15

 

Hallo, Meggan.« »Con!« Sein Name war kaum ein Flüstern auf ihren Lippen. »Kann ich reinkommen?« »Ich … ähm.« Der Ausdruck seiner Augen war ernst. In ihnen lag kein Willkommen, kein Hinweis auf Freude. Meggan verließ der Mut. Er wusste, dass sie verheiratet war. Bedeutete der Blick, mit dem er sie ansah, dass es ihm etwas ausmachte? Sie nagte kurz mit den Zähnen an der Innenseite der Unterlippe. »Ja, natürlich.« Meggan führte ihn in den großen Salon, nicht in den Raum, in dem David und sie den größten Teil ihrer Zeit verbrachten. Ihr Herz pochte heftig; zu viele Gefühle kämpften um die Vorherrschaft. Warum war er in Adelaide und nicht in Cornwall? Woher wusste er, wo sie lebte? »Möchtest du eine Erfrischung?«, fragte sie ihn, entschlossen, die höfliche Gastgeberin zu geben. Mit höflicher Zurückhaltung musste sie sich gegen das Verlangen wappnen, das in ihrem Herzen wuchs. Seine Miene war grimmig, fast wütend. »Ich möchte keine Erfrischungen, Meggan. Ich möchte eine Erklärung.« Ihr Herz hämmerte. »Ich verstehe nicht. Warum bist du hier?« Con betrachtete sie unverwandt. »Ich bin zurückgekommen, um dich zu heiraten.« »Nein!« Sie machte einen Schritt rückwärts, sank auf das Sofa und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie sehr diese Worte sie schmerzten, wo sie ihr doch einst die gr??te Freude der Welt bereitet h?tten. Als Con nichts sagte, hob sie schließlich den Kopf. »Warum jetzt, Con, wo es zu spät ist? Ich bin verheiratet. Aber das weißt du, nicht wahr?« »Ja. Ich bin gleich nach meiner Ankunft nach Burra gereist.« Seine Züge wurden nicht weicher. »Es tut mir leid.« Was sollte sie sonst sagen? Sie konnte nicht sitzen bleiben, während er vor ihr stand und sie mit verschlossener Miene ansah, ohne einen Hinweis darauf zu geben, was er fühlte. Sie stand auf und wandte sich von ihm ab. Wie ungeeignet war doch die Floskel »Es tut mir leid«, um die Verzweiflung zu erklären, die sie empfand. »Warum hast du ihn geheiratet?« Er stellte die Frage mit so ruhiger Stimme, dass er sie auch hätte fragen können, ob sie Rosen mochte. Meggan zuckte hilflos die Achseln, bevor sie sich wieder zu ihm umdrehte. »Ich hatte in Burra doch nichts mehr.« »Du hättest auf mich warten sollen.« »Woher sollte ich denn wissen, dass du wiederkommst?«, weinte sie. »Ich habe geglaubt, du würdest Jenny heiraten.« Er stieß einen Schrei aus; jetzt war seine Stimme nicht mehr bar jeglicher Gefühle. »Ich konnte mich dir nicht erklären. Ich habe gedacht, du verstehst meine Lage.« Meggan wandte den Kopf ab, ohne zu antworten. Würde ihr Leben immer voller Bedauern sein? »Warum hast du David Westoby geheiratet, wenn du wusstest, was ich für dich empfinde?« Sie fühlte den tiefen Schmerz in Cons Worten, aber litt sie selbst nicht ebenso? Das sah er doch sicher in ihren Augen, wenn sie ihn wieder anschaute. »Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du, als du mir deine Liebe gestanden und erklärt hast, du würdest einen Weg finden, wie wir zusammen sein k?nnten, da die Absicht hattest, mehr zu unternehmen, als mich zu deiner Geliebten zu machen?? Bitterkeit schlich sich in ihre Worte. ?Ich h?tte in derselben misslichen Lage enden k?nnen wie Caroline. Oder hast du es vergessen? Vergessen, warum ich keinen Grund habe, einem Tremayne zu trauen?? Über sein Gesicht huschte kurz etwas, das ein Anflug von Wut sein konnte. »Ich bin ein Trevannick, kein Tremayne. Und ich habe auch Caroline nicht vergessen. Am Tag ihrer Beerdigung habe ich begriffen, wie viel du mir bedeutest.« Er unterbrach sich, der wechselhafte Tonfall seiner Worte entsprach seiner Miene. »Erinnerst du dich, dass ich dich damals gebeten habe, eines Tages freundlicher von mir zu denken?« Er trat näher, um nach ihrer Hand zu greifen. »Meggan, Meggan, hör auf, dagegen kämpfen zu wollen. Egal, was du sagst oder vorbringst, du kannst nicht leugnen, dass wir einander immer noch lieben.« Leugnen, dass sie ihn lieben würde bis an ihr Lebensende? Da war es leichter, den Mond zu bitten, nicht zu scheinen. »Unsere Liebe ändert nichts. Ich bin verheiratet. Ich wusste nicht, dass du vorhattest zurückzukehren.« »Wirklich nicht?«, fragte er leise. Und noch leiser begann er die Melodie von The True Lovers’ Farewell zu summen. Mit einem Aufschluchzen drehte Meggan sich von ihm weg und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie erinnerte sich an all die Male, wo er sie gebeten hatte, dieses Lied für ihn zu singen. Er packte sie an den Schultern. Nah an ihrem Ohr entrang sich seinen Lippen ein gequältes »Meggan«. »Du hast nichts gesagt. Ich habe nicht gehofft.« Ihre eigene Qual drehte sich grausam wie ein Messer in ihrem Herzen. Seine Hände auf ihren Schultern griffen fester zu. »Schatz, ich konnte nicht. Nicht, bevor ich Phillip noch einmal gesehen hatte. Nicht bevor ich mit Jenny gesprochen hatte. Ich hatte das Gefühl, ich konnte erst mit ihr reden, als wir wieder nach Cornwall zurückgekehrt waren.? Seine Stimme stockte, denn er qu?lte sich nicht weniger als sie. ?Ich liebe dich, Meggan.? Mit einem weiteren Schluchzer drehte sie sich um und ließ sich von ihm in den Armen halten. Sie konnten die Stärke der Leidenschaft zwischen ihnen nicht mehr leugnen. Es gab keinen Gedanken, kein Argumentieren, nur das sichere Wissen, dass sie einander voll und ganz gehörten. Erst später, als Con längst gegangen war, wurde die süße Freude ihrer Liebe von Schuldgefühlen verdrängt. Meggan schaute sich in ihrem Zimmer um, dem Zimmer, das ihr Ehemann so aufmerksam für sie hergerichtet hatte, und wurde von der Scham über ihren Betrug fast niedergedrückt. Wie konnte ich David so etwas antun? Oh, aber wie hätte sie Con wegschicken können? Sie liebte ihn so sehr. Eine Lösung war nicht in Sicht. In einer langen, schlaflosen Nacht kämpfte die Treue zu David mit der Sehnsucht, mit Con zusammen zu sein. Sie hatte ihn gebeten, sie nicht mehr zu Hause zu besuchen. Er hatte sie gebeten, in sein Hotel zu kommen. Doch wie konnten sie, hier wie dort, sicher sein, neugierigen Blicken zu entgehen? Wie konnte sie auch nur ein kurzes Glück genießen, wenn sie Angst haben musste, dass der Klatsch David zu Ohren kam? Meggan, der sowohl das Herz als auch der Kopf schmerzten, wollte gerade das Haus verlassen, um zum Gesangsunterricht zu gehen, als ein Junge einen Brief brachte. Sie wusste, von wem er war, noch bevor sie das Siegel erbrach. Meggan, mein Schatz,
ich muss Dich wiedersehen. Wenn Du nicht willst, dass ich zu
Dir nach Hause komme, müssen wir einen Ort finden, wo wir
uns treffen können. Ich sehe ein, dass es unschicklich ist, dass
Du ins Hotel kommt. Du hast recht, wenn Du sagst, dass wir
jeden Klatsch vermeiden müssen, obwohl ich es beklage, dass
wir uns heimlich treffen müssen. Ich kann, jetzt wo wir uns so wunderbar geliebt haben, nicht
einfach weggehen und Dich zurücklassen.
Meine liebste Zigeunernixe, wenn ich keine Antwort bekomme,
werde ich heute Abend zu Deinem Haus kommen. Ich bin überzeugt,
dass Du genauso leidest wie ich.
Ich liebe Dich von ganzem Herzen.
Con

Zum ersten Mal kamen ihr Madame Mariettas Kritik und ihre Forderungen nach Perfektion sowohl kleinlich als auch verletzend vor. Als besäße ich kein Talent, dachte Meggan, und würde ihre Zeit vergeuden. Die verbalen Kabbeleien zwischen Madame und Frederick zerrten an ihren Nerven. Bei der dritten heftigen Auseinandersetzung konnte sie nicht mehr. »Oh, hören Sie auf! Aufhören!«, schrie sie. Tränen flossen schnell, rasch gefolgt von heftigen Schluchzern. Doch weil Meggan die Hände vors Gesicht schlug und sich abwandte, sah sie nicht, dass der Schock auf den Gesichtern ihrer Lehrer zu Bestürzung wurde. Sie ließ sich von Madame in einen Sessel schieben. Den Kopf auf der Sessellehne auf dem Unterarm gebettet, weinte sie, bitterer vielleicht, als sie um Caros Tod geweint hatte. Die Stimmen von Madame und Frederick, die miteinander sprachen, drangen nur gedämpft in ihr Bewusstsein. Erst als ihre Tränen verebbten und ihre Schluchzer zu kleinen Hicksern geworden waren, hob sie den Kopf von den Armen. »Nun?«, wollte Madame wissen, wenn auch nicht unfreundlich. »Was ist los? Sind Sie vielleicht krank?« Meggan schniefte einen frischen Tränenstrom weg. »Nein, Madame, ich bin nicht krank.« »Irgendetwas stimmt nicht, wenn Sie so weinen. Haben Sie schlechte Neuigkeiten? Probleme in die Familie?« »Nein. Ich …« Doch mehr brachte sie nicht heraus, denn schon flossen frische Tränen. »Ah. Ich verstehe. Frederick, Sie lassen uns jetzt allein. Für heute ist die Unterricht zu Ende. Raus, raus.« Madame winkte herrisch mit der Hand. Sobald Frederick gegangen war, zog sie den Klavierhocker neben Meggans Sessel. »Es ist also eine Angelegenheit von die Herz, nicht wahr?« »Oh, Madame, ich liebe ihn so sehr, ich hätte auf ihn warten sollen.« Die Worte waren gesprochen, bevor sie überlegt hatte. »Wer ist diese Mann, den Sie so sehr lieben und auf den Sie nicht gewartet haben?« Meggan wünschte, sie könnte ihre Worte zurücknehmen. »Das ist mein Problem, Madame, ich habe schon zu viel gesagt. Ich hätte sagen sollen, ich bin krank.« »Ihre Herz ist krank. Ich kenne den Symptomen. Und ich weiß auch eine Heilmittel.« »Was für ein Heilmittel soll es dafür geben, wenn man einen Mann liebt, der nicht der eigene Ehemann ist?« »Und Ihre Liebe wird erwidert?« »Ja, ja. Er ist zurückgekommen, um mich zu heiraten, aber ich habe nicht auf ihn gewartet.« »Und warum haben Sie nicht gewartet? Sie müssen mir den ganzen Geschichte erzählen.« Meggan wusste, dass Madame so lange bohren würde, bis sie zufrieden war, und so erzählte sie ihr in zusammenhangloser Folge alles, sogar von dem weißen Hasen. Sie berichtete von der Tragödie von Caroline und Rodney und erzählte vom ersten Zusammentreffen mit Con Trevannick am Strand von Pengelly. Sie sprach über Jenny, Burra, Will und ihre Einsamkeit, als alle weggegangen waren, und ihren Entschluss, David zu heiraten. Am Ende erzählte sie ihr von Cons unerwarteter Rückkehr und dem Eingeständnis von Gefühlen, die zu stark waren, um ihnen zu widerstehen. »Und jetzt sind Sie Liebende und wissen nicht, was Sie tun sollen?« »Was kann ich tun, Madame, außer ihn zu bitten wegzugehen?« »Ihre Verstand rät Ihnen, ihn wegzuschicken, aber Ihre Herz möchte mit ihm zusammen sein.« »Ich muss meinem Verstand folgen.« »Das werden Sie immer bereuen. Tun Sie, was Ihre Herz Ihnen rät. Nehmen Sie all die Glück, die Sie bekommen können.« Meggan war ein wenig schockiert. »Raten Sie mir etwa, meinen Ehemann weiter zu betrügen? Habe ich ihm, indem ich ihm einmal untreu war, nicht schon genug Unrecht getan?« Madame winkte ab. Die Gefühle eines Ehemannes waren, wie es schien, nicht von Belang. »Sie möchten lieber Ihre eigene Gefühle und die von Ihre Liebsten verraten? Ihr Ehemann ist nicht da. Was er nicht weiß, kann ihn nicht verletzen.« Sie starrte Meggan an. »Und Sie dürfen es ihm niemals sagen.« »Irgendjemand findet es heraus. Der Klatsch dringt zu seinen Ohren vor.« »Nicht, wenn ich Ihnen helfe. Ich stelle Ihnen jede Nachmittag meine Cottage zur Verfügung. Nein. Ich bestehe darauf. Ich kann Sie nicht gebrauchen, wenn Sie so trübsinnig sind. Ich kenne den Freuden von eine Liebhaber. Wenn Sie die Erfahrung von eine solche Liebe haben, werden Sie eine noch größere Sängerin sein. Sie werden den Leidenschaft verstehen.« Darauf fand Meggan keine Antwort. Mit ihrer dramatischen Stimme und ihren ausholenden Gesten war Madame stets überwältigend. »Sie sind ganz für sich. Hier kann niemand sehen, wer kommt und geht. Und jetzt nennen Sie mir die Namen von die Hotel, in die er logiert. Ich schicke ihm eine Nachricht, dass er herkommt. Vielleicht singen Sie dann morgen wieder.« Meggan blieb in dem Sessel sitzen, während Madame rasch hinausging, um Con eine Nachricht zu schicken. Mit wenig Erfolg versuchte Meggan, ihre verworrenen Gefühle und Gedanken zu ordnen. Diese Verwirrung begann allmählich, sich in körperlichen Symptomen niederzuschlagen. Ein Teil von ihr wünschte, Madame hätte die Angelegenheit nicht so entschieden in die Hand genommen. Doch gleichzeitig war Meggan erleichtert, dass jemand ihr die Entscheidung abgenommen hatte. Der größere Teil von ihr sehnte sich danach, den Mann wiederzusehen, den sie liebte. Madame kam zurück, goss Meggan einen Kräutertee auf und bestand darauf, dass sie ihn auch trank. »Eine Tee aus Kamille und Pfefferminze, die Ihnen hilft, ruhiger zu werden.« Da sie dringend etwas brauchte, was ihre Nerven beruhigte, trank Meggan den Tee gehorsam. Madame machte es sich neben Meggan bequem und erzählte von ihrer eigenen Jugend, als sie auf den großen Opernbühnen Londons gesungen hatte. Eine stürmische Romanze und eine darauf folgende Heirat mit einem wohlhabenden Yankee hatten sie nach Amerika gebracht. Als die erste romantische Aufwallung abkühlte, vermisste sie das Bühnenleben, zudem erstickte sie unter der strengen gesellschaftlichen Moral der amerikanischen Oberschicht. Kein Jahr nach ihrer Ho chzeit brannte sie mit einem Musiker durch, um durch die Konzertsäle Europas zu tingeln, bis sie schließlich allein in Mailand gelandet war, wo sie das Glück hatte, einen Platz in dem großartigen Ensemble der Mailänder Oper zu finden. Das bunte, wenn auch zweifelhafte Märchen, das Madame ihr erzählte, war so faszinierend, dass Meggan ihre Sorgen eine Zeit lang vergaß. »Und wie sind Sie dann nach Australien gekommen, Madame?« »Ach, das erzähle ich Ihnen ein andermal. Ich glaube, Ihr Geliebter ist da.« Bei Madames Wortwahl stieg Meggan vor Verlegenheit die Röte in die Wangen, doch als es an der Haustür klopfte, machte ihr Herz einen Satz. Trotz ihres überreizten Zustands musste Meggan unwillkürlich lächeln, als sie Cons ungläubige Miene sah, als er in dem bizarren Durcheinander des Zimmers der exotisch gewandeten Madame Marietta gegenüberstand. Madame bemerkte seine Miene entweder nicht oder war es vielleicht gewohnt, dass Menschen, die das erste Mal in ihr Cottage kamen, eine ähnliche Reaktion an den Tag legten. »Gut. Sie sind hier. Dann lasse ich Sie beide jetzt allein.« Sie nahm eine geräumige Gobelintasche. »Wenn Sie gehen, bevor ich zurück bin, legen Sie die Schlüssel bitte in die Topf mit die Geranie.« Sie ging ohne ein weiteres Wort. Und auch Meggan und Con sprachen nicht, bis sie allein waren. Und dann waren Worte überflüssig, denn sie warfen sich einander in die Arme, und hungrige Lippen fanden einander. Con hielt sie so fest, als würde er es nicht ertragen, sie je wieder loszulassen. »Meine Liebste, die vergangenen Stunden waren wie Jahre leerer Zeit. Du ahnst ja nicht, wie unglaublich es ist, dich wieder in den Armen zu halten.« »Ahne ich es nicht?« Meggan machte sich ein wenig aus seiner Umarmung frei, bis diese nicht mehr ganz so fest war. »Ich liebe dich, Con. Ich habe mich die ganze Nacht gequält, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte.« »Ich hatte keinen Zweifel. Ich will dich – brauche dich -, selbst wenn es nur für wenige kurze Wochen sein kann.« Er schloss die Augen und seufzte tief, und als er sie wieder aufschlug, suchte er ihren Blick. »Ich bin nicht ehrlich. Einige Wochen sind nicht genug. Ich wünschte …« »Nein.« Meggan konnte ihn den Satz nicht beenden lassen. »Wir haben keine Zukunft. Ich liebe dich und will alles von dir haben, was ich haben kann, aber ich werde meinen Mann niemals verlassen.« »Meggan, Meggan.« Er küsste sie wieder. »Wohin können wir gehen, um zusammen zu sein?« Meggan lächelte, denn sie ahnte, wie Con reagieren würde. »Madame hat uns angeboten, nachmittags ihr Cottage zu nutzen.« »Das ist nicht dein Ernst?« Er sah sie fast ein wenig schockiert an. »Madame hat es ganz ernst gemeint.« »Gütiger Himmel! Ausgeschlossen, dass ich dich hier drin lieben kann.« Er wies mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer. »Ich auch nicht. Und doch können wir uns weder bei mir zu Hause noch im Hotel treffen. Man kennt mich zu gut.« »Dann müssen wir an einen Ort gehen, wo niemand dich kennt.« Die Lösung kam Meggan scheinbar aus dem Nichts. »Natürlich«, rief sie. »Wir gehen nach Hahndorf. Ich kann Mrs. Mills sagen, Madame hätte darauf bestanden, die kühlere Luft in den Bergen sei wohltuend für meinen Hals.« Wie leicht ihr dieses Täuschungsmanöver fiel.  
Am späten Nachmittag hielt Mills die Kutsche vor dem malerischen Hahndorf Inn an. Nachdem er ihr Gepäck in die Eingangshalle getragen hatte, wiederholte Meggan, sie werde eine Nachricht senden, wenn sie nach Hause kommen wolle, und schickte ihn weg. Mills hatte kaum die Kutsche gewendet, um zurück nach Adelaide zu fahren, da trat Con auf sie zu. »Ich habe uns ein Zimmer gebucht mit einem schönen Ausblick über die Landschaft.« Er nahm ihre Hand und legte sie auf seinen Arm. »Sollen wir nach oben gehen, meine Liebe, wie das ehrbare verheiratete Paar, das wir angeblich sind?« In seinen unbeschwerten Worten schwang ein unausgesprochener Schmerz mit. Nachdem sie sich in ihrem Zimmer aus einer leidenschaftlichen Umarmung gelöst hatten, umfasste Meggan Cons Gesicht mit beiden Händen. »Mein Liebster, diese Zeit gehört uns ganz allein. Wir werden nicht an die Zukunft denken und auch nicht an die Vergangenheit. Wir werden zusammen glücklich sein, auch wenn es nur für kurze Zeit ist.« Ein Klopfen an der Tür zeigte an, dass der Hausdiener mit Meggans Gepäck nach oben gekommen war. Ein Bursche von ungefähr fünfzehn Jahren brachte die Taschen ins Zimmer. Sein Trinkgeld nahm er mit einem freudigen Grinsen entgegen. »Vielen Dank, Sir. Brauchen Sie sonst noch etwas? Möchte Mrs. Stuart, dass ihr ein Dienstmädchen beim Auspacken hilft?« Meggan, die sich abgewandt hatte, um den Blick aus dem Fenster über die wohlbestellten Felder schweifen zu lassen, war froh, dass der Bursche nicht sah, wie sie auf den Namen reagierte. »Möchtest du ein Dienstmädchen, meine Liebe?« »Nein, danke. Ich komme zurecht«, antwortete Meggan und verlor fast wieder die Fassung, als sie das Glitzern in Cons Augen sah. »Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht«, erklärte sie in dem Augenblick, da der Bursche gegangen war, »welchen Namen du benutzt hast, um dieses Zimmer zu buchen.« Der Hotelportier hatte sie tatsächlich nur mit Sir und Madam angesprochen. »Warum Stuart?« »Der Vorname meines Vaters und mein zweiter Name. Er schien mir so gut wie jeder andere.« »Dein Vater hat einen schottischen Namen?« »Meine Großmutter väterlicherseits stammte aus Glasgow. Und sie trug keinen geringeren Namen als Mary Stuart. Ich glaube, sie wollte verhindern, dass ihre Nachkommen ihr schottisches Erbe vergessen. Und jetzt, mein Schatz, möchtest du einen Spaziergang durchs Dorf machen?« Meggan beantwortete seine Frage mit einem verschmitzten Lächeln. »Ich würde nach der Reise lieber etwas ausruhen. Ich glaube, ich lege mich ein Weilchen hin. Leistest du mir Gesellschaft?« »Wenn ich das tue, kommt keiner von uns zur Ruhe.« Er sollte recht behalten. In dem Augenblick, in dem sie ihre Kleider auszogen, stürzten sie in ein ekstatisches Liebesspiel, ein Geben und Nehmen leidenschaftlicher Energie, bis sie sich völlig verausgabt hatten, auch wenn sie noch lange nicht satt aneinander waren. Während seine Lippen die Züge ihres Gesichts nachzeichneten, erkundeten ihre Hände die festen Muskeln seines Rückens. Langsam und mit Bedauern lösten sie sich voneinander. Eine ganze Weile lagen sie nur da und hielten sich einfach bei der Hand. Meggan war fast am Einschlafen, als Con mit den Fingerknöcheln über ihre Wangen strich. »Ich liebe dich«, flüsterte er. Und wieder liebte er sie, diesmal mit einer langsamen Zärtlichkeit, die für beide noch viel köstlicher war als die leidenschaftliche Ekstase.  
Zwei Wochen lange lebte Meggan in vollkommenem Glück. Sie sprachen weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft. Es gab nur die Gegenwart. Jeden Gedanken an eine Welt, in der sie nicht zusammen sein konnten, schoben sie beiseite. Eines Morgens wachte Meggan auf und sah, dass Con sie, auf einen Ellbogen gestützt, beobachtete. »Du bist so schön, wenn du aufwachst, dann hast du noch die Reste deines Traums in den Augen, und dein Mund ist weich und einladend. Ich könnte dich mein ganzes Leben lang so anschauen, wie du jetzt bist. Wenn nur …« »Nicht. Sag’s nicht. Wir müssen akzeptieren, dass das alles ist, was wir haben können.« Eine ganze Weile sagte er nichts, und ihrer beider Augen sprachen von dem, was in Worte zu fassen zu schmerzlich war. »Du bist die schönste Frau der Welt. Ich bewundere alles an dir.« Er lehnte sich zurück, um sich auf die Seite zu legen, und fuhr ihr mit der Hand über die Wange. »Ich möchte nur hier liegen und dich anschauen, damit sich dein Gesicht f?r alle Zeit in meine Erinnerung brennt.? Seine Finger berührten sie leicht wie eine Feder, fuhren durch ihre gelockten Strähnen, zogen den Bogen ihrer Augenbrauen nach und den Schwung ihrer Wangenknochen, und dann fuhr er mit einem Zeigefinger ihren Nasenrücken hinunter und berührte ihre Lippen. Überall da, wo seine Finger ihre Haut berührten, kribbelte es, und sie wünschte sich, er würde ewig mit diesen zärtlichen Liebkosungen fortfahren. Die ganze Zeit blickte er ihr tief in die Augen, selbst als er den Kopf näher schob, um mit den Lippen über ihren Mund zu streifen. Eine federleichte Berührung. Ein Elfenkuss. Und doch zündete er in ihr das mächtige Feuer der Leidenschaft. Als er sich zurückzog, legte Meggan sich so auf ihn, dass sich ihre nackten Körper in ganzer Länge berührten. Die Hände in seinem dichten Haar vergraben, war es jetzt an ihr, ihn zu bewundern. Zarte Küsse berührten seine Augen und Ohren, Nase und Mund. Sie drückte einen Kuss auf seine Kehle, fuhr mit den Lippen hinüber zu seinen Schultern und dann nach unten zu seinen Brustwarzen. Die zitternde Antwort seines Körpers, sein erregtes Stöhnen, weckten ihre Leidenschaft von neuem. Sie fuhr mit der Hand an seinem Körper hinunter und entdeckte, wie stark er erregt werden konnte, wenn sie diesen männlichen Körperteil berührte. Sie ergötzte sich an seiner samtigen, seidigen Stärke. »Du bist auch schön«, flüsterte sie. Sie drängte sich an ihn, und er umfasste mit den Händen ihre Hüften, sodass sie eins werden konnten. Sie lagen beieinander, küssten sich leidenschaftlich und bewegten sich nur so viel, um so eng miteinander zu verschmelzen, dass sie das Gefühl hatten, ihre Körper könnten nie mehr getrennt werden. Con und Meggan liebten sich in der Nacht und oft auch in der trägen Hitze des frühen Nachmittags mit tiefer Leidenschaft. Am Vormittag mieteten sie Pferde, um an pr?chtigen deutschen Bauernh?fen vorbei bis dahin zu reiten, wo Weing?rten angelegt wurden. Sie bummelten durch die Stadt und erg?tzten sich am Duft und Geschmack der ger?ucherten deutschen W?rstchen und der ?ppigen Torten. ?berall h?rten sie ?fter die deutsche Sprache als ihre eigene. »Man könnte glauben, man wäre gar nicht in Australien«, bemerkte Meggan. »Die deutschen Siedler haben möglichst viel aus ihrer Heimat mit hierhergebracht. Vielleicht fühlen sie sich mehr zu Hause, wenn sie sich rundum mit Vertrautem umgeben.« »Haben die Cornwaller in Burra nicht dasselbe gemacht?« Meggan schaute ihn überrascht an, bevor sie zustimmend nickte, denn sie hatte das irgendwie immer für selbstverständlich gehalten. »Ja, das haben sie, genau wie die Waliser und die Engländer in ihren Siedlungen. Ich frage mich, ob es in zukünftigen Generationen auch noch so ist oder ob all diese verschiedenen Völker untereinander heiraten und ein Volk werden – das australische Volk.« »Du denkst sehr gründlich nach, meine Liebe.« Con schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. Meggan packte seinen Arm fester und stieß ein leichtes Lachen aus. »Wirklich? Komm, wir gehen zur Konditorei, Con. Ich möchte ein köstliches Stück Torte. Ich … Oh, mein Gott.« Ihre Stimme wurde zu einem schockierten Flüstern. »Was ist? Du bist ja ganz blass geworden.« »Ich habe Will gesehen.« »Deinen Bruder?« »Ja. Oh, du musst gehen, Con, denn ich glaube, er hat mich auch gesehen.« Will hatte sie tatsächlich gesehen und kam die Straße heraufgelaufen. Meggan eilte ihrem Bruder entgegen, ohne zu schauen, ob Con sich wirklich entfernt hatte. »Meggan!« »Will!« Sie umarmten sich stürmisch vor Freude, bevor sie zurücktraten, um einander mit einer Mischung aus Freude und Unglauben anzuschauen. Beide sprachen gleichzeitig. »Was machst du hier?« Sie lachten. »Du zuerst«, sagte Will. »Nein, nein. Du musst zuerst erzählen. Ich dachte, ihr wärt inzwischen längst in Victoria.« Will verzog das Gesicht. »Wir mussten unsere Pläne ändern.« »Warum? Was ist passiert? Ich sehe dir doch an, dass etwas passiert ist.« »Ja. Nein, mach dir keine Sorgen, Megs. Komm, wir gehen irgendwohin, wo wir uns hinsetzen und reden können.« »Gleich um die Ecke ist eine hübsche kleine Teestube.« Meggan konnte ihre Besorgnis für den kurzen Fußweg kaum zurückhalten. Sie spürte, dass Will keine guten Nachrichten hatte. Sobald sie an einem kleinen Tisch mit einer rot karierten Tischdecke saßen, wollte sie alles erzählt bekommen. Sein Bericht musste jedoch warten, bis die Besitzerin sie mit Tee und Kuchen versorgt hatte. »Wir hatten einen Unfall mit dem Wagen.« »Einer der Jungen wurde verletzt«, rief Meggan aus. »Hal oder Tommy?« »Tommy.« »O Gott. Wurde er schwer verletzt?« »Ziemlich schwer.« »Wie schwer ist ziemlich schwer?« »Er kann nicht mehr richtig laufen.« »Nein! Der arme Tommy. Wie ist es passiert? Hast du einen Arzt für Tommy gefunden? Wo wart ihr? Warum seid ihr nicht nach Hause zurückgekehrt?« Will nahm ihre Hand, um sie zu beruhigen. »Keine Fragen mehr, Megs. Ich erzähle dir die Geschichte der Reihe nach.« Meggan hörte zu und stieß nur gelegentlich einen schmerzlichen Ausruf aus, während Will ihr von da an, wo ihnen das erste Wallaby unerwartet vor den Wagen gesprungen war, alles erzählte. »Wie geht es Tommy jetzt?« »Er ist gesund, obwohl er für den Rest seines Lebens humpeln wird.« »Dann arbeiten Hal und du seither für diesen Mr. Harvey.« »Tommy arbeitet auch. Er hat festgestellt, dass er ein Händchen für Lederarbeiten hat. Geschirre und Sättel kann er reparieren, ohne sein lahmes Bein zu beanspruchen.« »Was machst du in Hahndorf? Wie weit weg ist Harvey’s Run?« »Gut zwei Tagesritte. Jack und ich haben einige Pferde an einen Ort etwas nördlich von hier gebracht. Jack hat ein Auge auf die Tochter geworfen. Ich habe ihn allein gelassen, damit er um sie freien kann, und bin runter nach Hahndorf gekommen, um nach ein paar Sachen zu schauen, die wir brauchen.« »Wir?« »Tommy, Hal und ich. Wir verlassen die Farm Ende der Woche und machen uns wieder auf den Weg nach Ballarat.« »Ende der Woche. Oh, so bald schon. Gibt es keine Möglichkeit, dass ich euch alle noch einmal sehen kann, bevor ihr abreist?« »Die Jungen wollen los, sobald ich zurück bin. Aber ich erzähle ihnen, dass wir uns getroffen haben.« »Ich freue mich so, dich zu sehen. So ein Zufall, dass wir beide am selben Ort sind.« »Wie kommt es, dass du in Hahndorf bist, Megs?« »Ich bin hier, um mich von einer Krankheit zu erholen.« Meggan fürchtete, die Hitze, die sie in ihren Wangen spürte, könnte ihre Worte Lügen strafen. Zu ihrer Erleichterung wirkte Will nur bestürzt. »Was für eine Krankheit? Warum bist du nicht bei den Heilbuths?« »Oh, natürlich, das weißt du ja noch gar nicht. Auch bei mir ist viel passiert, seit ihr Burra verlassen habt.« Meggan erzählte ihm von ihrer Heirat, von ihrem Gesangsunterricht und mit Stolz von ihrem Erfolg in Adelaide. »Ich bin froh, dass sich dein Traum erfüllt. Ich würde gerne deinen Mann kennenlernen.« »Vielleicht wirst du das eines Tages.« »Er ist nicht hier bei dir?« Meggan schüttelte den Kopf. »Er ist in Melbourne. Ich hätte ihn begleitet, wenn ich nicht die Mandelentzündung bekommen hätte.« »Dann bist du allein hier?« Die Frage war kein müßiges Gerede. Meggan wandte den Kopf ab, denn sie konnte ihrem Bruder nicht ins Gesicht lügen. »Megs.« Er fasste nach ihrem Gesicht, damit sie ihre Miene nicht vor ihm verbergen konnte. »Ich habe Con Trevannick gesehen.« Die oberen Schneidezähne in die Unterlippe gedrückt, blinzelte Meggan, um die Tränen in Schach zu halten. Will kannte sie zu gut, als dass sie die Wahrheit vor ihm hätte verbergen können. »Verurteile mich nicht, Will. Wir lieben uns.« »Liebe! Was hat Liebe zu einem Mitglied dieser Familie uns je gebracht? Nichts als Unglück.« »Ich weiß, aber Con würde nie etwas tun, das mich verletzen könnte.« Sein ungläubiges Schnauben stach ihr ins Herz. »Du überraschst mich, Megs. Ich dachte, ich würde dich besser kennen.« Er war verärgert über sie. »Bitte, Will, ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich für das hasst, was ich getan habe.« »Ich würde dich nie hassen, Megs. Aber ich möchte es nicht erleben, dass man dir wehtut.« Meggans Lachen war leicht bitter. »Wehgetan hat es, als Con nach Adelaide zurückkam, nachdem ich einen anderen Mann geheiratet hatte.« Will war sichtlich besorgt. »Was ist mit deinem Mann, Megs? Du hast gesagt, er ist ein anständiger Mann. Wirst du ihn jetzt verlassen? Nur weil Con Trevannick beschlossen hat, dass er dich will?« »So versteh mich doch, Will. Das hier ist nur ein kurzes Zwischenspiel. Eines, das ich brauche. Ich gehe zurück nach Adelaide, um wieder Davids liebende Ehefrau zu sein.« Gütiger Himmel, wie herzlos ihre Worte klangen. »Wann gehst zu zurück, Megs? Bevor es zu spät ist?« Sie runzelte leicht die Stirn über Wills Ernst. »Zu spät für was?« »Ich weiß, wie stark deine Leidenschaft sein kann. Ich mache mir Sorgen. Je länger du bei Con Trevannick bleibst, desto schwerer wird es dir fallen, dich wieder von ihm zu trennen.« »Ich habe mir nie eingeredet, unsere Trennung würde leicht.« Ein würgender Schmerz sorgte dafür, dass sie die nächsten Worte in gequälter Eile äußerte. »Ich muss zu meinem Mann zurück.« Sie wusste, während sie das sagte, dass sie abreisen würde, so schnell Mills mit der Kutsche kommen konnte. Die Idylle mit Con war zu Ende. Sie würde Zeit allein brauchen, um um das zu trauern, was sie nicht haben konnte; Zeit, sich zu sammeln, bevor David zurückkehrte; Zeit, um zu lernen, jeden Hinweis auf ihren Betrug aus ihrer Stimme und ihrer Miene zu verbannen. Nach dem tränenreichen Abschied von ihrem Bruder schickte Meggan sofort nach ihrer Rückkehr ins Hotel Nachrichten nach Adelaide. Erst nachdem sie den Brief abgeschickt hatte, teilte sie Con ihren Entschluss mit. Sie hatte gewusst, dass er überrascht sein würde. Doch sie hatte nicht erwartet, dass er wütend werden würde. »Warum, Meggan? Du hast mit keinem Ton angedeutet, dass du vorhast abzureisen. Wir h?tten doch gut noch eine Woche bleiben k?nnen.? »Ich kann nicht. Ich muss zurück nach Adelaide. Bitte, sei mir nicht böse, Con.« »Hat dein Bruder etwas mit deinem überstürzten Entschluss zu tun?« »Natürlich nicht.« »Ich glaube doch, Meggan. Wenn du deinen Bruder nicht getroffen hättest, wärst du, glaube ich, gerne noch bei mir geblieben. Er hat dir Schuldgefühle eingeredet.« »Ich bin schuldig!«, schrie Meggan. »Wir haben uns der schlimmsten Form des Betrugs schuldig gemacht.« »Wir waren uns einig«, sagte Con ruhig. »Wir wussten, was wir tun.« »Ich weiß, ich weiß. Ich liebe dich so sehr.« Sie war in seiner Umarmung gefangen, die feuchte Wange an seine Brust gedrückt. Aus seiner Kehle hörte sie einen Schluchzer. »Meggan. Meggan. Meine liebste Zigeunernixe, was sollen wir nur machen? Ich wünschte …« Meggan machte sich aus seiner Umarmung frei und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Scht, sag es nicht. Liebe mich einfach, Con. Liebe mich heute Abend und morgen. Das ist alles, was uns noch bleibt. Ich kehre nach Adelaide zurück, um auf meinen Mann zu warten. Wenn ich Hahndorf verlasse, darfst du mich nie wiedersehen.« In dieser Nacht liebten sie sich mit der Verzweiflung von Liebenden, die sich trennen mussten. Am nächsten Tag ritten sie aus, an den Farmen vorbei bis zu einer Flussbiegung, wo sie sich auf dem weichen Farn noch einmal liebten. Am Nachmittag stieg Meggan in die Kutsche ihres Mannes, wohl wissend, dass Con sie von dem Fenster des Zimmers aus, das ihr Liebesnest gewesen war, beobachtete. Sie schaute nur einmal zurück. Abgeschirmt in der Privatheit der Kutsche, lehnte sie den Kopf an das lederbezogene Polster und lie? bis Adelaide den Tr?nen freien Lauf. Drei Tage lang blieb Meggan im Haus. Sie hatte nicht den Wunsch, ihren Gesangsunterricht wieder aufzunehmen und sich Madames scharfsinnigem, forschendem Blick auszusetzen. Um sich tagsüber zu beschäftigen, übte sie Italienisch und lernte die Verse eines neuen Lieds. Nachts saß sie meistens an ihrem Schlafzimmerfenster und schaute auf das schimmernde Mondlicht, das sich im Torrens River brach. Am vierten Tag bekam sie Besuch. Er hatte nicht einmal einen Gruß, als sie ihm die Tür öffnete. »Dein Ehemann ist noch nicht zurück?« »Du musst wissen, dass er nicht hier ist, sonst wärst du nicht gekommen.« Er lächelte traurig. »Willst du mich vor der Tür stehen lassen, Meggan?« Ohne ein Wort drehte sie sich um und ging voraus in den Salon. Sobald sie dort waren, schienen sie sich nichts zu sagen zu haben. Sie standen nur angespannt da und kämpften dagegen an, einander in die Arme zu fallen. »Du hättest nicht herkommen sollen. Wir haben uns in Hahndorf verabschiedet.« »War es wirklich ein Abschied, wo wir einander so lieben?« »Es muss ein Abschied gewesen sein. Das wissen wir beide. Wenn du mich wirklich liebst, gehst du wieder weg.« »Ist es das, was du willst, mich nie mehr wiedersehen?« Meggans strenge Selbstkontrolle begann zu bröckeln. »Nicht. Ich bin eine verheiratete Frau, Con. Mein Ehemann ist ein guter Mann. Er verdient es, dass seine Frau ihm treu ist.« »Du liebst ihn nicht.« »Ich bin ihm zärtlich zugetan.« »Könntest du ihn verlassen?« »Nein! Und du solltest mich nicht darum bitten.« Sein Seufzer brach ihr fast das Herz. »Dann tue ich es nicht.« »Wir waren nie füreinander bestimmt, du und ich.« Con schüttelte nur den Kopf. »Ach, Meggan, mein Schatz, wir waren für einander bestimmt, vom ersten Tag an, da wir uns am Strand begegnet sind. Du kannst nicht leugnen, was wir füreinander empfinden.« In Meggans Augen brannten Tränen. »Ich leugne gar nichts. Ich werde die Erinnerungen an dich für den Rest meines Lebens hochhalten. Aber egal, wie sehr ich dich liebe, ich werde meinen Mann nicht verlassen.« »Nein, natürlich nicht. Wenn dir die Gefühle deines Mannes egal wären, wärst du nicht die Frau, die ich liebe. Ich liebe dich wirklich, Meggan. Glaube nie, das hier war von meiner Seite nur eine Spielerei.« »Ich weiß, dass es das nicht war. Genauso wenig wie von meiner Seite. Du hast gesagt, unser Schicksal sei an jenem Tag am Strand dort entschieden worden. Das ist wahrer, als du ahnst. Ich hatte an diesem Tag einen weißen Hasen gesehen.« »Einen weißen Hasen?« Er wirkte bestürzt. »Sprichst du von dem alten Aberglauben?« Ein winziges wehmütiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Ich war ein versponnenes Kind.« Dann wurde sie ernst. »Kurz danach kam die Tragödie über unsere Familie.« »Sicher Zufall. Glaubst du, unsere Liebe steht unter einem unglücklichen Stern?« »Manchmal … ich weiß nicht.« Sie hob mit flehenden Augen das Gesicht. »Geh zurück nach Cornwall, Con. Heirate Jenny, wie geplant. Das wäre das Beste für uns beide.« Er nickte langsam. »Meine süße Zigeunernixe. Lass mich dich ein letztes Mal halten.« »Ich … Oh, Con.« Sie trat in seine Arme. Sein Kuss war ungestüm, und ihre Tränen benetzten ihre Gesichter. Als sie den Kuss abbrach, hielt er sie weiter fest, so fest, dass sie seine Verzweiflung spürte. Nach einer Weile lie? er sie los und hob eine Hand, um ihre Tr?nen wegzuwischen. »Adieu, Meggan. Möge dein Leben erfüllt und glücklich werden!« Er verließ das Zimmer, das Haus, und Meggan blieb, wo sie war, bis sie wusste, dass er am Ende der Straße um die Ecke gebogen war.  
Con ging rasch zurück zu seinem Hotel. Er musste Adelaide sofort verlassen, solange er noch die Kraft besaß, von Meggan wegzugehen. In seinem Zimmer packte er rasch seine Koffer, dann zahlte er seine Rechnung und beschaffte sich eine Mietkutsche mit Kutscher, der ihn zum Hafen bringen sollte. Dort angekommen, stellte er fest, dass drei Schiffe vor Anker lagen, von denen eines sich gerade zum Ablegen fertig machte. Vom Kai aus machte er den Kapitän auf sich aufmerksam. »Können Sie noch einen Passagier aufnehmen?« Der Kapitän lehnte sich über die Reling. »Können Sie sich eine Kabine leisten? Ich habe eine, die nicht besetzt ist.« »Dann nehme ich sie.« Er eilte zurück zur Kutsche, um den Kutscher zu entlohnen und sein Gepäck zu holen. Wohin das Schiff fuhr, wusste er nicht. Wichtig war nur, dass es ihn von Südaustralien wegbrachte.