Anleitungen zum persönlichen Wohlstand


Es ist längst kein Geheimnis mehr, daß die Möglichkeiten, rasch und leicht Geld zu verdienen, immer geringer werden, da auf allen Gebieten scharfe Sicherheitsmaßnahmen in Kraft getreten sind. Als einzig rentabler Weg bleibt dem Bürger, der seine ökonomische Lage zu konsolidieren wünscht, die Bankrotterklärung. Hier einige Ratschläge.

Vorbereitungen

Ein solider Bankrott läßt sich natürlich nicht im Handumdrehen bewerkstelligen. Er erfordert sorgfältige Vorbereitung und höchste Glaubhaftigkeit. Der erste Schritt besteht in der Gründung einer Firma mit einem eindrucksvollen, möglichst fremdländisch klingenden Namen. Es ist gleichgültig, ob die Firma sich mit Im- und Export, Zeitungsartikeln oder Textilwaren beschäftigt. Hauptsache, daß sie es mit beschränkter Haftung tut, im folgenden »mbH« abgekürzt. »Haftung« bedeutet, daß jemand haftet, »beschränkt« weist darauf hin, daß man selber nicht dieser Jemand ist. Man selber hat lediglich die Aufgabe, die Firma dem vorbestimmten Bankrott entgegenzuführen. Das geschieht, indem man Verträge abschließt, Anzahlungen kassiert, Waren bestellt, Lieferungen verzögert, Kredite aufnimmt und dergleichen mehr. Für diese unermüdliche Tätigkeit bezieht man ein hohes Gehalt, setzt sich ein reichliches Spesenkonto aus und unternimmt Geschäftsreisen an die Riviera. Die beste Ehefrau von allen wird mit dem Posten eines Vizebankrottdirektors betraut und erwirbt das Firmenauto gegen eine Anzahlung von 2,40 Shekel in langfristigen Raten.

Allerdings muß man mit dem Mißtrauen der Geschäftspartner rechnen. Bevor sie Kredite gewähren, wollen sie sich zuerst vergewissern, ob die mbH auch Geld auf der Bank hat.

Sie hat. Wieso hat sie? Ganz einfach. Man borgt der mbH aus seiner eigenen Tasche einen bestimmten Betrag und legt ihn auf die Bank, so daß ihn jeder sehen kann.

Und dann macht man Bankrott.

Der Bankrott ist unvermeidlich. Infolge leichtfertiger Finanzgebarung gerät die mbH immer tiefer in die roten Ziffern, bis eines Tags ihre Gläubiger zusammentreffen, sich an einen langen Tisch setzen und mit den geplatzen Wechseln der Firma Patiencen legen. Es folgen sechs schwierige Monate voll von Drohungen, wütenden Telefonanrufen, eingeschlagenen Fensterscheiben und letzten Warnungen nervöser Rechtsanwälte.

Diese Frist muß man geduldig überstehen.

Der Wendepunkt

Kurz bevor der Wendepunkt eintritt, begibt man sich zur Bank, behebt das Darlehen, das man der mbH gewährt hat, und steckt es in die eigene Tasche zurück. Sodann bittet man die Gläubiger zu einer Generalversammlung ins Philharmonische Auditorium und hält ihnen folgende Ansprache:

»Meine Freunde, ich bin bankrott. Ich habe hart gekämpft, ich habe alle erdenklichen Opfer gebracht, ich habe getan, was ich konnte - es war vergebens. Die mörderische Steuerwirtschaft unserer erbärmlichen Regierung hat mich zugrunde gerichtet. In diesem Land ist es einfach unmöglich, sich eine Existenz aufzubauen. Meine Firma hat keinen Groschen an Vermögen. Sie hat nichts als Schulden. Das ist die traurige Wahrheit. Jetzt, da ich sie Ihnen eingestanden habe, fühle ich mich besser. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.« 

Die Gläubiger starren aus glasigen Augen vor sich hin. Sie wissen, daß sie nichts machen können. Das Geld, um das sie bangen, ist ja nicht im Besitz einer Person, sondern einer mbH, und die hat keines. Was soll man auch von drei Buchstaben anderes erwarten.

Im Auditorium herrscht die lähmende Stille hoffnungsloser Verzweiflung.

»Es besteht jedoch«, so läßt man sich in diese Stelle hinein vernehmen, »es besteht, meine Freunde, vielleicht die Chance eines Auswegs. Wenn Sie mich weiterarbeiten lassen, wenn Sie mir eine kleine Atempause gewähren, sagen wir von einem Monat oder von zwei Jahren, dann könnte sich, wer weiß, vielleicht eine Möglichkeit ergeben, daß ich die Schulden meiner Firma auf Heller und Pfennig zurückzahle.«

Im Gemurmel und Geraune, das daraufhin um sich greift, erhebt sich einer der Hauptgläubiger, sagt: »Entschuldigen Sie uns, bitte« und sucht mit einigen anderen das Restaurant an der Ecke auf, wo über die weiteren Schritte beraten wird. Allen ist klar, daß ihnen keine Wahl bleibt. Wenn sie die mbH den offiziellen Bankrott erklären lassen, sehen sie nie wieder etwas vom investierten Geld, nicht den kleinsten Bruchteil. Denn was immer die mbH an Aktivposten besitzt, wird von den amtlichen Stellen zur Kostendeckung der Bankrottprozedur verschluckt, indessen der Bankrotteur, der sein Privatvermögen rechtzeitig in Sicherheit gebracht hat, frei wie ein Vogel auf neue Abenteuer ausgeht. Überdies macht es sich nicht gut, in die Geschäftsbücher einzutragen: »Eine Investition in Höhe von... hat sich in Luft aufgelöst.« Und bei einer Bücherkontrolle gibt niemand gern die Auskunft: »Nun ja, leider, diese Summe mußten wir abschreiben.« Kurzum - was gibt es hier zu verlieren? Solange die Schuld nicht abgeschrieben ist, besteht noch ein Hoffnungsschimmer.

Infolgedessen lautet die Entschließung der in die Halle zurückgekehrten Gläubiger:

»Also gut, machen Sie weiter.«

Da aber kriecht man mit purpurrotem Gesicht unter dem Tisch hervor und brüllt:

»Weitermachen? Möchten Sie mir vielleicht sagen: wie?! Sie verlangen von mir, daß ich ohne jedes Betriebskapital die Leitung einer ruinierten Firma übernehmen soll? Lächerlich. Einfach lächerlich.«

Eine sofort veranstaltete Geldsammlung erbringt 4000 Shekel in bar und 33 600 Shekel in Wechseln.

Die Zeit der Verwöhnung

Es ist das Schicksal des hebräischen Gläubigers, seinem Gold bis zum letzten Atemzug nachzujagen. Dem neuen Leiter der mbH werden also neue Kredite gewährt, mit der Auflage, daß er unter keinen Umständen Bankrott anmeldet und seinen Pflichten gegenüber der mbH nachkommt. Die Gläubiger behandeln ihn wie ein rohes Ei und verwöhnen ihn in jeder Hinsicht. Es ist kaum zu fassen, was man aus einem israelischen Gläubiger herausholen kann, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Verläßlichen Berichten zufolge soll Menasche Sulzbaum, der König der Bankrotteure, eine Versammlung seiner Gläubiger dazu gebracht haben, im Chor für ihn zu beten, ehe er sich gnädig zur Fortsetzung seiner Tätigkeit als Firmenmanager bereit erklärte. »Lieber Gott«, betete die Versammlung, »bitte mach, daß Menasche Sulzbaum gesund bleibt. Amen.«

Ängstliche Gemüter lassen den jeweiligen Schuldner regelmäßig und auf ihre Kosten ärztlich untersuchen, achten darauf, daß er ein geregeltes Geschlechtsleben führt, versorgen ihn mit Taschengeld, Theaterabonnements und Massagen - nur damit er bei guter Laune und in guter Verfassung bleibt. In einigen Fällen hat der Hauptgläubiger, damit nichts schiefgeht, seine Tochter mit dem Bankrotteur verheiratet oder hat ihn als Universalerben eingesetzt.

Kein Zweifel, der Bankrott ist der sicherste Weg zum Erfolg, zur Beliebtheit, zur bequemsten Form von dolce vita. Natürlich muß man die Gläubiger bei der Stange halten und beim geringsten Nachlassen ihrer Disziplin scharf einschreiten:

»Wenn ich's recht bedenke, brauche ich das alles nicht. Ich mache Bankrott und habe meine heilige Ruhe!« 

Das bewirkt eine sofortige Steigerung der Obsorge und Ehrerbietung, denn der Bankrotteur ist in der stärkeren Position.

Die Gefahr

Manchmal jedoch kann es geschehen, daß der Bankrotteur die Kontrolle über sein Lebenswerk verliert und unter dem Einfluß von Alkohol oder in einem Anfall von Geistesgestörtheit die Schulden seiner Firma abzudecken beginnt. Solange diese Zahlungen einen Betrag von 200 Shekel im Jahr nicht überschreiten, schadet das nichts; im Gegenteil, es erhöht die Spannung. Erst wenn die Sinnesverwirrung des Bankrotteurs so weit geht, daß er die ganze Schuldsumme bezahlt, ist er verloren. Der Zorn eines Gläubigers, dem sein Geld zurückerstattet wird, kennt keine Grenzen. Er ist um seinen Lebensinhalt gebracht, und es soll schon vorgekommen sein, daß der redliche Zahler zum Dank verprügelt wurde. Im übrigen fällt er dem Schicksal jedes ehrlichen Menschen anheim: Er wird verhöhnt, betrogen und mißbraucht. 

Es möge deshalb jeder halbwegs Vernünftige dafür sorgen, bis ans Ende seiner Tage unter einer möglichst hohen Schuldenlast zu stehen. Dann, und nur dann, ist ihm ein sorgenfreies Leben sicher.

Die große Frage

Nun mag mancher Leser zu der Frage versucht sein: Wenn das alles so leicht ist - warum machen dann nicht alle Menschen Bankrott?

Die Antwort lautet: Sie machen.