15

Er verändert sich jetzt?«, fragte Jesse.

»Das wäre schlecht«, erwiderte Shawn. »Wir wollen nicht, dass er angreift, ehe er die Auswirkungen der Drogen überwunden hat. Ich habe mit ein paar Männern gesprochen, die in eurem Haus waren, als er sich losgerissen hat. Sie hatten ihn zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ruhig gestellt.«

»Hören Sie auf, Jesse Angst einzujagen«, fauchte ich. »Es kommt alles in Ordnung. Außerdem glaube ich nicht, dass er sich verändert.« Tatsächlich war dieses werwölfische Gefühl von Macht bereits verklungen. Ich hatte keine Ahnung, was Adam machte.

Das Stoffhemd, das er trug, war schmutzig, zerrissen und blutbefleckt und sah eher grau als weiß aus. Sehr grau. Adam schwitzte, und der Stoff begann an ihm zu kleben. Die angespannten Muskeln seiner Schultern und des Rückens zeichneten sich deutlich ab. Ich konnte sogar die Gänsehaut erkennen. Das Hemd schimmerte ein wenig unter dem kalten Leuchtstoffröhrenlicht. Ich hätte nicht sagen können, ob er bei Bewusstsein war oder nicht.

Ich steckte den Revolver ins Halfter und ging langsam auf ihn zu.

»Adam«, sagte ich, weil er mir den Rücken zugewandt hatte. Es empfiehlt sich nicht, einen Werwolf zu überraschen. »Geht es dir gut?«

Ich wunderte mich nicht, als er nicht antwortete.

Ich hockte mich hin und berührte den nassen Stoff, und er packte plötzlich mein Handgelenk – die Bewegung erfolgte so schnell, dass ich mich nicht erinnern kann, gesehen zu haben, wie er herumrollte. Seine Augen waren gelb und kalt, aber sein Griff war nicht fest.

»Du bist in Sicherheit.« Ich versuchte, ruhig zu bleiben. »Jesse ist hier, und sie ist ebenfalls außer Gefahr. Wir werden dich wieder auf die Beine bringen, und dann verschwinden wir.«

»Es ist das Silber«, sagte Shawn erschüttert. »Deshalb wird das Hemd so grau. Ach du Sch- ich meine verdammt! Er schwitzt Silber. Verfluchter Mist.«

Adam wandte sich nicht von mir ab, obwohl er beim Klang von Shawns Stimme kaum merklich zusammenzuckte. Seine glühenden goldenenAugen starrten in meine, irgendwie gleichzeitig heiß und eisig. Ich hätte mich abwenden sollen – aber das hier schien kein Dominanzwettbewerb zu sein. Es fühlte sich an, als nutzte er meine Augen, um sich aus der Tiefe herauszuziehen, in die die Drogen ihn gezwungen hatten. Ich versuchte, nicht zu blinzeln und den Bann zu brechen.

»Mercy?« Seine Stimme war ein raues Flüstern.

»C’est moi, c’est moi«, sagte ich. Das erschien mir angemessen dramatisch, obwohl ich nicht wusste, ob er mich überhaupt verstand. Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen.

Er lachte. »Typisch für dich, dass du eher Lancelot als Guinevere zitierst.«

»Sie waren beide Idioten«, sagte ich. »Arthur hätte zulassen sollen, dass sie einander zur Strafe heiraten. Ich mag Camelot nur wegen der Musik.« Dann summte ich ein bisschen.

Mein Gerede funktionierte. Sein Pulsschlag normalisierte sich, und er atmete tiefer und regelmäßiger. Wenn seine Augen wieder normal würden, hätten wir es geschafft. Selbstverständlich mit Ausnahme des kleine Problems der feindlichen Wölfe in der Lagerhalle. Aber immer eins nach dem anderen.

Er schloss die gelben Augen, und ich fühlte mich einen Augenblick lang von ihm abgeschnitten, bis ich bemerkte, dass er immer noch mein Handgelenk festhielt, als hätte er Angst, es loszulassen.

»Ich habe die Mutter aller Kopfschmerzen«, sagte er. »Und ich fühle mich, als wäre ich von einer Dampfwalze überfahren worden. Ist Jesse in Sicherheit?«

»Mir geht es gut, Dad«, sagte sie, gehorchte aber dem dringlichen Zeichen, das ich ihr mit meiner freien Hand machte, und blieb, wo sie war. Er mochte ruhiger klingen, aber sein Geruch und die zwanghafte Weise, sich an mein Handgelenk zu klammern, schien diese offensichtliche Selbstbeherrschung Lügen zu strafen.

»Sie ist ein bisschen angeschlagen und verängstigt«, sagte ich »Aber ansonsten unverletzt.« Tatsächlich wurde mir klar, dass ich das nicht wirklich wusste, und ich warf ihr einen besorgten Blick zu.

Sie lächelte, eine schwache Imitation ihres üblichen Grinsens. »Ich bin in Ordnung«, sagte sie wieder, diesmal zu mir.

Adam stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Erzähl mir, was passiert ist.«

Ich gab ihm eine Kurzfassung – und selbst dann brauchte es immer noch eine Weile, alles zu erzählen. Außer bei meinem Bericht über David Christiansens Eindringen in mein Haus behielt er die Augen geschlossen, als würde es ihn schmerzen, sie zu öffnen. Noch bevor ich fertig war, hatte er begonnen, sich unbehaglich hin und her zu winden.

»Ich habe eine Gänsehaut«, sagte er.

»Das ist das Silber.« Ich hätte eher daran denken sollen. Ich berührte sein Hemd mit der freien Hand und zeigte ihm das graue Metall an meinem Zeigefinger. »Ich habe ja schon gehört, dass jemand Blut schwitzt, aber niemals Silber.« Ich setzte dazu an, ihm beim Ausziehen des Hemdes zu helfen, als mir klar wurde, dass er nicht die ganze Zeit halb nackt herumrennen konnte. »Ich nehme nicht an, dass Sie zufällig Ersatzklamotten mitgebracht haben, Shawn? Wenn dieses Silber an seiner Haut bleibt, wird es ihn verbrennen.«

»Er kann mein Hemd haben«, sagte er. »Aber ich kann jetzt nicht gehen, um andere Sachen zu holen. Ich bin im Dienst.«

Ich seufzte. »Ich gebe ihm meine Trainingshose.« Das T-Shirt, das ich trug, reichte mir immerhin bis zur Mitte der Oberschenkel.

Shawn und ich zogen Adam so schnell wir konnten aus und benutzten das Hemd, um das meiste Silber von ihm abzuwischen, dann zogen wir ihm meine Trainingshose und Shawns grünes T-Shirt an. Adam schauderte, als wir fertig waren.

Der Thermosbecher hatte seinen klebrigen Inhalt über den Boden vergossen, als er ihn fallen ließ, war aber heil geblieben, ebenso wie die Thermosflasche. Ich ließ Jesse heißen Kaffe für ihren Vater eingießen, so schnell er ihn trinken konnte; damit sie etwas hatte, worauf sie sich konzentrieren konnte. Als die Kaffeekanne leer war, fütterte sie Adam den rohem Braten aus der Plastiktüte, ohne einen Kommentar darüber zu verlieren.

Ich machte mir Sorgen, weil Adam so passiv war – so hatte ich ihn noch nie zuvor erlebt. Samuel hatte gesagt, dass die Empfindlichkeit gegenüber Silber stärker wurde, je länger man dem Metall ausgesetztwar.Ich dachte über Adams Kopfschmerzen und die Anfälle nach und hoffte, dass sein Werwolfzustand ausreichte, um ihm eine schnelle Heilung zu erlauben.

»Wissen Sie«, stellte Shawn nachdenklich fest, »für jemanden, der will, dass dieser Mann in einem Monat gegen den Marrok kämpft, kümmert sich Gerry nicht besonders gut um ihn.«

Ich sah ihn gerade stirnrunzelnd an, als ich hörte, wie die Tür aufging.

»He, Morris«, sagte der Fremde, als er die Tür öffnete, »Der Boss will dich und –« Sein Blick glitt zu Adam und Jesse, und er hielt inne und griff nach seiner Schusswaffe.

Wäre ich allein gewesen, hätte das unser Ende bedeutet. Ich dachte nicht einmal daran, meine Waffe zu ziehen, starrte den Neuankömmling nur schockiert an und erkannte verspätet, dass Shawn die Tür nicht verriegelt hatte, als er hereingekommen war. Shawns Waffe ploppte drei Mal schnell hintereinander und verursachte ein ordentliches rotes Dreieck über dem Herzen des Eindringlings, was kaum mehr Lärm machte als das Öffnen einer Getränkedose. Er schoss aus einer Kleinkaliberautomatik mit einem Schalldämpfer.

Der Verwundete fiel langsam auf die Knie und dann nach vorn auf den Bauch. Ich zog endlich meine SIG und zielte.

»Nein«, sagte Adam. »Warte.« Er sah seine Tochter an. »Du hast mir gesagt, du bist nicht verletzt – stimmt das?«

Jesse nickte entschlossen. »Nur ein paar Prellungen.«

»Also gut«, sagte er. »Mercy, wir werden versuchen, so viele wie möglich am Leben zu lassen – Tote erzählen keine Geschichten, und ich will genau wissen, was hier eigentlich los ist. Wir werden verschwunden sein, bevor dieser Mann genügend heilt, um eine Gefahr darzustellen. Lasst ihn in Ruhe.«

»Er ist nicht tot?«, fragte Shawn. »Der Captain hat behauptet, man kann Werwölfe auch mit Blei töten.«

Christiansen und seine Leute waren nicht daran gewöhnt, sich mit Werwölfen anzulegen, weshalb seine Männer nicht über Silbermunition verfügten, und mein Nachschub war begrenzt. Silberkugeln sind teuer, und ich pflege nicht regelmäßig Werwölfe zu jagen. Nur Connor hatte eine Waffe von gleichem Kaliber, und ich hatte ihm ein halbes Dutzend meiner 9mm-Kugeln überlassen.

»Wenn Sie einen Werwolf ohne Silber töten wollen, müssen Sie sich auf das Rückgrat konzentrieren«, informierte ich Shawn. »Und selbst dann …« Ich zuckte die Achseln. »Silbermunition verursacht Wunden, die nicht so schnell heilen, und dann besteht die Möglichkeit, dass der Angeschossene verblutet.«

»Verdammt«, sagte Shawn mit einem letzten Blick auf den Werwolf, der mit einer Schusswunde am Boden lag. Er holte ein Handy heraus und verschickte mehrere SMS.

»Die anderen wissen jetzt, dass wir unterwegs sind«, erklärte er, nachdem er fertig war und das Telefon wieder in eine Hosentasche gesteckt hatte. »Wir müssen hier raus. Wenn wir Glück haben, werden sie annehmen, dass jemand irgendwo da draußen ist und nicht auf meine Schüsse achten. Aber sie werden Smitty früher oder später vermissen, und dann müssen wir hier weg sein.« Er machte sich an die Organisation unseres Rückzugs.

Ich steckte die SIG wieder ins Halfter und holte die .444 Magnum raus. Da ich kein Halfter für diese Waffe hatte, würde ich sie einfach tragen müssen. Die Zusatzmagazine für die SIG steckte ich mir in den BH, weil ich keinen besseren Platz zur Aufbewahrung hatte.

Wir zerrten den verwundeten Werwolf aus der Tür, dann hoben Shawn und Jesse Adam hoch. Ich ging als Erste durch die Tür. Dieser Teil der Lagerhalle war vom Hauptraum abgetrennt. Die Büros hatten aus einem Bereich von der halben Breite des Gebäudes bestanden, und am Boden daneben befand sich eine leere Zementfläche, breit genug, dass zwei LKWs nebeneinander herfahren konnten. Ich beugte mich über das Geländer, um unter die Treppe spähen zu können, und sah, dass sich niemand in der Nähe befand, aber der Rest des Gebäudes war nur schlecht zu erkennen, weil überall die riesigen Kistenstapel standen.

Sobald die anderen den Raum verlassen hatten und auf dem Treppenabsatz standen, ging ich vor ihnen her zum ersten Stock, wo ich ihren Abstieg bewachen konnte. Shawns Plan sah vor, zu versuchen, Adam zu den Wagen zu bringen. Einer von Gerrys Leuten fuhr einen klassischen Chevy-Pickup, von dem Shawn behauptete, er könne ihn schneller kurzschließen, als es brauchte, einen Schlüssel ins Zündschloss zu stecken.

Ich hielt den Atem an, damit ich lauschen konnte, aber die Lagerhalle war still bis auf die anderen, die die Treppe herunterkamen, und das Klingeln in meinen Ohren hätte immer noch genügt, um die Geräusche einer Armee zu übertönen.

Es gab ein Garagentor direkt neben den Büros, groß genug, damit auch ein schwerer LKW durchfahren konnte. Shawn sagte, es sei von außen verriegelt, und Gerry hätte den Motor, der es öffnete, zerschossen, als er sich entschied, Jesse in eins der Büros zu bringen. Wir würden nach hinten zur anderen Seite des Lagerhauses gehen und es durch eine normale Tür verlassen müssen, die als einzige unverschlossen war.

Als ich unten an der Treppe wartete und versuchte, in diesem unmöglichen Labyrinth, das ein Dutzend Werwölfe in einem Heer von Verstecken verbergen konnte, ein gewisses Maß an Orientierung zu finden, musste ich daran denken, was Shawn als Letztes gesagt hatte. Er hatte recht. Wenn Gerry wirklich wollte, dass Adam Bran umbrachte, würde er ihn in erheblich besserer Verfassung brauchen. In seinem augenblicklichen Zustand würde Bran ihn in ein paar Sekunden erledigen.

Gerry war nicht dumm, hatte Samuel gesagt. Also war das vielleicht das Ergebnis, das er anstrebte.

Es fiel mir auf, dass es schrecklich viele Dinge gab, die an dem Plan unsinnig waren, falls Gerry tatsächlich nicht dumm sein sollte – und Samuel kannte sich aus, was die Beurteilung der Intelligenz anderer Personen anging. David schien anzunehmen, dass das Blutbad in Adams Haus dazu gedient hatte, so etwas wie unerwünschten Wettbewerb für Gerry loszuwerden – aber es hatte ihm auch die Aufmerksamkeit des Marrok eingebracht. Und es hätte selbst dann Brans Interesse erregt, wenn ich Adam nicht zu ihm gebracht hätte. Ein Angriff auf das Zuhause eines Leitwolfs war wichtig. Und dann war da noch die immense Bezahlung an die Vampire. Ich hatte es vielleicht schneller als erwartet herausgefunden, aber ich bin ziemlich sicher, wenn Bran selbst herumgeschnüffelt hätte, wäre es ihm ebenfalls nicht entgangen.

Wenn ich versuchen wollte, jemanden dazu zu bringen, den Marrok herauszufordern, würde ich meinen Kandidaten nicht dazu verleiten, mich zu hassen, indem ich seine Tochter entführte. Und wenn ich auf hinterhältige Weise eine Herausforderung erzwingen wollte und nicht vollkommen überzeugt sein könnte, ob mein Kandidat siegte, würde ich bestimmt dafür sorgen, meine Spuren zu verbergen, damit Bran es niemals herausfand. Bran hatte natürlich den Ruf, sehr gut im Herausfinden von Dingen zu sein.

Gerry hatte beinahe ein Schild aufgestellt, auf dem stand: »Seht, was ich mache!«, und wenn er wirklich nicht dumm war, hatte er das absichtlich getan. Warum?

»Mercy.« Shawns Flüstern riss mich wieder in die Gegenwart zurück. Sie waren die Treppe heruntergekommen, und ich stand ihnen im Weg.

»Tut mir leid«, erwiderte ich genauso leise.

Ich setzte mich an die Spitze unseres Trupps und lief los, wobei ich im Vorbeigehen um die Kisten spähte. Wir kamen nur sehr langsam vorwärts. Adam hatte Probleme mit dem Bein, das bei dem ersten Angriff auf ihn verwundet worden war, und Jesse war zu klein, um eine gute Stütze zu sein, vor allem zusammen mit dem beinahe eins achtzig großen Shawn. Dann glaubte ich, ein Geräusch zu hören, und blieb stehen. Aber als es sich nicht wiederholte, kam ich zu dem Schuss, dass es sich immer noch um das Klingeln in meinen Ohren handeln musste, das immer wieder kam und ging. Ich hatte allerdings erst drei weitere Schritte hinter mir, als Macht über mich hinwegstrich wie ein warmer, süßer Wind.

»Das Rudel ist da«, sagte Adam

Ich hatte mich nie zuvor so gefühlt, aber ich nehme an, ich war auch noch nie in einer Situation gewesen, in der wir alle mit dem gleichen Ziel zusammenkamen. Das war vielleicht alles, oder es lag daran, dass ich dem Alpha des Rudels so nahe stand.

Adam hielt inne, schloss die Augen und atmete tief ein. Ich konnte beinahe sehen, wie die Kraft ihn durchströmte. Dann richtete er sich auf und stützte sich nicht mehr auf die anderen.

Auch Jesse beobachtete ihren Vater. Nur Shawn blieb vernünftig und sah sich weiter um, und es war das Aufreißen seiner Augen, das mich herumfahren ließ.

Wenn der Werwolf es auf mich abgesehen hätte, wäre ich tot gewesen. Aber er hatte den Gefährlichsten unter uns angepeilt und stieß mich nur mit der Wucht einer Kanonenkugel beiseite, sodass ich gegen eine Kiste prallte. Die Smith & Wesson fiel mir aus der Hand, ging aber nicht los, als sie auf dem Boden aufschlug. Ich hörte, wie mein Oberarm brach, und spürte eine Schmerzwelle, als mich die Wucht des Stoßes weiterdrehte, bis ich auf dem Boden landete, mit dem Gesicht zu Adam, und der Wolf ihn ansprang.

Jesse schrie auf. Shawn hatte das Magazin seiner Waffe in den Wolf geleert, ohne diesen zu verlangsamen, und nun erwischte der Werwolf ihn mit einem dieser schnellen, katzenhaften Schläge, die einem Caniden eigentlich unmöglich sein sollten. Shawn krachte gegen eine Kiste und fiel zu Boden.

Ich kam wieder auf die Beine und zog Zees Dolch mit der linken Hand. Ich weiß nicht, warum ich nicht die SIG wählte, außer, weil das schockierende Tempo des Angriffs mich vielleicht betäubt hatte. Von dieser Woche einmal abgesehen, hatte sich die Gewalttätigkeit in meinem Leben im Allgemeinen auf den Dojo beschränkt.

Ich bewegte mich nach vorn, und im gleichen Augenblick raste etwas Verschwommenes, Rotes an mir vorbei. Noch ein Werwolf. Mir blieb genug Zeit für den wenig ermutigenden Gedanken, dass unser Glück uns doch noch verlassen hatte. Aber dann packte der Rote den ersten Wolf auch schon im Nacken und zerrte ihn den Flur entlang, weg von Adam.

Der rote Wolf beließ es nicht dabei, sondern er hatte sich beinahe schon auf das graubraune Tier gestürzt, bevor dieses landete. Adam war blutüberströmt, aber noch bevor ich es bis zu ihm schaffte, schloss sich die Wunde in einem Machtrausch, der vom Geruch des Rudels durchdrungen war. Er stand wieder auf und sah besser aus, als ich ihn seit Montagnacht gesehen hatte.

Ich erinnerte mich eher verspätet daran, dass ich eine weitere Waffe hatte, und ließ Zees Messer fallen, um die SIG zu ziehen und zu warten, dass die beiden Wölfe sich lange genug trennten, damit ich schießen konnte. Nun war ich imstande zu erkennen, dass das rote Tier größer und schlanker war als üblich, als wäre es zum Laufen statt zum Kämpfen geboren.

»Wenn es sich machen lässt, will ich, dass keiner von ihnen stirbt«, sagte Adam, versuchte aber nicht, mir die Waffe mit Gewalt abzunehmen.

»Der da muss sterben«, sagte ich, weil ich den Geruch erkannte. Er war derjenige, der Jesse ins Gesicht geschlagen hatte.

Adam hatte keine Zeit, mit mir zu streiten, denn der graubraune Wolf kam bei dem Ringkampf nach oben, und ich schoss drei Mal. Es war nicht die .444, aber selbst eine 9mm kann mit einem Treffer aus weniger als zehn Fuß Abstand in der Schädelbasis eine Menge Schaden anrichten.

Adam sagte etwas. Ich konnte sehen, wie sein Mund sich bewegte, aber meine Ohren rauschten so gewaltig wie der weite Ozean. Einer der Nachteile eines guten Gehörs bestand in empfindlichen Ohren – etwas, um das sich die Wölfe mit ihren Heilfähigkeiten nicht sonderlich sorgen mussten.

Adam hatte offenbar erkannt, dass ich ihn nicht verstehen konnte, denn er tippte an meine Waffe und zog die Braue hoch. Ich schaute den zusammengesackten Werwolf an, dann blickte ich zu Jesse. Adam folgte meinen Blick, und seine Züge wurden kalt und streng. Als er die Hand ausstreckte, reichte ich ihm die SIG.

Er ging ohne jede Spur eines Hinkens zu den Werwölfen. Dann griff er nach unten, packte den bewusstlosen Wolf mit einer Hand und riss ihn von dem anderen weg, der auf die Beine kam und dann stehen blieb, den Kopf gesenkt und wie betäubt. Adam legte die Hand unter das Kinn des roten Wolfs und sah nach, ob er noch weitere Wunden hatte. Zufrieden mit dem Ergebnis, wandte er sich dem Besiegten zu und richtete die Waffe auf seine Wirbelsäule.

Ich sah, wie er mit den Fingern schnippte, und der rote Wolf schüttelte sich am ganzen Körper, als käme er gerade aus einem Schwimmbecken, dann hängte er sich an Adams Fersen wie ein gut ausgebildeter Hund. Jesse hob den Dolch auf und steckte ihn für mich ein, während Shawn sich langsam hocharbeitete. Er steckte ein neues Magazin in seine Waffe, dann berührte er leicht mit der Hand meinen gebrochenen Arm.

Ich muss wohl ein Geräusch von mir gegeben haben, denn als Nächstes erinnere ich mich daran, dass ich auf den Knien lag, den Kopf gesenkt, eine große, warme Hand in meinen Nacken. Adams Duft, üppig und exotisch, umschlang mich und gab mir genug Kraft, meinen Magen wieder ein wenig zu beruhigen. Ich glaube nicht, dass ich das Bewusstsein vollkommen verloren hatte, aber ich war nahe daran gewesen.

Als ich den Kopf hob, steckte der rote Wolf mir die Nase ins Gesicht und zog seine lange Zunge über meine Wange, bevor Adam ihn wegschubste. Ich kam mit Adams Hilfe auf die Beine, konnte dann aber allein stehen.

Adam lud die Automatik neu, als ich ihm ein frisches Magazin reichte – er grinste, als ich es aus dem BH holte. Ich glaube, ich war froh, dass ich nicht gut genug hören konnte, um zu verstehen, was er sagte. Er steckte die SIG in mein Halfter, griff nach meiner anderen Waffe und reichte sie mir. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Shawn zu, der abwinkte.

Auf dem Weg zur Tür war der Werwolf an unserer Seite am Ende tröstlicher als die geladene Schusswaffe, die ich trug. Nicht, dass er wirksamer gewesen wäre als die .444, aber seine Gegenwart bedeutete, dass sich das Rudel in der Nähe befand. Bei ihm würden wir in Sicherheit sein.

Ich warf Adam einen Blick zu. Er sah gesund aus, so als wäre er nie verwundet gewesen. Ich hatte gehört, dass ein Alpha große Kraft von seinem Rudel beziehen konnte, wusste jedoch nicht, warum es hier funktioniert hatte, aber nicht in Warrens Haus.

Shawn ging als Erster durch die Tür, dicht gefolgt von dem roten Wolf. Es war Nacht, und der zunehmende Mond stand hoch am Himmel. Adam hielt Jesse die Tür auf, dann mir, dann ging er hinaus auf das Feld mit den geparkten Autos, so sicher und sorglos wie ein Mann, der sein eigenes Wohnzimmer betritt.

Zuerst konnte ich niemanden sehen, aber dann erschien eine Schattengestalt hinter einem Auto, dann eine weitere und noch eine. Lautlos formierte sich Adams Rudel. Die meisten waren in Wolfsgestalt, aber Warren und Darryl kamen als Menschen. Sie trugen dunkle Kleidung und waren bewaffnet.

Warren sah den roten Wolf an, unseren Retter, und zog eine Braue hoch, aber er brach die Stille nicht. Er untersuchte Adam und berührte dann Jesses zerschlagene Wange.

»Warren«, sagte Adam mit leiser Stimme, die nicht weit trug. »Würdest du meine Tochter und Mercedes bitte in Sicherheit bringen?«

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich widersprochen. Wer hatte hier wen gerettet? Aber mein Arm pochte brutal, und ich hatte für heute genug erlebt. Das einzig Gute war, dass meine Ohren aufgehört hatten, zu klingeln und zu rauschen. Sollten Adam und seine Leute diese Sache zu Ende bringen. Ich wollte tatsächlich nur noch nach Hause.

»Ich lasse dich nicht allein«, murmelte Jesse und packte ihren Vater an dem geliehenen T-Shirt.

»Ich bringe dich zu meinem Haus«, sagte Warren mit einem beruhigenden Lächeln. »Dann kann dein Vater auf seinem Weg nach Hause dort vorbeikommen und dich mitnehmen.« Und dann fügte er mit leiserer Stimme hinzu: »Ich werde bei dir bleiben, bis er kommt. Du bist bei mir in Sicherheit.«

»Also gut.« Jesse nicke schnell und ruckartig. Ich glaube, sie hatte gerade erst begriffen, dass ihr Vater sie aus dem Weg haben wollte, um sich um die Leute zu kümmern, die sie entführt hatten.

»Ich habe allerdings kein Auto zur Verfügung«, sagte Warren. »Wir sind über drei Meilen gelaufen, um hierher zu gelangen.«

»Shawn?«, sagte ich und versuchte dabei, so leise wie alle anderen zu sein. »Sie haben doch gesagt, es gäbe hier irgendwo einen alten Pickup, der leicht kurzzuschließen sei? Wenn Sie mir verraten, wo ich den finden kann, kann ich das erledigen, und Warren wird uns nach Hause bringen.«

»Er steht auf der anderen Seite der Lagerhalle, weit entfernt von allen andern Autos«, sagte er.

Ich ging los, und Warren und Jesse folgten mir. Der Pickup war das einzige Auto auf der anderen Seite. In der Mitte einer von Außenlampen beleuchteten Fläche stand ein 69er Chevy mit dunklem, glitzerndem Lack. Jemand würde sehr unglücklich sein, wenn sein Spielzeug verloren ging – wenn er denn Adams Zorn überlebte.

Aber das war nicht mein Problem. Mein Problem bestand darin, ein Auto kurzzuschließen, obwohl mein rechter Arm gebrochen war. Ich hatte ihn an die Seite geklemmt gehalten, aber das würde nicht viel länger genügen. Die Schmerzen waren heftig, wurden immer schlimmer, und mir wurde davon schwindelig.

»Weißt du, wie man ein Auto kurzschließt?«, fragte ich Warren hoffungsvoll, als wir uns dem Pickup näherten.

»Leider nicht.«

»Was ist mit dir, Jesse?«

Sie blickte auf. »Was?«

»Weißt du, wie man ein Auto kurzschließt?«, wiederholte ich, und sie schüttelte den Kopf. Sie roch nach Angst, und ich musste daran denken, wie sie sich an ihren Vater geklammert hatte.

»Diese Wache heute Nacht …«, sagte ich

Sie wirkte einen Augenblick verwirrt, dann wurde sie rot und zog die Schultern hoch.

»Er wird niemanden mehr belästigen.«

»Das war der tote Werwolf?« Ich konnte ihre Miene nicht deuten. »Deshalb hast du ihn umbracht?« Sie verzog plötzlich das Gesicht. »Deshalb hat Dad noch einmal auf ihn geschossen? Woher wusste er es? Er war bewusstlos – und du hast kein Wort zu ihm gesagt.«

»Das brauchte ich nicht«, antwortete ich und versuchte, diesen Augenblick vollkommenen Verständnisses zwischen uns zu erklären, als eine Geste Adam alles mitgeteilt hatte, was er wissen musste. »Ich nehme an, er hat es mir irgendwie angesehen.« Ich wandte mich Warren zu und reichte ihm die .444, damit ich mich um den Pickup kümmern konnte.

Den Motor mit einer Hand kurzzuschließen, brauchte tatsächlich nicht länger als das Einstecken von Schlüsseln, aber die ungelenke Stellung, die ich einnehmen musste, um das Gehäuse vom Lenkrad zu nehmen und die Drähte zu verbinden, ließ mich gegen meinen verletzten Arm stoßen. Keine angenehme Erfahrung. Aber der Motor röhrte bald auf – etwas Größeres als der ursprüngliche Antrieb, der einmal unter dieser Haube gegrollt hatte –, und ich erkannte, dass mein Hörvermögen sich wieder erholt hatte.

»Ich habe dich noch nie zuvor so schimpfen hören«, sagte Jesse und klang ein bisschen munterer. »Zumindest nicht so lange.«

»Ohne Schimpfworte wären die Mechaniker auf der ganzen Welt verloren.« Warren klang unbeschwert, aber er half mir sehr vorsichtig wieder aus dem Auto. Er reichte mir meine Waffe, und als ich ungeschickt versuchte, sie entgegenzunehmen, hielt er sie zurück und überzeugte sich, dass sie gesichert war, bevor er sie mir erneut reichte.

Er öffnete die Beifahrertür und half Jesse nach drinnen, und dann streckte er mir die Hand entgegen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber dann erregte etwas meine Aufmerksamkeit.

Zuerst hielt ich es für ein Geräusch, aber das lag nur daran, dass ich müde war. Es war Magie. Aber keine Wolfsmagie und keine Feenvolk-Magie.

Und ich erinnerte mich an Elizaveta.

Samuel wusste von ihr, sagte ich mir. Aber nun war mir klar, dass ich noch nicht gehen konnte. Keiner der Wölfe würde ihre Magie spüren können, nicht, bis es zu spät war, und Samuel wusste vielleicht nicht, wie wichtig es war, dass Adam von Elizavetas Zusammenarbeit mit Gerry erfuhr.

Elizaveta Arkadyevna Vyshnevskaya war nicht nur irgendeine Hexe. Sie war die mächtigste Hexe im gesamten pazifischen Nordwesen.

Ich musste Adam warnen. »Bring Jesse zu dir nach Hause«, sagte ich zu Warren. »Gib ihr etwas zu essen, lass sie literweise Orangesaft trinken, decke sie warm zu. Aber ich muss hierbleiben.«

»Warum?«

»Weil eine gewisse Unternehmerin ihr Einkommen verliert, wenn Bran das Geheimnis der Wölfe bekannt macht.«

»Elizaveta?«

Ein Schuss erklang, dann ein zweiter und dritter.

»Bring Jesse hier weg. Ich muss Adam warnen. Elizaveta ist hier, und sie arbeitet an irgendeinem Bann.«

Er versetzte mir einen finsteren Blick. »Wie schalte ich den Pickup ab?«

Gesegnet sollte er sein! Er widersprach mir nicht.

»Zieh einfach die Drähte auseinander.«

Mehr Schüsse erklangen von der anderen Seite der Lagerhalle. Es schien, als kämen sie von irgendwo nahe dem vernagelten Haus.

»Pass auf dich auf«, sagte ich. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn, ohne den Rest meines armen geplagten Körpers zu berühren, dann sprang er ins Auto.

Ich beobachtete, wie er anfuhr, das Licht einschaltete und wegfuhr. Jesse war in Sicherheit.

Ich bin immer imstande gewesen, alle Arten von Magie wahrzunehmen, sei sie von Werwölfen, Hexen oder Feenvolk, und ich weiß, dass diese Gabe nicht wirklich ungewöhnlich ist. Als Charles es herausfand, wies er mich jedoch an, diese Fähigkeit geheim zu halten – und im Licht der Reaktion der Vampire auf das, was ich war, wusste ich jetzt, dass sein Rat wichtiger gewesen war, als ich gedacht hatte.

Nach dem, was Stefan gesagt hatte, war ich tatsächlich bis zu einem gewissen Grad immun gegen die Magie der Vampire, aber ich war nicht so dumm anzunehmen, dass das auch auf Hexerei zutraf. Ich wusste nicht, was ich tun würde, wenn ich Elizaveta gefunden hatte – aber ich versuchte auch momentan, mir keine Gedanken über eine Reihe unmöglicher Aufgaben zu machen, bis ich die erste davon hinter mir hatte.

Mich in einem langsamen Kreis zu drehen, wies mir den Weg. Das Pulsieren der Magie fühlte sich an wie ein warmer Windhauch auf meinem Gesicht. Ich ging zwei Schritte darauf zu … und der Bann schien zu Nichts zu zerfallen. Ich wusste nun mit Sicherheit, dass sich Elizaveta hier befand, und zwar irgendwo vor mir. Das Beste wäre, Adam zu suchen und ihn zu warnen, also lief ich wieder um die Lagerhalle herum.

Die Dinge hatten sich verändert, seit ich die Szene verlassen hatte. Der rote Wolf saß immer noch zu Adams Füßen und hatte nun eine Handvoll anderer Wölfe bei sich. Shawn, Davids Enkel und ein paar andere Menschen, die ich nicht kannte, hatten die Schusswaffen auf eine Gruppe von Männern gerichtet, die auf dem Boden lagen.

Als ich näher kam, eskortieren David und Darryl gerade einen weiteren Mann zu der Gruppe und ließen ihn sich ebenfalls hinlegen.

»Das sind alle Menschen, Sarge«, berichtete David. »Nur ein paar Leichen liegen noch im Haus. Aber die Wölfe haben sich verteilt, und ich konnte Gerrys Spur nicht wieder aufnehmen. Sein Geruch scheint einfach zu rasch zu verfliegen.«

»Adam«, sagte ich.

Er drehte sich zu mir herum, um mich anzusehen, und der rote Wolf sprang plötzlich in die Luft, als ein Schuss erklang. Es war kein sonderlich lauter Schuss.

»Runter!«, bellte David und ließ sich auf den Boden fallen. Seine Männer duckten sich, immer noch die Waffen auf die Gefangenen gerichtet.

Der Wolf neben Adam blieb einen Augenblick länger stehen, dann brach er zusammen – aber ich konnte den Betäubungspfeil aus seiner Flanke ragen sehen und wusste, dass man in damit erwischt hatte.

Adam ließ sich nicht fallen. Stattdessen schloss er die Augen und hob das Gesicht zum Himmel. Einen Augenblick fragte ich mich, was er vorhatte, dann fiel mir auf, wie das Licht des Mondes, der sich beinahe halb voll über uns erhob, auf ihn fiel.

Darryl, dicht am Boden, begann die Entfernung zwischen sich und Adam zu überbrücken. Schließlich blieb er neben dem gestürzten Wolf stehen und riss den Betäubungspfeil heraus.

»Ben ist in Ordnung«, sagte Darryl und hob die Waffe, damit er gegebenenfalls schießen konnte, während er sich in der Dunkelheit umsah.

Der rote Wolf war Ben! Es war Ben gewesen, der Psychokiller aus London, der uns gerettet hatte, in Adams Fall sogar zwei Mal.

Noch ein Schuss erklang. Adam bewegte die Hand, und der Pfeil fiel zu Boden und rollte wirkungslos gegen seine Füße. Seine Augen waren immer noch geschlossen

»Sarge, Mercy«, zischte David. »Runter!«

Erst jetzt erkannte ich, dass ich ebenfalls immer noch ein gutes Ziel bot, während Adam das Mondlicht herabbeschwor. Ich hätte mich vielleicht hingekniet, nur weil David es mir sagte, aber Adam legte den Kopf zurück und begann zu heulen, und aus seiner menschlichen Kehle stieg das Lied eines Wolfes auf.

Einen Augenblick lang erhob sich das unheimliche Geräusch, hallte wider und erstarb in nicht ganz vollkommener Stille. Es wirkte wie die tödliche Ruhe, die jeder Jagd voranging. Als Adam erneut heulte, erhielt er Antwort von jedem Werwolf in Hörweite.

Ich konnte ein Lied in meiner Kehle aufsteigen hören, aber wie meine wilden Brüder weiß ich es besser, als mit den Wölfen zu heulen.

Als Adam ein drittes Mal rief, ließen Darryl und David beide die Waffen fallen und fingen an, sich zu verändern. Der Ruf des Monds hallte durch die Bäume, und ich konnte spüren, wie er die anderen einfing und in ihre Wolfsgestalt zwang. Schmerzensschreie erklangen von denen, die dagegen ankämpften, und Stöhnen von denen, die sich der Verwandlung willig überließen.

Adam stand im Mondlicht, das nun irgendwie heller wirkte als noch einen Augenblick zuvor. Er öffnete die Augen und sah den Mond an. Diesmal benutzte er Worte.

»Kommt«, sagte er.

Er sprach nicht laut, aber wie schon bei seinem Lied breitete sich seine Stimme über die verlassene Baumschule aus wie Donnergrollen, voll bezwingender Macht. Einige Wölfe kamen mit freudigen, tänzelnden Schritten, andern mit schleppenden Füßen und hängenden Schwänzen. Ein paar verwandelten sich immer noch, die Körper angespannt und unnatürlich geduckt.

Die Lagerhallentür ging auf, und ein Mann taumelte heraus, eine Hand an die Brust gedrückt. Es war der Wachmann, den Shawn angeschossen hatte. Zu schwach, sich zu verändern, versuchte er dennoch, Adams machtvollen Ruf zu beantworten.

Ich war selbst nicht immun dagegen. Ich machte einen Schritt vorwärts, ohne auf den Boden zu achten, und stolperte über einen Stock. Es gelang mir, im Gleichgewicht zu bleiben, aber die ruckartige Bewegung brachte mir meinen Arm in schmerzhafte Erinnerung – und die Schmerzen klärten meinen Kopf. Ich wischte mir die tränenden Augen mit dem Handrücken ab und spürte sofort wieder die Hexerei, die in der Luft lag.

Trotz Adams Magie und meines Arms begann ich zu laufen, denn in der von Macht geschwängerten Nachtluft konnte ich fühlen, wie ein Todesbann gewoben wurde, und er trug Adams Namen.

Ich hatte keine Zeit mehr, die Hexe zu finden, denn der Bann befand sich bereits in Bewegung. Ich konnte mich nur davorwerfen, genau wie Ben sich vor den Giftfeil geworfen hatte.

Ich weiß nicht, wieso es funktionierte. Später sagte mir jemand, es hätte nicht gelingen dürfen. Sobald ein Bann einen Namen hat, kann man ihn sich eher wie eine Lenkrakete als wie einen Laserstrahl vorstellen. Es hätte sich um mich herum bewegen und Adam immer noch treffen sollen.

Aber er traf mich, schob sich durch mich, ließ mich schaudern und keuchen. Dann verharrte er, und als wäre er ein Fluss aus geschmolzenem Eisen und ich ein Magnet, fuhr der gesamte Bann in mich zurück. Es war Todesmagie, und sie flüsterte mir zu: Adam Hauptmann.

Er hatte tatsächlich eine Stimme. Aber es war nicht die von Elizaveta, sondern eine männliche Stimme, die ich ebenfalls kannte: Die Magie ging nicht von Elizaveta aus, sondern von ihrem Enkel Robert.

Meine Knie gaben unter dem Gewicht von Roberts Stimme und der Beanspruchung nach, Adams Namen auf mich zu nehmen, damit die Magie bei mir blieb. Meine Lunge fühlte sich an, als atmete ich Feuer, und ich wusste, dass ich das nicht viel länger würde aushalten können.

»Sam«, flüsterte ich. Und als hätte meine Stimme ihn aus dem Nichts heraufbeschworen, stand er plötzlich vor mir. Ich hatte erwartet, dass er in Wolfsgestalt war wie alle anderen, aber das traf nicht zu.

Er nahm mein Gesicht in seine Hände. »Was ist los? Mercy?«

»Hexerei«, sagte ich, und nach einem Augenblick trat Verständnis in seinen Blick.

»Wo ist sie?«

Ich schüttelte den Kopf und keuchte. »Robert. Es ist Robert.«

»Wo?«, fragte er noch einmal.

Ich dachte, ich würde es ihm sagen. Stattdessen hob ich unwillkürlich den Arm und zeigte auf das Dach des vernagelten Hauses. »Da.«

Im Bruchteil einer Sekunde war Samuel verschwunden.

Als ob meine Geste etwas bewirkt hätte, verstärkte sich der Fluss der Magie um das Fünffache. Ich brach zusammen und hielt das Gesicht gegen den kalten Boden gedrückt, in der Hoffnung, das Feuer in mir davon abhalten zu können, meine Haut zu verzehren. Ich schloss die Augen und konnte Robert sehen, der sich auf dem Dach duckte.

Er hatte etwas von seinem guten Aussehen verloren, sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt, und die Haut rot gefleckt.

»Mercedes.« Er hauchte meinen Namen, und ich konnte spüren, wie er sich anspannte, wie ein Bluthund, dem man ein anderes Taschentuch zum Schnuppern gibt. »Mercedes Thompson.«

Mercedes, flüsterte der Bann zufrieden. Robert hatte dem Tod einen weiteren Namen gegeben.

Ich schrie, als Schmerzen mich packten, gegen die mein gebrochener Arm vollkommen in den Hintergrund trat. Selbst in diesem verzehrenden Feuer jedoch hörte ich ein Lied. Ich erkannte, dass Roberts Zauber einen Rhythmus hatte und bemerkte, wie ich mich dazu bewegte und das Lied leise mitsummte. Die Musik füllte zuerst meinen Körper, dann meinen Kopf und überdeckte das Feuer einen Augenblick lang, während ich wartete.

Und dann beendete Samuel den Strom der Magie.

Ich glaube, ich verlor danach das Bewusstsein, denn das Nächste, an das ich mich erinnere, war, dass ich plötzlich zitternd in Samuels Armen lag.

»Sie sind bis auf einen alle hier«, sagte er.

»Ja.« In Adams Stimme schwang immer noch die Macht des Mondes mit.

Ich versuchte, mich zu befreien, und Samuel setzte mich behutsam ab. Ich musste mich immer noch gegen ihn lehnen, stand aber immerhin wieder auf meinen eigenen Beinen. Samuel, Adam und ich waren die Einzigen, die das noch taten.

Es konnten nicht so viele sein, wie es aussah. Das Columbia-Rudel ist nicht so groß, und Gerrys Rudel war viel kleiner – aber sie saßen auf dem Boden wie ein Zug von Sphinxen und erwarteten Adams Befehle.

»Zwei Einsame Wölfe, älter und dominanter, sind davongelaufen, als Sie das erste Mal gerufen haben«, berichtete Samuel. »Der Rest hat geantwortet. Sie gehören jetzt zu Ihnen. Sie müssen nur noch Gerry rufen.«

»Er wird nicht kommen«, sagte Adam. »Aber er ist kein Einsamer Wolf. Er gehört zum Marrok.«

»Werden Sie meine Hilfe annehmen?«

Das Mondlicht beschien Adams Augen, und obwohl er immer noch Mensch war, waren sie ganz Wolf. Ich konnte seine Reaktion auf Samuels Frage spüren. Ein leises Grollen zog durch die wartenden Werwölfe, als sie es ebenfalls rochen. Wölfe sind nun einmal territorial.

Adam reckte den Hals, und ich hörte ein leises Knacken. »Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verbunden«, erklärte er umgänglich.

Samuel streckte die Hand aus, und Adam schüttelte sie. Samuel richtete sich auf und hob abermals das Gesicht zum Mond. »Gerry Wallace aus dem Marrok-Rudel, ich rufe dich hierher, um dich deinen Anklägern zu stellen.«

Gerry musste ganz in der Nähe gewesen sein, denn er brauchte nicht lange. Wie Samuel hatte er seine menschliche Gestalt beibehalten. Er blieb am Rand der Wölfe stehen.

»Gerry, alter Freund«, sagte Samuel. »Es ist Zeit. Komm her.«

Die freundlichen Worte konnten die wahre Macht, die dahinter stand, nicht vor mir oder vor Gerry verbergen. Er ließ sich auf alle viere nieder und kroch an den reglosen Wölfen vorbei, den Kopf unterwürfig gesenkt. Er wehrte sich nicht mehr.

Schließlich hockte er vor uns. Zunächst glaubte ich, er müsse zornig sein – wie ich es gewesen wäre, wenn mich jemand gegen meinen Willen gerufen hätte. Oder vielleicht verängstigt. Aber ich bin kein Werwolf. Das einzige Gefühl, das ich von Gerry auffangen konnte, war Resignation. Er wusste, dass er verloren hatte.

Adam ging in die Knie, bis er auf seinen Fersen saß, und legte dann die Hand auf Gerrys Schulter.

»Warum?«

»Es war mein Vater«, sagte Gerry. Sein Gesicht war ruhig, die Stimme verträumt, er war gefangen im Ruf des Mondes. »Er ist gestorben. Krebs, sagten sie. Ich redete und redete. Ich bettelte und flehte. Bitte, Papa, das Dasein als Wolf ist eine wunderbare Sache. Ich denke, am Ende war er es einfach nur leid, als er mir zustimmte. Bran hat es getan – ich glaube, weil ich es selbst nicht hätte ertragen können. Und anfangs war es wunderbar. Der Krebs verschwand, und mein Vater konnte sich wieder bewegen.«

»Ich habe davon gehört«, erwiderte Adam. »Aber er konnte den Wolf nicht beherrschen.«

»Er wollte es nicht.« Es war unheimlich, diese volltönende Stimme zu hören, während Gerry die Tränen übers Gesicht liefen. »Er wollte es nicht. Zuvor war er Vegetarier gewesen, und plötzlich sehnte er sich nach rohem Fleisch. Er versuchte, den Flügel eines Vogels zu schienen, und dann starb das Tier aus Angst vor dem, was er geworden war. Bran sagt, ein Werwolf zu sein, brach meinem Vater das Herz. Er konnte – wollte – nicht akzeptieren, was er war, denn er wollte kein Raubtier sein. Er wollte nicht sein wie ich.«

Adam sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Zunächst dachte ich, Sie hätten versucht, Bran davon abzuhalten, uns der Öffentlichkeit vorzuführen.«

Gerry wischte sich das Gesicht ab. »Bran sagte, wenn mein Vater nicht so dominant wäre, hätte er sich dem Wolf nicht widersetzen können. Aber je mehr er sich widersetzte, desto mehr verlor er die Beherrschung. Er hätte beinahe meine Schwester umgebracht.«

»Gerry.« Samuels Stimme war fest. »Was hat das mit Adam zu tun?«

Gerry hob den Kopf. Er konnte Samuel nicht in die Augen schauen, und auch nicht Adam, also schaute er mich an. »Wenn wir kämpfen«, sagte er, »werden der Wolf und der Mann eins. Es hätte nur ein einziges Mal geschehen müssen, und Vater wäre wieder eins gewesen.«

»Er wollte gar nicht, dass Adam gegen Bran kämpft«, sagte ich plötzlich. »Oder, Gerry? Wolltest du ihn umbringen?«

Er sah mich mit den Augen seines Vaters an und sagte: »Adam musste sterben.«

»Es ist dir gleich, was Bran mit den Werwölfen und der Öffentlichkeit vorhat, nicht wahr?«, fragte Samuel.

Gerry lächelte ihn an. »Nein, im Prinzip habe ich mich schon lange dafür ausgesprochen, seit sich das Feenvolk gezeigt hat. Aber ich brauchte Geld für die Durchführung meines Plans, und es gibt viele Wölfe, die nicht in die Öffentlichkeit treten wollen und bereit waren, dafür zu zahlen.«

Plötzlich verstand ich. Samuel hatte recht gehabt. Gerry war alles andere als dumm, er war brillant.

»Neue Werwölfe von Leo in Chicago zu kaufen, die Drogenexperimente, der Angriff auf Adams Haus, all das sollte zweierlei leisten«, sagte ich. »Bran zeigen, dass du dahintersteckst, und deinem Vater beweisen, dass das nicht der Fall war.«

Er nickte.

»Adam musste sterben«, sagte ich und tastete mich vorsichtig weiter. »Aber du konntest ihn nicht einfach umbringen. Deshalb hast du ihn deinen Werwölfen überlassen, damit sie ihn unter Drogen setzen. Deshalb hast du dich von der Lagerhalle ferngehalten, in der Hoffnung, dass deine Männer genug Silber in Adam pumpen würden, um ihn umzubringen.«

»Ja. Er musste sterben, aber nicht von meiner Hand. Ich musste imstande sein, meinem Vater ins Gesicht zu sehen und ihm zu schwören, dass ich Adam nicht umgebracht hatte.«

Ich schauderte, weil mir kalt war, und mein Arm, den ich in den letzten Minuten beinahe vergessen hatte, wieder zu pochen begann. »Du wolltest Adam nicht gegen Bran in den Kampf schicken, sondern gegen deinen Vater. Du hast dich darauf verlassen, dass Bran zu deinem Vater gehen würde, sobald er herausfand, was du getan hast.«

»Vater hat mich heute Nachmittag angerufen«, sagte Gerry. »Bran hat ihn nach dem Beruhigungsmittel gefragt und ihm berichtet, dass ich hinter den Angriffen gegen Adam stecken könnte. Vater weiß, dass ich will, dass sich die Wölfe nicht mehr verstecken. Er weiß, was ich von Tierversuchen halte und von der Art, wie einige Alphas unsere neuen Wölfe ausbeuten. Er weiß, dass ich niemals versuchen würde, Adam umzubringen.«

»Wenn Adam gestorben wäre, hätte mein Vater es deinem gesagt, bevor er hierher gekommen wäre, um dich umzubringen«, sagte Samuel.

Gerry lachte. »Das glaube ich nicht. Ich glaube, Bran wäre hergekommen und hätte mich für meine Verbrechen getötet. Ich hoffte, dass er das tun würde. Ich habe zu viele Unschuldige umgebracht. Aber wenn er Vater sagen würde, was ich getan hatte, hätte Vater mir geglaubt.«

»Er hätte angenommen, der Marrok habe dich für etwas hingerichtet, was du nicht getan hast. Und dann hätte Carter ihn herausgefordert.« Samuel klang beinahe bewundernd. »Und mein Vater hätte die Herausforderung nicht ablehnen können.«

»Was, wenn Bran erst mit Dr. Wallace gesprochen hätte?«, fragte ich.

»Das wäre gleich gewesen.« Gerry klang überzeugt. »Entweder, um mich zu schützen oder mich zu rächen, hätte Vater Bran herausgefordert. Selbst bevor er ein Wolf war, war mein Vater ein Mann des Marrok. Er respektiert ihn und vertraut ihm. Auf Brans angeblichen Verrat hätte er nur eine einzige Reaktion gekannt. Dad liebt den Marrok. Wenn Dad sich Bran in einem Kampf gestellt hätten, hätten sie das als ein einziges Wesen getan, und Bran sagte, es werde nur dieses eine Mal brauchen, um Vater in Sicherheit zu bringen.«

»Wenn Dr. Wallace Bran herausfordert, würde Bran ihn umbringen«, sagte Adam.

»Hexer sind teuer«, flüsterte Gerry. »Aber es gibt viele Wölfe, die sich verstecken wollen, und sie haben mir Geld gegeben, damit ich ihre Geheimnisse wahre.«

»Du hast Robert bezahlt, Elizavetas Enkel, damit er in diesem Fall etwas unternehmen würde, um den Sieg deines Vaters zu sichern.« Ich hatte immer angenommen, dass Robert um des Geldes wegen dabei war. Mir war nur nicht klar gewesen, dass es sich so direkt auswirken würde.

»Sie würden nach Drogen suchen«, sagte Gerry. »Aber niemand außer einem anderen Hexer kann Magie spüren.«

»Ich kann es«, sagte ich. »Und jemand hat sich um Robert gekümmert. Wenn dein Vater Bran jetzt herausfordert, wird es nicht der Marrok sein, der stirbt.«

Gerry sackte ein wenig in sich zusammen. »Dann tu mir einen Gefallen, Samuel, und bitte Bran, dafür zu sorgen, dass Vater es nie herausfindet. Ich will ihm nicht noch mehr Schmerzen zufügen, als er bereits erleidet.«

»Hast du noch mehr Fragen?«, wollte Samuel von Adam wissen.

Adam schüttelte den Kopf und stand auf. »Nur, ob er heute Nacht Ihr Wolf ist oder meiner.«

»Meiner.« Samuel trat vor.

Gerry blickte zum hoch am Himmel hängenden Mond. »Bitte«, sagte er. »Tu es schnell.«

Samuel schob die Finger in Gerrys Haar, eine sanfte, tröstliche Berührung. Sein Mund war vor Kummer angespannt. Der Instinkt eines unterwürfigen Wolfs besteht darin, sich der Autorität von Dominanten zu unterwerfen.

Samuel bewegte sich so schnell, dass Gerry auf keinen Fall gemerkt haben konnte, was geschah. Mit einem Ruck nutzte er seine Heilerhände und brach Gerry das Genick.

Ich reichte Adam meine Waffen, um eine Hand frei zu haben. Dann holte ich Zees Dolch heraus und reichte ihn Samuel.

»Es ist kein Silber«, sagte ich. »Aber es wird genügen.«

Ich sah zu, wie Samuel dafür sorgte, dass Gerry tot bleiben würde. Es war nicht angenehm, aber notwendig. Ich wollte dem Augenblick nicht seine grimmige Würde nehmen, indem ich wegschaute.

»Ich werde Bran anrufen, sobald ich ein Telefon habe«, sagte er und säuberte den Dolch an seinem Hosenbein. »Er wird dafür sorgen, dass Dr. Wallace nie erfährt, was seinem Sohn zugestoßen ist.«


Ein paar Stunden später brachen Bran und Carter Wallace zur Jagd auf. Bran sprach später darüber, wie das Mondlicht auf den verkrusteten Schneekristallen glitzerte, die unter ihren tänzelnden Pfoten brachen. Sie überquerten einen gefrorenen See und weckten eine schlafende Hirschkuh, die ihren weißen Schwanz zeigte und im Busch verschwand, als sie vorbeiliefen. Bran berichtete, dass die Sterne so weit von den Lichtern der Stadt entfernt den Himmel überzogen wie eine golden schimmernde Decke.

Irgendwann vor den ersten schwachen Sonnenstrahlen am Osthimmel rollte sich der Wolf, der Carter Wallace gewesen war, neben seinem Alpha zum Schlafen zusammen, um nie wieder aufzuwachen.


Samuel hatte Robert nicht getötet, also übergaben wir ihn an seine Großmutter – ein Schicksal, das er offenbar nicht für viel gnädiger hielt.

Elizaveta Arkadyevna schien nicht erfreut zu sein, aber ich hätte nicht mit vollkommener Sicherheit sagen können, ob es sein Verrat an Adam war, der sie störte, oder die Tatsache, dass er sich dabei hatte erwischen lassen.

Samuel beschloss, eine Weile in den Tri-Cities zu bleiben. Er begann mit der schwierigen Papierarbeit, die erforderlich war, um seine Praxis nach Washington zu verlegen und seine Lizenz in diesem Bundesstaat registrieren zu lassen. Bis dahin würde er in der gleichen Tankstelle arbeiten wie Warren – und das schien ihm gut zu gefallen.

Bran schleuderte seine Wölfe selbstverständlich nicht einfach in die Welt und ließ sie dort allein. Er ist kein Grauer Lord, der Leute aus ihren Verstecken zwingt, wenn sie das nicht wollen. Viele Werwölfe leben immer noch verborgen, aber Bran hat auch seinen Vorzeigewolf gefunden.

Man kann zur Zeit keinen Fernseher einschalten und keine Zeitung aufschlagen, ohne ein Bild des Mannes zu sehen, der in ein Terroristenlager eingedrungen war, um einen Missionar und seine Familie zu finden, die man entführt hatte.

Der Missionar und seine Frau waren bereits getötet worden, aber drei Kinder konnten gerettet werden. Ein Farbfoto hat es auf die Titelseiten so gut wie aller Nachrichtenmagazine geschafft. Es zeigt David Christiansen mit dem kleinsten Kind im Arm – einem blonden Mädchen, auf dessen Porzellanhaut deutlich die Prellungen von den Fingern eines Erwachsenen zu sehen sind. Das Mädchen hat das Gesicht zu Davids Schulter gedreht, und er sieht es mit solch liebevoller Miene an, dass der Anblick mir jedes Mal die Tränen in die Augen treibt.