Frank Sandmann: Du alte geile Ledersau

23.30 Uhr. Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Ich bin allein in 30 qm in der Provinz, mit Küchenzeile neben dem Bett. Es ist kalt und dunkel. Der Laptop glüht in dieser Kahlheit. Das Internet brennt vor mir mit Chattereien.

 

»Hi – wie geht’s, wie steht’s? – Meiner ist schon ganz hart und vorn glitscht es saftig!« Ich will, dass das geil ist, bin allein. Wochenendbeziehung. Auf dem Bettrand auf Kniehöhe habe ich ihn in der Hand – ganz wirklich und spritzen wollend. Was anderes kann ich gerade nicht – will mich weg wichsen von der provinziellen Abgeschiedenheit. Jetzt bin ich drin im Thema: Sex – C6 – so richtig pervers und tabulos »Ich stehe auf wichsen, blasen und lecken.« Ist mal was ganz ausgefallenes. Sexlyrik. Einer will auf 10 runter zählen und dann mit mir bei Null: »Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!« schreiben. Kann er haben – mache ich mit, aber ich komme nicht, sondern gehe nach dem üblichen »cu«.

 

Strom aus – Auto an.

 

Es gibt da eine Stelle in dieser verdammten Scheißdreck- Provinz-Nöhl – EX-DDR. Eine Stelle, die eher eine Ecke ist. Eher ein Spielplatz. Ein ganzes Bundesland und ein einziger Spielplatz, wo sich fickwillige Ehemänner treffen – mit Schwulen, die ihnen den Arsch durchorgeln oder richtig hart einen wichsen.

 

Zwischen Plattenbauten laufen wir im Kreis – immer um den Sandkasten herum. Ich sehe einen, der akzeptabel ist. Muss akzeptabel sein, er ist der Einzige. Wir tun so, als gäbe es noch was zu überlegen oder abzuwarten. Er läuft an mir vorbei, ich rauche teilnahmslos. Er guckt mich mit diesem Cruising-Blick an, als könnte er sich das leisten, der Enrico oder Rocco oder wie er heißt. Ich bin ein Arschloch. Mario kommt auf mich zu, hat eine Kunstlederhose an, macht auf hart, greift mich fest am Hosenbund, dreht ihn ein wenig in seiner Faust. Dann kommt, was kommen muss: er redet.

 

»Bist de ooeh sö ne alte gaile Lädohrsau!« Nun ja, ich trage Jeans – was ne »Lädohrsau« in seiner Vorstellung ist, kann ich nur ahnen.

 

Mit Sicherheit fährt er regelmäßig nach Köln, Berlin oder Leipzig in eine Kneipe, wo man mit Fachwörtern kommuniziert. Scat, Bottom, Top, Rimming, PP, Siff, Sneaker, Fisten und so. Macht der sicher auch, aber nur wenn die neue Celine Dion dazu schreit – die ist ja jetzt mehr uptempo. Ich spiele das Spiel ein bisschen mit und greife ihn mit der Hand hart im Nacken und schlage ihm auf die Brust. »Du alte, geile Lädohrsau!« sagt er noch tabuloser. Ich hoffe auf Entschädigung für diesen Sextalk, suche nach einem großen Glied. Lasse von ihm ab und ihn stehen. Er glaubt an ein Spiel, guckt weiter sexy ledrig. Er guckt wahrscheinlich heute noch so und denkt sich irgendwann: »Was war denn das für eine alte blöde Lädohrsau!« Ich fahre nach Hause und sitze vor dem PC, will endlich den kleinen Tod in meinen Händen. Er wird nicht hart, aber willig und so mache ich kreisende Bewegungen auf der Eichel mit Spucke, bis es aus mir raus läuft. Geschafft. Ich will hier weg, ich »alte geile Lädohrsau!«