesicht war dicht vor meinem, seine Hand lag auf meiner Brust. Es gab keinen Zweifel, wo seine Aufmerksamkeit lag. »Erinnern Sie sich noch an unseren letzten kleinen Plausch am St. Andrew’s Square?« Damit meinte er das Glasgower Polizeipräsidium.

»Wie könnte ich das vergessen? Sie, ich und der charmante Neandertaler mit dem feuchten Lappen um die Faust.«

»Wenn Sie die Klugscheißerei nicht lassen, Lennox, wiederholen wir unsere Party vielleicht. Halten Sie einfach die Schnauze und beantworten Sie mir nur meine Frage: Warum verpissen Sie sich nicht nach Kanada?«

»Weil es mir hier gefällt«, entgegnete ich, ohne auf den logischen Widerspruch zwischen Schnauzehalten und Fragebeantworten einzugehen. »Die Luft in Glasgow bekommt mir. Wenn ich die Stadt verlasse, wird meine Brustfellentzündung wahrscheinlich schlimmer, und ich habe lange gebraucht, bis ich sie so weit hatte, dass ich mit ihr zufrieden war.« Ich seufzte und zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht, eines Tages gehe ich vielleicht nach Kanada zurück. Wenn ich so weit bin.«

»An Ihrer Stelle würde ich mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen.« Er nahm seine Hand von meiner Brust. Sie hatte dort so lange geruht, dass ich den warmen, schweren Druck noch immer durch Jackett und Hemd spürte. Begriffen und zur Kenntnis genommen. Vor der Pranke von Detective Superintendent Willie McNab war in Glasgow niemand sicher. Er konnte zugreifen, wann und solange er wollte. »Ich kenne eine Menge Leute, die Sie nicht leiden können, Lennox. Leute, die noch immer denken, Sie wüssten mehr über den McGahern-Fall, als Sie zugeben.«

»Dann irren sich diese Leute.« Mit einem hastigen Lächeln überspielte ich mein Unbehagen, dass McNab in einer abgeschlossenen Geschichte herumwühlte. »An mir ist weniger, als man glaubt, Superintendent. Das habe ich Ihnen schon hundert Mal gesagt. Kann ich jetzt reingehen und mit Lorna reden?«

»Vergessen Sie bloß nicht, Ihre Nase aus dem Fall MacFarlane rauszuhalten.« McNab steckte sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und blies eine Rauchfahne in den schwülen Abend über Pollokshields. »Sonst sorge ich höchstpersönlich dafür, dass Sie Luftveränderung bekommen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

»Kristallklar. Ich muss schon sagen, Superintendent, Ihre verhüllten Drohungen sind ganz Drohung und null Hülle.«

***

Maggie MacFarlane schenkte mir einen Scotch ein, während ich neben ihrer Stieftochter saß und sie tröstete. Lornas leibliche Mutter war vor zehn Jahren gestorben, und Jimmy »Kleingeld« MacFarlane hatte wieder geheiratet. Maggie, seine zweite Frau, war höchstens zehn Jahre älter als Lorna.

Wenn manche Männer ein bestimmtes Alter erreichen, tauschen sie die Familienkutsche gegen einen schnittigen Sportwagen, falls sie genug auf der hohen Kante haben. Elegante Linien und Kurven statt viel Blech und großem Kofferraum. Bei der erregenden Fahrt können sie sich einen Augenblick lang wieder jung fühlen, auch wenn die Pferdestärken sie vielleicht ein bisschen überfordern. Zweite Frauen können die gleiche Wirkung haben. Maggie MacFarlane erweckte auf jeden Fall diesen Eindruck, und bei unserer ersten flüchtigen Begegnung, als ich Lorna zum ersten Mal abholte, hatte Maggie mir irgendwie den Eindruck vermittelt, mir jederzeit zur Verfügung zu stehen, wenn ich sie für eine kurze Spritztour ausleihen wollte.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte ich Maggie. Die Wahrheit lautete, dass es ihr gut ging. Ein bisschen zu gut.

»Ich kann es einfach nicht fassen«, sagte sie, reichte mir den Scotch und schenkte sich ebenfalls ein. »Armer Jimmy. Wer tut denn so was?«

Ich nahm meinen Scotch, legte den Arm um Lorna und überredete sie, einen Schluck zu trinken. Sie hatte zu weinen aufgehört und saß aschfahl und reglos da. Als ihr der Whisky in die Kehle gluckerte, hustete sie und kniff die Augen fest zusammen. Das Feuer des Alkohols schien in ihrem Gesicht eine Lampe anzuknipsen. Sie funkelte Maggie wütend an.

»Da fällt mir schon der eine oder andere ein«, sagte sie in einem tiefen, trotzigen Tonfall. Glückliche Familien. Ich war um Lornas willen empört, warf aber wieder einen Blick auf meine Armbanduhr: Wir hatten schon Sperrstunde. Und die Zeit, in der ich noch auf mein geheimes Klopfzeichen hin ins Horsehead käme, ging auch rasch zu Ende.

Ich beschloss, die Spannung zu lösen. »Haben Sie die Lei ... äh, waren Sie es, die Mr. MacFarlane aufgefunden hat?«, fragte ich Maggie.

Sie nahm auf dem Sofa uns gegenüber Platz und legte mit einem Rascheln von Seide auf Seide die Beine übereinander. Natürlich war es der unpassendste Moment, auf ihre Beine zu schielen, und ich gab mir alle Mühe, es zu vermeiden. Wie üblich scheiterte ich. Ihre Lippen umschlossen in tiefem Rot die Zigarette, die sie sich anzündete: irgendeine teure ausländische Marke mit Filter und einem Doppelring aus Goldpapier.

»Ich habe eine Freundin in Bearsden besucht«, sagte sie und sah mich mit ihren blauen Augen ruhig an. »Vor ungefähr einer Stunde bin ich zurückgekommen. Als ich hier eintraf, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmt, weil die Haustür sperrangelweit offen stand. Dann, als ich zu Jimmys Arbeitszimmer durchging ...« Sie senkte den Blick und nahm einen tiefen Zug aus dem Scotchglas.

»Was sagt die Polizei?«

»Nicht viel. Sie halten es für einen Raubmord. Jemand, der gewusst hat, dass Jimmy mit den Tageseinnahmen von Shawfields nach Hause kommen würde.«

»Hat die Polizei Namen genannt?«

Maggie wollte gerade antworten, als McNab ohne anzuklopfen ins Wohnzimmer kam. Anklopfen war etwas für die anderen.

»Miss MacFarlane, dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?« Er sah mich an, als wollte er hinzufügen: Am liebsten in der Küche.

Maggie wartete, bis Lorna und McNab gegangen waren; dann sagte sie: »Nein. Keine Namen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Polizei schon Ideen hat.«

Ich lachte leise. »Die Polizei? Nein. Denken hat bei denen die ärgerliche Gewohnheit, ihren Vorurteilen in die Quere zu kommen.«

***

Als Lorna von ihrem Gespräch mit McNab zurückkehrte, war sie in Tränen aufgelöst. Kein Wunder; in McNabs Gesellschaft konnte man eigentlich nur weinen, sich ärgern oder sich vor Angst in die Hose scheißen. Ich machte mich daran, Lorna pflichtschuldig zu trösten, und blieb bei Tochter und Stiefmutter, ohne auch nur einmal zu fragen, ob Small Change vor seinem vorzeitigen Ableben zufällig etwas von Boxkampfkarten gesagt habe, die er mir besorgt hatte. Wenn das nicht gentlemanlike ist, was dann?

Nach allem, was ich so aufschnappte, lag McNab vermutlich richtig: Jemand hatte Small Change wegen der Tageseinnahmen, die er bei sich trug, den Schädel eingeschlagen. Diese Einnahmen mochten ein hübsches Sümmchen sein, sicher, aber nicht hübsch genug, um dafür den Strang zu riskieren. Und wenn McNab sich persönlich in den Fall einschaltete, würde auf jeden Fall irgendjemand hängen. Ich war froh, dass ich das bestmögliche aller Alibis besaß.

Ich blieb bis ungefähr zwei Uhr früh bei den MacFarlanes; dann rückte endlich die Polizei ab. Ich versprach, am nächsten Morgen anzurufen, und machte mich ebenfalls auf die Socken.