05:10

Piets Entschlußfreudigkeit verhinderte, daß ihre Vorahnungen reiften.

Er blickte auf die Armbanduhr: 5.10 Uhr!

»Steigen Sie ein. Wir fahren auf die Wache. Ich habe mit dem Inspektor vereinbart, daß er die Mithilfe aller Kommissariate der Stadt anfordert. Jede Neuigkeit über Op Oloop werden wir dort vorfinden. Steigen Sie ein. Der besagte Beamte ist höchst interessiert an dem Fall. Es ist derselbe, der bei dem Zusammenstoß auf der Avenida Callao und bei dem Stockhieb des Konsul tätig wurde.«

»Auch eine gute Kanaille, dieser Konsul …«

»Erinnern Sie mich nicht daran! Glauben Sie, er hätte auf die Ohrfeige reagiert, die ich ihm verpaßt habe? Nicht im geringsten. Was für eine Kaltblütigkeit, Robín! Die Landsleute haben sich mir mit einem Schlag enthüllt. Der eine feige, die anderen treubrüchig. Kurz und gut: so ist das Leben! Sind Sie nicht müde?«

»Schön wär's! Das Nachtleben ist für Medizinstudenten wie mich ein Training. Stellen Sie sich vor: wenn man mich zu später Stunde ruft, werde ich völlig munter vor den Patienten treten …«

»Ich hege den Verdacht, daß Ihr Training ziemlich ausführlich ist …«

»Das kommt darauf an. Ich hätte vor vier Jahren meinen Abschluß machen sollen. Doch ich beeile mich nicht. Dank dem Training, das ich verfolge, werde ich immer in Form sein … Im übrigen waren meine Beschäftigungen stets nächtlich: Praktikant bei der Öffentlichen Fürsorge, Hilfskraft einer Beratungsstelle für Syphiliskranke.«

»Ich bevorzuge ebenfalls, aus ›sehr ehrenwerten‹ persönlichen Gründen, das Nachtleben. Mir gefällt es außerdem, wenn andere Männer das gleiche tun … Soviele wie möglich … Die Sonne empört mich. Ich habe sie schon ziemlich lange nicht mehr gesehen. Zu Beginn meines Berufslebens bescherte mir diese Angewohnheit zahlreiche Unannehmlichkeiten und Nachteile. Da ich noch keine Unterschrift bei den Banken hinterlegt hatte, passierte es mir, daß mehrere Schecks verfielen, ohne daß ich sie kassiert hätte …«

»Wie mag es Ihnen gegangen sein!«

»Sie wissen, Robín, daß ich ein Epikureer bin. Die Betriebsamkeit, die Hektik der Stadt am Tage verwirren mich. Überfluß an Maschinen, an Ehrgeiz, an Elend. Die Nacht ist immer balsamisch und opulent. Die Stadt zieht sich zurück, geht in sich, ruht. Und genießt. Ich ziehe der Lust in Bewegung die Lust im Ruhen vor. Stasis nicht kinesis. Bereits der Meister selbst hat es gesagt: es ist besser, die Beine im Schatten eines Olivenbaums auszustrecken, als sie im Stadion zu ermüden.«

Das Auto bremste vor dem Bezirkskommissariat.

»Piet, gehen Sie allein. Wir bleiben hier.«

»Angst?«

»Robín, Sie kränken mich! Taktik, nichts weiter. Das einzige, was ich an der Polizei fürchte, sind ihre ›Forderungen‹ … Der Kommissar ist mir nicht geneigt. Eine Schmiergeldangelegenheit zwischen uns.«

Van Saal kehrte nach kurzer Zeit zurück: »Es gibt nichts Neues. Ich weiß nicht mehr, was tun! Die Ungewißheit quält mich. Es ist bitter, helfen zu wollen und sehen zu müssen, daß der Zufall die Gelegenheit schwinden läßt. Denn Op Oloop braucht Hilfe. Ich weiß es. Ich spüre es. Ich fühle verhängnisvolle Vorzeichen. Nichts machen zu können!«

»Ruhig, Piet. Wir teilen ihre Sorge. Doch was nützt es, zu verzweifeln? Gehen Sie noch einmal hinein. Beharren Sie darauf, in den Bezirkskommissariaten nachzuhaken. Robín und ich warten.«