Die Dämonin
von
Jack Sharkey
Als Bob, von seiner Liebe zu Valerie geblendet, zum Traualtar schritt, gelobte er, eins zu sein mit ihr und sein Leben mit ihr zu teilen. Er braucht lange, um herauszufinden, daß Valerie gar kein Leben hat, sondern nur den Hunger und die Gier nach Leben … Die Ehe ist ein makabres Spiel, ohne Zweifel, aber sie verkehrt sich in schieres Grauen, wenn eine Dämonin das Gelöbnis des Teilens allzu wörtlich nimmt. Jack Sharkeys Story ist ein erschreckender Beweis dafür, wessen man sich alles vorsehen sollte, ehe man sich ewig bindet.
Er spürte den Schmerz – einen kurzen, messerscharfen Stich –, als er sich nach dem Zähneputzen den Mund ausspülte. Um seine Ursache herauszufinden, schob er mit den Fingerspitzen die Oberlippe beiseite und sah in den Spiegel. Das rosige Zahnfleisch war gesund, und die Zähne waren weiß und ohne Fehler. Er drückte dagegen – und wieder spürte er den Schmerz. Unangenehm berührt, spülte er den Mund noch einmal aus, trocknete sich die Hände ab und ging ins Schlafzimmer zurück.
Seine Frau lag noch im Bett. Ihre zusammengerollte Figur zeichnete sich unter den Decken ab.
»Weißt du was?« fragte er nachdenklich. »Ich glaube, ich habe einen losen Zahn.«
Die Figur unter der grünen Decke bewegte sich. Valeries Kopf erschien. Sie seufzte müde. Ihre Haare waren hellblond, und für einen Augenblick sah es so aus, als kröche ein hellblonder Schmetterling aus einem grünen Kokon. Sie betrachtete ihren Mann aus schläfrigen, braunen Augen.
»Auf was Hartes gebissen?«
»Nein – wenigstens kann ich mich nicht erinnern. Und wenn es so wäre, würde ich es bestimmt nicht vergessen haben.«
»Laß mich mal sehen«, sagte Valerie und richtete sich auf. Sie schob das Kopfkissen zurück, damit sie sich dagegen lehnen konnte. Mit der freien Hand strich sie sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte ein hübsches, schmales Gesicht mit einem energischen Kinn.
»Hier«, sagte Bob, setzte sich auf die Bettkante und beugte sich zu ihr hinab. Wieder schob er die Oberlippe hoch. Seine Stimme klang leicht verändert. »Der Schneidezahn, glaube ich.«
Valerie nahm den bezeichneten Zahn vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und ruckte daran. Bob grunzte und wich zurück. Mit der Zunge befühlte er den schmerzenden Zahn.
»Was gesehen?« erkundigte er sich einige Sekunden später.
»Eigentlich nicht. Vielleicht liegt es an der Wurzel …«
»Sicher ist es die Wurzel«, stimmte er ohne Begeisterung zu. »Ich habe vielleicht doch in etwas Hartes hineingebissen.«
»Ich werde den Zahnarzt anrufen«, sagte seine Frau und griff nach dem Telefon neben dem Bett.
»Wozu?« Seine Stimme klang scharf und ablehnend. Valerie veränderte ihre Lage nicht und sah ihn nur stumm an, bis er errötete und nickte. »Ja, rufe ihn an. Es wird besser sein.«
Während sie die Nummer wählte, erhob er sich und begann sich anzuziehen. Er ignorierte das Gespräch, wenigstens versuchte er es. Als Valerie den Hörer auf die Gabel zurücklegte, setzte er sich erneut auf die Bettkante, um seine Strümpfe anzuziehen.
»Heute?« fragte er erschrocken. Seine Frau glitt auf der anderen Seite aus dem Bett. »Das kann kein guter Zahnarzt sein, wenn er gleich Zeit für mich hat.«
»Er ist ausgezeichnet.« Valerie ging ins Badezimmer. »Jemand hat abgesagt.«
»Es tut schon gar nicht mehr so weh.« Bob fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Vielleicht ist es nur eine Erkältung oder so was.« In der Badezimmertür stand Valerie und unterdrückte ihr Lächeln. Sie sah ihn nur schweigend an, bis er verzweifelt nickte. »Schon gut«, murmelte er, »schon gut, ich werde gehen. Wann?«
»Zwei Uhr. Ich werde dir um halb zwei Bescheid sagen.«
»Ich vergesse es schon nicht«, sagte er und starrte auf die geschlossene Tür. »Ich glaube kaum, daß ich heute an etwas anderes denken kann.«
Dr. Haufen stand lange Zeit am Fenster und betrachtete das noch feuchte Negativ der Röntgenaufnahme. Bob saß zurückgelehnt in dem Stuhl. Sein Kopf lag auf dem Polster der Stütze. Mit seinen Händen umklammerte er die Lehnen des Stuhles. Vergeblich versuchte er, die blitzenden Instrumente nicht zu sehen, die hinter den Glasscheiben standen. Dicht vor ihm hing der Bohrer. Fast vor seiner Nase.
Der Arzt drehte sich langsam zu ihm um.
»Wie alt, Mr. Terrill, sagten Sie, daß Sie sind?«
Die Frage kam unerwartet. Bob setzte sich aufrecht und nahm den Kopf von der Stütze.
»Sechsunddreißig.«
Der Zahnarzt nickte langsam und hing das Negativ, das von einer Klammer gehalten wurde, an einen Nagel. Dann begann er in einigen Kästen zu stöbern.
»Ist mit dem Zahn was nicht in Ordnung?« fragte Bob. »Ist er gebrochen? Eine Entzündung?«
Dr. Haufen wandte sich ihm zu. Er sagte:
»Ihr Zahn stirbt ab. Der Nerv ist erledigt und die Knochenhaut geschwächt. Er muß heraus, ganz klar.«
»Raus?« Bob starrte ihn an. »Ein Schneidezahn? Ausgerechnet vorn?« Er überdachte die Möglichkeiten. »Ich werde aber doch keine Lücke haben? Sicher können Sie mir einen falschen Zahn einsetzen, Herr Doktor? Wie soll ich sonst meinen Beruf ausüben, mit einer Lücke im Gebiß? Ich komme mit vielen Leuten zusammen, muß viel lächeln und …«
»Natürlich kann ich Ihnen künstliche Zähne einsetzen«, nickte der Arzt. »Aber auf lange Sicht gesehen wird es einfacher und billiger sein, wenn wir damit warten, bis auch die anderen Zähne gezogen sind.«
Bob hatte das Gefühl, in seinem Magen sei nicht alles in Ordnung.
»Die anderen?« stammelte er. »Wollen Sie damit sagen, daß noch andere Zähne gezogen werden müssen?«
Dr. Haufen schien einen Entschluß gefaßt zu haben. Er kam etwas näher und blinzelte vertraulich.
»Mr. Terrill«, sagte er sanft, »Sie haben eine noch sehr junge Frau, kaum dreißig Jahre alt. Ich habe größtes Verständnis dafür, daß Sie daher Ihre äußere Erscheinung ein wenig – hm, sagen wir angepaßt haben. Ein Mann ist so jung, wie er sich fühlt, das ist völlig richtig. Aber eine mathematisch festgelegte Tatsache läßt sich nicht umstoßen. Die Jahre allein zählen, nicht nur das Aussehen …«
»Einen Augenblick, Doktor!« Bob unterbrach den Arzt und setzte sich nun ganz aufrecht. »Was wollen Sie eigentlich? Können Sie nicht deutlicher werden?«
Auf dem Gesicht des Zahnarztes spielte ein nachsichtiges Lächeln, als er das Negativ an der Klammer vom Nagel nahm und demonstrativ in die Luft hielt.
»Aus verständlichen Gründen versucht man oft, andere Menschen zu täuschen, aber Röntgenstrahlen lassen sich nicht betrügen, und Röntgenbilder lügen auch nicht.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte Bob und fühlte sich ganz elend. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Ich versuche Ihnen nur zu erklären, daß Ihre Behauptung, erst sechsunddreißig Jahre alt zu sein, angesichts dieser entwickelten Röntgenaufnahme geradezu lächerlich ist.«
»Aber Doktor – ich bin sechsunddreißig!«
»Nicht, wenn es hiernach geht.« Dr. Haufen hielt ihm das Negativ dicht vor die Augen. Bob starrte auf die grauweißen Konturen, die sich kaum gegen den schwarzen Hintergrund abhoben, dann schüttelte er den Kopf.
»Davon verstehe ich nichts. Ich begreife überhaupt nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Also gut«, sagte Haufen, »dann will ich es Ihnen erklären. Sie behaupten, sechsunddreißig Jahre alt zu sein, aber Sie haben die Zähne eines Mannes, der gut und gern doppelt so alt sein muß.«
Bob ließ die Armlehnen los und sank zurück, bis sein Kopf auf der Stütze Halt fand. Er starrte Haufen an.
»Ich bin sechsunddreißig …«
Der Arzt lächelte nachsichtig und drehte sich um. Sorgfältig wählte er seine Instrumente aus. Als er wieder sprach, schien sein Interesse für das wirkliche Alter seines Patienten erloschen zu sein.
»Wie Sie wollen, Mr. Terrill. Die Hauptsache ist, wir ziehen den Zahn.
Später allerdings wäre ich Ihnen schon dankbar, wenn Sie mich darüber aufklären, wie Sie es schaffen, so jung auszusehen. Auch Ihre Stimme ist …«
Er hatte sich inzwischen wieder umgedreht und verstummte. Der Stuhl, in dem Mr. Terrill gesessen hatte, war leer. Der Patient hatte unbemerkt das Weite gesucht.
Dr. Haufen ließ den Wattebausch in den Abfalleimer fallen und zuckte die Achseln. Diesem Terrill würde er schon eine gepfefferte Rechnung schicken, auch ohne gezogenen Zahn.
Schon von der Terrasse aus konnte er das flackernde Kerzenlicht bemerken. Er steckte den Hausschlüssel in die Hosentasche zurück, durchquerte das Wohnzimmer und ging aufs Schlafzimmer zu. Die Kerzen auf dem Tisch waren halb niedergebrannt. Das Silberbesteck reflektierte das Licht. Er sah auf die Uhr und stellte fest, daß es bereits halb acht war. Von der Küche her kam der Geruch kaltgewordenen Essens.
Er hatte kein reines Gewissen, als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete. Valerie saß aufrecht im Bett, bleich und abgehärmt. Die rechte Hand lag in der Nähe des Telefons. Als sie ihn sah, sprang sie auf, und die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück.
»Vom Büro aus haben sie angerufen.« Ihre sonst so ausgewogene Stimme klang schrill und nervös. »Sie fragten, ob dir was passiert sei.« Sie drängte sich an ihn. »Ich wollte gerade die Polizei anrufen.«
»Es tut mir leid«, sagte er ernst.
»War es schlimm?« Valerie lehnte sich zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Beim Zahnarzt, meine ich.«
Bob legte den Arm um sie, damit sie sich nicht noch weiter zurücklehnen konnte.
»Ziemlich schlimm«, betonte er, ohne lügen zu müssen. »Es war so ziemlich das Schlimmste, was ich bisher überhaupt erlebt habe.«
»Laß mich den Zahn mal sehen«, bat sie und sah auf seinen Mund. »Tut er sehr weh? Hat der Arzt eine Füllung gemacht?«
»Nicht direkt«, murmelte Bob. Sanft drückte er ihren Kopf gegen seine Brust, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte. »Er hat gesagt, der Zahn müsse gezogen werden.«
»Oh Bob!«
Das warme Mitgefühl in ihrer Stimme berührte ihn, gab ihm Vertrauen in ihre Liebe. Zögernd zuerst, dann fast hastig, berichtete er von dem, was er beim Zahnarzt erlebt hatte. Er schloß:
»Erhat sich geirrt! Er muß sich einfach geirrt haben!«
»Aber natürlich hat er sich geirrt«, sagte Valerie. »Du großer Dummkopf, warum bist du nicht sofort nach Hause gekommen, statt den ganzen Nachmittag ziellos in der Stadt herumzulaufen?«
»Ich hatte Angst, es dir zu sagen.«
»Angst? Vor mir?« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Warum solltest du Angst haben, es mir zu erzählen?«
Er zuckte die Schultern und fühlte sich in die Enge getrieben. Wie dumm hatte er sich angestellt! Schließlich murmelte er:
»Ich weiß es nicht. Ich wußte auch nicht, wie du es aufnehmen würdest. Sicher, du hättest mir den Kopf schon nicht abgebissen – ich weiß eben nicht, warum ich nicht gleich hierhergekommen bin.«
Valerie nahm seinen Arm. Sie schien die verrückte Geschichte schon wieder vergessen zu haben.
»Komm in die Küche, da habe ich noch was zum Essen für dich.«
Er folgte ihr durch das Wohnzimmer in die Küche. Erneut überkam ihn das Schuldgefühl, als er den verwelkten Salat und den verbrutzelten Braten sah. Alles war für sechs Uhr vorbereitet gewesen, und er war nicht gekommen.
»Tut mir leid, Kleines. Du hast es so gut gemeint, und ich …«
»Ach, Unsinn«, sagte sie lachend. »Ich mache schnell ein paar Frikadellen. Öffne du inzwischen eine Dose Bier, und du sollst sehen, wie gut es dann schmeckt.« Ihre Hand lag schon auf dem Griff zum Eisschrank, als sie sich noch einmal umdrehte und hinzufügte: »Und das nächstemal, wenn dir die Welt über dem Kopf zusammenfällt, dann komm nach Hause, oder ruf mich an, oder schick mir ein Telegramm, ja?«
»Ach, Liebes«, seufzte er, zog sie an sich und bedeckte ihr blondes Haar mit zärtlichen Küssen. »Nie wieder werde ich dich warten lassen. Immer werde ich sofort zu dir kommen und dir alles erzählen.«
»Ja, tu das. Dafür sind wir Frauen nämlich da.« Sie stieß ihn von sich und machte ein ernstes Gesicht. »Keinen Unsinn jetzt! Erst wird gegessen, später kannst du dich dann an meiner Brust ausweinen.«
Bob lachte und begann nach dem Büchsenöffner zu suchen.
Am nächsten Morgen schmerzte der Zahn wie nie zuvor, und auch in der nächsten Nachbarschaft schien nicht alles in bester Ordnung zu sein. Valerie war ebenfalls wach geworden, und sie fragte gleich, wie es seinem Zahn ging. Tapfer belog er sie und ignorierte die fürchterlichen Schmerzen, als er den eisgekühlten Fruchtsaft zum Frühstück trank. Als er sich verabschiedete und sich auf den Weg ins Büro machte, sah er noch lange ihr liebes Lächeln vor sich, mit dem sie Abschied von ihm genommen hatte. Es tröstete ihn über den Schmerz hinweg.
Im Büro nahm er sich als erstes das Branchenverzeichnis vor und sah nach, welche Zahnärzte in der Umgebung ihren Beruf ausübten. Er schrieb sich einige in sein Notizbuch und überlegte, daß es wohl recht dumm aussähe, heute wieder Urlaub zu nehmen. Er beschloß, seine Mittagsstunde zu opfern. Im übrigen war er um die Hüfte herum dick genug, sich einen Hungertag leisten zu können.
Als er später dann kurz nach ein Uhr in sein Büro zurückkehrte, war sein Gesicht grauer als je zuvor. Zum Glück fiel das niemand auf. Zwei Dentisten hatte er aufsuchen können, und alle beide hatten genau das zu ihm gesagt, was auch Dr. Haufen gesagt hatte. Seine Zähne waren altersschwach und erledigt. Es waren die Zähne eines alten Mannes, obwohl er gerade erst sechsunddreißig war.
Das ist ja völliger Blödsinn, dachte er verzweifelt und wütend. Es ist verrückt, und ich kann Valerie das auf keinen Fall sagen. Kein Mann kann seiner jungen Frau sagen, daß er plötzlich senil und krank wird.
Vergeblich suchte er in seinen Taschen nach Zigaretten, dann stand er auf und ging durchs Hauptbüro, mitten durch die langen Tischreihen mit eifrig arbeitenden Angestellten, bis er die Vorhalle erreichte, wo ein Automat hing. Die notwendige Münze hatte er bereits gefunden und schob sie in den Schlitz. Er zog seine Lieblingsmarke, aber erst als er das Päckchen geöffnet und die erste Zigarette entzündet hatte, sah er rein zufällig in den Spiegel, der einen Teil der Frontverkleidung des Automaten ausmachte.
Die Zigarette entglitt seinen Fingern und fiel auf den Boden. Es dauerte fast eine volle Minute, bis er es bemerkte und sie mit den Fußspitzen austrat. Ungläubig lehnte er sich dann weiter vor und starrte auf sein Spiegelbild.
An der Beleuchtung lag es nicht, denn es war so hell in dem Vorraum, daß für Schatten kein Platz war. Das Licht der Neonröhren war kalt und grell. Was Bob sah, war die Wirklichkeit und keine Täuschung.
Heute früh noch war sein Haar über der Stirn und an den Schläfen dicht und braun gewesen, jetzt war es mit silbernen Fäden durchzogen. Winzige Fältchen unter seinen Augen gaben seiner Haut das Aussehen rosafarbenen Kreppapiers.
Er konnte nicht zu seinem Arbeitsplatz zurück jetzt. Er hätte durch das Hauptbüro gehen müssen, und diesmal wäre sicherlich jedem die Veränderung aufgefallen, die mit ihm geschehen war.
Bob drehte sich um und verließ die Vorhalle durch die andere Tür. Ohne weiter zu überlegen, stieg er in den Lift und ließ sich nach unten bringen. Draußen auf der Straße fror er plötzlich. Zu dumm, daß er seinen Mantel im Büro zurückgelassen hatte. Er unterdrückte das Verlangen, laut zu schreien. Lange hielt er das nicht mehr aus. Er dachte an den Weg bis zur U-Bahn, an das Warten auf dem Bahnhof, an die lange Fahrt. Ein freies Taxi machte die Entscheidung leichter. Er winkte es heran und gab dem Fahrer seine Adresse.
Als Valerie ihn rufen hörte, kam sie von der Terrasse. Ein blauer Bademantel hüllte ihre kleine und schlanke Gestalt ein. In der Hand trug sie noch ihre Tasse mit dem Frühstückskaffee. Bob brachte kein Wort hervor. Er sah sie nur an, während seine Hände lose herabhingen.
»Wieder der Zahn?« fragte sie schließlich. Ein fremder Tonfall in ihrer Stimme ließ Bob ahnen, daß sie etwas anderes vermutete.
»Ich wollte, es wäre nur der Zahn.« Er ging auf sie zu. Jetzt erst wurde er vom Sonnenlicht voll angestrahlt, das von der Glastür der Veranda her ins Zimmer fiel. Er sah, wie Valeries Augen sich entsetzt weiteten. Die Tasse glitt ihr aus der Hand und zerbrach am Boden.
»Bob – deine Haare! Dein Gesicht …!«
»Irgend etwas geschieht mit mir.« Seine Stimme verriet die ganze Angst vor dem Unbegreiflichen. »Ich war noch bei zwei Zahnärzten; sie bestätigten, was schon Dr. Haufen sagte. Und nun das noch!« Er sank in den nächsten Sessel. Auf dem Teppich breitete sich die Kaffeelache aus. »Sechsunddreißig Jahre alt bin ich, aber ich habe die Zähne eines Greises und das Aussehen eines Mannes über sechzig.«
Valerie setzte sich in den anderen Sessel und nahm seine Hände zwischen die ihren.
»Lege dich jetzt ins Bett, Bob. Ich werde den Arzt holen.«
»Wozu?« Bobs Stimme war kalt und spöttisch. »Damit er mich angrinst und mich fragt, wie alt ich wirklich sei?«
»Auf jeden Fall fehlt dir was, Bob. Vielleicht Vitaminmangel, oder du hast dich überarbeitet. Ein Virus …«
»Virus!« stieß er zornig hervor. »Was ist das für ein Virus, das einen Menschen in wenigen Tagen um Jahrzehnte altern läßt?«
»Ich weiß es nicht«, gab Valerie zu. Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. »Einfach hier sitzen hilft uns auch nicht weiter. Ich muß etwas für dich tun …«
»Also gut.« Bobs Stimme klang zerknirscht. »Du hast recht, Kleines. Ruf den Arzt an, dann werden wir ja sehen, was er sagt.«
Es war viele Stunden später. Bob lag in seinem Bett. Oben an der Decke glühten die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Er rauchte lustlos, sprach nichts, dachte nur nach und wunderte sich. Vor einigen Stunden war der Arzt gekommen und hatte ihn untersucht. Er hatte nichts gefunden und betont, für sein Alter sei Bob kerngesund und in bester Verfassung.
»Welches Alter?« hatte Valerie lauernd gefragt.
Der Arzt, der Vertreter ihres Hausarztes, der in Urlaub gegangen war, sah sie neugierig und erstaunt an.
»Ende der Sechzig, würde ich meinen.« Seine Stimme verriet Befremden über ihre ungewöhnliche Frage, aber als sie nicht reagierte, schloß er seine Tasche, schrieb ein Rezept aus und verabschiedete sich mit den schrecklichen Worten: »Ihr Vater sollte sich ein wenig ausruhen, Miss Terrill, dann wird er sich wieder besser fühlen.«
Keiner war auf den Gedanken gekommen, ihn über seinen Irrtum aufzuklären und ihm die Wahrheit zu sagen. Der Arzt war gegangen. Bob konnte Valeries Blicke nicht mehr ertragen. Er hatte darauf bestanden, daß sie zur Apotheke ging und die Medizin holte. Um noch länger allein sein zu können, gab er später vor, ein unwiderstehliches Verlangen nach Pfefferminzschnaps zu verspüren. Er wußte, daß man diesen Schnaps nur im deutschen Viertel am anderen Ende der Stadt erhalten konnte. Sie half ihm ins Bett, küßte ihn und ging. Endlich war er allein. Er hoffte, sie würde lange ausbleiben, aber schon bald begann er sie zu vermissen. Doch lieber sehnte er sich nach ihr, als daß er ihre forschenden Blicke sah.
Es wurde allmählich dunkel, und als es völlig finster geworden war, hörte er die Haustür gehen. Valerie kam zurück.
Er verspürte keine Lust, den Pfefferminzschnaps zu trinken; er hatte ihn nie gemocht. Also schloß er die Augen und stellte sich schlafend. Er hörte, wie Valerie die Schlafzimmertür öffnete und auf seine regelmäßigen Atemzüge lauschte. Leise schloß sie die Tür wieder. Er verfolgte ihre Schritte bis zur Küche, wo sie die Flasche mit dem Schnaps in den Kühlschrank stellte.
Die Geräusche verrieten ihm, was sie dann tat. Schranktüren wurden geöffnet und wieder geschlossen, Wasser rann, und dann wurde ein Topf auf den Herd gestellt. Aha, sie machte Kaffee. Vielleicht auch ein belegtes Brot dazu. Sicher hatte sie Hunger nach dem langen Weg.
Bob richtete sich auf. Es war nur zu natürlich, daß Valerie jetzt Hunger hatte, aber irgendwie paßte es ihm nicht, daß sie aß, während er sich in ein … ja, in was verwandelte er sich eigentlich? Was war das für eine Metamorphose, die er durchmachte? Die alte Geschichte von Methusalem fiel ihm ein, und es lief ihm kalt über den Rücken.
Valerie ging nebenan ins Wohnzimmer. Er legte sich ins Bett zurück und war bereit, den Schlafenden zu spielen, wenn sie hereinkam. Aber sie kam nicht, sondern ging nach einer kurzen Weile hinaus auf die Terrasse.
Inzwischen war der Mond aufgegangen. Sein bläulicher Schein lag auf den Dächern der Nachbarhäuser und verwandelte sie in glitzernde Diamantenfelder. Vorsichtig stand Bob auf und ging zum Fenster. Wenn er sich ganz nach rechts lehnte, konnte er den Rand der Terrasse sehen. Dort stand Valerie, in der einen Hand die Untertasse, in der anderen die Tasse mit dem dampfenden Kaffee. Sie blickte zu den Häusern hinüber und drehte ihm den Rücken zu. Auf der niedrigen Steinmauer stand ein flacher Teller mit dem angebissenen Brot. Ihr lang herabfallendes, blondes Haar schimmerte wie Gold im Mondlicht.
Sie bewegte sich nicht. Sie hätte eine Marmorstatue sein können. Noch nie zuvor war sie Bob so schön erschienen wie in diesem Augenblick. Er spürte ein plötzliches Verlangen danach, sie jetzt in seine Arme zu schließen. Abrupt drehte er sich jedoch um und ging zur Tür. Das sanfte Mondlicht würde gnädig sein, es würde seine grauen Haare und seine faltige Haut vor ihren Augen verbergen. Vielleicht war das jetzt die letzte Möglichkeit für ihn, noch einmal so wie früher mit ihr zusammenzusein. Sein plötzliches Altern konnte vom Mondlicht verschleiert werden. Vielleicht würde sein Haar nur durch seinen Schein versilbert; die Falten würden vage Schatten werden und seine gebeugte Gestalt eine Täuschung.
Die Hand noch auf dem Türgriff, zögerte er plötzlich. Die Tür war halbgeöffnet, und er konnte das Wohnzimmer übersehen. Irgendwie fiel ihm auf, daß etwas fehlte. Der Raum schien leerer als sonst zu sein.
Das Telefon! Es war nicht mehr an seinem gewohnten Platz. Die Schnur führte zur Terrasse. Valerie hatte das Telefon mit nach draußen genommen, um anzurufen. Wen anzurufen?
Leise schloß Bob die Tür wieder und kehrte ins Bett zurück. Bis zum Kinn zog er die Decken hoch. Auf dem Nachtschränkchen stand das Anschlußtelefon. Er nahm den Hörer vorsichtig ab und lauschte. Das Freizeichen ertönte. Behutsam legte er den Hörer zurück. Er wartete.
Als er das leise Klicken im Innern des Apparates hörte, wußte er, daß Valerie draußen auf der Veranda den Hörer abgenommen hatte. Schon wollte er nach seinem Hörer greifen, da fiel ihm ein, daß er das jetzt noch nicht tun durfte. Erst mußte die Verbindung hergestellt sein. Er zählte langsam bis zehn, hielt die Gabel mit einem Finger fest und nahm den Hörer ab. Dann erst ließ er die Gabel Millimeter für Millimeter los.
Es summte entfernt. Dann ein Knacken und die Stimme eines Mannes: »Hallo.«
»Marty«, sagte die ruhige Stimme seiner Frau. »Hier ist Val.«
»Val?« erwiderte der Mann. »Val Morrison?«
Bob fühlte einen Stich in der Herzgegend. Morrison war Valeries beinahe vergessener Mädchenname. Plötzlich stand Schweiß auf seiner Stirn, und er bedeckte das Mundstück des Hörers mit der Hand. Atemlos lauschte er.
»Du hast mich doch wohl nicht für tot gehalten?« lachte Valerie.
»Du warst so schnell von der Party verschwunden damals …«
Party? Damals? Bob dachte nach, und ihm fiel ein, daß er in der vergangenen Woche geschäftlich unterwegs gewesen war. Er hatte auswärts geschlafen und spät am Abend Val angerufen. Niemand hatte sich gemeldet. Am anderen Tag hatte sie ihm erklärt, sie hätte eine Schlaftablette genommen und das Telefon nicht gehört. Es war die einzige Nacht, in der sie nicht zu Hause gewesen sein konnte. Wenigstens nahm er das an. Er lauschte weiter auf die Stimmen.
Die Worte kamen ihm vertraut vor. So etwa hatte er mit Val gesprochen, bevor sie verheiratet waren. Aus seinem Unterbewußtsein stiegen Erinnerungen hoch, die plötzlich einen Sinn bekamen. Wie oft hatte sie Verabredungen nicht eingehalten oder war einfach davongelaufen? Nie hatte er etwas über ihre Vergangenheit erfahren, sie war allen solchen Fragen ausgewichen oder hatte geschwiegen. Auch dieser Marty wußte nichts von ihr, kannte ihre Adresse nicht und hatte keine Ahnung davon, daß sie verheiratet war.
Hatten diese Sinnlosigkeiten doch einen Sinn? Bob runzelte die Stirn. Welchen Sinn wohl? Was steckte dahinter? Was sollte das alles bedeuten?
Es fiel Bob schwer, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Er hatte plötzlich Angst, ganz schreckliche Angst. Am liebsten wäre er einfach davongelaufen, weg von Valerie, die ihm unheimlich geworden war, ohne daß er hätte sagen können, warum. Sie war jung und schön und lebensfroh. Und er mußte weg von ihr, solange er noch denken konnte.
Seine Hand zitterte, als er den Hörer vom Ohr wegnahm, aber er wagte es nicht, ihn auf die Gabel zu legen. Das Geräusch konnte ihn verraten. Er legte ihn unter das Kopfkissen und glitt vorsichtig aus dem Bett. Seine Beine schmerzten, und er humpelte bis zum Stuhl, auf dem seine Kleider lagen.
Er mußte den Gürtel enger schnallen, und der Kragen war viel zu weit geworden. Erzog den Knoten des Binders so fest an, bis das Hemd saß. Das Haar fiel ihm in die Stirn, und im Mondlicht konnte Bob erkennen, daß es schneeweiß geworden war. Die Hand, mit der er es zurückstrich, war alt und nervig; blaue Adern durchzogen ihren Rücken. Er konnte sich nicht mehr bücken, um die Schnürriemen der Schuhe zu richten. Ihm war plötzlich übel.
Er atmete schwer, und plötzlich fiel ihm auf, daß seine Sicht sich trübte. Das Augenlicht ließ rapide nach. Nur mit Mühe fand er die Tür und hielt sich am Griff fest, bis der Schwindelanfall vorüber war. Vorsichtig öffnete er dann die Tür und stolperte ins Wohnzimmer. Sein erster Blick galt der Veranda. Wie gebannt blieb er stehen. Die Furcht sprang ihn an wie ein wildes Tier.
Gegen das Mondlicht zeichnete sich die Silhouette Valeries deutlich ab. Sie stand in der geöffneten Tür, das Gesicht dunkel und nicht zu erkennen; um ihren Kopf erstrahlte die goldene Aureole des Haares. Sie sah aus wie eine antike Rachegöttin.
»Nanu, Bob«, sagte sie und kam langsam auf ihn zu. »Fühlst du dich wieder besser?«
»Ja – das heißt nein, mir ist schwindelig.« Panik ergriff ihn. »Ich wollte nur frische Luft schöpfen, vielleicht ein Spaziergang.« Seine Stimme klang brüchig. Es war nicht mehr die Stimme, mit der Bob gestern noch gesprochen hatte. »Ja, ein kleiner Spaziergang würde mir vielleicht ausgesprochen guttun.«
»Ich bringe dich auf die Terrasse. Es ist eine wunderbare Nacht heute.« Sie trat zu ihm und nahm seinen Arm. Er sah, wie sie lächelte – und auf ihn herab blickte.
Er hätte nie geglaubt, daß Knochen so schnell austrocknen können. Er war kleiner geworden. Sein Anzug schlotterte am Körper. Er spürte Valerie, und wo ihr Fleisch das seine berührte, brannte es wie Feuer. Ihr Parfüm roch stark und betäubend. Er versuchte, sich zu wehren, aber er hatte keine Kraft mehr. Willenlos ließ er sich auf die Veranda führen. Er stammelte ein paar unartikulierte Laute, und der Speichel tropfte aus seinem Mund, fiel auf den Rockaufschlag und zu Boden. Er konnte kaum noch sehen.
Valerie brachte ihn zu einem Stuhl und wartete, bis er sich gesetzt hatte. Jetzt konnte er sie wieder sehen, denn das Mondlicht war hell und unbarmherzig.
»Du bist nur müde«, sagte sie. »Ruhe dich aus.«
Die Mattigkeit überflutete ihn wie eine Woge. Sie spülte über ihn hinweg und drang bis in das Mark seiner Knochen. Ihm war übel, und er fühlte sich alt und verbraucht. Das Mondlicht schmerzte in den Augen. Das Leben erschien ihm sinnlos und wie eine Last. Mit letzter Kraft raffte er sich auf und sah in das Gesicht seiner Frau. Es war das Gesicht eines anmutigen, hübschen Mädchens von kaum zehn Jahren.
Ein letzter Funke Lebenswille flackerte in ihm auf. Er bewegte seine spröden Lippen und krächzte mühsam:
»Wer bist du? Was bist du …?«
Sie stand da, eingehüllt vom Silber des Mondlichts, die Arme auf der Brust verschränkt, und sah ihn an. Kalt und erbarmungslos lag ihr Blick auf ihm. Dann sagte sie:
»Hunger und Gier nach Leben erfüllen mich, aber ich habe kein eigenes Leben – ich kann es nur anderen wegnehmen. Ich und andere, die wie ich sind. Wir besitzen das geheime Buch des Lebens, in dem die Schicksale aller Menschen aufgezeichnet sind.« Ihre Stimme klang geisterhaft. Sie klang aber auch erschöpft und müde. »Um so etwas wie leben zu können, müssen wir anderen Menschen die Zukunft rauben, ihnen die Jahre stehlen. Du wärest achtzig Jahre alt geworden, Bob.«
Sie setzte sich auf die Steinmauer der Terrasse und ließ ihn nicht aus den Augen. Bob verhielt sich ganz ruhig und beobachtete sie. Leise fragte er:
»Wie macht ihr es?«
Valerie lächelte.
»Als du mich zur Frau nahmst, gelobtest du, eins mit mir zu sein und dein Leben mit mir zu teilen. Zu teilen, Bob. Aber ich habe kein eigenes Leben, nur den Hunger und die Gier danach. Jedesmal bei einer Berührung, bei einem Kuß, bei einer Umarmung, überhaupt immer, wenn wir uns nahe waren, saugte ich dich aus, nahm dir ein Stück deiner Zukunft. Aber was sind fünfzig oder sechzig Jahre gegen vollkommene Leere? Wir konnten nicht teilen, ich wollte alles. Deine Jahre gehören nun mir; ich werde sie leben.«
Ihm wurde schwarz vor den Augen. Aber sein Wille war stärker als die Furcht. Schmerz raste durch seinen Körper, als er auf die Füße sprang. Seine Hände umklammerten die Stuhllehnen und gaben ihm Halt.
»Nein, du kannst mir nicht mein Leben stehlen!«
Jetzt konnte er Valerie wieder sehen. Sie starrte ihn an und schüttelte den Kopf.
»Du kannst es nicht ändern, Bob. Schone dich jetzt, denn die Anstrengung tut dir nicht gut. Ob du an Altersschwäche oder durch einen Unfall stirbst, spielt keine Rolle mehr. Deine Jahre gehören mir.«
Es waren tausend verschiedene Gedanken, die in diesem Augenblick von ihm Besitz ergriffen. Er dachte an die vielen kränkelnden Männer, deren Frauen jung und gesund blieben, an die Tatsache, daß die Lebenserwartung der Männer kürzer als die der Frauen war, und er entsann sich der Angewohnheit der Frauen, stets ein Geheimnis um ihr wahres Alter zu machen.
»Dämonen!« stieß er mit zitternden Lippen hervor. »Ihr seid alle Dämonen!«
Er begann zu schreien und sank in die Knie. Der Schmerz zuckte durch seine Beine, als sie einknickten und er lang am Boden lag, genau vor Valeries Füßen. Sie saß immer noch auf der niedrigen Steinmauer und sah auf ihn herab.
»Gnade!« wisperte er mit versagender Stimme. »Val … bitte …«
Sie lachte spöttisch.
Es war dieses Lachen, das den Rest seiner Lebensglut neu anfachte und ihm die Kraft gab, sich noch einmal aufzurichten. Mit beiden Händen griff er nach ihren Füßen und hob sie an. Er ignorierte die furchtbaren Schmerzen im Rücken und richtete sich auf, ohne Valeries Füße loszulassen. Er hörte, wie sie entsetzt aufschrie, und dann wurden ihm ihre Füße von einem heftigen Ruck aus den Händen gerissen.
Valeries Schrei kam plötzlich aus weiter Ferne und riß jäh ab. Bob fiel kraftlos auf den Rücken. Er sah, daß der Platz, wo Valerie gesessen hatte, leer war. In dem Augenblick, in dem sie unten auf der Straße aufschlug, fühlte er ihren Schmerz. Irgend etwas in ihm zerriß wie ein überspannter Bogen, dann verlor er das Bewußtsein.
Als er eine halbe Stunde später erwachte, war er kräftig genug, um aufzustehen. Sein Anzug paßte ihm wieder. Im Spiegel der Garderobe sah er, daß seine Haare nicht mehr weiß waren, und auch die Zahnschmerzen waren verschwunden. Noch nie hatte er sich so wohl gefühlt.
Schnell glitt der Lift nach unten.
Draußen auf der Straße flutete der Nachtverkehr. Hier unten war es heller als oben unter dem Dach des Hochhauses. Die Leuchtreklamen verdrängten den Mond und tauchten Straße und Bürgersteig in eine grelle Lichtflut.
Bob suchte den zerschmetterten Körper Valeries, aber er fand ihn nicht. Er fand auch keine Blutspuren, sondern nur ein Bündel verschmutzter Kleider. Es lag direkt in der Gosse neben einem Gulli.
Er bückte sich.
Es waren die Sachen, die Valerie eben noch angehabt hatte.
Als er sich wieder erhob, streiften seine Füße den grauen Staub der Gosse. Er wirbelte auf und drang in seine Nase.
Er roch modrig und alt.
Sehr alt.