Fünftes Kapitel

Isadora stieg aus der Dusche und wickelte sich das flauschige Badelaken um. Nach der Szene im Schlafgemach ihres Vaters hatte sich sich schmutzig gefühlt und den Dreck dieses beschämenden Erlebnisses herunterwaschen müssen. Wie alle sie angestarrt hatten! Und was Demetrius sagte!

Sie nahm sich noch ein Handtuch und drückte konzentriert das Wasser aus ihrem Haar, damit sie nicht mehr an die Worte denken musste. Dann warf sie das Tuch auf den Waschtisch.

In ihrem Schlafzimmer betrachtete sie das schwere lange Kleid, das ihre Zofe Saphira an die Schranktür gehängt hatte. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie konnte den Anblick des Kleides nicht ertragen, hasste es, sich damit zu verhüllen. Der Stoff und das Gewicht waren schrecklich. Allein bei dem Gedanken, noch irgendetwas zu tun, was andere von ihr wollten, wurde ihr übel. Sie riss sich das Badelaken vom Leib, schleuderte es auf ihr Bett und atmete tief ein.

Hosen. Sie wollte Hosen. Doch wo bekam sie welche her? Nachdenklich nagte sie an ihrem Daumennagel. Sie könnte Casey fragen. Ihre Halbschwester würde ihr mit Freuden helfen. Sollte allerdings ihr Vater sie in etwas anderem als einem langen Kleid sehen, könnte er vor lauter Entsetzen einen Herzanfall erleiden.

»Isadora?«

Zanders Stimme dröhnte eine Mikrosekunde durchs Vorzimmer, da ging auch schon ihre Tür auf und er kam herein. Sofort erstarrte er und rührte sich nicht mehr.

Zu ihrem Verdruss wurde Isadora feuerrot, weil er – als erster Mann überhaupt – sah, was er sah. Rasch schlang sie das Badelaken wieder um sich und wünschte, sie hätte daran gedacht, ihren Bademantel mit ins Schlafzimmer zu bringen.

Gütige Götter, was wollte er hier? Und warum im Namen aller Dinge, die ihr heilig waren, benahm sie sich wie eine hilflose Jungfer?

Weil du, rein technisch gesehen, eine bist, Isa.

»Ich, ähm, Verzeihung«, murmelte er. »Mir war nicht bewusst, dass Ihr … nicht bedeckt sein könntet.«

Nein, offensichtlich nicht; aber nachdem er es nun wusste, warum ging er nicht?

»Ist … ist schon gut«, sagte sie, nach Fassung ringend. »Ich hatte nicht erwartet, dass du … jemand … hier hereinkommt.«

Wo in aller Welt steckte Saphira?

Er antwortete nicht. Und als sie sich endlich zu ihm umdrehte, starrte er sie mit einem Ausdruck an, den sie unmöglich deuten konnte.

Was sie nicht weiter überraschen sollte. Sie wusste ja, dass sie keine Frau war, bei der ein Mann entbrannte. Sie war zu blass, zu dünn, knochig, wo sie kurvig sein sollte. Also war nicht verwunderlich, dass er von dem, was er gesehen hatte, wenig beeindruckt wirkte. Aber dies hier war einfach seltsam. In ihrem ganzen Leben hatte sie höchstens zehn Worte mit ihm gewechselt, und nun standen sie einander gegenüber, sie fast nackt, und sollten in wenigen Tagen heiraten – und das Bett teilen.

Als er immer noch nichts sagte, sie bloß stumm und mit steinerner Miene ansah, nahm Isadora all ihren Mut zusammen. »Wolltest du etwas, Zander?«

Sehr klug, Isa. Er ist ein Mann, ein Argonaut, und platzt in dein Schlafzimmer, als gehörte es ihm. Und du bist praktisch nackt. Was denkst du denn, das er will?

Oder gewollt hat, bevor er dich sah.

Sie zurrte das Laken fester um sich und krümmte die Zehen im weichen Teppich.

Nach einer gefühlten Stunde machte er den Mund auf, als wollte er etwas sagen, schloss ihn jedoch gleich wieder. Dann senkte er den Kopf und rieb sich die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher, was ich hier tue«, raunte er, wurde aber gleich lauter. »Doch, ich weiß es.« Er sah sie an. »Euer Vater zwingt Euch diese Heirat auf, obwohl Ihr sie nicht wollt, habe ich recht?«

»Ich …« Isadora wusste nicht, was sie sagen sollte. Stimmte sie ihm zu, würde ihm klar, wie sie wirklich empfand, und ihre Ehe begann mit offener Feindseligkeit. War sie hingegen unehrlich, kämen sie niemals auf Augenhöhe. Und auch wenn es ihrem Vater nicht bewusst sein dürfte, hatte sie nicht die Absicht, sich von irgendeinem Ándras, diesen eingeschlossen, zu etwas nötigen zu lassen. »Nein«, gestand sie und machte sich gerade. »Will ich nicht.«

»Dachte ich mir.« Er nahm seine Hand herunter und sah ihr in die Augen. Mit seinem Bronzeteint, seiner muskulösen Statur und dem blonden Haar war Zander wirklich gut aussehend, trotzdem fühlte sie sich kein bisschen zu ihm hingezogen. »Ich bin froh, dass Ihr es mir sagt. Doch so archaisch es auch anmuten mag, hat in dieser Situation Euer Vater das letzte Wort.«

Ja, das wusste sie, und es gefiel ihr nicht.

»Wie auch immer«, sagte Zander, der nun auf seine Hände blickte, »mich stört die Art und Weise, wie alles vonstattenging. Also …« Er verstummte, als suchte er nach den richtigen Worten. »Was Demetrius gesagt hat, im Gemach des Königs.« Seine grauen Augen richteten sich wieder auf sie. »Das war falsch von ihm. Und ich möchte mich entschuldigen, falls er Euch verletzt hat. Es gibt Züge an Demetrius, die wir anderen bis heute nicht verstehen.«

Isadora sagte nichts, aber ihr Blutdruck erhöhte sich schon bei der bloßen Erwähnung von Demetrius. Zum ersten Mal seit Wochen, seit ihrer Rückkehr vom Hades, wo sie ihre Seele und noch viel mehr opferte, um Casey zu retten, fühlte sie sich nicht mehr wie betäubt. Bitterer Hass brannte in ihr, ein Hass, von dem sie glaubte, sie hätte ihn sich für Hades persönlich aufgespart, wegen dem, was er sie in den Stunden in seinem Reich durchmachen ließ. Aber nein, jener finstere Gefühlsschwall konzentrierte sich direkt auf Demetrius.

»Ich bin gewiss, dass Ihr Euch Demetrius nicht auswählen würdet, wäre Euch die Wahl überlassen«, fuhr Zander fort. »Aber sollte es einen anderen Argonauten geben, den Ihr lieber an meiner Stelle sähet, bitte ich Euch, es mir jetzt zu sagen.«

Isadora wurde stutzig. »Du willst mich auch nicht heiraten.«

»Nein«, entgegnete Zander hastig. »Das ist es nicht. Ich will es. Ich meine, ich hätte mich nicht freiwillig bereiterklärt, wenn ich nicht wollte. Ich …« Er trat unsicher von einem Bein aufs andere, stemmte die Hände in die Hüfte und blies seinen Atem aus. »Ich denke nur, dass Ihr in dieser Sache die Wahl haben solltet. Eine Frau sollte immer wählen können, mit wem sie zusammen sein will.«

Solch ein Gespräch hatte Isadora nicht erwartet. Weder mit ihm noch sonst jemandem. Im Gegensatz zu ihrem Vater wollte er sie nicht zu einer Heirat zwingen. Und obgleich sie den Eindruck hatte, dass er selbst sich ungern binden wollte – warum auch immer –, überließ er die endgültige Entscheidung ihr. Man erzählte sich, dass menschliche Frauen eher sein Geschmack wären und er noch nie mit einer Argoleanerin gesehen wurde, jedenfalls nicht dass sie wüsste. Und gewöhnlich war sie auf dem Laufenden, was die Argonauten anging, zumindest indirekt, denn Saphira und ihre Freundinnen tratschten gern. Er hingegen blieb immerzu höflich, schien sich wenig um die intriganten Geschäfte des Rats zu scheren. Und überdies war er ein furchteinflößender Wächter. Einer, der, wie es die Gerüchte besagten, nie getötet werden konnte.

Das waren guten Gene für ein gemeinsames Kind.

Sie dachte an den anderen Argonauten, Cerek mit dem freundlichen Lächeln und den sturmgrauen Augen, die von Geheimnissen kündeten, wie Isa sie sich nie erträumen würde. Titus, den sie immerfort als stoisch erlebte, und dessen wissende Blicke sie verlässlich unsicher machten. Gryphons helle, selbstbewusste Miene, die von Eroberungen nah und fern kündeten – und von mehreren gleich hier in der Burg. Und Phineus, der Abenteurer und Rebell, von dem es hieß, er würde Feuer speien.

Sie wollte ganz sicher nicht eines Morgens verkohlt in ihrem eigenen Bett aufwachen; oder sich bei jeder Gynaíka, die ihr diente, fragen, ob sie auch schon ihren Gemahl privat bedient hatte. Ebenso wenig wollte sie, dass ihr ungefragt ihre Geheimnisse aus dem Kopf gesogen wurden; und erst recht konnte sie auf einen finsteren Ehemann verzichten, der sie noch tiefer in jenen Abgrund zog, von dem sie jetzt schon nicht wusste, wie sie wieder herauskommen sollte.

Sie blickte wieder zu Zander und schloss, dass er noch das kleinste Übel war. Zumindest hoffte sie es um ihrer selbst willen. »Ich wähle … dich.«

Einen Moment lang sagte er gar nichts. Dann aber streckte er ihr die Hand hin. »Komm zu mir.«

Sie zog das Badelaken fester um ihre Brüste und ging zaghaft auf ihn zu. Auf ihren nackten Füßen bewegte sie sich lautlos vom Teppich auf den Dielenboden. Einen halben Meter vor ihm blieb sie stehen und legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß er war. Und wie muskelbepackt – überall. Aus ihrem gegenwärtigen Blickwinkel nahm er sich geradezu riesig aus.

Er trat näher, so dass sie seine Körperwärme fühlen konnte, Sandelholz und etwas Zitroniges roch. Doch obwohl ihr Puls schneller ging, weil er ihr so nahe war, empfand sie nicht den geringsten Hauch von Erregung.

Zander hob ihr Kinn mit einem Finger an, worauf Wärme aus seiner Hand auf ihre kalte Haut strahlte. »Ich werde dir niemals absichtlich wehtun, Isadora. Wenn du ehrlich zu mir bist, werde ich ehrlich zu dir sein. Hast du mich verstanden?«

Sie nickte.

»Vertrauen ist alles, worum ich dich bitte. Nicke, damit ich weiß, dass du mir glaubst.«

Sie tat es.

»Gut.« Er sah sie an. »Und jetzt küss mich und zeig mir, dass es dir mit dieser Bindung genauso ernst ist wie mir.«

Isadora rührte sich nicht; doch sie sträubte sich auch nicht, nicht einmal, als er den Kopf senkte und ihre Lippen mit seinen streifte.

Es fühlte sich weich an. Sein Mund war voll und fest zugleich, und sobald er ihren ein weiteres Mal neckte, merkte sie, wie sie reagierte. Wie von selbst bewegten sich ihre Lippen, was weniger Zustimmung als … Einverständnis war.

Der zarte Kuss endete schnell. Zander wich zurück und blickte sie an. Beide schwiegen sie, wussten offenbar nicht, was sie sagen könnten. In Zanders Augen war kein Anflug von Hitze oder gezähmter Leidenschaft, und Isadora vermutete, dass das ein gutes Zeichen wäre. Denn für sie war der Kuss auch nichts weiter gewesen als ein weiterer Punkt auf der Liste aller Dinge, die sie noch nicht erlebt hatte.

»Ich komme in sechs Tagen zur Zeremonie.« Leise verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Wieder allein, ging Isadora zu ihrer Frisierkommode und sank auf den weichen Hocker vor dem Spiegel. Irgendwann im Gespräch mit Zander hatte sie jenes dumpfe Gefühl wieder eingeholt. In wenigen Tagen wäre sie seine Syzygos, seine Ehefrau. Und der Kuss? Er war lediglich eine Andeutung dessen, was er mit ihr tun würde, wenn sie erst Mann und Frau waren.

Keine Erregung, keine Vorfreude, nicht einmal Sorge regte sich bei dem Gedanken. Sie ließ das Badelaken bis zu ihren Hüften hinunterrutschen und fuhr sich mit den Händen durch ihr langes blondes Haar. Die dichte Lockenmasse reichte ihr weit über den Rücken. Als Thronerbin und Frau war sie an Traditionen gebunden, die viele Argoleaner seit langem aufgegeben hatten – sehr zum Verdruss des Rates. Ihr Haar durfte nicht geschnitten werden, sie musste bodenlange Kleider tragen, die sie vollständig verhüllten, und sie musste unberührt sein, in jeder erdenklichen Hinsicht.

Stimmte das noch?

Sie nahm die Hände aus ihrem Haar und verdrängte die Erinnerungen an ihre Zeit in der Unterwelt, die sich in ihr Denken zu schleichen drohten. Mühsam unterdrückte sie die innere Unruhe, die mit jedem Tag schlimmer wurde. In wenigen Monaten wurde sie zweihundert. Zweihundert Jahre alt, und sie war noch nie geküsst worden. Bis jetzt.

Ihre Hände zitterten nicht so sehr, wie sie erwartet hätte, als sie die Schublade der Kommode aufzog und darin umherwühlte, bis sie ihre Schere gefunden hatte. Das Metall blinkte im frühen Abendlicht, während Isadora überlegte, wer sie zuvor gewesen und wer sie heute war.

Ihr Vater wollte, dass sie sich an Zander band und einen Erben gebar, auf dass die Monarchie gefestigt wurde und der Rat Isadora nicht stürzen konnte, sowie ihr Vater nicht mehr war. Und sie würde tun, was er befahl, denn ihr Leben war nun geopfert. Aber damit hörte es auch auf. Es würde keine weiteren »Ersatzthronfolger« geben. Egal wie nett, umgänglich oder gut aussehend Zander sein mochte, würde sie ihn nicht wieder in ihr Bett lassen, war die Schwangerschaft erst bestätigt. Und sie wollte herrschen, auch wenn es den Argonauten, dem Rat und vor allem ihrem Vater mächtig gegen den Strich gehen dürfte.

Ihr blieben fünfhundert Jahre, bevor sie von diesem Leben ins nächste überging. Dann gehörte ihre Seele nicht mehr ihr, sondern Hades. Es war also höchste Zeit, dass sie aufhörte, für alle anderen zu leben, und endlich anfing, für sich zu leben.

Sie öffnete die Schere und packte eine dicke Haarsträhne nahe ihrer Schläfe. Ohne zu zögern schnitt sie zu.

Zander blieb vor Isadoras geschlossener Schlafzimmertür stehen, atmete tief ein und rieb sich über die Stirn. Nicht dass er schwitzte, oh nein, vielmehr fühlte sich seine Haut so kalt und klamm an wie eben Isadoras.

Unwichtig. Er verließ das Vorzimmer und ging auf die große Marmortreppe zu. Als er in ihr Zimmer kam, hatte er nicht mit einer splitterfasernackten Isadora gerechnet. Oder gar geplant, sie nackt zu überraschen. Skata, er hatte es sich nicht einmal gewünscht! Aber nun bekam er das Bild nicht mehr aus seinem Kopf. Nackt wie am Tage ihrer Geburt und so vollkommen geformt, wie es sich jeder Argoleaner nur erhoffte, hatte die Frau vor ihm gestanden, die bald ihm gehören würde. Und wieso in aller Welt ihn das nicht erregte, begriff er selbst nicht.

Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zurück und verglichen Isadoras Körper mit seiner Fantasie von Callia im Studierzimmer. Nur eines von beiden Bildern versetzte sein Blut in Wallung. Nur eine Frau schaffte es, seine Körpertemperaturen in unermessliche Höhen zu jagen. Nur bei einer Frau reichte der Gedanke an sie, um ihn steif zu machen.

Was für ein Schlamassel. Eine Hand auf dem Treppengeländer, blieb er stehen und zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen.

Isadora ist es nicht.

Sein Herzschlag beschleunigte, doch er strengte sich an, ihn zu bändigen. Zander sagte sich, nun gut, dann reagierte sein Körper eben nicht so, wie es sein Verstand wollte, aber das hieß nicht, dass diese Sache nicht funktionieren könnte. Es gab argoleanische Aphrodisiaka, die seine Libido ankurbeln konnten. Und falls die versagten, konnte er jederzeit ins menschliche Reich wechseln, in eine Apotheke einbrechen und sich Levitra, Viagra oder Cialis besorgen. Er hatte schon Medikamente für Menschen genommen und wusste, dass sie bei ihm wirkten. Warum sollte er sie um seiner Ehe und seines Volkes willen nicht wieder nehmen?

Bei deiner Seelenverwandten hast du nie Mittelchen gebraucht, Vollidiot.

»Egal«, murmelte er und ging weiter. »Ist nichts als Biologie, Dummkopf.«

»Führst du mal wieder Selbstgespräche, alter Mann?«

Zander blieb am Fuße der Treppe im ersten Stock stehen, eine Hand auf dem Geländerpfosten, und linste in den schattigen Korridor.

Nahe der gegenüberliegenden Wand trat Titus hinter einer Säule hervor, an der er offensichtlich wartend gelehnt hatte. »Ich hatte schon länger den Verdacht, dass du ein bisschen senil bist.«

»Hey!«, sagte Zander, dem es nicht behagte, von einer unangenehmen Situation in die nächste zu stolpern. »Was ist los?«

Titus verschränkte die Arme vor seinem breiten Oberkörper und stellte die Beine leicht auseinander. Es war eine eindeutig defensive Pose, nicht jedoch aggressiv, und das beruhigte Zander. Er war nicht in der Stimmung, sich heute noch einmal den Arsch versohlen zu lassen.

»Theron hat gesagt, ich soll auf dich warten. Er hat Nachricht von Nick, dass Dämonen ein Dorf irgendwo nahe den nordamerikanischen Kolonien überfallen haben. Anscheinend leben dort Halbblute und Menschen. Nick bittet um Hilfe bei der Suche nach Überlebenden. Die anderen hat Theron schon hingeschickt, und er will, dass du dich bereitmachst.«

Ein wohliges Kribbeln überkam Zander. Theron ließ ihn kämpfen? Eigentlich hatte er gedacht, von jetzt ab dürfte er nicht mehr in den Kampf ziehen, solange Isadora keinen Erben geboren hatte. Aber da sie ja noch nicht offiziell gebunden waren, wollte Theron ihm anscheinend einen letzten Auftrag gönnen. »Ja, klar. Ich muss nur meine Waffen holen, dann können wir gehen.«

»Eines noch.« Titus versperrte Zander den Weg zur Treppe, und prompt verkrampften sich Zanders Muskeln in Erwartung dessen, was als Nächstes kommen würde. Revanche nervte, aber letztlich hatte er es provoziert.

»Was du vorhin getan hast, im Königsgemach, das war …« Titus hob eine Hand und betrachtete sie, als wäre er unschlüssig, ob er sie Zander auf die Schulter legen oder in den Magen rammen sollte. Zander machte sich sehr steif, doch dann nahm Titus seinen Arm wieder herunter. »Das war heldenhaft, Z. Ich will dir nur sagen, dass wir alle, vor allem Demetrius, dir das nicht vergessen werden.«

Jener flüchtige, überwältigende Stolz traf Zander frontal in die Brust. Ja, er mochte gegen seine eigenen Dämonen kämpfen, was Isadora und Callia betraf, aber dies hier war der Grund, aus dem er das Opfer brachte. Für Titus, der ausschließlich im Zorn jemand anderen berühren konnte; für Demetrius, der so verkorkst war, dass keiner einen Schimmer hatte, was mit ihm nicht stimmte; für Cerek, der sich von allen Frauen fernhielt. Zander tat es für all seine Wächtergefährten, die dasselbe Opfer aus tausenderlei Gründen nicht bringen konnten.

»Demetrius vergisst alles. Spätestens nächste Woche kratzt ihn die ganze Geschichte gar nicht mehr.«

Ein Lächeln erschien auf Titus’ sonst so ernsten Zügen. Oder zumindest kam dieses kleine Heben des einen Mundwinkels für seine Verhältnisse einem Lächeln gleich. »Wahrscheinlich nicht. Oder aber ihm fällt eine irrwitzige Begründung ein, du könntest dich auf die Sache eingelassen haben, um uns alle reinzulegen.«

Zander schüttelte den Kopf, grinste und folgte Titus, als der sich umdrehte und voraus die Treppe hinunterstieg.

»Und eines will ich gleich klarstellen«, sagte Titus im Gehen. »Auf keinen Fall werde ich dich mit Königliche Hoheit anreden, nur weil du Isadora heiratest. Königliche Hohlheit vielleicht schon.«

Zanders Grinsen wurde breiter, als sie um die Ecke bogen und Richtung Krypta gingen, dem Raum im untersten Geschoss der Burg, wo die Argonauten ihre Waffen und sonstige Ausrüstung lagerten. Das war schon eher der Titus, wie Zander ihn kannte.

»Oder Eure Majestät«, fuhr Titus fort. »Dann schon eher Eure Maulverdreht. Nein, warte, ich habe was noch Besseres! Der Rat spricht doch immer vom König als Seine treueste, allerdurchlauchigste Hoheit, nicht? Dich nennen wir einfach Seine irreste, samenspendende Hohlheit.« Diese Variante schien ihm zu gefallen. »Ja, das passt.«

Zanders Lächeln erstarb, als Titus die schwere Tür zur Krypta mit einer Schulter aufschob. Stimmt, die letzte Bezeichnung passte zu ihm. Seine gesamte Zukunft war in diesem Schmähtitel zusammengefasst.

Er nahm sich eine neue Schwertscheide und ein Parazonium, hängte sich den Gurt quer über die Brust und rückte ihn so hin, dass die Waffe auf seinem Rücken war, bevor er sich seine Jacke überstreifte und jeden Gedanken an den König, Isadora und erst recht Callia aus seinem Kopf verbannte. »Machen wir uns auf den Weg, Titus. Wir wollen ja nicht Demetrius den ganzen Spaß überlassen.«

»Das ist der beste Plan, den ich heute höre.« Titus schnappte sich seine Ausrüstung und nickte zur Tür. »Ich bin so weit. Gehen wir ein paar Dämonen vertrimmen.«

Zander war ebenfalls bereit, wenn auch auf eine Weise, die Titus oder die anderen Argonauten niemals verstehen würden.