16
Der Mann, der sich
James Pengelly nannte, hatte nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem
jungen Mann, der einst Rodney Tremayne gewesen war. In den Jahren
in Australien hatte die Sonne seine einst blasse Haut gerötet. Sein
Haar war ungepflegt und brauchte dringend einen Friseur, während
ein Schnurrbart und ein kurzer Kinnbart seine untere Gesichtshälfte
verdeckten. Die Augen waren immer noch vom selben klaren Blau, und
die Fältchen um die Augenwinkel kamen vom vielen Blinzeln gegen die
stechende Sonne. Diese Augen starrten jetzt die beiden jungen
Frauen an, die Arm in Arm durch den Garten spazierten. Ihr Lachen
wehte durch das offene Fenster, die höhere Stimmlage der einen
verschmolz harmonisch mit der tieferen Stimme der anderen. Die
Besitzerin des klimpernden Lachens schaute zum Fenster herüber,
lächelte und winkte. James antwortete mit einem Heben der Hand und
einem Lächeln, obwohl es die andere junge Frau war, die seine
Aufmerksamkeit erregt hatte. »Sie sind eine Freude für die Augen,
nicht wahr?« Charles Winton hatte den Raum betreten und stand jetzt
neben seinem Buchhalter. »Wenn Sie Jane gesehen hätten, als wir sie
gefunden haben, krank und halb verhungert, würden Sie noch mehr
über die junge Frau staunen, die aus ihr geworden ist.« »Das haben
Sie schon einmal gesagt. Abgesehen von der Farbe ihrer Haut würde
man nicht vermuten, dass sie eine Aborigine ist. Und doch frage ich
mich, Charles, was die Zukunft für sie bereithält.« »Inwiefern?«
»Nun, erst einmal wären nur wenige Weiße bereit, ein schwarzes
Mädchen als ihre eigene Tochter aufzuziehen. Kaum mehr wären
bereit, ein schwarzes Mädchen in der weißen Gesellschaft zu
akzeptieren, obwohl die Regierung eine Politik der Assimilation
vertritt. Sie haben Jane in die Zivilisation eingeführt, aber haben
Sie ihr damit einen Gefallen getan?« »Finden Sie, wir hätten die
beiden sterben lassen sollen, wo es doch so leicht war, sie zu
retten?« James wandte sich um, um Charles anzusehen. Dessen Lippen
waren vor Verärgerung fest zusammengepresst. Die dichten
Augenbrauen unter der gerunzelten Stirn zusammengezogen, starrte er
die beiden jungen Frauen an. »Ich wollte weder Sie noch Mrs. Winton
beleidigen, Charles. Ihre Wohltätigkeit ist äußerst löblich. Jane
ist eine nette, intelligente junge Frau, und Hannah war in der
kurzen Zeit, da ich sie kannte, ein absoluter Engel. Aber …« Er
unterbrach sich, um in einer stummen Wiederholung seiner Frage die
linke Schulter zu heben. Charles Winton räumte ein, dass an seiner
Bemerkung durchaus etwas dran war. »Sie haben nichts gesagt, was
Mary und ich nicht schon oft besprochen haben. Wir haben kürzlich
lange über die Zukunft unserer beiden Mädchen nachgedacht, jetzt,
wo sie im heiratsfähigen Alter sind. Wir werden für Jane einen
guten Ehemann finden. Einen, der über die Farbe ihrer Haut
hinwegsehen kann auf den Menschen darunter.« »Ich hoffe für Jane,
dass Ihnen das gelingt.« James überlegte, wen Charles wohl im Sinn
hatte. Wusste er, dass Joshuas Blick häufig auf Jane ruhte? Die
junge Frau war von einer dunklen Schönheit, gegen die Annes
angelsächsische Gesichts- und Haarfarbe geradezu fade wirkten. Ob
sie sich ihrer Wirkung bewusst war oder nicht, Jane würde stets die
Aufmerksamkeit von Männern auf sich ziehen. Der jüngere der beiden
Winton-Br?der gierte auf jeden Fall nach der jungen
Aboriginal-Frau. Doch seine Begierde zielte nicht auf eine Heirat.
Und Adam? Die Gef?hle des ?lteren Sohnes gegen?ber Jane konnte
James nicht klar umrei?en. »… möchte nicht, dass Anne wegzieht,
wenn sie heiratet.« James, dem bewusst wurde, dass Charles Winton
mit ihm sprach, richtete seine Aufmerksamkeit rasch wieder auf
seinen Arbeitgeber. »Anne und ihre Mutter«, fuhr Charles fort,
»haben sich immer sehr nahegestanden. Mary hofft, dass Anne einen
Mann heiratet, der bereit ist, sich hier auf Riverview
niederzulassen.« Er unterbrach sich. »Sie haben sich gut in unseren
Lebensstil eingefügt, James.« Der Erklärung fehlte es so sehr an
Feinsinn, dass die Botschaft unmöglich misszuverstehen war. James
Pengelly antwortete, indem er den Sachverhalt klar formulierte.
»Sie finden, ich wäre ein passender Ehemann für Anne.« »Mary und
ich haben darüber gesprochen. Wir hatten gehofft, der Vorschlag
käme von Ihnen. Sie haben doch keine Abneigung gegen Anne, oder?«
»Niemand könnte Anne nicht mögen. Sie ist eine warmherzige,
freundliche junge Frau.« »Und, was sagen Sie dann dazu, James? In
der Zeit, die Sie bei uns sind – zweieinhalb Jahre sind das jetzt,
nicht wahr? -, haben meine Gewinne dank Ihrem Geschick mit Zahlen
und Bilanzen eine beträchtliche Steigerung erfahren. Ich würde Sie
gerne in Diensten halten. Mary möchte, dass ihre Tochter in der
Nähe bleibt. Eine Heirat zwischen Anne und Ihnen scheint eine
glänzende Idee zu sein.« »Nichts für ungut, Charles, ich würde
sagen, Ihre glänzende Idee ist in erster Linie zum Nutzen von
Riverview und für Mrs. Wintons Glück.« Charles Winton war ehrlich
bestürzt. »Heiliger Strohsack! Vermutlich haben meine Worte Ihnen
diesen Eindruck vermittelt. Wir sind hier nicht eigenn?tzig. Anne
hat ihrer Mutter anvertraut, dass sie gewisse Gef?hle f?r Sie
hegt.? Jetzt war es an James, überrascht zu sein. »Anne hat nie
eine Andeutung gemacht, dass sie mich besonders mag.« Charles
lächelte. »Sie denken zweifellos, wenn Anne etwas will, geht sie
drauflos und nimmt es sich. Doch wie es scheint, ist unsere Tochter
in dieser Angelegenheit ohne unsere Unterstützung nicht in der
Lage, sich zu erklären.« »Die Sie ihr bereitwillig gewähren.« In
diesem Augenblick schaute Anne wieder zu dem Fenster herüber, wo
die Männer standen und redeten. Rasch wandte sie den Blick wieder
ab. James glaubte, eine Röte ihre Wangen überziehen zu sehen.
Vielleicht wusste oder erriet sie, um was das Gespräch sich drehte.
»Also, was denken Sie?«, fragte Charles Winton noch einmal. »Im
Augenblick habe ich gar keinen klaren Gedanken. Ich mag Anne, sehr.
Doch bis jetzt habe ich noch nicht übers Heiraten nachgedacht. Seit
ich nach Australien gekommen bin, war ich eigentlich entschlossen,
Junggeselle zu bleiben.« »Das können Sie nicht machen, Mann«, rief
Charles aus. »Das Leben ist nichts ohne eine gute Frau an Ihrer
Seite und Kinder, um Ihr Herz zu erfreuen. Und auch wenn es
zweifellos stolz von mir ist, so etwas zu sagen, aber unsere
Familie ist da doch ein lobenswertes Beispiel.« James musste
notgedrungen lächeln. Die Wintons waren in der Tat eine Empfehlung
für Ehe und Familie. Der Schwur, Junggeselle zu bleiben, war aus
dem Kummer und dem Schmerz geboren, die der junge Rodney Tremayne
erlitten hatte. Die Erfahrungen in der Kolonie hatte James Pengelly
hart gemacht. Cornwall, die emotionale Torheit der Jugend und der
Verrat seines Vaters lagen weit hinter ihm. Diese Vergangenheit
gehörte zu einem anderen Mann. Warum sollte er Anne Winton nicht
heiraten? Sie war, wie er zu ihrem Vater gesagt hatte, warmherzig
und freundlich. Ihre Schönheit lag in ihrem Wesen, denn nur ein
Vater oder ein Liebhaber konnte in ihrem Gesicht etwas anderes
sehen als Reizlosigkeit. Anne schienen die recht gewöhnliche
Anordnung ihrer Züge und ihre unbestimmbare Gesichts- und Haarfarbe
keinen Kummer zu bereiten. Bei reiflicher Überlegung hatte es
eindeutig Vorteile für ihn. Er mochte die Familie Winton, hegte
großen Respekt für Charles und Bewunderung für Mary. Hier in
Riverview tat er die Arbeit, die ihm wirklich Spaß machte. Der
Wohlstand hatte dafür gesorgt, dass die Schaffarm sich zu etwas
entwickelt hatte, das einem kleinen Dorf ähnelte. James war schon
einige Monate vor Ort gewesen, als die Familie in ihre zweistöckige
Villa eingezogen war, erbaut aus örtlichen Steinen und durchweg mit
Geschmack und Stil möbliert. Vor dem Haus lagen anziehende Gärten,
und ein Rasen fiel ab zum hohen Ufer des Murray River. Links davon,
hinter dem ursprünglichen Haus und der alten Küche, war die Stelle,
wo James, wie er oft gedacht hatte, gerne sein eigenes Haus bauen
würde. Er konnte es viel schlechter treffen, als Anne Winton zu
heiraten. »Gut, Charles. Wenn Anne mich will, bin ich
einverstanden, sie zur Frau zu nehmen.« »Ausgezeichnet.« Charles
nahm James’ Hand und hielt sie fest. »Ich nehme an, Sie wollen
selbst mit Anne sprechen?« »Ja. Ich heirate sie nur, wenn ich mir
ganz sicher bin, dass sie das wirklich will.« Charles ging zu dem
offenen Fenster und lehnte sich hinaus. »Anne, komm doch mal einen
Augenblick her.« Er grinste James an. »Warum einen Dienstboten
bitten, wenn ich sie doch selbst rufen kann.« »Ja, warum?« Wenige
Minuten später betrat Anne den Raum, wo der Buchhalter ihres Vaters
die Geschäftsbücher der Schaffarm führte. Ein rascher Blick von
einem zum anderen bestätigte, was sie im Garten vermutet hatte. Das
leichte innere Zittern, das sie gespürt hatte, wurde jetzt zu einem
Dutzend in ihrem Bauch herumflatternder Schmetterlinge. Sie vergrub
die Finger in den Falten ihres Rocks, damit sie nicht verrieten,
wie sehr sie zitterte. »Was ist, Daddy? Brauchst du mich?« »Nein,
mein Liebling. James möchte dich etwas fragen.« Er gab ihr ein
Küsschen auf die Wange. »Ich lasse euch beide allein.« Anne hörte,
wie die Tür hinter ihrem Vater geschlossen wurde. Sie verschränkte
die Hände vor dem Körper und schaute James direkt in die Augen.
»Was möchten Sie mich fragen, James?« »Wissen Sie, warum Ihr Vater
uns allein gelassen hat?« »Ich vermute, dass er Heiratsvermittlung
betrieben hat«, bemerkte Anne ohne jede Sentimentalität.
Entschlossen, ihre Gefühle für diesen Mann nicht zu zeigen, bevor
sie nicht wusste, wie sie aufgenommen wurden, war sie dankbar, als
James lachte. Anne lächelte ihn an. »Ich habe doch recht, oder?
Vater ist zu dem Schluss gekommen, Sie sollten mich heiraten.« »Wie
unromantisch das klingt.« Das Lachen blieb in seiner Stimme. Anne
würde stets offen sagen, was sie dachte. »Hat Ihr Antrag denn
irgendetwas Romantisches?«, konterte sie. »Ich nehme doch an, Sie
werden mir einen Antrag machen.« »Ja, das werde ich.« Er
unterdrückte sein Amüsement. »Anne, ich möchte wissen, wie Sie zu
der Sache stehen. Würden Sie mich heiraten, weil Sie meine Frau
sein wollen oder weil es der Wunsch Ihrer Eltern ist?« »Werden Sie
mich dreist finden, wenn ich die Wahrheit sage?« »Ich will die
Wahrheit wissen. Ich habe keine Zeit, affektiert über falsche
Schüchternheit zu lächeln.« »Gut, denn ich werde niemals affektiert
sein, und ich weiß auch nicht, wie man sich schüchtern gibt. Nun
denn, James Pengelly, ich liebe Sie und wünsche mir nichts mehr,
als Ihre Frau zu werden.« Wieder lachte James. »Ich habe Sie noch
nicht gefragt.« »Dann fragen Sie mich.« Er griff nach ihren Händen
und hielt sie leicht in seinen. »Anne Winton, wollen Sie mir die
Ehre erweisen, meine Frau zu werden?« »Ja, James Pengelly.« Sie
reckte sich mutig, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu geben. »Es
macht mir nichts aus, dass du mich noch nicht liebst. Aber wage es
nicht, deine Meinung zu ändern.« Charles Winton gab die Verlobung
formell bekannt, als die Familie sich zum Abendessen versammelte.
Er öffnete zwei Flaschen seines besten Weins, um alle Gläser zu
füllen. »Ich möchte einen Toast aussprechen«, erklärte er. »Adam,
Joshua, Jane, wir trinken auf die Gesundheit von Anne und James,
die sich verlobt haben. Heißt euren Schwager in der Familie
willkommen.« Die Reaktion der Brüder entsprach ihrem jeweiligen
Naturell. Adam umarmte seine Schwester, schüttelte James die Hand
und erklärte, er sei von ganzem Herzen für die Verbindung. Joshua,
der seine Schwester ebenfalls umarmte, sagte: »Ich hätte mir ja
denken können, dass du deinen Willen kriegst, Anne«, und dann zu
James: »Ich hoffe, du weißt, auf was du dich da einlässt.« Anne
reagierte mit einem spielerischen Klaps auf den Arm ihres Bruders.
»Hör damit auf, Joshua.« »Achte nicht auf ihn, Anne.« Jane trat
zwischen die beiden, nahm Annes Hand und gab ihr einen Kuss auf die
Wange. »Ich freue mich sehr für dich.« Der einzige andere Mensch im
Raum, der wusste, dass sie nicht gl?cklich war, war James. Er hatte
ihr Gesicht gesehen, als Charles die Ank?ndigung verlauten lie?. Es
gab noch eine Neuigkeit, doch die hob Charles Winton sich für nach
dem Abendessen auf. »Anne, Jane, eure Mutter und ich wollen euch
eine besondere Freude machen. Wir fahren mit euch nach Adelaide.
Und«, er hielt eine Hand hoch, um die aufgeregten Stimmen zu
beruhigen, »wir werden im Haus des Gouverneurs einen Ball
besuchen.«
Adelaide war faszinierend. Anne erinnerte sich nur noch schwach an
die Stadt, in der die Familie 1845 angekommen war. Sechs Jahre
Wohlstand in der Kolonie hatten solche Veränderungen bewirkt, dass
es nur wenig gab, was in ihrer Erinnerung eine Saite anschlug. Bei
allem, was sie sah, machte sie aufgeregte Bemerkungen: Die Gebäude
waren eindrucksvoll, die Läden faszinierend, die Menschen noch
mehr. Für Jane war alles neu, aufregend, anders. Für eine junge
Frau, die nur die Abgeschiedenheit einer isolierten Schaffarm
kannte, war Adelaide mehr als einschüchternd. Erst als sie in ihrem
Hotel ankamen, ging ihr auf, dass man sie als Kuriosum betrachtete;
faszinierend, aber mit dem Status ihrer Adoptivfamilie unvereinbar.
Die Blicke, die ihr bei ihrer Fahrt durch die Stadt gefolgt waren,
hatten sie nicht beunruhigt. Sie hatte jeden Gaffer offen
angeblickt. Als die Familie die Hotellobby betrat, sah sie, wie der
Portier sie mit offenem Mund und hervorquellenden Augen anglotzte,
bevor er rasch wieder eine Miene ungerührter Unterwürfigkeit
aufsetzte. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte er Charles Winton,
während es ihm schwerfiel, den Blick von der dunkelhäutigen jungen
Frau zu lassen. »Ich bin Charles Winton. Ich habe Zimmer reserviert
für meine Familie. Ein Zimmer für meine Frau und mich, eines für
meine T?chter und ein Einzelzimmer f?r den Verlobten meiner
Tochter. Er gesellt sich gleich zu uns.? »Ah … ähm«, der Portier
lenkte seine Aufmerksamkeit rasch von den Frauen zum
Reservierungsbuch auf dem Tisch. Nachdem er ungewöhnlich lange
gebraucht hatte, um die Einträge zu studieren, sah er Charles
stirnrunzelnd an. »Ah, ja, Ihre Räume sind für Sie bereit. Für Ihre
Töchter haben wir ein sehr ruhiges Zimmer im hinteren Teil des
Hotels reserviert. Haben Sie auch ein Dienstbotenzimmer bestellt,
Sir?« »Nein, wir haben keine Dienstboten mitgebracht.« »Oh … ah …
verstehe. Die schwarze Frau bleibt also nicht mit Ihnen hier. Sie
haben Sie wohl irgendwo getroffen?« Der Portier war so erleichtert,
dass die Frau nicht im Hotel wohnen wollte, dass er ganz und gar
nicht auf die empörte Reaktion des Mannes vorbereitet war. »Diese
beiden jungen Damen«, erklärte Charles in einem Tonfall, der seiner
grimmigen Miene entsprach, »sind meine Töchter.« »Aber … sie kann
nicht Ihre Tochter sein, Sir.« »Es ist mir vollkommen egal, was Sie
denken, junger Mann. Sie ist meine Tochter, Jane Winton. Wir würden
jetzt gerne in unsere Zimmer geführt werden, oder ist es Ihnen
lieber, ich spreche mit dem Besitzer dieses Hauses?« Da der Portier
nicht wusste, ob er von seinem Arbeitgeber für seine Abneigung,
eine Schwarze als Gast in das Hotel aufzunehmen, gelobt oder
gescholten werden würde, war er froh, Charles Winton darüber
informieren zu können, dass der Besitzer derzeit nicht in der Stadt
war. Und mit ein wenig Glück, fügte er bei sich hinzu, sind die
Gäste wieder abgereist, bevor der Hotelbesitzer zurückkehrt. Der
Hotelpage, ein Bursche von zehn oder zwölf Jahren, betrachtete Jane
mit offener Neugier, die nichts von der Abscheu hatte, die der
Portier bekundet hatte. Sobald die jungen Frauen in ihrem Zimmer
allein waren, machte Jane ihrem Zorn Luft. »Hast du den Portier
gehört, Anne? Sind die hier alle so? Glaubt niemand, dass wir
Schwestern sind?« »Spielt es eine Rolle, was Fremde denken? Du bist
meine liebe Schwester und wirst es immer bleiben.« Jane war das
kein Trost. »Ich bin vielleicht als Mitglied eurer Familie
aufgewachsen und weiß mehr über eure Lebensart als über die meiner
Vorfahren, aber ich bin trotzdem eine Aborigine. Jetzt weiß ich
auch, warum die Leute mich so angestarrt haben. Sie haben nur meine
Hautfarbe gesehen.« »Sie haben deine Schönheit gesehen, Jane.
Warte, bis wir zum Ball gehen. Die Männer werden sich um dich
scharen, und alle Frauen werden dich beneiden.« »Ich weiß nicht, ob
ich wirklich an dem Ball des Gouverneurs teilnehmen soll.« »Du bist
eingeladen, warum solltest du nicht daran teilnehmen?« »Als Papa
die Einladung angenommen hat, hat er da erwähnt, dass seine
Adoptivtochter schwarze Haut hat?« »Ich habe keine Ahnung, und du
bist nicht schwarz, Jane, deine Haut ist von einem hübschen, warmen
Braun.« »Darüber, meine liebe Anne, lässt sich streiten. Ich bin
nicht weiß. Ich habe den Eindruck, wir werden da, wo Aborigines
normalerweise nicht gern gesehen sind, nicht willkommen sein.« »Nur
Menschen ohne Verstand im Hirn und Nächstenliebe im Herzen würden
dir das Gefühl geben, nicht willkommen zu sein. Die Meinung solcher
Menschen ist sowieso nicht von Belang.« Sie legte den Arm um Jane.
»Kopf hoch, meine Liebe. Es wird alles wunderbar, das verspreche
ich dir.« Die nächsten Tage bestätigten eher Jane in ihrer
Überzeugung als Anne. Die Überraschung in den Gesichtern der
Menschen, die den beiden jungen Frauen das erste Mal begegneten,
war verständlich. Das schockierte Zurückzucken und die Entrüstung,
die dem folgten, waren unertr?glich. Nur selten wurde die
urspr?ngliche ?berraschung von unkritischer Neugier abgel?st. In
der Öffentlichkeit verbarg Jane ihren wütenden Groll. Nur Anne
vertraute sie ihre Gedanken an. »Die fühlen sich alle Gott weiß wie
überlegen. Hast du einigen dieser Frauen zugehört, Anne? Wir beide
sind redegewandter als viele von denen, und doch behandeln sie
mich, als gehörte ich in einen Zoo oder auf einen Jahrmarkt, als
Kuriosum, das sie begaffen könnten.« »Du darfst dich von solchen
Leuten nicht aus der Fassung bringen lassen, Jane.« »Ich bin eher
wütend als bestürzt. Ich lasse mich nicht demütigen. Ich werde den
Frauen in dieser Stadt beweisen, dass ich ihnen ebenbürtig bin.«
Jane wusste, dass sie die Kunst des Gesprächs wohl beherrschte und
dass sie hübsch war, auch wenn sie zögerte, sich schön zu nennen.
Doch sie trug ihre Kleider mit Stil, und ihr gesellschaftliches
Benehmen war tadellos. Ich werde nicht so tun, sagte sie sich, als
wäre ich so wie sie. Ich werde allen zeigen, dass ich stolz darauf
bin, Aborigine zu sein, und dafür sorgen, dass sie mich als das
respektieren, was ich bin. Allmählich freute Jane sich auf den
Ball. Mrs. Winton und die Mädchen sollten für den Ball neue Kleider
genäht bekommen. »Wir werden nicht zu extravagant sein«,
versicherte sie ihrem Mann. »Ich möchte die Mädchen nur nach der
neuesten Mode kleiden.« »In diesen lächerlich langen Krinolinen?
Äußerst unpraktisch, wenn du mich fragst.« »Ich weiß, mein Lieber,
aber sie sind die neueste Mode. Die Mädchen müssen welche haben.
Schließlich ist der Ball eine ganz besondere Gelegenheit.« Mrs.
Winton machte am unteren Ende der Rundle Street eine
Damenschneiderei ausfindig. Die Eigentümerin war in schlichtes Grau
gekleidet, nur mit einem lilafarbenen Band besetzt. Das Kleid war
so unscheinbar wie die ganze Person. Ein Stra?enkleid aus gr?nem
Satin, dessen Volants mit Pannesamt verziert waren, hing als Beleg
f?r ihre Schneiderk?nste an einem St?nder. Ihr ganzes Wissen um ihr
Talent manifestierte sich in dem selbstherrlichen Anspruch,
w?hlerisch zu sein, was ihre Kundinnen anging. Niemals w?rde sie
ein Kleid f?r eine Frau entwerfen, deren k?rperliche Erscheinung
dem Kleid nicht gerecht w?rde. Margaret Boyd war auf ihre ureigene
Weise ein Snob. W?hrend sie f?r Mrs. Winton und Miss Anne Winton
bereitwillig etwas kreieren wollte, weigerte sie sich entschieden,
ein Kleid f?r eine Aborigine zu schneidern. »Obwohl ihre Eltern
Aborigines waren, Miss Boyd, ist Jane als Annes Schwester
aufgewachsen. Sie wird mit uns auf den Ball des Gouverneurs gehen
und braucht ein Kleid.« Mary Winton fasste Jane am Arm, um zu
verhindern, dass das Mädchen wütend aus dem Laden stürmte. Anne
hatte ein entrüstetes Keuchen ausgestoßen. Die Schneiderin ließ
sich weder von der einen noch von der anderen Reaktion aus der Ruhe
bringen. »Es tut mir leid, Mrs. Winton. Vielleicht sollten Sie sich
eine andere Schneiderin suchen. Es gibt andere in der Stadt, die
nicht so auf ihren guten Ruf bedacht sind.« Mary Winton lag eine
scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch eine Frau in einem überreich
besetzten Kleid aus dunkelrotem Taft, die sich gebieterisch
einmischte, kam ihr zuvor. Das Kleid, das sie trug, war eindeutig
nicht nach der neuesten Mode geschneidert, ihr Gesicht wirkte wie
gemalt, und ihre Finger waren mit Ringen überladen. Statt eines
Huts trug sie die schwarze Spitzenmantilla und den hohen Kamm einer
spanischen Dame. »Miss Boyd. Ich möchte mit Ihnen sprechen.« Bei
dem Eifer, mit dem die Schneiderin reagierte, warfen die
Winton-Frauen einander erstaunte Blicke zu. Keine von ihnen
brauchte auszusprechen, was sie alle dachten. Wenn zu den Kundinnen
der hochmütigen Schneiderin ein so seltsames Wesen gehörte, wie
konnte sie dann etwas dagegen haben, ein Kleid für Jane zu n?hen?
Alle waren bestrebt, das Gespr?ch von der anderen Seite des Raums
mit anzuh?ren. »Sie haben eine Problem damit, für die dunkle junge
Frau eine Kleid zu schneidern?« »Madame, sie ist eine Aborigine.«
»Sie ist ein sehr anziehende junge Frau, die in Ihre Kleider viel
besser aussehen wird wie die reizlose Ding, mit die sie hier ist.«
»Aber sie ist schwarz, Madame. Wenn ich sie kleide, werde ich alle
meine Kundinnen verlieren.« Die Zuhörerinnen hörten ein deutliches
Schnauben. »Wenn Sie die junge Frau nicht einkleiden, werden Sie
Ihre beste Kundin verlieren.« »Madame, das verstehe ich nicht.« Die
Schneiderin klang schon nicht mehr ganz so selbstsicher. »Haben ich
Ihnen nicht die berühmte Mrs. Westoby hergebracht? Haben Sie nicht
schon jetzt viele neue Kundinnen, weil sie Ihre Kleider trägt?«
»Wer ist diese Mrs. Westoby?«, fragte Anne ihre Mutter flüsternd.
»Ich habe keine Ahnung.« Ihr Geflüster war belauscht worden. »Sie
kennen die große Sängerin nicht?« Ein grimmiger, fragender Blick
richtete sich auf die drei Frauen. »Wir sind nicht aus Adelaide,
ähm … Madame.« Die Frau wandte sich mit einem dramatischen
Achselzucken wieder der Schneiderin zu. »Erklären Sie es diese
Damen.« Das Betragen der Schneiderin war inzwischen bar jeglicher
Überheblichkeit. »Mrs. Westoby wird von der Gesellschaft so
bewundert, dass ich durch sie viele neue Kundinnen gewonnen habe,
die ebenfalls meine Kleider tragen möchten.« Madame breitete die
Hände aus. »Sie werden also diese junge Dame hier kleiden. Ich
denke, irgendetwas in einem Kupfer- oder Bernsteinton.« An dem Tag
des Balls steckte James Pengelly Anne einen Saphirring an den
Finger. Sie hatte den Ring selbst ausgesucht und ungeduldig darauf
gewartet, dass er passend für ihren Finger umgearbeitet wurde.
»Gefällt er dir?«, fragte sie Jane und hielt ihr stolz die Hand zur
Begutachtung hin. Jane nahm die ausgestreckte Hand, um den
tiefblauen Stein zu bewundern. »Er gefällt mir sehr gut.« Sie legte
die andere Hand über Annes und drückte diese. »Du hast so ein
Glück, Anne, mit einem Mann wie James verlobt zu sein.« »Deine Zeit
kommt auch noch.« »Ich glaube nicht. Du hast ja gesehen, wie die
Leute mich anschauen. Glaubst du wirklich, irgendein Mann möchte
mich heiraten?« »Warum nicht? James schätzt dich sehr.« »James wird
dich heiraten. Seine Wertschätzung zählt nicht.« »Du wirst jemanden
finden, der dich noch lieber hat als James. Auf dem Ball heute
Abend sind sicher viele akzeptable Männer.« »Wage es bloß nicht,
die Heiratsvermittlerin zu spielen, Anne. Dann werde ich sehr
ärgerlich.« »Also, ich sorge auf jeden Fall dafür, dass du nicht
ohne Tanzpartner dastehst.« Jane konnte ein kleines Lachen nicht
unterdrücken. »Liebe Anne, du bist die beste Schwester der Welt.«
Sie wurde sofort wieder ernst. »Seit wir in Adelaide sind, war ich
hin und wieder wütend und betrübt. Ich wollte unsere Eltern sogar
schon bitten, nach Hause zu fahren, aber ich wusste ja, wie sehr du
und Mama euch auf diesen Ball gefreut habt. Heute habe ich einen
Entschluss gefasst. Ich gehe nicht zu dem Ball, als müsste ich mich
für meine Hautfarbe schämen. Ich gehe mit erhobenem Haupt. Ich
zeige allen, dass ich stolz auf das bin, was ich bin. Ich brauche
niemanden mehr, um mich zu verteidigen. Von heute an will ich mich
selbst verteidigen.« Ein dienstbarer Geist war angestellt worden,
um den Winton-Damen bei der Toilette zur Hand zu gehen und ihnen in
ihre Kleider zu helfen. Sie begeisterte sich über Janes glänzendes,
schwarzes dichtes Haar und kam, wenn sie eine Strähne abtrennte,
sie lockte und der jungen Frau auf dem Kopf feststeckte, nicht mehr
aus dem Schwärmen heraus. Der geschickte Einsatz einer kleinen
Schere schuf mehrere dünne Strähnchen, die Janes Gesicht rahmten.
Modische Löckchen, erklärte die Frau, passten zu Anne, würden Jane
jedoch nicht zu Gesichte stehen. Die jungen Frauen betrachteten ihr
jeweiliges Spiegelbild mit Freude. Annes Kleid aus tiefblauem
Chiffon betonte ihre helle Haut- und Haarfarbe. »Gott«, erklärte
sie, »ich sehe ja fast schön aus. Aber du, Jane, du bist wahrlich
schön.« Ja, dachte Jane, ich bin schön. Der glänzende
bernsteinfarbene Satin war die perfekte Wahl für ihr Kleid gewesen.
Ihre Haut glühte, ihr Haar schimmerte, und sie konnte nicht
aufhören zu hoffen, dass James sie ebenfalls schön finden würde.
Als die Familie sich in der Hotellobby traf, war sie zufrieden mit
der Verwunderung in James’ Blick. »Du siehst wunderschön aus,
Jane.« »Danke«, murmelte Jane, die merkte, dass er seine Augen
nicht von ihrem Gesicht abwenden konnte. »Findest du mich auch
schön?«, fragte Anne. »Wie könnte ich etwas anderes sagen?« Sein
Lächeln löschte den eifersüchtigen Stich aus, den sie empfunden
hatte. »Ihr seid beide ein Labsal für die Augen«, erklärte Charles
Winton. »Ich sehe, dass ich meine Geschenke klug gewählt habe.« Vor
dem Ankleiden hatte er den beiden jungen Frauen je ein
Schmuckkästchen überreicht. In Annes war ein Saphiranhänger, in
Janes eine Bernsteinhalskette. Die Stücke waren die perfekte
Ergänzung zu den Kleidern der jungen Frauen. Janes Ankunft auf dem
Ball war die erwartete Sensation. Als Mr. und Mrs. Charles Winton,
Misses Anne und Jane Winton und Mr. James Pengelly angek?ndigt
wurden, breitete sich im Saal zun?chst Schweigen aus. Dass Jane
Winton als Tochter von Charles Winton eingef?hrt wurde, sorgte
rasch f?r einen Wirbel gefl?sterter Spekulationen. Ihre Z?ge
schienen denen der Aborigines zu ?hneln, die man an den R?ndern der
Stadt sehen konnte. Doch die G?ste des Gouverneurs waren nicht
bereit zu glauben, dass die junge Sch?nheit einem Volk angeh?rte,
dem sie mit nichts als Herablassung begegneten. »Eine Aborigine
könnte nie so hinreißend aussehen.« »Vielleicht ist sie eine
Prinzessin von einer der pazifischen Inseln.« »Vielleicht kommt sie
aus Neuseeland. Ich habe gehört, die Eingeborenen dort sind viel
zivilisierter als unsere hier.« »Ist sie wirklich Charles Wintons
Tochter? Wie kann seine Frau so etwas dulden? Die jungen Frauen
scheinen im selben Alter zu sein.« »Nun, er wäre nicht der erste
Mann, der sich woanders umsieht, wenn seine Frau in diesem Zustand
ist.« »Wenn dem so war, dann ist die Mutter vielleicht eine
Aborigine.« »Unsinn. Ich weiß mit Sicherheit, dass die Familie erst
1846 ins Land gekommen ist.« »Wer auch immer sie ist, sie ist auf
jeden Fall überwältigend schön. Schauen Sie nur, wie sich die
jungen Männer um sie drängen.« Jane war das Zentrum der neugierigen
Bewunderung. Und auch Anne bekam ihren Teil Aufmerksamkeit. Sie
flirtete glücklich mit den jungen Männern und hatte den größten
Spaß dabei. James, der bei ihrem Vater stand, wurde wichtigen
Leuten vorgestellt. Anne machte es gar nichts aus, in einem Kreis
von Bewunderern allein gelassen zu werden. Während Anne flirtete,
gab Jane sich reserviert und pflegte eine geheimnisvolle Aura. Die
Kühneren unter ihren Bewunderern vermuteten, sie k?me aus einem
exotischen Land. Jane leugnete es weder, noch best?tigte sie die
absurden Spekulationen ?ber ihre Vorfahren. Sie beantwortete alle
mit einem kleinen, geheimnisvollen L?cheln. Innerlich lachte sie,
w?hrend ihre Verachtung f?r die wei?e Gesellschaft wuchs. Beide
jungen Frauen waren bald für sämtliche Tänze des Abends
versprochen. Den ersten Tanz hatte Anne allerdings für ihren
Verlobten reserviert. »Macht es dir etwas aus, James, dass ich alle
anderen Tänze versprochen habe? Dich sehe ich doch jeden Tag, und
ich amüsiere mich so sehr.« »Amüsier dich nur, Anne. Es macht mir
überhaupt nichts aus, wenn ich nicht jeden Tanz haben kann. Es ist
eine Freude, euch beiden zuzusehen.« Doch das war gelogen. Er
konnte lächeln und Annes Flirtereien mit Nachsicht betrachten. Doch
warum war er so wütend auf die Bewunderer, die sich um Jane
scharten? Irgendwann im Laufe des Abends wurde Anne aufs
Tanzparkett geführt, und ihr Partner beugte sich zu ihr und sagte:
»Da ist Mrs. Westoby. Ich frage mich, ob sie heute Abend etwas für
uns singt.« »Ich habe ihren Namen schon gehört. Ist sie eine gute
Sängerin?« »Gut? Sie ist großartig. Eine Frau, die vom Glück in
jeder Weise begünstigt wurde: eine göttliche Stimme, ein schönes
Gesicht und verheiratet mit einem der reichsten Männer Adelaides.
Und es heißt, sie ist in einem Bergmanns-Cottage in Cornwall
aufgewachsen.« »Wie interessant. Ich frage mich, ob … oh!« Anne
sagte nicht, was sie sich fragte, denn sie hatte einen Blick auf
das Gesicht der Sängerin erhascht. »Das ist Meggan. Oh, ich glaube
es nicht.« »Sie kennen Mrs. Westoby?« »Nicht unter ihrem Ehenamen.
Wir sind auf demselben Schiff nach Australien gekommen, aber ich
habe sie seither nicht mehr gesehen. Oh, bitte, macht es Ihnen
etwas aus, wenn wir nicht tanzen? Ich muss unbedingt mit ihr
sprechen.? »Ich begleite Sie hinüber.« Meggan erkannte die junge
Frau, die auf sie zukam, nicht sofort, doch als sie sie erkannte,
freute sie sich umso mehr. »Anne, was für eine Überraschung!«
»Allerdings. Ich hätte mir ja keinen Augenblick ausgemalt, wir
würden uns im Haus des Gouverneurs treffen.« »Ich auch nicht. Du
siehst gut aus, Anne.« »Es geht mir auch sehr gut, und du siehst
bezaubernd aus. Wir haben uns sicher viel zu erzählen.« Ihren
Begleiter hatte sie ganz vergessen, bis er das Wort ergriff. »Mrs.
Westoby, darf ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu sagen, wie
sehr ich Ihre Gesangskunst bewundere.« »Vielen Dank.« Meggan nahm
das Kompliment mit dem Selbstvertrauen entgegen, das ihr jetzt ganz
natürlich war. Der junge Mann schaute sie noch einen Augenblick
bewundernd an, bevor er höflich vorschlug, die Damen allein zu
lassen, damit sie ihre Bekanntschaft erneuern könnten. Die Frauen
gingen zu einem leeren Sofa. »Dann bist du jetzt wohl berühmt. Du
hast ja damals schon gesagt, du wolltest eine große Sängerin
werden.« »Ja, habe ich. Ich bin sehr glücklich, dass mein Traum
Wirklichkeit geworden ist. Was ist mit dir, Anne? Du hast immer
gesagt, alles, was du vom Leben wolltest, sei, einen reichen und
gut aussehenden Mann zu heiraten und viele Kinder zu bekommen.«
Anne lachte. »Mein Traum ist auch Wirklichkeit geworden.« Sie
streckte die linke Hand aus. »Ich bin mit einem gut aussehenden
Mann verlobt. Er ist zwar nicht reich, aber er arbeitet bei meinem
Vater als Buchhalter. Wenn wir heiraten, bekommen wir unser eigenes
Haus auf Riverview, und ich kann immer in der Nähe meiner Eltern
und Brüder und meiner Schwester sein.« »Schwester? Deine Eltern
haben noch ein Kind bekommen?« »Nein. Jane ist meine
Adoptivschwester. Sie ist bei unserer Familie, seit wir Adelaide
verlassen haben. Du wirst überrascht sein, Meggan. Das da ist meine
Schwester, die mit den beiden Männern da spricht.« »Das ist deine
Schwester Jane? Ich glaube, sie hat ziemlich für Aufsehen gesorgt.
Niemand scheint dahintergekommen zu sein, woher sie stammt.« »So
sollte es auch sein.« Anne kicherte. »Ich erzähl’s dir, Meggan.
Jane ist eine Aborigine. Wir haben Jane und ihre Mutter dem Tode
nahe gefunden, kurz nachdem wir Adelaide verließen.« »Dann ist sie
als deine Schwester aufgewachsen. Was ist aus der Mutter geworden?«
»Hannah ist auch bei uns geblieben. Sie war meiner Mutter
vollkommen treu ergeben. Sie ist leider letztes Jahr gestorben. Wir
glauben, dass ihr Herz versagt hat.« »Deine Geschichte hat mich
neugierig gemacht, Anne. Ich möchte Jane kennenlernen, und ich
würde auch gerne die Bekanntschaft mit deinen Eltern erneuern.«
»Natürlich. Und ich stelle dich meinem Verlobten vor. Er kommt auch
aus Cornwall. Sein Name ist James Pengelly.« »Pengelly? Wie
seltsam. So hieß unser Dorf.« »Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein.
Ich dachte doch, dass ich den Namen schon einmal gehört habe. Da
kommt er.« Sie lächelte über Meggans Schulter jemanden an. Meggan
drehte sich um und keuchte auf. »Rodney!« Sie sah, wie sein Gesicht
blass wurde, und seine Augen verrieten, dass er zutiefst schockiert
war. Es war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er sie nicht
erkannte. »Sie müssen sich irren. Ich kenne Sie nicht.« »Ich irre
mich nicht, denn ich kenne Sie gut. Ich bin Carolines kleine
Schwester.« Die Bestürzung über das Wiedererkennen dämmerte in
seiner Miene. »Meggan Collins.« »Jetzt Meggan Westoby. Und Sie
nennen sich James Pengelly. Kein Wunder, dass sie Sie nicht
gefunden haben.« »James, würdest du mir das bitte erklären?«,
unterbrach Anne sie, die dem Wortwechsel nicht folgen konnte. »Ihr
kennt euch? Warum nennt Meggan dich Rodney?« »Das erkläre ich dir
später.« Annes Besorgnis wurde beiseitegewischt. »Wer hat mich
gesucht, Meggan?« »Con und Jenny.« Anne unterbrach sie noch einmal.
»Ich verlange, dass du mir erklärst, was hier los ist. Wer sind
diese Leute?« Meggan hörte den Schmerz in ihrer Stimme. »Ich kann
es dir nicht sagen, Anne.« »Warum nicht? James?« »Es tut mir leid,
Anne. Bitte lass mich kurz allein mit Meggan reden. Ich erkläre dir
später alles.« Alles andere als zufrieden, ging Anne zu ihren
Eltern. »Eben ist etwas ganz Seltsames passiert, Mama.« »Was denn,
meine Liebe?« »Meggan und James kennen sich, aber sie hat ihn
Rodney genannt.« »Meggan?« »Du erinnerst dich sicher an Meggan
Collins, Mama. Ihre Familie war mit uns auf dem Auswandererschiff.«
»Ach ja, ich erinnere mich. Sie ist hier auf dem Ball?« »Nicht nur
auf dem Ball. Kannst du dir vorstellen, dass Meggan die große Mrs.
Westoby ist, von der alle reden?« »Tatsächlich? Wie erstaunlich.«
»Ja, und ich wollte sie James vorstellen, und dann hat sie ihn
Rodney genannt, und sie haben über Leute geredet, von denen ich
noch nie etwas gehört habe. Und jetzt sind sie irgendwohin zum
Reden. Ich bin ziemlich durcheinander, Mama.« »Dazu gibt es sicher
keinen Grund. James ist ein guter Mann. Wo ist Jane? Ich sehe sie
nirgends.« »Sie war da drüben, mit zwei Bewunderern.« »O ja. Unsere
Jane hat inzwischen mehr als zwei Bewunderer. Ich bin sehr froh,
dass alles so gut gekommen ist. Ich hatte Angst um sie. Obwohl es
mir nicht recht war, sie mit einer geheimnisvollen Aura zu umgeben,
scheint es doch, als wäre der Plan aufgegangen.« Doch Jane hatte
genug von der Farce. Während sie es zuerst amüsant gefunden hatte,
dass alle über ihren Hintergrund rätselten, wäre sie jetzt am
liebsten mitten in den Ballsaal getreten und hätte laut verkündet,
wer ihre Vorfahren waren. Sie wollte diese Menschen herausfordern,
sie nicht anders zu behandeln, weil sie nur eine Aborigine war und
keine exotische Prinzessin. Sie hatte sich aus der Gruppe von
Bewunderern gelöst und ging im Saal herum, ohne sich zu ihrer
Familie zu gesellen. Einige Damen baten sie, sich zu ihnen zu
setzen. »Ich bin Elizabeth Reilly«, stellte eine junge Frau sich
vor. »Dies ist meine Mutter und dies unsere Freundin Mrs. Harrison.
Bitte setzen Sie sich doch zu uns, Miss Winton. Meine Mutter und
ich würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.« Jane hatte nicht den
Wunsch, sich hinzusetzen und zu reden. Sie wollte sich schon
entschuldigen, doch etwas in der Miene der Frau, die Harrison hieß,
ließ sie es sich anders überlegen. Sie will nicht, dass ich mich zu
ihnen setze. Na, dann erst recht. »Erzählen Sie uns von sich«,
sagte die junge Miss Reilly verzückt. »Alle sind neugierig, Ihre
Geschichte zu hören.« »Elizabeth, du bist viel zu ungeniert. Bitte
verzeihen Sie meiner Tochter ihren Mangel an Manieren, Miss
Winton.« Jane lächelte die beiden Frauen an. »Ich bin nicht
gekränkt, Mrs. Reilly. Ich weiß sehr wohl, dass manches Rätselraten
die Gesellschaft beschäftigt, seit ich heute Abend hierhergekommen
bin.« »Und das ganze Gerede macht Ihnen nichts aus?« »Ich amüsiere
mich eher, obwohl ich es müde bin, mir die wilden Spekulationen
anzuhören. Ich wurde von den Wintons adoptiert, als ich zehn Jahre
alt war, nachdem sie meine Mutter und mich vor dem Hungertod
gerettet hatten.? »Wie schrecklich«, rief Miss Reilly. »Ich meine,
nicht schrecklich, dass Sie adoptiert wurden, schrecklich, dass Sie
am Verhungern waren.« »Wo war das?«, fragte Mrs. Harrison. »In
Indien? Oder in Afrika?« »Oder in Australien«, fügte Jane hinzu,
der durchaus nicht entging, dass die Frau nicht einmal so höflich
gewesen war, sie mit ihrem Namen anzusprechen. »Ich bin eine
Aborigine.« Jane beobachtete die Reaktionen mit Zynismus. »Oh«, war
alles, was Miss Reilly sagen konnte. Mrs. Reilly hatte es die
Sprache verschlagen. »Na, so was«, erklärte Mrs. Harrison empört
und wäre fast über ihre weiten Röcke gestolpert, so eilig hatte sie
es, aufzustehen und davonzueilen. Auch Jane stand auf. »Bitte
entschuldigen Sie mich, Miss Reilly, Mrs. Reilly. Ich muss zu
meinen Eltern.« Sie war noch nicht weit gekommen, da drang eine
durchdringende Stimme an ihr Ohr. »Darüber werde ich mit Gouverneur
Fox reden. Eine Aborigine … Aborigine!«, wiederholte die Stimme
mehrmals. »Und sie wagt es, sich herauszuputzen, als wäre sie eine
vermögende Frau, und besitzt die Dreistigkeit, sich unter die weiße
Gesellschaft zu mischen. Wenn sie von einem zivilisierten Volk wie
den Indianern abstammte, wäre sie ja vielleicht noch akzeptabel,
aber eine Aborigine! Was ist nur aus der Kolonie geworden?«
Zustimmendes Gemurmel war zu hören, und dann wurde die Stimme eines
Mannes laut. »Ich habe mit der jungen Dame getanzt. Ich fand sie
sehr charmant.« »Daran zweifle ich nicht, Mr. Pearson. Damen, die
so welterfahren sind wie ich, wissen genau, warum sich Männer für
schwarze Frauen interessieren.« Jane trat zu der Gruppe. Ihre Wut
war ein kalter, harter Stein in ihrem Herzen. »Oh, bitte, Mrs.
Harrison, lassen Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben. Es interessiert
mich sehr, zu hören, was Sie dazu sagen.« Sie hielt den Blick auf
das Gesicht der Frau gerichtet, denn sie spürte, dass die Gruppe
wonniglich erpicht darauf war, einer Szene beizuwohnen. Mrs.
Harrison war keineswegs beschämt. »Als wüssten Sie das nicht.
Widerliche Flittchen, das seid ihr doch alle miteinander.«
»Tatsächlich?«, fragte Jane mit frostiger Stimme, die den einen
oder anderen Zuschauer aufkeuchen ließ. Mrs. Harrison schien es
nicht zu bemerken. Sie wedelte sich mit der Hand Luft zu. »Oh,
meine Liebe, die Luft ist ganz stickig geworden. Riecht jemand von
Ihnen diesen Gestank? Nach ungewaschener Schwarzer.« »Der einzige
Gestank, den ich wahrnehme, ist der saure Gestank von Grobheit,
Intoleranz und Verbitterung. Achten Sie auf sich selbst, Mrs.
Harrison, bevor Sie die kritisieren, die bessere Manieren haben als
Sie.« Das Gesicht der Frau wurde knallrot. »Wie können Sie, Sie
schwarze Parvenü, es wagen, so mit mir zu reden? Sie haben nicht
das Recht auf einen Platz in der weißen Gesellschaft.« »Ich habe
das Recht meiner Erziehung. Das Recht der Freundlichkeit und des
gesellschaftlichen Schliffs. Und von beidem scheinen Sie nichts zu
besitzen.« Damit drehte Jane sich um und ging davon. »Das ist ja
unerhört!« Jane wahrte die Fassung, bis sie die Tür erreichte. In
dem Augenblick, da sie hindurchtrat, fing sie an zu zittern. Trotz
ihrer Wut liefen ihr Tränen der Demütigung über die Wangen. Sie
konnte nicht mehr so tun, als spielte ihre Ethnie keine Rolle. Egal
wie gebildet und wohlerzogen sie war, egal was für ein guter Mensch
sie war, die Mehrheit ihrer Mitmenschen würde niemals ?ber ihre
Hautfarbe hinwegsehen. Man w?rde sie nie akzeptieren, sie w?rde nie
einen guten Mann heiraten. Doch das hatte sie schon begriffen, als
der Mann, den sie liebte, die Schwester mit der wei?en Haut zu
seiner zuk?nftigen Ehefrau erw?hlt hatte.
Meggan und Rodney James Tremayne fanden einen Sitzplatz in der
Halle, wo sie sich unterhalten konnten, ohne belauscht zu werden.
»Erzählen Sie mir von Jenny und Con. Waren sie hier?« »Ja, vor
ungefähr sechs Monaten. Ich habe sie getroffen, als sie auf der
Suche nach Ihnen nach Burra kamen.« »Wissen Sie, warum sie den
weiten Weg auf sich genommen haben, um mich zu finden?« »Ich
glaube, Ihr Vater war schwer krank und hat den Wunsch geäußert, Sie
vor seinem Tod noch einmal zu sehen.« »Mein Vater ist tot?« »Das
weiß ich nicht. Es könnte auch sein, dass er sich wieder erholt
hat.« Rodney James saß eine Weile nachdenklich schweigend da, den
Blick auf den Boden gerichtet. Er hob den Kopf, um etwas zu sagen,
da fiel sein Blick auf Jane. »Jane!« Meggan wandte sich um und sah,
dass die junge Aborigine mit tränennassem Gesicht zum Ausgang
eilte. »Entschuldigen Sie mich bitte, Meggan. Ich muss
herausfinden, was Jane so aus der Fassung gebracht hat. Kann ich
Sie morgen früh besuchen?« »Ja. Gegen elf würde gut passen.« Sie
gab ihm schnell die Adresse, denn sie spürte, dass er besorgt war
und Jane rasch folgen wollte. Jane ging entschlossenen Schrittes
weg von den Lichtern und der Musik; sie wollte nur noch allein
sein. Sie hatte das Gefühl, sie k?nnte es nicht ertragen, zum Ball
zur?ckzukehren. Sie wusste aber auch, dass sie nicht einfach gehen
konnte, ohne ihrer Familie gro?en Kummer zu bereiten. »Sie sind
meine Familie«, sagte sie laut. »Anne ist meine Schwester. Joshua
und Adam sind meine Brüder. Ihre Eltern sind meine Eltern.« Sie
liebte sie alle. Nein, das stimmte nicht ganz. Joshua konnte sie
nicht lieben. In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer
unbehaglich, denn sie konnte sich gelegentlich des Eindrucks nicht
erwehren, ihm würde ihre Zugehörigkeit zur Familie missfallen.
»Jane. Warte.« Jane blieb stehen, ihr Herz schlug ein wenig
schneller. »Jane«, sagte er noch einmal, als er bei ihr war. »Was
ist los? Warum weinst du?« »Ich weine, weil ich wütend bin.« Sie
wischte sich energisch die Tränen aus den Augen. »Warum ist es so
inakzeptabel, Aborigine zu sein, James?« »Jemand hat etwas zu dir
gesagt.« »Ein Schwein von einer Frau. Sie hat mich ein widerliches
Flittchen genannt.« Auch er wurde wütend, denn Janes Schmerz rührte
ihn. »Wer war die Frau? Man sollte sie zwingen, sich bei dir zu
entschuldigen.« »Glaubst du wirklich, irgendjemand könnte Mrs.
Harrison zwingen, sich zu entschuldigen? Ich war so wütend, ich
fürchte, ich habe ihr ins Gesicht gesagt, was ich von ihren
Manieren halte.« Zu ihrer Überraschung lachte er. »Tatsächlich? Sie
braucht bestimmt Wochen, um sich von dem Schock zu erholen. Nach
allem, was ich von dieser Frau gesehen und über sie gehört habe,
hat sie jedes Wort verdient, das du gesagt hast.« Sie erinnerte
sich an die schockierte Empörung im Gesicht der Frau und fing an zu
lachen. Dann vermengten sich der Schmerz der Beleidigung, das
Gefühl, fehl am Platze zu sein, und die Angst um ihre Zukunft, und
sie schluchzte in seinen Armen. »Ich kann da nicht mehr reingehen«,
sagte sie schließlich. »Das musst du auch nicht. Ich bringe dich
ins Hotel zurück. Warte hier auf mich, bis ich deiner Familie
Bescheid gesagt habe.« Nach kurzer Zeit war er wieder da. »Ich habe
ihnen gesagt, dass du dich nicht gut fühlst, Jane. Du musst
entscheiden, wie viel du ihnen erzählen willst.« »Danke, James.«
Sie wusste nicht, ob sie es ertragen würde, ihren Schmerz den
Menschen zu offenbaren, die sie liebten wie eine Tochter. James
mietete eine Kutsche, um sie zurück ins Hotel zu fahren. Sie
sprachen erst wieder, als er sie in ihr Zimmer gebracht hatte.
»Kommst du jetzt zurecht, Jane? Soll ich schauen, ob ich dir eine
Tasse Tee oder heiße Milch besorgen kann?« »Ich brauche nichts zu
trinken.« »Dann lasse ich dich jetzt allein.« »Bitte, bleib hier.«
Sie sah seine Überraschung, die Frage in seinen Augen. »Ich will
nicht allein sein.« »Was willst du?« »Ich will, dass du …« Doch wie
konnte sie ihn bitten, sie zu lieben, wo er doch ihre Schwester
heiraten sollte? Wie konnte sie ihn bitten, sie noch einmal zu
umarmen? Es war jedoch nicht nötig, dass sie es aussprach. Er nahm
sie in die Arme und wiegte mit einer Hand ihren Kopf an seiner
Schulter. »Willst du wirklich, dass ich bleibe?« Sie hob das
Gesicht. Einen langen Augenblick sahen sie einander an. Dann senkte
er ganz langsam den Kopf, bis seine Lippen sich über ihrem Mund
schlossen.
Danach lag sie in seinen Armen. »Wirst du Anne immer noch
heiraten?« Er erstarrte, was ihr verriet, dass er keinen Gedanken
an Anne verschwendet hatte, als sie zusammen zum Bett getaumelt
waren. Genauso wenig wie sie. Doch jetzt, übersättigt von den
Freuden der Liebe, musste sie wissen, ob das, was sie gerade getan
hatten, ihm genauso viel bedeutete wie ihr. Er rollte sich auf die
Seite und streichelte ihr Gesicht. »Darauf kann ich dir jetzt keine
Antwort geben, Jane. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.« Jane
rutschte von ihm weg. Mit den Füßen auf dem Boden langte sie nach
ihrem Unterkleid und zog es sich über den Kopf. Obwohl sie wusste,
dass er sie beobachtete, sagte sie nichts, bis sie zur Tür gegangen
war und ihn anschaute. »Wenn du Zeit zum Nachdenken brauchst, dann
liebst du mich nicht so, wie ich dich liebe, obwohl du mich
bereitwillig genommen hast. Hast du mich zum Flittchen gemacht,
James?« »Jane, nicht!« Er war aus dem Bett gestiegen und zog sich
jetzt seine Kleider an. »Ich habe dich nicht benutzt. Ich habe
Gefühle für dich. Aber ich weiß nicht, ob das, was ich für dich
empfinde, Liebe ist.« »Weil ich schwarz bin.« »Nein. Die Farbe
deiner Haut hat mir noch nie Sorgen bereitet. Jane, ich habe heute
Abend Neuigkeiten von meiner Familie gehört. Morgen früh erfahre
ich mehr. Was ich gehört habe, hat mich zutiefst erschüttert. Ich
kann nichts entscheiden, bis ich mehr weiß.« Obwohl sie nicht
reagierte, nahm er sie in die Arme, um sie noch einmal zu küssen.
»Ich habe dich nicht leichtfertig genommen, Jane. Du bedeutest mir
mehr als das. Ich bitte dich nur, Anne nichts davon zu sagen.«
Nein, sie würde es Anne nicht sagen. Was wäre damit gewonnen, ihrer
Schwester wehzutun? Selbst wenn James sie liebte, würde er sie
nicht heiraten. Anne würde seine Frau werden.
Um exakt elf Uhr am nächsten Vormittag klopfte Rodney James
Tremayne an der Haustür des Hauses in der North Street. Nur
eingefleischte Etikette hatte ihn in seiner Ungeduld daran
gehindert, vor der verabredeten Zeit dort zu erscheinen. Er war
seit acht Uhr auf den Beinen in der Hoffnung, beim Gehen w?rde sich
das Durcheinander der Gef?hle, das ihn nicht hatte schlafen lassen,
lichten. Das Wissen, dass sein schwer kranker Vater ihn ein letztes
Mal hatte sehen wollen, bewegte ihn auf eine Art und Weise, wie er
es nie für möglich gehalten hätte. Die ersten zwölf Monate, nachdem
er zornig aus dem Arbeitszimmer seines Vaters gestürmt war, waren
seine Gefühle von der Trauer um Caroline und den Groll über den
Betrug ihrer Eltern beherrscht worden. Er hatte wirklich geglaubt,
er hasste seinen Vater. Die lange Seereise hatte ihm Zeit gegeben,
das zu akzeptieren, was nicht mehr zu ändern war. Er würde Caroline
nie vergessen. Und er würde seinem Vater und Joanna Collins nie
verzeihen, dass sie ihr Geheimnis gehütet hatten, bis es zur
unvermeidlichen Tragödie gekommen war. Was er tun konnte, war,
dieses Leben hinter sich zu lassen. Wenn er in heißen tropischen
Nächten über das Deck schlenderte und sich über die Reling lehnte,
um das sanfte Heben und Senken des Meeres zu betrachten, konnte er
sich eingestehen, dass er ein Schwächling gewesen war. Hatte sein
Vater ihn nicht oft ermahnt, mehr wie Con zu sein? Rodney hatte
seinen älteren Pflegebruder zwar bewundert, war es jedoch zufrieden
gewesen, sich durch ein Leben treiben zu lassen, das wenig Anlass
zur Sorge bot. Als das Schiff in Port Adelaide anlegte, war er
immer noch fest entschlossen, ein anderer Mensch zu werden.
Unbeeindruckt von der jungen Kolonie Südaustralien hatte er, als
James Pengelly, ein Schiff nach Sydney genommen. Rodney Tremayne
gab es nicht mehr. Meggan öffnete ihm die Tür. »Ich bin froh, dass
Sie gekommen sind, Rodney. Kommen Sie herein, dann stelle ich Ihnen
meinen Mann vor.« Er folgte Meggan in den Salon, wo ein
distinguierter älterer Mann aufstand, um ihm die Hand zu geben.
»Sie sind also der schwer zu findende Rodney Tremayne.« Rodney nahm
die ausgestreckte Hand und schüttelte sie. »Ich bin, seit ich in
Australien bin, James Pengelly, Sir. Ich hätte nicht gedacht, dass
die Welt so klein ist und mich jemand aus Pengelly erkennt.« »Es
haben sich schon seltsamere Zufälle ereignet. Möchten Sie lieber
allein mit meiner Frau sprechen?« Meggan beantwortete Rodneys
fragenden Blick. »Ich habe meinem Mann die ganze Geschichte
erzählt.« Ihre Augen verrieten, dass sie ihm die Geschichte in
allen Einzelheiten erzählt hatte. Rodney schenkte ihr ein kleines
Lächeln, in dem, selbst nach so vielen Jahren, noch eine Spur
Bitterkeit lag. »Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass man manche
Geheimnisse besser nicht hütet.« Dazu wussten weder David noch
Meggan etwas zu sagen. Als David erklärte, er würde sie allein
lassen, damit sie sich unter vier Augen unterhalten konnten, war
Meggan einerseits erleichtert, denn sie war sich nicht sicher, ob
sie über Con sprechen konnte, ohne ihre Liebe zu verraten, und
David sich vielleicht über den Klang ihrer Stimme wundern würde.
Andererseits war sie besorgt, dass sie, in Abwesenheit ihres
Mannes, versucht sein würde, Rodney die Wahrheit zu sagen. Einige
Geheimnisse sollten besser nicht gehütet werden, hatte er gesagt.
Einige Geheimnisse waren sehr schwer zu hüten. Plötzlich wollte sie
am liebsten aus dem Haus gehen. Es war unerträglich, inmitten des
Luxus zu sitzen, den ihr Mann ihr bot, und von dem Mann zu
sprechen, mit dem sie ihn betrogen hatte. »Lassen Sie uns einen
Spaziergang am Fluss machen.« Rodney war einverstanden. Er hatte
immer noch das Gefühl, sich bewegen zu müssen und nicht stillsitzen
zu können. »Erzählen Sie mir von Con und Jenny. Nein. Erzählen Sie
mir zuerst von Jenny. Sie war das Einzige, was zur?ckzulassen ich
bedauert habe, als ich Cornwall verlie?.? »Sie hätten ihr schreiben
sollen«, tadelte Meggan ihn freundlich. »Jenny war durcheinander
und bestürzt, weil Sie ohne jede Erklärung weggegangen sind.« »Ich
weiß. Ich war außer mir vor Kummer und Zorn. Der einzige klare
Gedanke, den ich fassen konnte, war der, so weit wie möglich von
meiner Familie wegzugehen.« Er machte eine Pause. »Hat Jenny mir
verziehen?« »Jenny hofft, dass der Tag kommt, wo Sie ihr erklären
können, warum Sie weggegangen sind. Ich glaube, ein Schmerz ist
geblieben. Sie war auch sehr traurig, dass sie Südaustralien
verlassen musste, ohne Sie gefunden zu haben. Natürlich hat sie
Rodney Tremayne gesucht und nicht James Pengelly.« Er nickte und
schwieg eine Weile. Meggan ging schweigend neben ihm her. »Entnehme
ich dem, was Sie gesagt haben, zu Recht, Meggan, dass Jenny nichts
von Caroline weiß oder warum ich weggegangen bin?« »Jenny sagte,
Ihr Vater habe sich geweigert, es ihr zu sagen. Genau wie Con, als
sie ihn danach fragte.« »Aber Sie wussten es.« »Erst Jahre später.
Unsere Familie spricht nur selten über Caroline. Da Jenny mich
nicht nach ihr gefragt hat, glaube ich nicht, dass sie wusste, dass
ein Mädchen namens Caroline je existiert hat.« »Ein Mädchen, das
den Namen Caroline Tremayne hätte tragen sollen.« Meggan schaute
rasch zu ihm auf. Seine Miene verriet ihr, dass er die grausamen
Tatsachen akzeptierte. »Jenny sieht Caroline unglaublich ähnlich.
Als ich ihr zum ersten Mal begegnet bin, habe ich einen ziemlichen
Schock erlitten.« »Wie sind Sie sich begegnet? Das war doch sicher
kein reiner Zufall?« »Eher eine Reihe von Zufällen, die genau hier
begonnen hat.« Sie erzählte ihm, wie sie Barney Heilbuth gerettet
hatte, und umriss dann die Ereignisse der folgenden Jahre, bis
Jenny und Con nach Grasslands gekommen waren. »Sie wissen also
nicht, ob mein Vater noch lebt?« Sein Schmerz rührte sie. Sie
wollte ihm sagen, dass sein Vater sich von seiner Krankheit erholt
hatte. Doch das konnte sie nicht, ohne zu verraten, dass Con nach
Australien zurückgekehrt war. »Ich bin mir sicher, ich hätte
Nachricht bekommen, wenn er gestorben wäre.« Wieder gingen sie
schweigend ein Stück. »Sie haben von Zufällen gesprochen, Meggan.
War es nur Zufall, dass wir uns gestern Abend begegnet sind? Oder
gibt es eine stärkere Kraft – Schicksal -, die unser Leben
beeinflusst?« »Ich weiß es nicht. Man hinterfragt zwangsläufig die
Ereignisse, die den Weg des Lebens leiten.« »Spüre ich in Ihren
Worten ein gewisses Maß an Wehmut, Meggan?« »Nein. Obwohl ich oft
über das Schicksal nachdenke.« Sie durfte nicht an Con denken oder
an das, was hätte sein können. »Was machen Sie jetzt? Gehen Sie
zurück nach Cornwall?« »Ich glaube, ich muss. Es hat zu viele
Zufälle gegeben …«, er lächelte, »… oder Eingriffe des Schicksals,
um sie zu ignorieren. Seltsam, all die Jahre habe ich wenig an
meinen Vater gedacht, und doch verspüre ich jetzt den dringenden
Wunsch, mich mit ihm zu versöhnen. Ich hoffe, er lebt noch.« »Um
Ihretwillen hoffe ich das auch. Ich glaube, Sie haben die richtige
Entscheidung getroffen.« »Ich weiß es.« »Wann reisen Sie ab?«
»Sobald ich eine Passage buchen kann.« »Nehmen Sie Anne mit? Dass
Sie Anne kennen und mit ihr verlobt sind, ist auch einer der
Zufälle, von denen wir gesprochen haben.« »Ich muss Mr. und Mrs.
Winton alles erklären, bevor ich das überhaupt in Erwägung ziehen
kann.« Doch er wusste, dass er Anne nicht mit nach Cornwall nehmen
würde. Vielleicht lief er wieder davon. Lief vor seinem Versprechen
gegenüber Anne und dem Begehren für Jane davon.
In dem Augenblick, da er das Hotel betrat, wurde er vom Portier
angesprochen. »Mr. Pengelly, Sir, Mr. Winton hat mich gebeten, Sie
zu ihm zu bringen, sobald Sie zurückkehren.« »Sicher. Wo finde ich
ihn?« Charles erwartete also eine Erklärung. »Die Familie speist im
kleinen Salon zu Mittag, Sir.« »Vielen Dank.« Auf den wenigen
kurzen Schritten durch die Halle zur Tür des kleinen Salons packte
ihn einen Augenblick lang der panische Gedanke, dass Jane
vielleicht nicht geschwiegen hatte über den vorangegangenen Abend.
Er hatte auch Zeit zu überlegen, in welcher Stimmung sie ihn wohl
begrüßte. Die Leidenschaft zwischen ihnen war sehr real gewesen. Er
öffnete die Tür. »James!« Anne stand mit nicht sehr damenhafter
Hast auf und eilte ihm entgegen. »Wo warst du? Ich habe mir solche
Sorgen gemacht. Oh, es war nicht nett von dir, meine Neugier letzte
Nacht nicht zu befriedigen.« »Es tut mir sehr leid, Anne. Ich
musste Meggan heute Vormittag aufsuchen, bevor ich mich berechtigt
sah, etwas zu sagen.« »Wie kommt es, dass du Meggan so gut kennst?
Du hast sie noch nie erwähnt.« »Ich werde es erklären, wenn du mir
erlaubst, alles der Reihe nach zu erzählen.« »Setz dich, Anne«,
sagte ihr Vater. »James, möchtest du mit uns essen? Wir werden uns
anhören, was du zu sagen hast, nachdem wir gegessen haben.« Es
herrschte Schweigen, während er am Tisch Platz nahm und sein Essen
serviert bekam. Er saß Anne gegenüber neben Jane. Während dieser
Platz den Vorteil hatte, dass er Jane nicht ansehen musste, war er
sich ihrer körperlichen Nähe deutlich bewusst und überlegte, ob es
ihr ebenso erging. »Jetzt«, erklärte Charles Winton, als das Mahl
beendet war und das Serviermädchen das Geschirr abgetragen hatte,
»würden wir gerne deine Erklärung hören, James.« Die Familie hatte
sich vom Tisch erhoben und sich auf einem bequemen Sofa und Sesseln
niedergelassen. Rodney James stand mit dem Rücken zum Fenster. »Ich
nehme an, Charles, deine Tochter hat dir erzählt, wie überrascht
ich war, als ich gestern Abend Meggan Westoby vorgestellt wurde.
Wir kennen einander aus Cornwall.« »Warum hat sie dich Rodney
genannt? Du warst schockiert, James, und das musst du erklären.«
»Anne! Sei still und lass ihn in Ruhe erklären. Bitte fahr fort,
James.« »Danke, Charles. Mein richtiger Name lautet Rodney James
Tremayne. Als ich Cornwall verließ, war ich entschlossen, mich von
meiner Familie loszusagen. Pengelly war der Mädchenname meiner
Mutter. Vom Augenblick meiner Ankunft in Australien an habe ich
mich James Pengelly genannt.« Charles Winton nickte. »Du bist nicht
der Einzige, der in den Kolonien einen neuen Namen angenommen hat.
Gibt es in deiner Vergangenheit etwas, worüber wir uns Sorgen
machen müssen?« »Ich habe kein Verbrechen begangen und auch nichts
getan, dessen ich mich schämen müsste. Ich glaubte damals, mein
Vater habe so etwas getan. Heute tut mir das leid.« Er schnitt die
Frage ab, die Anne und ihrem Vater auf der Zunge lag. »Mehr als das
zu sagen habe ich nicht das Recht. Es sind noch andere Menschen
betroffen.? »Meggan?« Rodney neigte den Kopf. »Ihre Familie«, sagte
er ohne weitere Erklärungen. »Ich habe Meggan heute Vormittag
besucht. Sie hat mich darüber informiert, dass meine Schwester und
mein Pflegebruder letztes Jahr in Südaustralien waren und mich
gesucht haben. Es sah so aus, als läge mein Vater im Sterben. Er
hatte den Wunsch geäußert, Frieden mit mir zu schließen. Charles,
Mrs. Winton, ich glaube, ich muss sofort nach Cornwall reisen. Mein
Vater könnte noch am Leben sein.« Mary Winton stimmte ihm sofort
zu. »Natürlich musst du zu deinem Vater, James. Ich kann dich nicht
anders nennen. Für mich wirst du immer James sein.« »Wie bald
möchtest du abreisen?«, fragte Charles. »In vier Tagen.« Er nickte,
als er die Überraschung der anderen sah. »Nachdem ich mit Meggan
gesprochen hatte, habe ich sofort eine Passage gebucht.« »Und was
ist mit mir?«, jammerte Anne. »Wir wollten heiraten.« »Es tut mir
leid, Anne. Unsere Hochzeit muss warten.« »Das ist nicht fair.
Mama, ich sollte James begleiten.« »Ausgeschlossen, dass du mit
James reist, Anne. Das ist undenkbar.« »Papa?«, flehte sie ihren
Vater an. »Deine Mutter hat recht, Anne. Du kannst nicht ohne
Begleitperson reisen. Und du kannst auch nicht unter James’ Schutz
reisen, obwohl ihr verlobt seid. Nein.« Er hielt die Hand hoch, um
weitere Einsprüche zum Schweigen zu bringen. »Keine Widerrede. Es
ist keine Zeit zu heiraten, bevor James abreist, und deshalb wirst
du auf seine Rückkehr warten müssen.« Das Letzte wurde mit einem
forschenden Blick auf den Anverlobten seiner Tochter gesprochen.
James spürte, dass man von ihm ein Versprechen erwartete, doch dazu
war er nicht in der Lage. Er konnte nur versuchen, Anne zu trösten.
Rodney James ging hinüber zu ihr. Er nahm ihre Hand und zog sie
hoch. »Anne, du trägst meinen Ring. Ich habe dich nicht darum
gebeten, ihn mir zurückzugeben.« »Aber kommst du auch wieder?« Sie
ahnte, dass er nicht zurückkehren würde, dass die Versöhnung mit
seinem Vater nicht der einzige Grund war, warum er Australien
unbedingt den Rücken kehren wollte. Ihr kam der Verdacht, dass er
vielleicht in Meggan verliebt war. Jetzt, wo er sie wiedergesehen
und erfahren hatte, dass sie verheiratet war, wollte er weggehen.
War der wahre Grund, warum er die Frau am Vormittag besucht hatte,
ein Stelldichein gewesen? Sie sah, dass er den Blick auf Jane
richtete, und ein neuer Verdacht keimte in ihr. James hatte Jane
vom Ball nach Hause begleitet, und Jane war den ganzen Morgen
ungewöhnlich still gewesen. Anne kaute nervös auf der Unterlippe
herum, während sie die Augen schloss, sodass sie den kurzen
Blickkontakt zwischen den beiden nicht sah. Sie atmete tief durch
und schlug die Augen wieder auf. Wie lächerlich sie war. James
hatte sie zur Frau gewählt, nicht ihre dunkelhäutige Schwester. »Du
hast mir noch keine Antwort gegeben, James.« »Wenn ich nicht
zurückkomme, schicke ich nach dir.« Vielleicht würde er tatsächlich
nach Anne schicken. Es wäre viel leichter, mit Anne verheiratet zu
sein und in Tremayne Manor zu leben, als mit ihr an seiner Seite in
Riverview zu leben, wo Jane stets präsent war. Als er Jane noch
einmal anschaute, lag in ihren Augen keine stumme Botschaft,
sondern nur abgrundtiefe Verachtung. Er wusste, was sie dachte, und
wünschte, er könnte es ändern. Die Familie verabschiedete ihn auf
dem Dock in Port Adelaide. Er schüttelte Charles die Hand, erlaubte
Mary, ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, und umarmte die
verdrießliche Anne. »Willst du Jane keinen Abschiedskuss geben?«
»Das ist nicht nötig«, antwortete Jane schnell. Er wollte sie
unbedingt noch einmal berühren, doch er fürchtete, wenn er dies
tat, würde er sich verraten. Er legte ihr die Hände auf die
Schultern und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Pass
gut auf dich auf, Jane.« Dann ging er die Landungsbrücke hinauf an
Bord, wo er wieder zu Rodney Tremayne wurde, denn das war der Name,
unter dem er seine Passage gebucht hatte.