Befohlener Schutz


Vor ein paar Tagen gehe ich friedlich nach Hause, als ein Kerl in einem schwarzen Rollkragenpullover sich plötzlich an meine Seite gesellt.

»Ich bin ein Rowdy«, stellt er sich vor. »Ein Bandit. Ein Gangster. Ganz wie Sie wollen. Ist ja egal. Mein übliches Wochenhonorar, damit ich keine Schwierigkeiten mache, beträgt 99 Shekel 50.«

Da ich nicht weiß, wie man auf eine solche Eröffnung am besten reagiert, frage ich ihn zunächst einmal, ob er eine bestimmten Bande angehört. Er bejaht, wir geraten ins Plaudern, sprechen über dies und jenes und erreichen schließlich die Straßenecke, in deren Nähe mein Wohnhaus liegt. Dort bleibt er stehen und schlägt mir so wuchtig ins Gesicht, daß ich in den Ziersträuchern des Vorgartens von Herr Gelbstein lande. Herr Gelbstein stürzt aus dem Haus und schimpft, wie haben Sie meine Rhododendren zugerichtet, unerhört, was soll das, und so weiter.

Während ich ihm noch erkläre, was es soll, schlägt mein Begleiter ein zweites Mal zu und kündigt mir an, daß er mir von nun an täglich an dieser Stelle eine oder vielleicht auch mehrere Ohrfeigen verpassen würde, so lange, bis ich zahle. Er habe nichts gegen mich persönlich, betont er, aber er müsse von etwas leben. Aus seinen weiteren Ausführungen geht hervor, daß er eine unglückliche Kindheit hatte, seine Mutter war eine Trunkenboldin, und aus Gram darüber verprügelte sie seinen arbeitsscheuen Vater regelmäßig. Er selbst arbeitet jetzt in unserem Cottageviertel, und zwar an der Eintreibung von möglichst zahlreichen Wochengagen a NIS 99,50.

»Sie müssen sich nicht sofort entscheiden«, schließt er. »Besprechen Sie die Sache zuerst mit Ihrer Frau, verständigen Sie die Polizei, tun Sie alles, was man in solchen Fällen zu tun pflegt. Auf Wiedersehen morgen nachmittag. Hier an der Straßenecke.«

Ich folge seinen Anweisungen und berate mich mit der besten Ehefrau von allen. Sie ist dagegen, daß ich zahle. Sie meint, an ein paar Ohrfeigen sei noch niemand gestorben.

Anschließend gehe ich zur nächsten Polizeistation und erzähle dem diensthabenden Sergeanten, was geschehen ist. Er scheint Bescheid zu wissen und teilt mir mit, daß ein Mann in der Unterwelt unter dem Spitznamen »Hirschi« bekannt ist, Abkürzung für Hirschfänger. Hirschi hat erst vorigen Monat von sich reden gemacht, als er während eines Konzertes in die Kulturhalle von Naharia eindrang und den Dirigenten von hinten über den Kopf schlug. Das Konzert wurde abgebrochen, der Dirigent liegt im Krankenhaus, Hirschi ist mit einem Monat bedingt davongekommen. Da mir der Sergeant noch mit anderen Geschichten aufwartete, dauerte es drei Stunden, ehe wir unseren Bericht fertiggestellt haben. Dann erkundige ich mich, was ich tun soll. 

»Feilschen«, empfiehlt der Sergeant. »Handeln Sie ihn herunter. Ich an ihrer Stelle würde höchstens 75 Shekel zahlen. Schalom und alles Gute, mein Herr.«

Offenbar sind Beschwerden solcher und ähnlicher Art in der letzten Zeit so häufig geworden, daß sich die Polizei auf eine konsultative Tätigkeit beschränkt. Als ich schon an der Türe bin, erteilt mir der Sergeant noch den sehr guten Ratschlag, von Hirschi eine Empfangsbestätigung zu verlangen und die Steuerbehörde zu verständigen.

Am nächsten Tag bekomme ich an der verabredeten Stelle die verabredeten Ohrfeigen, begleitet von Hirschis aufmunternden Worten: »Nur keine Hast. Überlegen Sie sich in aller Ruhe, ob Sie zahlen wollen, und sagen Sie's mir dann.«

Inzwischen hat sich unter meinen Nachbarn herumgesprochen, daß ich auf dem besten Weg bin, mich zu verschulden. Alle weichen mir aus. Nur Gelbstein steht, wenn ich mich nähere, an seiner Gartenhecke, um den Rhododendronstrauch zu schützen. Gelbstein ist ein ehemaliger Ringkämpfer und verfügt über große Körperkräfte.

»Keine Raufhändel vor meinem Haus!« brüllt er mir entgegen.

Am Wochenende nehmen die Dinge eine günstige Wendung. Ein ungeschlachter Geselle in einem gestreiften Ruderleibchen erscheint während des Mittagessens in unserem Hause und möchte mit mir unter vier Augen sprechen.

»Ich verstehe Sie nicht«, beginnt er. »Wie kann man sich jeden Tag verprügeln lassen? Sie brauchen einen Beschützer. Für 99 Shekel 50 wöchentlich sorge ich dafür, daß Hirschi Sie in Ruhe läßt.«

Als sich im Verlauf unseres Gesprächs herausstellt, daß mein Gast zur selben Organisation gehört wie Hirschi, frage ich ihn, welchen Unterschied es dann noch ausmacht, ob ich mein Geld an ihn oder an Hirschi abführe? Es mache einen gewaltigen Unterschied aus, belehrt er mich, denn Hirschi sei ein ganz gewöhnlicher Schläger, er hingegen biete mir offiziellen Schutz an.

»Denken Sie nach, welche Lösung für Sie die günstigere ist«, schließt er. »Es hat keine Eile. Morgen mittag komme ich wieder.«

Um mich von der Ehrlichkeit seiner Absichten zu überzeugen, tritt er meinen Kleiderschrank ein, zertrümmert einen Stuhl, brüllt mir zu: »Ziehen Sie Ihre Schuhe aus! Beide!« und nimmt sie als Geiseln mit. An der Türe bleibt er nochmals stehen, reißt die Türklinke aus ihrer Verschalung und verabschiedet sich mit den Worten: »Auf eine lange und glückliche Zusammenarbeit!« 

Am Nachmittag suche ich wieder meinen Sergeanten auf. Es zeigt sich, daß er auch meinen neuen Beschützer kennt, sogar beim Spitznamen: »Cosi«, für »Cosi fan tutte«. Ein musikalischer Mensch. Lieblingskomponist: Mozart. Im übrigen sei er durchaus zuverlässig, und ich täte gut daran, mit ihm zu einem Abschluß zu kommen. 

Mir will das nicht sofort einleuchten. Ich erzähle dem Sergeanten von Cosis gewalttätigem Vorgehen in meinem Haus und wie er mir zugerufen hat: »Ziehen Sie Ihre Schuhe aus! Beide!«

Zu meiner Überraschung schickt der Sergeant sich an, seine Schuhe auszuziehen. Ich erkläre ihm, daß ich lediglich die Worte meines Beschützers zitiert habe. Daraufhin wird er wütend. Die Polizei, so sagt er, habe Wichtigeres zu tun, als sich mit meinen Zahlungsproblemen zu beschäftigen, und ich möge ihn nicht länger aufhalten.

Cosi funktioniert bereits, denn Hirschi kommt nicht zum Rendezvous an der Straßenecke. Ich meinerseits entziehe mich dem Rendezvous mit Cosi und gehe mit meiner Frau zum Mittagessen in ein Restaurant am anderen Ende der Stadt. Wir besprechen unsere Zukunft, besonders deren finanzielle Aspekte.

Beim Aufstehen stolpere ich über die Restaurantkatze, halte mich am Tischtuch fest und reiße das ganze Zeug mit ohrenbetäubendem Krach zu Boden.

Der Besitzer des Restaurants saust herbei:

»Ich zahle«, flüstert er angstbebend. »Nennen Sie die Summe - ich zahle. Aber lassen Sie um Himmels willen mein Lokal in Frieden.«

Ich beeile mich, seinen Irrtum zu berichtigen. Als ihm der Sachverhalt klar wird, befördert er mich vermittels eines wuchtigen Tritts in den Hintern zur Türe hinaus. Ich lande in den Armen eines drahtigen Burschen in blauem Hemd, der mir mitteilt, daß er mich schon gesucht hat. 

»Cosi erwartet Sie vor Ihrem Haus«, fügt er hinzu. 

»Er ist sehr schlecht gelaunt, weil Sie sich von ihm nicht beschützen lassen. Wenn Sie wünschen, schütze ich Sie gegen seinen Schutz, aber das kostet Sie 99 Shekel 50 die Woche.«

Auch mein neuer Beschützer, der sich gleich unter seinem Spitznahmen »Blauer Expreß« vorstellt, gehört natürlich zur Organisation. Er ist von kleinerem Wuchs als die beiden anderen. Auf meinen diesbezüglichen Hinweis bemerkt er, daß es auf Körpergröße nicht ankomme. Und er demonstriert mir seine Fähigkeiten, indem er die Scheinwerfer meines Wagens zerschmettert. 

»In Ordnung«, sage ich und übergebe ihm einen meiner Schuhe. »Rufen Sie mich morgen vormittag an. Wir werden uns einigen.«

Auf dem Heimweg kommen wir an Gelbstein vorbei, der gerade seinen Garten spritzt. Ich trete dicht an ihn heran: »Hören Sie, Gelbstein. Sie sind ein kräftiger Mann. Ihre Bizeps liegen brach. Wie war's, wenn Sie mich gegen die Gangster schützen, die mich verfolgen?«

Gelbstein brummte etwas von keine Zeit haben und daß er kein Babysitter sei und überhaupt. 

Ich gehe ins Haus, trete seinen Kleiderschrank ein und schleudere einen Stuhl durch die Fensterscheibe.

»Das ist nur eine Anzahlung« sage ich zum Abschied. »Wenn Sie sich weigern, meinen Schutz zu übernehmen, haben Sie morgen überhaupt keine Fensterscheiben mehr. Überlegen Sie sich's und lassen Sie sich auf der Polizeistation um die Ecke beraten. Der Sergeant dort kennt sich aus.«

Gelbstein blieb nachdenklich zurück. Ich erstand in einem nahe gelegenen Warenhaus einen Hammer und einen roten Rollkragenpullover und verständigte den Sergeant von der neuen Situation. Wer sagt, daß in unserem Land keine Ordnung herrscht?