Kein Prinzip ohne Grundsatz


Zu unseren volkswirtschaftlichen Betrachtungen gehört unbedingt noch ein Wort über die »White-collar«-Diebe, die vornehmsten aller Bakschischnehmer, die lebendigen Beispiele dafür, wie man im Leben Erfolg hat, ohne erwischt zu werden. Ich muß gestehen, daß auch ich dieser exklusiven Genossenschaft sehr gerne angehören würde, aber leider scheint niemand gewillt zu sein, einen Humoristen zu bestechen.

Im folgenden treten zwei Edelprodukte der Gattung in Aktion, einer Art Mini-Lockheed-Aktion:

»Hier, Herr Direktor. Nehmen Sie Platz.« 

»Danke. Ober! Zweimal Tee mit Rum.« 

»Und jetzt können wir ungestört sprechen.«

»Jawohl.«

»Schönes Wetter heute, nicht wahr?«

»Sehr schön. Nur der Regen stört ein wenig.«

»Das kann man wohl sagen.«

»Und was gibt es sonst Neues?«

»Nichts. Wir beginnen demnächst mit dem Bau des DingDong-Zentrums, dessen Leitung in meinen Händen liegt.« 

»Was für ein Zufall. Wissen Sie, daß ich die Ehre habe, der Baufirma vorzustehen, die sich um einen Vertrag bewirbt?«

»Wirklich?«

»Ich darf in aller Bescheidenheit sagen, lieber Direktor, daß wir das Ding-Dong-Zentrum für eine Angelegenheit des gesamten Volkes halten. Es ist ein Projekt von nationaler Bedeutung.«

»Ganz meiner Meinung.«

»Wurde der Auftrag für den Bau schon vergeben?«

»Noch nicht. Warum die Frage, wenn ich fragen darf?«

»Mir ist soeben eingefallen, was mir ein Mitglied unseres Verwaltungsrats gestern erzählt hat. Einige Firmen, denen die moralische Seite Ihres Vorhabens offenbar nicht bewußt ist,

spielen angeblich mit der Idee einer Spende für den Wahlfonds jener Partei, der Sie, Herr Direktor, wenn ich nicht irre, als ein sehr prominentes Mitglied angehören.«

»Nicht nur ich, lieber Freund, auch meine Partei würde jeden derartigen Versuch energisch zurückweisen.«

»Daran habe ich keinen Augenblick gezweifelt. Trotzdem, gewissermaßen aus theoretischem Interesse, bekäme ich gerne einen Begriff von der Höhe des Betrags, den Ihre Partei energisch zurückweisen würde.«

»Unglücklicherweise bin ich nicht in der Lage, Ihnen die gewünschte Auskunft zu erteilen. Die Parteizentrale hat auf ihrer letzten Exekutivsitzung keine konkreten Angaben darüber gemacht, auf welche Weise sich die Vergabe des Bauauftrags mit einer Spende von 350000 Shekel in Verbindung bringen ließe. Es erübrigt sich also, dieser hypothetischen Möglichkeit nachzugehen.«

»Sehr richtig. Um so richtiger, als meine Firma, selbst wenn sie unverantwortlicherweise bereit wäre, sich auf derart fragwürdige Machenschaften einzulassen, auf keinen Fall über einen Betrag von 200000 Shekel in drei Raten hinausgehen könnte.«

»Ich finde es wenig sinnvoll, wenn zwei vielbeschäftigte Männer ihre Zeit auf abstrakte Diskussionen verschwenden. Immerhin glaube ich mich zu entsinnen, daß meine Partei auf gewisse Anspielungen, in denen sogar höhere Summen als die von Ihnen genannte erwähnt wurden, mit größter Empörung reagiert hat.«

»Sie bestätigen meinen Verdacht, Herr Direktor. Es gibt tatsächlich in unserem Land dubiose Geschäftsunternehmen, die sich um noch höhere Anspielungen bemühen. Aber eine solide Firma wie die unsere kann es sich nicht leisten, solche Empörung hervorzurufen.«

»Jeder von uns beiden, lieber Freund, muß über die Grenzen seiner Prinzipienlosigkeit Bescheid wissen.«

»Natürlich. Deshalb wäre es vielleicht von Nutzen, wenn Sie, verehrter Direktor, prinzipiell feststellen könnten, ob die Empörung Ihrer Partei groß genug ist, um 250000 Shekel zurückzuweisen.«

»Ist das der höchste Betrag, der nicht in Frage kommt?« »Allerdings.«

»Ich fürchte, daß meine Partei nicht in der Lage sein wird, diesen Vorschlag energisch genug abzulehnen.«

»Lassen Sie mich hinzufügen, daß die eben genannte Summe die Zuwendung eines Betrags an einen von Ihnen namhaft zu machenden Privatfonds nicht ausschließt.« 

»Meinen Sie mich?«

»Nein, um Himmels willen!«

»Dann ist es gut. Hören Sie, lieber Freund. Solange unser theoretisches Gespräch sich um Parteifragen gedreht hat, war ich, wenn auch zögernd, bemüht, Ihnen zu folgen. Jetzt aber, da Sie persönlich geworden sind, muß ich Ihnen ein klares, lautes Halt entgegenschleudern. Ich bin keiner von diesen charakterlosen Schwächlingen, die ihre Position dazu ausnützen, eine zweistöckige Villa am Meer für sich herauszuschlagen. Mit Privatstrand.«

»Wo?«

»Etwa in Herzliah, möglichst nicht allzu weit von der Autostraße. Was mich betrifft, so würde ich den bloßen Versuch, mir so einen Vorschlag zu machen, als persönliche Beleidigung übelster Art empfinden.«

»Ich habe von Ihnen nichts anderes erwartet.«

»Dann tun wir wohl am besten, unser amüsantes Spielchen zu beenden. Vergessen wir die ganze Sache.«

»Einverstanden. Wann kommen wir wieder zusammen?«

»Übermorgen. Hier. Um die endgültigen Ablehnungen zu fixieren.«