Wir sitzen im Obergeschoss, haben einen weitläufigen Blick über die Fußgängerzone unter uns, aber wir sind zu beschäftigt damit, unsere Kaffees zu trinken und dümmlich zu grinsen. Wann immer unsere Blicke sich treffen, muss einer von uns lächeln. Meistens ist es Maya, wie jetzt auch wieder.

„Ich hätte dem Typen zu gerne gesagt, was ich von seinem Laden halte.“

Sie erzählt mir die Geschichte über ihren absurden Tag, ich habe selten etwas Spannenderes gehört. Ich fühle mich wie Pepe das Stinktier, von daher ist wahrscheinlich jede Geschichte aus ihrem Mund für mich spannend.

„Alle drei Waschmaschinen waren defekt. Dann wurde er zickig. Ich hasse zickige Männer.“

Ihre Locken rutschen ihr ins Gesicht, wenn sie lacht. Ich bin versucht, eine Locke, die besonders hartnäckig vor ihre Augen springt, mit einer sanften Handbewegung wieder hinter ihr Ohr zu streichen. Aber ich traue mich nicht, und sie scheint es nicht zu stören.

„Naja, jetzt muss ich eben später noch mal mein Glück versuchen.“

Achselzucken. Später? Sie würde also unser Date etwas verkürzen müssen, um ihre Wäsche zu waschen? Das ist doch eine Farce.

„Ich habe auch eine Waschmaschine.“

Ob ich schon einmal etwas Dämlicheres gesagt habe? Vermutlich, als ich vier Jahre alt war. Aber garantiert nicht seitdem ich in der Lage bin, ohne Stützräder Fahrrad zu fahren.

„Trockner?“

„So was in der Art, ja.“

Ich habe keinen Trockner. Ich bräuchte natürlich einen, so wie jeder faule Mensch. Aber ich habe keinen. Ich habe eine andere Variante gefunden, um meine Kleider beim Trocknen etwas zu motivieren.

„Und was kochst du?“

Unsere Tassen sind seit einigen Minuten leer und ich hatte völlig vergessen, dass wir ja noch mehr zusammen erleben wollten.

„Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Aber ich dachte, wir gehen einfach zusammen einkaufen und du sagst mir, worauf du Lust hast.“

Mein genialer Plan: Maya zwischen der Käse- und Fischtheke kennenlernen ...

„Das klingt toll. Noch nie hat ein Mann für mich gekocht.“

Sie wickelt ihren Schal um den Hals und ich verstehe ihr Zeichen zum Aufbruch, wühle mich zurück in meine Jacke und bin heilfroh, meine Mütze wieder aufsetzen zu können; denn ich werde das Gefühl nicht los, mein Vogelnest von Frisur lenkt sie immer wieder ab. Den Kaffee hat übrigens Maya bezahlt. Es war ihr so unangenehm, dass sie zu spät erschienen war, und ich erwähnte nicht, dass ich bereits zwei Kaffees in die Mülltonne gekippt hatte.

An der Tür, die ich ihr aufhalte, sieht sie mich wieder an, bleibt ganz dicht bei mir stehen und scheint einen kurzen Moment zu überlegen. So nah standen wir uns noch nie gegenüber und ich höre mich selbst schlucken. Ihr Blick mustert mein Gesicht, das kann ich sehen. Mein Herz schlägt viel zu schnell, meine Lippen fühlen sich trocken an, ebenso wie mein Hals. Ich will sie küssen. Nein, ich muss sie küssen! Aber bevor ich meinen Mut zusammennehmen kann, kommt sie mir zuvor und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Nicht wirklich auf die Lippen. Eher auf die Wange. Aber dann auch nicht wirklich auf die Wange. Es ist einer dieser unentschiedenen Küsse. Als hätte sie den gleichen Gedanken gehabt wie ich. Als wären meine Lippen für sie ebenso anziehend wie ihre für mich. Ich bin mir sicher: wenn sie nicht Angst vor der eigenen Courage und ich überhaupt etwas Courage gehabt hätte, dann hätten wir uns genau dort zwischen Tür und Angel geküsst. So aber ist es einer dieser Küsse, die man den ganzen Tag mit sich herumträgt und überlegt, was er zu bedeuten hat.

Wir stehen in einem Laden, in dem ich sonst eher selten bis gar nicht einkaufe, weil mein Budget es nicht zulässt. Zwar gibt es hier auch alles, was das Studentenherz begehrt, aber für eine Tiefkühlpizza fahre ich nicht bis in die Stadt.

Maya steht vor dem Schokoladenregal und lächelt, als hätte sie gerade den Himmel auf Erden entdeckt. In mir wächst der Wunsch, sie würde mich eines Tages genau so ansehen. Mit diesen Augen, dem Leuchten, dem entrückten Lächeln. Ich will ihre Schokolade sein.

„Ich könnte das ganze Regal kaufen! Alles!“

Sie breitet die Arme aus, lässt ihre Sporttasche fallen und dreht sich einmal um die eigene Achse. Ich lache.

„Im Ernst, ich liebe Schokolade. Oder allgemein Süßkram.“

Sie entdeckt etwas, das ihre Aufmerksamkeit erregt und rennt durch den Gang zum nächsten Himmel, wie es scheint. Ich hebe die Tasche auf und folge ihr wie ein Hund an einer imaginären Leine.

Vor einer Selbstbedienungsbox voller kleiner bunter Pillen bleibt sie stehen und greift nach einer durchsichtigen Tüte.

„Kennst du die Dinger? Jelly Beans. Die verrücktesten Geschmacksrichtungen.“

Ohne einen Blick auf die Schilder zu werfen, die die Sorten anpreisen, schüttet sie massenhaft kleine Bohnen in die Tüte.

„Das wird ein Spaß! Genial. Nicht gucken!“

Ihre linke Hand legt sie über meine Augen. Auch wenn wir uns in Zwischenzeit öfter berührt haben, ich habe mich noch immer nicht an das Gefühl gewöhnt. Es trifft mich erneut wie ein Blitz, aber ich spiele mit. Während ich das Prasseln von Zuckerbohnen, die in die Tüte fallen höre, konzentriere ich mich einzig und allein auf ihre Hand an meinen Augen. Sie presst die Hand gegen meinen Nasenrücken, ihre Finger berühren meine Schläfen. Wenn sich das schon so gut anfühlt, wie muss es dann sein, ihre Hand auf meiner Brust zu spüren?

„Okay. Fertig.“

Sie wirft eine gut gefüllte Tüte mit Süßkram in den kleinen Einkaufskorb, den ich in der Armbeuge trage.

„Das ist ein nettes Dessert, aber es wird dich nicht satt machen.“

Ich sehe mich um, erkenne unzählige Möglichkeiten, sie glücklich zu kochen, aber ich werde ihre Hilfe brauchen.

„Sag mir, wonach dir ist, was du gerne isst.“

„Pizza.“

Mit wenigen Schritten erreicht sie die Tiefkühlboxen mit Fertigfutter, die zwar den Hunger stillen, aber selten gut schmecken. Ich schaue sie etwas enttäuscht an.

„Schau mal, Thunfisch. Das geht schnell und ist lecker.“

Sie hat meinen Plan noch nicht verstanden. Ich will zwar, dass es lecker ist, aber es soll nicht schnell gehen. Denn wenn das Essen schnell rum ist, dann ist sie auch schnell wieder weg – und damit würde mein Plan total gegen die Wand fahren. Es soll ein gemütlicher, langer Abend werden. Er soll sich in ihre Erinnerung einbrennen, so wie die Berührung ihrer Finger an meiner Schläfe es bei mir tun.

„Pizza?“

Sie nickt und will schon einen der Kartons aus der kalten Tiefe fischen, aber ich bin schneller und halte sie davon ab.

„Nein, nein. Nein. Ich will kochen. Ich will richtig kochen. Ich will Pfannen benutzen, Töpfe, ich will Gartenkräuter schneiden. Ich will dich bekochen.“

Ihr Blick haftet an meinen Lippen, die sich für meinen Geschmack etwas zu viel bewegen. Ich will nicht so klingen, als ob ich bettele, aber ich flehe sie förmlich an.

„Okay. Also. Ich weiß nicht.“

„Gibt es etwas, was du gerne isst, aber es viel zu selten tust?“

Ein schüchternes Lächeln folgt dem kurzen Nicken und ich entspanne mich wieder etwas. Hoffentlich sagt sie jetzt nicht Lasagne.

„Ich würde gern mal etwas richtig Schickes essen. Hummer oder Ente. Oder einen tollen Fisch.“

Ich muss sie küssen. Es tut mir leid, ich klinge wie diese frisch verliebten Teenager. Ich benehme mich wie einer. Ich war damals genau so. Und jetzt bin ich es irgendwie wieder. Ich will Maya küssen und ich brauche meine komplette Zurückhaltung, um es nicht zu tun. Wie lange ich es noch aushalte, weiß ich nicht.

„Komm mit.“

Ich greife ihre Hand und ziehe sie mit mir. Sie soll den Korb halten, ich kümmere mich um alles andere. Maya scheint, so wie ich eigentlich auch, in der Küche von Fertigsoßen und Nudeln zu leben. Aber heute soll es anders werden.

Sie runzelt die Stirn und verfolgt mein Auswahlverfahren bei der Käsetheke. Käse ist der erste Schritt. Aber es muss guter Käse sein. Zwei Ziegenkäse landen im Korb, gefolgt von einer Packung Pinienkerne. Sie scheint meinem Plan eher etwas unsicher und skeptisch zu folgen, aber sie tut es.

Beim Obst und Gemüse entscheide ich mich für Feigen, während sie einen Apfel probiert und mich weiterhin beobachtet.

„Was sind denn das für Dinger?“

„Feigen.“

Ich drehe mich zu ihr um und fange an, etwas ungeschickt mit drei Feigen zu jonglieren. Ich bin aus der Übung, aber ich schaffe es, die Früchte in der Luft zu halten. Sie lacht und applaudiert.

„Bravo! Bravo!“

Ich verneige mich und lasse die Feigen im Korb verschwinden. Noch habe ich nur einen groben Plan, aber während wir durch die Gänge schlendern und sie immer wieder stehen bleibt, um sich über die überhöhten Preise für Feinkost auszulassen, grinse ich vor mir hin. Wir sehen aus wie ein Paar. Für die Außenwelt sind wir das, was der innigste Wunsch meines Inneren ist. Vielleicht wird dieser Einkauf alles sein, woran ich mich immer und immer wieder erinnern werde. Denn genau jetzt ist die Welt perfekt. Einfach nur, weil die Damen an der Wursttheke denken, wir wären ein Paar. Ich wäre ihr Freund. Nicht ein Freund, ihr fester Freund. Wieso ich dieses stolze Lächeln von nun an spazieren trage, erklärt sich wohl von selbst.

Maya greift nach meinem Ärmel und zieht mich ein Stück zurück.

„Das ist zu teuer.“

Es ist nur ein Flüstern und ich spüre ihren heißen Atem an meinem Ohr und dem Nacken. Eine feine Gänsehaut überzieht augenblicklich meinen Körper, und ich schüttele nur kurz den Kopf.

„Das ist im Budget noch drin.“

Zwei Packungen Entenfilets landen neben der Tüte mit den Jelly Beans im Korb. Es ist ein merkwürdiges Bild, irgendwie passend für den Augenblick. Ich kaufe Enten, sie Süßigkeiten. Übertreibe ich hier vielleicht? Ich will ihr nicht das Gefühl geben, sie wäre kleiner als ich. Oder als wäre ich so ein fantastischer Typ, der sich alles leisten kann, um sie zu beeindrucken. Das kann ich nämlich nicht. Es ist eine klare Ausnahme. Ich habe mir einen Vorschuss für mein aktuelles Projekt auszahlen lassen mit dem Versprechen, ich würde das Projekt dafür zwei Wochen früher präsentieren. Wie ich das schaffen soll, weiß ich selbst nicht. Aber wenn ich Maya anschaue, wie ihre großen Augen mich ansehen, fast ein bisschen bewundernd, dann weiß ich: es ist all die Mühe wert.

„Das musst du nicht machen. Eine Pizza ist auch okay.“

Das habe ich doch alles schon mal erklärt, oder nicht? Ich will das alles. Ich will, dass es teuer ist! Ich will es nun mal so.

„Maya, trinkst du Wein?“

„Nur roten.“

Sie ist verwirrt, aber ich bleibe hartnäckig, ziehe sie mit mir weiter zu den Weinregalen. Hier stehen so viele Flaschen, einige haben einen Namen auf dem Etikett, den ich noch nie gehört habe und bestimmt auch falsch ausspreche. Aber ich verlasse mich auf mein Glück.

„Cola tut es auch.“

Wieder ein Versuch, mich günstig zu halten. Ich ignoriere ihren Einwand erneut und greife nach einem Rotwein im mittleren Preisbereich. Der sollte es tun, ein goldenes Etikett, es sieht zumindest schick aus.

„Wir haben einen Gewinner.“

Wieso ich plötzlich diesen Adrenalinschub in mir spüre und so tue, als könnte ich Bäume ausreißen und fliegen – ich weiß es einfach nicht. Aber bestimmt sind meine Wangen ganz rot vor Aufregung. Maya nimmt mein Gesicht in ihre Hände. Mein Gehirn setzt aus.

„Jonas. Wirklich. Ich würde auch nur eine Pizza mit dir essen. Du musst das nicht machen.“

Mir fallen ganz viele kluge Sprüche ein, die mich wie einen coolen Typen erscheinen lassen. Meine Lippen öffnen sich, aber ich kriege kein Wort raus. All die klugen Worte in meinem Kopf, die langsam die Kehle hockriechen und es sich auf meiner Zunge gemütlich machen, wollen nicht über meine Lippen. So stehe ich da, leicht geöffnete Lippen, starrer Blick.

Es liegt an ihr. Ihre Berührung lähmt mich.

„Du bist süß, weißt du das?“

Wieder will ich etwas sagen, komme aber nicht dazu. Es sind ihre Hände, ihr Lächeln, die mich nicht klar denken lassen. Mein Kopf bewegt sich irgendwie, es ist eine Mischung aus Kopfschütteln, Nicken und Schulterzucken. Dann dreht sie sich wieder weg, nimmt eine andere Flasche in die Hand und zeigt sie mir.

„Ich glaube ich mag diesen hier. Okay?“

Er ist billiger als meine Wahl, aber vielleicht übertreibe ich wirklich etwas. Ich gebe nach. Auch dieser Wein ist okay.

Sie geht langsam vor mir her, sieht sich suchend in den Regalen um, fischt hier und da etwas Knabbergebäck heraus, wartet mein Einverständnis ab und legt die Packung dann in den Korb.

Ich folge ihr wie ein Hund an der Leine. Warum, weiß ich selbst nicht so genau, aber ich fühle mich von ihr so angezogen, ich kann nicht anders. Sie ist wie eine dieser verrückten Drogen, die dich total nach oben katapultieren und an deren Nachwirkungen du nicht einmal denken willst, weil alleine das schon unbeschreibliche Schmerzen bedeutet.

Wir bleiben vor einem Regal stehen, sie schnappt sich eine Packung Pflaster.

„Ich habe mir vorhin wehgetan. Ich bin total ungeschickt. Ich zahle das selbst, keine Sorge.“

Als ob ich ihre Pflaster nicht auch zahlen würde. Mein Blick geht über die anderen Angebote in diesem Gang. Ich stelle überrascht fest, ich habe Kondome mit Erdbeergeschmack direkt auf Augenhöhe.

Maya lacht laut los, mir ist es extrem unangenehm. Ich habe sie nicht zu diesen Regalen geführt, ich bin ihr gefolgt. Jetzt stehen wir hier, die Kondome wie eine Leuchtreklame über meinem Kopf.

Maya bemerkt, dass ich diesmal nicht lache.

„Willst du welche kaufen?“

Eine große Dürre macht sich in meinem Hals breit. Ich versuche, meine Lippen zu befeuchten, meine Sprache (die ich seit der Weinabteilung verloren habe) wiederzufinden.

„Jonas, ich werde nicht mit dir schlafen.“

Sie spricht leise und langsam, aber ich merke sehr wohl, sie ist aufgeregt. Leider nicht in einer positiven Weise. Ihre Augen sehen jetzt dunkler aus, sie ist wütend.

„Das ist mein voller Ernst. Ich werde nicht mit dir schlafen, schlag dir das aus dem Kopf.“

Nicken, Fuchs, du musst nicken. Ich habe doch gar nicht angenommen, sie würde mit mir schlafen. Ich habe das nicht mal geplant. Ich habe das wirklich nicht vorgehabt, ich wollte doch so dringend beweisen, dass ich anders bin als die anderen.

Habe ich trotzdem daran gedacht? Himmel, und wie! Es ist schwer, nicht an Sex mit einer wunderschönen Frau zu denken, die man bereits nackt gesehen hat. Oder fast nackt.

„Warum nicht?“

Meine Stimme klingt dünn, schüchtern und leise. Und doch kann ich nicht glauben, dass ich diese Frage allen Ernstes gestellt habe. Bin ich denn von allen guten Geistern verlassen? Es ist also soweit, ich habe den Verstand verloren. Maya mustert mein Gesicht, ihre Stirn liegt in Falten, ihre Lippen sind zusammengepresst.

„Ich werde nicht mit dir schlafen. Punkt.“

Das ist eine klare Aussage. Ich bin keine Option für ein Treffen zwischen den Laken. Meine Schultern hängen jetzt vielleicht ein bisschen tiefer, aber ich besinne mich auf den eigentlichen Plan: sie beeindrucken.

„Das ist kein Problem.“

Ich überrasche mich doch immer wieder selbst. Mein Lächeln ist ehrlich, offen und überzeugend. Ich lüge. Sie lächelt und berührt den Ärmel meiner Jacke.

„Danke.“

An der Kasse gönnen wir uns noch etwas Schokolade, weil ich sehe, wie sie ständig hinübersieht. Sie möchte es haben, sagt aber nichts, also lege ich es wortlos aufs Band und bekomme wieder ein süßes Lächeln. Ich habe beschlossen zu zählen, wie oft sie lächelt. Das lenkt ab und macht mich glücklich. Vielleicht vergesse ich dann ihre bestimmte Stimme, die immer wieder die gleichen Worte in meinem Kopf wiederholt: „Ich werde nicht mit dir schlafen.“

„Jones?“

Jones ist mein Spitzname, nur wenige meiner Freunde nennen mich noch so. Es ist ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit, der Schulzeit, die wir lange hinter uns gelassen haben.

Ich erkenne den jungen Mann, der an der Kasse sitzt und unsere Lebensmittel über den Scanner zieht. Er ist etwas dicker geworden, aber sonst hat er sich kein Stück verändert. Dirk Köpke, mein Sitznachbar in Geschichte. Wir saßen in der letzten Reihe und tauschten Panini-Bilder unter der Bank, während andere sich um den Zustand der Weimarer Republik kümmerten.

„Dirk, hallo. Mensch, wir haben uns ja ewig nicht gesehen.“

Soll ich Maya vorstellen? Und wenn ja, als wen? Als eine Freundin? Das würde es doch am ehesten treffen. Wenn ich aber nichts sage, denkt er vielleicht sie wäre meine Freundin. Das wäre mir, ehrlich gesagt, viel lieber.

„Stimmt. Bestimmt zwei Jahre oder so. Ich wollte ja zu Patricks Junggesellenparty kommen. Aber hat nicht geklappt.“

Richtig, ich hatte ja auch ihn eingeladen, aber seine E-Mail erklärte mir, er müsste sich um seine sechs Monate alte Tochter kümmern, da seine Frau (oder Verlobte oder Freundin) unterwegs war. So hatte ich Dirk nicht in Erinnerung. Er war eher der Draufgängertyp gewesen, zumindest damals in der Schule.

„Hast echt was verpasst.“

Ich verschweige die Tatsache, dass ich auch fast alles verpasst habe. Ich hatte etwas Besseres zu tun. Unwillkürlich werfe ich Maya ein Lächeln zu, sie packt in alle Ruhe unsere Einkäufe in die Tasche, die ich aus meiner Jackentasche gewühlt habe. Dirk lässt sich Zeit beim Zählen meines Geldes.

„Hab von der Stripperin gehört. Heißes Geschoss, hm?“

Ein Schlag ins Gesicht! Nicht in meines. Sofort geht mein Blick zu Maya, die sich nichts anmerken lässt. Vielleicht hat sie es nicht gehört. Oder es ist ihr egal. Dirk spricht einfach weiter.

„Hatte ja wohl einen geilen Arsch, was man so hört. Ich sage dir, wenn ich heirate, dann will ich genau diese Tussi haben. Hat Patrick ja wohl auch einen geschrubbt.“

Er zählt mein Rückgeld. Ich beuge mich etwas weiter über das Band.

„Sie hat was?“

„Hab gehört, sie hat ihm einen Handjob gegeben. Oder einen Blowjob, weiß nicht mehr.“

„Hat sie nicht!“

Meine Stimme ist schrill.

„Hab ich aber gehört. Die hätte sich auch vögeln lassen, wenn Patrick das gewollt hätte. Im Ernst, sind doch eh alles Flittchen.“

Ich halte mich am Band fest, funkle ihn wütend an, will ihn am Kragen packen und seinen Kopf auf dem Band blutig schlagen.

„Das ist Bullshit! Sie hat getanzt, dann ist sie gegangen.“

Ich zische meine Antwort zwischen meinen Zähnen hindurch; wenn ich lauter spreche, dann schreie ich. Dirk lacht und nickt, legt mir mein Wechselgeld in die Hand und schenkt mir ein gelbzähniges Grinsen.

„Ich hätte sie trotzdem gebumst.“

Mein Körper ist angespannt, ich überlege ernsthaft, vielleicht wenigstens einen ...

„Jonas, können wir?“

Mayas Hand schiebt sich in meine und zieht mich langsam von der Kasse weg. Dirk wünscht uns noch einen schönen Tag und kümmert sich um den nächsten Kunden, während mein Herz bis zum Hals schlägt und ich Mayas Hand so fest halte, dass ich ihr wehtun muss.

„Komm wieder runter. Der Typ ist es doch nicht wert.“

„Er hat Scheiße erzählt. Über dich.“

Ich kann die Straße vor uns kaum richtig erkennen, so schmal sind meine Augen geworden.

„Er weiß aber nicht, dass ich diese Frau bin.“

Ein Kuss auf die Wange lässt meine ganze Wut sofort verpuffen. Überrascht sehe ich sie an, sie lächelt wieder, hakt sich bei mir ein.

„Komm, lass uns zu dir gehen. Ich bin gespannt auf deine Wohnung.“

Ich auch.

5 Tage Liebe
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