Achtes Kapitel

Callia blieb oben an der Treppe vorm Schlafgemach des Königs stehen und rieb sich die pochende Schläfe. Nicht der König und dessen schwindende Gesundheit bescherten ihr Kopfschmerzen, sondern vielmehr das, was sie als Nächstes tun musste.

Ein wahrer Anführer …

Wenn sie sich die Worte des Königs oft genug vorbetete, fing sie vielleicht irgendwann an, sie zu glauben.

Verärgert schüttelte sie ihre Weltschmerzhaltung ab, die ihr ohnedies nicht helfen würde, und stieg die Treppe hinunter. Im zweiten Stock angekommen, blickte sie auf ihre Uhr. Ihr blieben noch knapp dreißig Minuten, bis sie bei Loukas sein sollte, also musste sie eilig nach Hause, sich duschen und umziehen. Zwar wollte sie sich gewiss nicht eigens für ihn herausputzen, aber sie hatte auch nicht vor, ihn zu verärgern. Jedenfalls nicht bevor sie vermählt waren.

Bei dem Gedanken wurde ihr übel, doch auch das ignorierte sie. Seit ihr Vater sich vorhin von ihr verabschiedete, hatte sie lange nachgedacht, und nun wusste sie eines mit Sicherheit: Falls sich wirklich etwas in ihrem Land ändern sollte, musste es bei ihr beginnen. Und das war nur möglich, indem sie Loukas’ Frau wurde.

Sie war derart gedankenversunken, dass sie beinahe Isadora übersah, die ihr auf dem Treppenabsatz im ersten Stock entgegenkam. Im letzten Moment blieb Callia stehen, bevor sie die Prinzessin umrannte. Dann wich sie erschrocken zurück.

»Isadora! Götter, was ist mit dir passiert?«

Isadora griff sich nach oben ins kurze Haar. Ihre einst langen blonden Locken kräuselten sich auf eine unordentliche, aber unbestreitbar hübsche Art um ihren Kopf. Der Schnitt ließ ihre Augen größer wirken, brachte ihr Gesicht insgesamt besser zur Geltung. Die hohen Wangenknochen wurden betont, und zum ersten Mal bemerkte Callia, dass die Prinzessin links neben ihrem Mund ein kleines Muttermal besaß.

Aber das Haar war nicht die einzige Veränderung. Die Prinzessin war außerdem ganz anders gekleidet als sonst. Sie trug kein langes Gewand, sondern eine schmale schwarze Hose, einen engen roten Pulli und Sandalen, in denen vorn rote – blutrote – Fußnägel leuchteten.

Ihr Vater würde eine Herzattacke kriegen, wenn er das sah.

»Nichts ist passiert«, sagte Isadora und machte sich gerade. »Mir geht es gut.«

Callia, der bewusst wurde, wie bevormundend sie klang, schüttelte den Kopf. »Ich … das meinte ich nicht. Ich finde, du siehst wundervoll aus. Es ist nur …«

»Callia!«

Beide Frauen blickten über das Geländer nach unten, wo Titus rufend über den Marmorboden gerannt kam.

Er sprang die Treppe vier Stufen auf einmal nehmend hinauf, bis er bei ihnen war. Sein Gesicht und die Argonautenrüstung waren voller Blut, Schmutz und etwas Grünem. Einzelne braune Locken hatten sich aus dem Lederband in seinem Nacken befreit und hingen ihm ins Gesicht. Er keuchte, als wäre er einen Marathon gelaufen. »Du musst sofort mit mir kommen.«

»Was ist passiert?« Offensichtlich hatte er gekämpft, aber wo und mit wem, wusste sie nicht.

»Wir haben einen Verwundeten.«

»Wer?«, fragten Callia und Isadora im Chor.

Titus bemerkte anscheinend erst jetzt, dass sie nicht allein waren. Er sah Isadora an, doch es war unmöglich zu sagen, ob er die Veränderung an ihr überhaupt wahrnahm. »Zander. Es sieht übel aus.«

Eine lähmende Sekunde lang stand für Callia die Zeit still. Ihre Brust war wie zugeschnürt, so dass sie kaum Luft bekam. Sie hatte ihn gerade erst gesehen, ihn berührt. Heute Morgen noch war er wohlauf gewesen, gesund und ganz, wie immer. Er war unbesiegbar, unsterblich. Nichts konnte ihn verwunden.

»Wird er wieder gesund?«, fragte Isadora. »Wer ist bei ihm? Titus, wie schlimm ist es?«

Doch Titus achtete gar nicht auf die Prinzessin. Als Callia sich endlich zusammenriss und aufblickte, ertappte sie ihn dabei, wie er sie mit einem allzu wissenden, mitleidigen Ausdruck betrachtete.

»Skata«, flüsterte er. »Ich wusste nicht, dass du diejenige bist.«

Callia atmete tief durch, erstarrte und murmelte: »Was redest du da?« Leider ahnte sie es bereits. Zu spät erinnerte sie sich wieder, dass Titus Gedanken lesen konnte.

Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich wusste, es war eine Frau, die ihn verletzt hat, zählte aber nicht zwei und zwei zusammen. Er passte auf, nie in meiner Gegenwart an dich zu denken.«

Stille legte sich wie ein bleiernes Gewicht über sie alle. Callia spürte, wie Isadora sie ansah, Millionen Fragen in ihrem Blick. Ihr Herz klopfte schneller und so laut, dass sie schwören wollte, die anderen könnten es hören.

Ihn verletzt? Ihn verletzt? Er war es gewesen, der weggegangen war, von ihr und ihrem … Sie war außerstande, auch bloß das Wort zu denken. Je mehr sie sich bemühte, ruhig zu bleiben, umso rasanter ging ihr Herzschlag.

»Ich verstehe nicht, was hier vor sich geht«, sagte Isadora.

Titus beachtete sie nach wie vor nicht. »Du musst mit mir kommen, Callia. Jetzt.«

»Ich kann nicht.« Auf keinen Fall wollte sie den Schmerz der Vergangenheit noch einmal durchleben. »Ich soll bei Loukas sein, in …« Sie schaute auf ihre Uhr, verzweifelt auf der Suche nach etwas Vertrautem, Normalem. »In zehn Minuten.«

»Zur Hölle mit Loukas!« Titus trat einen Schritt näher, und Callia bekam Angst. »Zander wird sterben. Ich kann ihn nicht retten. Wenn du es schon nicht für ihn tun willst, tu es für den König.«

In ihrem Kopf war alles vernebelt, was es ihr schwermachte, sich zu konzentrieren. »Er kann nicht sterben. Er ist unsterblich.«

»Nein, ist er nicht«, entgegnete Titus rasch. »Das denkt er bloß. Bitte.« Er streckte eine Hand nach ihr aus, berührte sie jedoch nicht, sondern ballte sie unmittelbar vor Callias Arm zur Faust. »Bitte.« Das Flehen in seiner Stimme durchdrang ihre Benommenheit. »Er braucht dich.«

Er hat mich nie gebraucht. Im Grunde nicht.

Ihr kam in den Sinn, was ihr Vater gesagt hatte. Aus Gründen, die sie nicht benennen konnte, wollte sie ihm unbedingt beweisen, dass er sich irrte. Und sei es auf eine für ihn unbedeutende Weise.

Sie blickte in meergrüne Augen, in deren Tiefen Sprenkel von Braun- und Goldtönen funkelten. Augen, die mehr sahen, als sie ihnen jemals zeigen wollte. »Wo?«, fragte sie leise.

»Im Menschenreich.«

Callia nickte verhalten, denn Furcht ergriff sie. »Ich brauche meine Sachen.«

»Wir können in die Klinik, bevor wir zurückgehen, aber wir müssen uns beeilen.«

»Ich komme auch mit«, sagte Isadora hastig.

»Nein«, entgegnete Titus. »Es ist zu gefährlich. Callia und ich regeln das.« Dann wandte er sich wieder an Callia. »Danke. Ich verspreche, dass es nicht lange dauert.«

Callias Magen krampfte sich zusammen. Was Zander betraf, war nichts je schnell vorbei.

Zander versuchte, die Augen zu öffnen, doch etwas Klebriges hielt seine Lider zusammen, kalt, zäh und … nass?

Er lag auf der Seite, so viel wusste er, aber als er sich auf den Rücken rollen wollte, gehorchte sein Körper ihm nicht.

Wo, zur Hölle, war er?

Er probierte es wieder mit den Augen und schaffte es, sie einen Spalt aufzubekommen. Durch einen bräunlichen Nebelschleier erkannte er seine Wimpernspitzen, an denen tatsächlich irgendein Schlamm haftete. Der Boden unter ihm war kalt und hart, aber er war nicht draußen, den Elementen ausgeliefert. Dies hier musste drinnen sein, in einer Scheune oder einer Höhle.

Eine Höhle, ja, das musste es sein. Sein Kopf fühlte sich wattig an, doch er wusste noch, dass er gekämpft hatte. Was den zähflüssigen Kram in seinen Wimpern erklärte. Dämonenschleim war schwierig zu entfernen. Offenbar war er verwundet, konnte jedoch seinen Verstand nicht dazu bringen, richtig zu arbeiten und ihm zu verraten, wie, wo und wann was passiert war. Wieso wollte sein Gehirn nicht funktionieren?

Er kniff die Augen wieder zu und versuchte, das wattige Gefühl aus seinem Kopf zu vertreiben. Mit größter Anstrengung, die ihm ein unschönes Dröhnen durch den Schädel jagte, konnte er sich an den Kampf mit den Dämonen erinnern, an die Schlucht, an Demetrius und Titus. Er erinnerte sich an die Frauen und die schreienden Kinder. Und er erinnerte sich, dass er fiel.

»Ich kann nicht. Oh, Götter, Titus, hast du das gesehen? Dafür bin ich nicht stark genug.«

Hoppla, Augenblick mal, die Stimme kannte er!

Callia. Hier an diesem kalten Ort, an dem sie nicht das Geringste verloren hatte. Sie durfte hier nicht sein.

Wieder öffnete er die Augen so weit, wie es der Schleim erlaubte, blendete die Umgebung aus und konzentrierte sich ganz auf die Stimme.

»Du musst.« Das war Titus, sogar noch strenger und schroffer als gewöhnlich. »Ich schaffe das nicht. Du bist die Einzige, die es kann.«

Was kann?

»Und wenn ich nicht die Kraft habe?«, flüsterte sie. »Titus, was ist, wenn …«

Worüber redeten sie? Wieder versuchte Zander, sich auf den Rücken zu drehen, konnte sich aber nicht rühren. Ärgerlich und mit jeder Minute ärgerlicher werdend, begnügte er sich vorerst damit, seinen Kopf auf dem Stein zu verlagern, was er sofort bereute. Es tat scheußlich weh.

Er war sicher, dass er geschrien hatte wie ein kleines Mädchen, doch Titus und Callia unterbrachen ihr Wortgefecht nicht, und auch sonst schien es niemanden zu kümmern, dass er grausige Schmerzen litt.

»Schlimmer als so kann es nicht werden, Callia. Du musst es tun.«

Wieder bewegte Zander seinen Kopf, gerade so weit, dass er die beiden endlich sehen konnte. Sie standen ein ganzes Stück entfernt von ihm. Obgleich er nur verschwommen sah, erkannte er, dass er recht gehabt hatte: Er war in einer Art Höhlengewölbe. Eine Laterne in der Mitte des Raumes warf Schatten auf die beiden anderen und beleuchtete die Felswände und die Stalaktiten, die vom Deckengewölbe herunterhingen.

Callia hob beide Hände an ihre Wangen. »Eine Kugel sitzt in seinem Rückenmark. Titus, weißt du, was das heißt? Wenn ich versuche, die zu entfernen, könnte ich es noch schlimmer machen. Er wäre nicht nur von der Hüfte abwärts gelähmt, sondern komplett. Ich könnte ihm die Atmung abschneiden. Die Folgen können noch viel schlimmer sein.«

Gelähmt? Moment mal … Zander versuchte wieder, seine Beine zu bewegen, nur tat sich nichts.

»Hast du keine anderen Möglichkeiten?«, bellte Titus.

Okay, das hörte sich nicht gut an.

Callia sah sich in dem kargen Gewölbe um. »Wir könnten zurückgehen, jemand anderen holen, der stärker ist. Ich habe von Hexen in den Aegis-Bergen gehört, die …«

»Dafür haben wir keine Zeit!«

»Dann müssen wir sie uns nehmen! Zander ist …«

»Nicht mehr lange am Leben!« Bevor Callia abermals widersprechen konnte, drückte Titus ihr die Hände auf die Schultern, um sie ruhig zu halten. Seine Augen weiteten sich, sein Körper wurde steif, und sein Gesicht verzerrte sich vor Pein, bevor er zu schwanken begann.

»Titus! Oh, Götter, nicht du auch noch.« Callia packte Titus’ Arme. »Alles okay? Titus, rede mit mir. Was ist los?«

Titus stolperte, fing sich aber ab. Sein Kopf schien auf den Schultern hin- und herzurollen. Irgendwie konnte Callia verhindern, dass der gewaltige Argonaut umkippte. Sekunden verstrichen, bis er den Kopf hob und auf sie hinabsah.

Zander blinzelte, wollte sich wieder bewegen, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen, aber er war wie festgenagelt, angefroren … gelähmt?

Nein, das durfte nicht wahr sein! Er war ein Argonaut. Argonauten konnten nicht gelähmt sein. Und er war unsterblich.

Callia stieß einen stummen Schrei aus, der Zanders Aufmerksamkeit auf sie zurücklenkte.

Titus hatte ihre Schultern ziemlich fest gepackt, und während Zander hinsah, flammte eine Verbindung zwischen ihnen auf. Sie waren wie gefangen im Blick des jeweils anderen, rührten sich beide nicht, sprachen nicht, versuchten nicht, sich dem anderen zu entwinden.

Und ein Gefühl, das Zander schon seit langem nicht mehr empfunden hatte, regte sich in seiner Brust, brachte sie beinahe zum Erglühen und schob all die Panik beiseite, um sie durch etwas weit Dunkleres zu ersetzen.

Nimm die Finger von ihr, du Dreckskerl! Sie gehört mir.

Eine halbe Ewigkeit verging, in der die Luft vor Elektrizität zu flirren schien, bis Titus schließlich zusammensackte. Seine Augen verdrehten sich, seine Hände glitten von Callias Armen, und er sank vor ihr auf die Knie.

»Titus?« Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Jetzt brich mir bitte nicht zusammen.«

Langsam wiegte er den Kopf vor und zurück. »Ich … alles okay. Ich bin nicht … verwundet.« Nur hörte er sich gar nicht okay an. Vielmehr klang er völlig überwältigt.

Und niemand außer Zander sollte so auf Callia reagieren.

Wut brodelte in ihm, Wut und ein instinktives Bedürfnis, zu zerstören, das von irgendwo außerhalb seiner selbst zu rühren schien. Jetzt bist du vielleicht noch okay, du Mistkerl, aber warte, bis ich meine Beine wieder bewegen kann!

»Was ist passiert?«, fragte Callia.

Sie versuchte, Titus zu berühren, doch er wehrte sie mit seinem Arm ab. Und die Art, wie sie zusammenzuckte – als hätte er ihr wehgetan –, brachte Zander erst recht zum Kochen. Wieder strengte er sich an, sich zu bewegen. Und wieder scheiterte der Versuch.

Zander biss die Zähne zusammen und blickte Titus zornig an. Mach das mal bei mir, du Vollidiot.

Aber die beiden beachteten ihn nicht. Warum konnten sie ihn nicht hören?

»Du musst es ihm sagen«, murmelte Titus.

»Wo… Woher weißt du es?«, flüsterte sie.

»Weil ich es fühle, durch dich. Und ich garantiere dir, dass er überhaupt nicht ahnt, was du durchgemacht hast.«

Callia wurde kreidebleich.

Nun flüsterten sie beide, so dass es schwierig wurde, sie zu verstehen, und Zander nur glaubte zu hören, wie Titus sagte: »Und sobald er es weiß und sich immer noch wie ein Arsch benimmt, trete ich ihn höchstpersönlich ins nächste Reich.«

Das will ich sehen, Vollidiot.

Titus zögerte, ehe er Callia eine Hand an die Wange legte und ihr etwas ins Ohr flüsterte, das Zander nicht verstand. Er sah lediglich, dass ihr darauf Tränen in die violetten Augen stiegen. Dann fügte Titus lauter hinzu: »Es geht schon zu lange, Callia. Du musst ihn aus seinem Elend erlösen. Und eines solltest du wissen. Wenn du es nicht kannst, werde ich es tun.«

Nun reichte es Zander endgültig.

Er spannte sämtliche Muskeln an und belegte Titus mit allen Flüchen, die er kannte. Und das wollte einiges heißen, bedachte man, in welcher Gesellschaft er sich gewöhnlich bewegte. Nur hörte er die Kraftausdrücke nicht. Alles, was er vernahm, war ein lautes Heulen, das durch die Höhle hallte. Und erst als die beiden zu ihm schauten, wurde ihm klar, dass er diesen Laut von sich gab.

»Er kommt zu sich«, sagte Titus.

Sofort waren beide bei ihm. Und zum Glück fand er im selben Moment heraus, wie er seinen Arm dazu brachte, sich zu bewegen. Er schwang ihn nach oben und hoffte, Titus einen saftigen Kinnhaken zu verpassen. Leider merkte er selbst, wie linkisch und schwach die Bewegung ausfiel. Der Mann sollte sein Kampfgefährte sein, doch hier und jetzt schien er Zander feindlicher als jeder Dämon, dem er begegnet war.

»Schhh, lieg lieber ruhig, Zander.« Callias sanfte Finger fassten seinen Arm und drückten ihn mühelos wieder nach unten. »Titus, hol mir meine Tasche. Ich brauche die Spritze.«

»Wird aber auch Zeit«, raunte Titus, dessen Schritte auf dem Felsboden donnerten.

Zander wünschte, er würde nicht mehr wiederkommen. Ein guter Treffer war alles, was er brauchte …

Er versuchte, ein- und auszuatmen, schloss die Augen und konzentrierte sich auf Callias Hände, während sie ihn von seiner engen Kleidung befreite.

Oh Mann, das war nicht richtig, aber es fühlte sich gut an – sündhaft und erotisch. Genau wie im Studierzimmer des Königs, als sie bei der Untersuchung mit ihren Händen über seinen nackten Körper wanderte. Er wollte einfach nur, dass sie ihn immer weiter streichelte.

Und er war eindeutig nicht gelähmt, denn er konnte sie fühlen.

Sie strich mit beiden Händen seine entblößte Brust hinauf und wieder hinunter, um die Schulter herum, die er sich verletzt hatte, und den rechten Arm hinab. Elektrizität schoss durch seine Muskeln. Er stöhnte – ob vor Wonne oder Schmerz, wusste er nicht – und genoss ihre Berührungen.

Dies hier war alles, was er sich jemals gewünscht hatte. Warum konnte er es nicht für den Rest seines Lebens haben?

»So ist es gut, Zander«, hauchte sie. »Entspann dich und wehr dich nicht.«

»Hier ist sie«, murmelte Titus ganz in der Nähe.

Etwas Spitzes stach ihm in den Arm, und er riss die Augen auf. Sein Oberkörper verspannte sich, dann schienen der Schmerz, die Eifersucht und die Wut einfach aus ihm herauszufließen. Er sah ihr Gesicht über sich, ruhig, gefasst und tröstlich. Ihre Wärme umfing seinen Leib; ihr Duft war so intensiv, dass er beim Einatmen bis in Zanders Seele drang. Und er wusste, wenn sie ihn wirklich aus seinem Elend erlösen wollte, wie Titus es vorgeschlagen hatte, war dies hier das ideale Bild, um es mit auf die andere Seite zu nehmen.

»Ja«, flüsterte Callia, als sich Dunkelheit über alles legte und Zander zu schweben schien. »So ist es gut. Lass einfach los.«

Er konnte gar nichts anderes tun. Die Höhle wurde beständig dunkler, bis sie ganz fort war und er Callias süße Stimme nicht mehr hörte. Bis er überhaupt nichts mehr hörte, nicht einmal seinen eigenen Herzschlag.