Jeanettes Hände
von
Phi­lip La­tham

 

 

»Es wä­re ein Irr­tum, zu glau­ben, daß He­xen un­wei­ger­lich alt und häß­lich sein müß­ten. Vie­le sind schö­ne jun­ge Frau­en; die meis­ten von ih­nen sind ver­hei­ra­tet …«

Es er­scheint an­ge­bracht, solch schein­bar über­flüs­si­ge Bin­sen­wahr­hei­ten ei­ner Er­zäh­lung vor­an­zu­stel­len, de­ren Prot­ago­nis­tin of­fi­zi­ell zur Staats­he­xe von Ka­li­for­ni­en er­nannt wird. Phi­lip La­tham, ein Pseud­onym für den pro­mi­nen­ten ame­ri­ka­ni­schen Astro­no­men Ro­bert S. Ri­chard­son, er­öff­net dem Le­ser ei­ne Zu­kunfts­per­spek­ti­ve, in der das Ok­kul­te wie­der in den Rang ei­ner Haupt- und Staats­ak­ti­on ein­ge­setzt ist – was sich im pri­va­ten Be­reich na­tür­lich ver­hee­rend aus­wirkt.

 

 

Da­gny saß im Bett, als Bob mit dem Früh­stück­sta­blett und der Zei­tung her­auf­kam. Er hat­te es sich an­ge­wöhnt, sei­ner Frau das Früh­stück ans Bett zu ser­vie­ren, als sie vor fünf Jah­ren kurz nach ih­rer Hoch­zeit krank ge­we­sen war, und er tat es noch jetzt ein­mal in der Wo­che. Es war kurz vor elf, aber die Ar­chers stan­den sonn­tags nie früh auf. Da­gny rieb sich noch blaß und ver­schla­fen die Au­gen.

»Willst du gleich ei­ne Tas­se Kaf­fee?« frag­te er.

»Ja, bit­te.«

Bob hat­te wie üb­lich Mü­he, einen Platz für das Ta­blett zu fin­den. Er hat­te nichts ge­gen Haut­cre­mes, Lip­pen­stif­te, Kos­me­tik­tü­cher, Na­gel­fei­len und an­de­re Toi­let­ten­ar­ti­kel ein­zu­wen­den, die auf dem Tisch vor dem Spie­gel la­gen. Sol­che Din­ge er­war­te­te man auf ei­nem Toi­let­ten­tisch zu se­hen. Was ihn wü­tend mach­te, wa­ren die­se ver­damm­ten Hän­de.

Ur­sprüng­lich hat­ten die ›Hän­de‹ zu Jea­net­te ge­hört – ei­ner Schau­fens­ter­pup­pe in ei­ner ex­klu­si­ven Bou­tique drü­ben in Be­ver­ley Hills. Jea­net­tes Hän­de zähl­ten zu Da­g­nys kost­bars­ten Be­sitz­tü­mern; sie wa­ren die ein­zi­gen Kör­per­tei­le der Pup­pe, die bei dem großen ka­li­for­ni­schen Erd­be­ben nicht be­schä­digt wur­den, und die Be­sit­ze­rin der Bou­tique, die mit Da­gny gut be­freun­det war, hat­te sie ihr als An­den­ken ge­schenkt. Die Hän­de sa­hen nicht nur echt aus, son­dern fühl­ten sich auch echt an. Ih­re Fin­ger wa­ren be­weg­lich und be­stan­den aus ei­ner Gum­mi-Glas­fa­ser-Mi­schung, de­ren Zu­sam­men­set­zung ein ängst­lich ge­hü­te­tes Fir­men­ge­heim­nis des Her­stel­lers war.

»Du kannst wohl auch kei­nen an­de­ren Platz für die Hän­de fin­den, was?« er­kun­dig­te sich Bob, wäh­rend er ver­such­te, das Ta­blett ab­zu­stel­len.

»Ich ver­ste­he nicht, warum du dich im­mer wie­der über die­se Hän­de auf­regst«, mur­mel­te Da­gny.

»Sie stö­ren mich eben …«

»Sie er­tei­len dir ih­ren sym­bo­li­schen Se­gen«, sag­te Da­gny. »Das be­deu­tet, daß du dich im Stand der Gna­de be­fin­dest.«

»Quatsch!«

»Ich ver­spre­che dir, daß ich sie wo­an­ders hin­stel­le«, sag­te Da­gny lä­chelnd.

»Nicht mehr nö­tig«, wehr­te Bob ab. »Ich hab’ jetzt schon ge­nug Platz.«

Sie sa­ßen ei­ni­ge Mi­nu­ten lang schwei­gend ne­ben­ein­an­der, tran­ken Kaf­fee und la­sen Zei­tung. Den Schlag­zei­len war zu ent­neh­men, daß drin­gend So­fort­maß­nah­men er­grif­fen wer­den müß­ten, um die Welt vor dem Un­ter­gang zu be­wah­ren.

Nach­dem Bob has­tig den Sport­teil durch­ge­blät­tert hat­te, warf er sei­ne Zei­tung aufs Fußen­de des Betts.

»En­de des Haus­halts­jahrs. Die­se Wo­che ist die Mit­tei­lung vom Großen Wei­ßen Va­ter in Wa­shing­ton ge­kom­men. Wie­der mal kei­ne Ge­halts­er­hö­hung.«

Da­gny stu­dier­te in­ter­es­siert die Co­mics.

»Wir kom­men schon ir­gend­wie zu­recht«, er­klär­te sie. »Ich hab’ ges­tern un­ser Ho­ro­skop ge­stellt. Un­se­re Zu­kunft sieht viel­ver­spre­chend aus.«

Da­g­nys Be­schäf­ti­gung mit Astro­lo­gie, He­xe­rei, Wahr­sa­ge­rei und ähn­li­chem Un­sinn hat­te in der Zeit vor ih­rer Ehe häu­fig zu Streit ge­führt. Heut­zu­ta­ge wird vie­les to­le­riert: Ehen zwi­schen Ne­gern und Wei­ßen oder wil­de Ehen ru­fen kaum noch ein Stirn­run­zeln her­vor. Aber ein Astro­nom, der ei­ne Astro­lo­gin hei­ra­tet … nun, das geht doch et­was zu weit. All­mäh­lich hat­te Bob sich je­doch dar­an ge­wöhnt, Da­g­nys In­ter­es­se für das Ok­kul­te mit je­ner re­si­gnier­ten Ge­las­sen­heit zu ak­zep­tie­ren, mit der die meis­ten Ehe­män­ner die klei­nen Tor­hei­ten ih­rer Frau­en er­tra­gen. In Bobs Fall war al­ler­dings nur zu leicht ein­zu­se­hen, warum er es auf­ge­ge­ben hat­te, Da­g­nys Glau­ben an das Über­na­tür­li­che er­schüt­tern zu wol­len. Sei­ne Frau be­saß an­de­re Vor­zü­ge, die ihn über sol­che Klei­nig­kei­ten hin­weg­se­hen lie­ßen.

Da­gny gab ihm ein Blatt aus der Ti­mes.

»Hier steht wie­der et­was über dei­nen Freund Dok­tor Thorn­ton.«

»Schon wie­der!«

Das Fo­to zeig­te einen Mann An­fang Vier­zig mit mar­kan­ten Zü­gen, der ei­ne kur­ze Bruy­ere­pfei­fe zwi­schen den Zäh­nen hielt. Er stand ne­ben ei­nem Meß­ge­rät und be­trach­te­te das Bild ir­gend­ei­nes Him­mels­kör­pers.

»Er sieht gut aus, was?« mein­te Da­gny.

»Fin­dest du?«

»Sehr!«

Bob schnaub­te ge­ring­schät­zig und las den da­zu­ge­hö­ri­gen Ar­ti­kel durch.

»Nur ein hal­b­es Dut­zend Feh­ler«, kom­men­tier­te er. »Der Fo­to­graf hat ihn ab­sicht­lich et­was von un­ten auf­ge­nom­men, da­mit man nicht sieht, daß er ei­ne kah­le Stel­le auf dem Kopf hat. Er ist zwei­und­vier­zig, nicht neun­und­drei­ßig. Und was er da hat, ist M33 in Tri­an­gu­lum, nicht M31 in An­dro­me­da.«

»Dok­tor Thorn­ton, der be­kann­te Astro­nom am welt­be­rühm­ten Mount-El­si­no­re-Ob­ser­va­to­ri­um, wird im Sep­tem­ber nach Lon­don rei­sen, um die Gold­me­dail­le der Kö­nig­li­chen Astro­no­mi­schen Ge­sell­schaft in Emp­fang zu neh­men. Die­se Me­dail­le ist ei­ne der höchs­ten Aus­zeich­nun­gen, die …«, las sie laut.

Bob schnaub­te wie­der.

»Das ist doch wohl auch der ein­zi­ge Nut­zen die­ser Ge­sell­schaf­ten – daß sie Gold­me­dail­len ver­lei­hen.«

»Dok­tor Thorn­ton hat in jah­re­lan­ger For­schungs­ar­beit nach­ge­wie­sen, daß das Uni­ver­sum in Wirk­lich­keit et­wa zehn­mal äl­ter ist als bis­her an­ge­nom­men …«, fuhr sie fort.

»Man­che Kol­le­gen sind da aber ganz an­de­rer Mei­nung!«

»Auch je­mand, den ich ken­ne?«

»Zum Bei­spiel dein Mann.«

Da­gny be­trach­te­te auf­merk­sam Thorn­tons Bild.

»Neh­men wir ein­mal an, du hät­test recht und er un­recht«, sag­te sie nach­denk­lich. »Warum gibt die Kö­nig­li­che Ge­sell­schaft ih­re Gold­me­dail­le dann nicht dir?«

»Das ist schwer zu er­klä­ren«, ant­wor­te­te Bob nach ei­ner Pau­se. »Bei sol­chen Din­gen spielt die Per­sön­lich­keit des Be­tref­fen­den ei­ne grö­ße­re Rol­le, als man es für mög­lich hal­ten wür­de. Thorn­ton ist der ener­gi­sche, do­mi­nie­ren­de Typ. Die Leu­te le­sen, was er ver­öf­fent­licht. Kein Mensch küm­mert sich um mein Zeug. Er hat ein­fach Glück. Er be­nimmt sich im­mer so, als sei ein Miß­er­folg aus­ge­schlos­sen. Ich fürch­te stets Miß­er­fol­ge – und ha­be sie des­halb. Je wei­ter man sich von Thorn­ton ent­fernt, de­sto grö­ßer ragt er auf. Man ver­ehrt ihn aus der Fer­ne und haßt ihn aus der Nä­he.«

»In wel­chem Punkt seid ihr ver­schie­de­ner Mei­nung?« woll­te Da­gny wis­sen.

»Das ist ei­ne schwie­ri­ge Fra­ge …«

»Gut, wenn das so streng ge­heim ist …«

Bob zö­ger­te.

»Ver­sprichst du mir, daß du kei­nem Men­schen ein Wort da­von er­zählst?«

Da­gny zuck­te mit den Schul­tern. »Gut, ich ver­sprech’s dir.«

»Paß auf, ich ha­be einen Teil von Thorn­tons Ar­bei­ten über­prüft, mit den glei­chen Aus­wer­tungs- und Re­chen­me­tho­den, ver­steht sich. Und un­se­re Er­geb­nis­se sind und blei­ben un­ter­schied­lich. Ich brin­ge beim bes­ten Wil­len kei­ne Über­ein­stim­mung zu­stan­de.«

»Ihr Wis­sen­schaft­ler seid euch doch nie ei­nig.«

»Nicht hun­dert­pro­zen­tig«, gab Bob zu. »Ich er­war­te auch kei­ne ab­so­lu­te Über­ein­stim­mung. Aber in die­sem Fall sind die üb­li­chen To­le­ran­zen weit über­schrit­ten.« Er senk­te die Stim­me. »Ich bin der Mei­nung, daß Thorn­tons Re­sul­ta­te fri­siert sind – be­wußt fri­siert.«

»Fri­siert?« Da­gny run­zel­te die Stirn.

»Ge­ra­de ge­nug ver­än­dert, daß sie bes­ser aus­se­hen als die sei­ner Kon­kur­ren­ten. So­lan­ge er das größ­te Spie­gel­te­le­skop der Welt zur Ver­fü­gung hat, kann ihm nichts pas­sie­ren. Wer soll­te ihm et­was nach­wei­sen kön­nen?«

Da­gny nahm die­se er­staun­li­che Mit­tei­lung ver­hält­nis­mä­ßig ge­faßt auf.

»Liebs­ter, ich dach­te, du wür­dest mir er­zäh­len, daß Thorn­ton wirk­lich et­was ver­bro­chen hat. Einen Bank­raub oder einen Ge­mäl­de­dieb­stahl. Aber was du da er­zählst, be­trifft schließ­lich nur das Uni­ver­sum.«

»Be­wuß­te Ir­re­füh­rung ist für einen Wis­sen­schaft­ler kei­ne Klei­nig­keit«, ver­si­cher­te ihr Bob. »Aber ich kann ihm na­tür­lich nichts nach­wei­sen. Er hat die Er­geb­nis­se so fri­siert, daß die Kos­mo­lo­gen ganz aus dem Häus­chen sind. Sie re­den jetzt schon von ›Thorn­tons Uni­ver­sum‹ – da­her die Gold­me­dail­le.«

Da­gny warf ih­rem Mann einen nach­denk­li­chen Blick zu. Dann kniff sie ih­re blau­en Au­gen zu­sam­men.

»Weißt du, was ich glau­be, Liebs­ter?« frag­te sie.

»Kei­ne Ah­nung, Schatz«, mur­mel­te er.

»Du bist nei­disch, glau­be ich.«

»Ist es et­wa ein Ver­bre­chen, wenn ein Mann sei­ne Ar­beit an­er­kannt se­hen möch­te?«

»Und du bist ge­kränkt – zu­tiefst ge­kränkt.«

Bob gab kei­ne Ant­wort.

Da­gny er­griff sei­ne Hand.

»Dei­ne Zeit kommt noch, Ro­bert. Ich weiß, daß sie kommt.« Sie lä­chel­te. »Viel­leicht schon bald … sehr bald.«

Bob schüt­tel­te al­ler­dings ener­gisch den Kopf.

»Tut mir leid, ich bin eben nicht der Typ, der Gold­me­dail­len ein­heimst.«

»Aber ich weiß, daß du …«

Sie wur­de un­ter­bro­chen, es klin­gel­te un­ten.

»Siehst du?« rief Da­gny auf­ge­regt aus. »Die gu­te Nach­richt – wie auf ein Stich­wort hin!«

»Wahr­schein­lich Pfad­fin­de­rin­nen, die Erd­nüs­se ver­kau­fen wol­len«, mur­mel­te Bob. Er zö­ger­te noch, aber als es zum zwei­ten­mal klin­gel­te, stand er wi­der­wil­lig auf und schlurf­te die Trep­pe hin­un­ter. Ei­ne Mi­nu­te spä­ter kam er mit ei­nem läng­li­chen Um­schlag zu­rück, der ein­drucks­voll ver­sie­gelt war.

»Durch Eil­bo­ten«, sag­te er und über­reich­te Da­gny den Brief. »Für dich.«

Da­gny wur­de blaß. Sie griff zö­gernd nach dem Um­schlag, fast ängst­lich, als sei er ei­ne Re­li­quie, die sie kaum zu be­rüh­ren wag­te. Dann riß sie ihn ent­schlos­sen auf und zog ein Blatt Per­ga­ment her­aus, auf dem ei­ne ein­zi­ge hand­schrift­li­che Zei­le stand. Sie blieb min­des­tens ei­ne Mi­nu­te lang un­be­weg­lich lie­gen und starr­te die Nach­richt an; nur ih­re Au­gen und Lip­pen be­weg­ten sich, wäh­rend sie die Wor­te im­mer wie­der las, als woll­te sie sie ganz aus­kos­ten. Dann drück­te sie das Per­ga­ment mit zit­tern­den Fin­gern an die Brust.

Bob fand die­se emo­tio­nel­le Re­ak­ti­on we­ni­ger be­sorg­nis­er­re­gend, als man hät­te ver­mu­ten kön­nen. Sei­ne Frau war ei­ne gu­te Schau­spie­le­rin, ei­ne so gu­te, daß er nie mit Si­cher­heit wuß­te, ob ihr Ge­fühls­über­schwang nur ge­spielt oder wirk­lich echt war.

»Schlech­te Nach­rich­ten?« er­kun­dig­te er sich.

»Wun­der­vol­le Nach­rich­ten«, ant­wor­te­te Da­gny mit kaum hör­ba­rer Stim­me.

»Na, die sind längst über­fäl­lig!«

»Ich bin er­nannt wor­den.«

Bob starr­te sei­ne Frau mit ei­nem un­gu­ten Ge­fühl im Ma­gen an. »Er­nannt? Wo­zu er­nannt?«

»Zur Staats­he­xe von Ka­li­for­ni­en!«

Bob schluck­te tro­cken. »Ich weiß, daß Ka­li­for­ni­en einen of­fi­zi­el­len Po­e­fa lau­rea­tus hat. Ich weiß auch, daß es hier mehr Ver­rück­te pro Qua­drat­zen­ti­me­ter gibt als in je­dem an­de­ren Bun­des­staat. Aber der Teu­fel soll mich ho­len, wenn ich ge­wußt ha­be, daß es in Ka­li­for­ni­en ei­ne Staats­he­xe gibt!«

»Ro­bert, Lieb­ling, es gibt so vie­les, was du nicht weißt.«

»Meinst du wirk­lich of­fi­zi­ell? Wie der Gou­ver­neur oder sol­che Leu­te?«

»Nein, ei­gent­lich nicht …«

»Großer Gott!« rief er aus. »So tief sind wir schon ge­sun­ken!«

»Un­sinn!« wi­der­sprach Da­gny ener­gisch. »Stell dir vor, was das für ei­ne Eh­re ist. Was das be­deu­tet

»Ich kann dir sa­gen, was das be­deu­tet«, knurr­te Bob, stand auf und ging zwi­schen Bett und Fens­ter auf und ab. »Es be­deu­tet das En­de mei­ner Kar­rie­re. Frü­her … nun, ein biß­chen Astro­lo­gie und der­glei­chen Un­sinn hat nicht wei­ter ge­scha­det. Die Leu­te ha­ben mit ei­nem Ach­sel­zu­cken dar­über hin­weg­ge­se­hen.« Er hol­te tief Luft. »Aber das hier ist ei­ne Ka­ta­stro­phe! Wer will schon mit ei­nem Astro­no­men zu tun ha­ben, des­sen Frau sich mit Zau­be­rei und Teu­fels­be­schwö­rung ab­gibt?«

Aber er hat­te kei­ne Zu­hö­rer­schaft mehr. Da­gny war in Tran­ce ver­fal­len. La­dy Mac­beth als Schlaf­wand­le­rin in ei­nem Dop­pel­bett.

»Theo­do­ris von Lem­nos … Ma­de­lai­ne de Bo­van aus Frank­reich … Me­dea von Col­chis … Und jetzt Da­gny Ar­cher aus Ka­li­for­ni­en! Ei­nes Ta­ges über­tref­fe ich sie al­le!«

Da­g­nys Er­nen­nung zur Staats­he­xe wur­de am nächs­ten Diens­tag in der Los An­ge­les Ti­mes ge­mel­det. Bob hat­te bis zu­letzt ge­hofft, die Mel­dung wer­de ir­gend­wo ganz klein ste­hen; statt des­sen prang­te sie auf der ers­ten Sei­te des Lo­kal­teils. Als Blick­fang diente ein Fo­to, das Da­gny mit ih­rer Siam­kat­ze Mar­ga­ri­ta zeig­te. Der jun­ge Re­por­ter, der sie in­ter­viewt hat­te, wies be­son­ders dar­auf hin, wie un­ge­wöhn­lich die äu­ße­re Er­schei­nung der neu­en Staats­he­xe Ka­li­for­ni­ens sei: ei­ne hüb­sche blon­de Haus­frau, nicht ei­ne häß­li­che al­te He­xe, wie man sie aus Mär­chen kann­te.

Mrs. Ar­cher hat­te dem Jour­na­lis­ten er­klärt, sie ha­be sich schon als Kind für das Ok­kul­te in­ter­es­siert und be­dau­re, daß die meis­ten Men­schen ei­ne ganz falsche Vor­stel­lung von He­xen hät­ten. Ob He­xen je­mand et­was an­tun könn­ten? Im Mit­tel­al­ter ha­be man ih­nen be­kannt­lich den bö­sen Blick nach­ge­sagt, aber die Wis­sen­schaft ha­be längst nach­ge­wie­sen, daß das, was man den He­xen vor­warf, nur der Aus­druck der bö­sen Trie­be ih­rer Mit­menschen war. Sie ver­kör­per­ten die un­be­wuß­te Schlech­tig­keit ih­rer Rich­ter.

Und wie sei das mit den so­ge­nann­ten ›Lie­bes­trän­ken‹ ge­we­sen?

Mrs. Ar­cher hat­te im­pul­siv ge­lacht und an­ge­deu­tet, Frau­en hät­ten doch wirk­sa­me­re Mit­tel zur Ver­fü­gung, um einen Mann an sich zu fes­seln.

Was ih­re Hob­bys be­traf, in­ter­es­sier­te sie sich ne­ben dem Ok­kul­ten vor al­lem fürs Thea­ter. Ob­wohl sie ei­ne ge­bo­re­ne Rus­sin war, war sie in Frank­reich auf­ge­wach­sen und hat­te ihr De­büt als Schau­spie­le­rin in Pa­ris ge­ge­ben.

»Mei­ne bes­te Rol­le war die Lau­ra in Strind­bergs Der Va­ter. Wie Sie wis­sen, war Lau­ra Strind­bergs Sur­ro­gat für sei­ne ers­te Frau.« (Sur­ro­gat, dach­te Bob. Das muß ich nach­schla­gen.) »Ei­ne fas­zi­nie­ren­de Rol­le, die mit größ­ter Zu­rück­hal­tung ge­spielt wer­den muß. Ei­ne bis zu­letzt be­herrsch­te Frau, die dann in dä­mo­ni­scher Wut die Ver­nich­tung ih­res Fein­des be­treibt.«

Bob muß­te zu­ge­ben, daß der Teil des Ar­ti­kels, der sich mit Da­gny be­faß­te, ziem­lich gut war. Aber er är­ger­te sich über den, der ihn be­traf.

Ja, ihr Mann war Astro­nom am Mount-El­si­no­re-Ob­ser­va­to­ri­um.

Und was er von Astro­lo­gie hal­te.

Mrs. Ar­cher fürch­te­te, sei­ne Mei­nung las­se sich in ei­nem an­ge­se­he­nen Blatt wie der Ti­mes lei­der nicht wie­der­ge­ben. Er sei je­den­falls ziem­lich skep­tisch. Zum Glück stand das ziem­lich am Schluß des Ar­ti­kels, wo es kaum je­mand le­sen wür­de.

Als Bob ins Bü­ro kam, wur­de ihm je­doch so­fort klar, daß al­le Kol­le­gen den ver­damm­ten Ar­ti­kel ge­le­sen hat­ten. Nie­mand sprach ihn ge­ra­de­wegs dar­auf an, aber Bob merk­te, daß die an­de­ren ihm aus dem Weg gin­gen.

Bob ver­schwand in sei­nem Bü­ro, schloß die Tür und mach­te sich an ei­ni­ge Be­rech­nun­gen über die Hya­den. Aber ob­wohl er sich zu kon­zen­trie­ren ver­such­te, blie­ben sei­ne Ge­dan­ken nie lan­ge bei Am­bro­sia, Eu­do­ra, Pe­di­le, Co­ro­nis, Po­ly­xo, Phy­to und Thye­ne, son­dern wan­der­ten zu ei­ner an­de­ren Nym­phe, die ihm et­wa 135 Licht­jah­re nä­her war und Da­gny Ar­cher hieß. Staats­he­xe! Er muß­te ver­lan­gen … nein, dar­auf be­ste­hen, daß sie auf der Stel­le von die­sem Amt zu­rück­trat, das sei­ne ei­ge­ne be­ruf­li­che Po­si­ti­on in­ner­halb kür­zes­ter Zeit schwer ge­fähr­den konn­te. Bob über­leg­te sich auf der Nach­hau­se­fahrt, was er al­les sa­gen wür­de.

Aber als er heim­kam, saß Da­gny am Te­le­fon, führ­te ein Fern­ge­spräch mit ir­gend­ei­nem Zau­be­rer oder Wer­wolf und durf­te auf kei­nen Fall ge­stört wer­den. Bob lun­ger­te ei­ne Wei­le in der Nä­he des Te­le­fons her­um, aber als sich zeig­te, daß die Ok­kul­ten eben­sol­che Ver­stän­di­gungs­schwie­rig­kei­ten wie ge­wöhn­li­che Sterb­li­che hat­ten, ver­schwand er in der Kü­che, um Trost bei der Fla­sche zu su­chen. Als ers­tes nahm er einen lan­gen Zug aus der Whis­kyfla­sche, dann mix­te er sich einen Drink und zog sich auf die Ve­ran­da zu­rück, um wie ein Gent­le­man zu trin­ken. Mar­ga­ri­ta, die im Ses­sel ge­gen­über dös­te, warf ihm einen gleich­gül­ti­gen Blick zu und schlief dann wei­ter.

Nach ei­ni­ger Zeit ge­sell­te sich Da­gny mit ih­rem Glas To­ma­ten­saft zu ihm. Sie rauch­te näm­lich nicht und trank kei­nen Al­ko­hol; sie ver­ab­scheu­te al­les, was ih­re Sin­nes­wahr­neh­mun­gen ir­gend­wie hät­te be­ein­flus­sen kön­nen.

»Ich fin­de die­ses wie­der­er­wach­te In­ter­es­se für das Ok­kul­te ein­fach be­geis­ternd!« schwärm­te sie. »Paß auf, es er­faßt noch ganz Ame­ri­ka. Und was ihr Astro­no­men manch­mal treibt, un­ter­schei­det sich ei­gent­lich gar nicht so sehr von un­se­rem Ok­kul­tis­mus. Wenn ich an Lep­to­nen, Qua­sa­re und die­se neu­en Din­ger, die … die schwar­zen Lö­cher den­ke …«

»Das ist für mich nichts Neu­es«, mur­mel­te Bob. »Ich hab’ mein Le­ben lang in ir­gend­ei­nem großen schwar­zen Loch rum­ge­grapscht.«

Da­gny spür­te so­fort, wie de­pri­miert er war.

»Ach, Ro­bert, sei doch nicht so un­aus­steh­lich! Gut, ich bin die Staats­he­xe von Ka­li­for­ni­en. Be­deu­tet das et­wa gleich den Welt­un­ter­gang? Was ist Wahr­heit? Wer will ent­schei­den, wer von uns bei­den recht hat? Schließ­lich gibt es auf je­de Fra­ge meh­re­re Ant­wor­ten.«

»Aber nicht für die­se!«

»Das ist un­fair«, pro­tes­tier­te Da­gny.

»Denk doch selbst nach, Lieb­ling!« for­der­te Bob sie hit­zig auf. »Wie kann ir­gend­ei­ne däm­li­che An­samm­lung von Ma­te­rie wie Ura­nus, der über drei Mil­li­ar­den Ki­lo­me­ter von uns ent­fernt ist, auch nur den ge­rings­ten Ein­fluß auf un­ser Le­ben ha­ben?«

Da­gny strei­chel­te Mar­ga­ri­ta.

»Du hast selbst ge­sagt, die Ent­de­ckung der Ra­dio­wel­len ha­be die Astro­no­mie re­vo­lu­tio­niert. Kann es nicht noch an­de­re Wel­len ge­ben, die uns eben­falls er­rei­chen? Bis­her un­be­kann­te Wel­len?«

»Viel­leicht«, gab Bob wi­der­wil­lig zu.

»Ich weiß, daß es wel­che gibt. Ich spü­re sie.«

Bob spür­te eben­falls ge­wis­se Schwin­gun­gen in sich, die al­ler­dings nicht kos­mi­schen Ur­sprun­ges wa­ren. Er war an­ge­trun­ken, und er wuß­te das. Mor­gen wür­de er sich scheuß­lich füh­len. Aber bis da­hin war noch lan­ge Zeit.

Er über­quer­te die Ve­ran­da et­was un­si­cher und zog Da­gny an sich. Sie war eben doch ein En­gel – oder ei­ne He­xe. Bob wuß­te es nicht, aber im Au­gen­blick war es ihm auch gleich­gül­tig.

Er hat­te rich­tig ver­mu­tet, daß er einen Ka­ter ha­ben wür­de. Aber dies­mal war es ein be­son­de­rer Ka­ter, der die hö­he­ren Ner­ven­zen­tren nicht wie sonst be­ein­fluß­te. Bob spür­te noch et­was vom Auf­trieb des ver­gan­ge­nen Abends. Et­was stand je­den­falls fest: Da­gny konn­te je­den Mann da­zu brin­gen, al­les zu tun, was sie nur woll­te – wenn sie sich Mü­he gab.

Er stürz­te sich mit neu­er Ener­gie auf die Hya­den. Beim letz­ten­mal hat­te er ent­mu­tigt auf­ge­ge­ben und sei­ne Be­rech­nun­gen in den Pa­pier­korb ge­wor­fen. Dies­mal kam er bes­ser vor­an. Er trieb sich un­barm­her­zig an. Als sei­ne Kol­le­gen schon längst nach Hau­se ge­fah­ren wa­ren, rech­ne­te er im­mer noch.

Je­mand klopf­te an sei­ne Tür.

Bob schrak auf. Hin­ter der Milch­glas-Schei­be zeich­ne­te sich ei­ne dunkle Sil­hou­et­te ab.

»Her­ein!«

Zu sei­ner Er­leich­te­rung war der Be­su­cher Mac­Gui­re. Mac­Gui­re ge­hör­te zu den we­ni­gen Kol­le­gen, die ihm wirk­lich sym­pa­thisch wa­ren.

Mac­Gui­re hat­te als Se­kre­tär des Ob­ser­va­to­ri­ums die un­dank­ba­re Auf­ga­be, das Be­ob­ach­tungs­pro­gramm für die Spie­gel­te­le­sko­pe auf dem Mt. El­si­no­re zu­sam­men­zu­stel­len. Astro­no­men ha­ben lei­der we­nig Ähn­lich­keit mit der Vor­stel­lung, die sich vie­le Leu­te von ih­nen ma­chen: über Klei­nig­kei­ten er­ha­be­ne große Geis­ter, die sich nur mit den Ster­nen be­fas­sen. In Wirk­lich­keit sind die meis­ten un­freund­li­che Ei­gen­bröt­ler, die sich nur für ihr Spe­zi­al­ge­biet und sonst nichts in­ter­es­sie­ren. Das mach­te es um so schwie­ri­ger, ein von al­len ak­zep­tier­tes Be­ob­ach­tungs­pro­gramm zu kon­zi­pie­ren. Die Astro­no­men be­ka­men sel­ten die Näch­te, die sie woll­ten, zu den Zei­ten, die ih­nen paß­ten, oder so vie­le, wie ih­nen ih­rer Mei­nung nach zu­stan­den.

Mac­Gui­res Ge­sichts­aus­druck war ernst, wie es ei­nem Mann an­steht, der schwe­re Ver­ant­wor­tung trägt. Er leg­te meh­re­re lan­ge Pa­pier­strei­fen auf Bobs Schreib­tisch. Je­der der Strei­fen be­deu­te­te ein be­stimm­tes Te­le­skop und war in Spal­ten und Qua­dra­te un­ter­teilt. Über je­der Spal­te stand ein Da­tum.

Et­wa die Hälf­te al­ler Qua­dra­te trug be­reits Na­mens­zei­chen. Mac­Gui­re zeig­te auf den Strei­fen mit dem Auf­druck 250 Zoll.

»Ich ha­be Sie für die drei Näch­te vom neun­und­zwan­zigs­ten bis drei­ßigs­ten Ju­li ein­ge­tra­gen. Okay?«

»Okay«, stimm­te Bob zu und no­tier­te sich die Ter­mi­ne in sei­nem Vor­merk­ka­len­der. »Und wie steht’s mit den an­de­ren?«

»Das sind al­le.«

»Das sind al­le?« Bob starr­te ihn ent­geis­tert an. »Was soll das hei­ßen, Mac? Sie wis­sen doch, daß ich mir M110 fo­to­me­trisch vor­neh­men will.«

»Tut mir leid, Bob. Aber dies­mal ist das gan­ze Pro­gramm durch­ein­an­der.«

»Das ist es je­des­mal!«

»Rich­tig, aber dies­mal ist der Wirr­warr noch grö­ßer. Weil Thorn­ton nach Ha­waii fliegt, wis­sen Sie.«

»Nein, das hab’ ich nicht ge­wußt.«

»Ich auch nicht, bis er mich letz­te Wo­che da­mit über­rascht hat.«

»Was will er denn in Ha­waii?«

»Ju­pi­ter be­deckt am Mor­gen des Ein­und­drei­ßigs­ten einen Stern sechs­ter Grö­ße. Thorn­ton möch­te die­sen Vor­gang durch das neue Te­le­skop be­ob­ach­ten, das er für Mt. Mau­na Kea kon­stru­iert hat. Das ist die bes­te Ge­le­gen­heit seit Jah­ren, die Dich­te der Ju­pi­te­rat­mo­sphä­re zu be­stim­men.«

»Der Teu­fel soll die Ju­pi­te­rat­mo­sphä­re ho­len! Au­ßer­dem kann er die auch hier be­ob­ach­ten.«

»Nein. Die Pa­zi­fik­küs­te liegt bei Be­ginn der Be­de­ckung be­reits in der Mor­gen­däm­me­rung.«

»Und was hat das al­les mit mir zu tun?«

Mac­Gui­re mach­te ein un­glück­li­ches Ge­sicht.

»Er braucht wei­te­re Spek­tral­auf­nah­men von sei­nem neu­en Stern­hau­fen. Bis­her exis­tiert nur ei­ne ein­zi­ge gu­te, aber wenn wei­te­re sie be­stä­ti­gen, ist der Nach­weis für sein Mo­del­lu­ni­ver­sum ge­si­chert.«

»Ich ver­ste­he noch im­mer nicht …«

»Des­halb hat Thorn­ton als Vor­sit­zen­der des Pro­gramm­ko­mi­tees ge­dacht, Sie könn­ten viel­leicht …«

»Ich könn­te viel­leicht!«

»Bob, dar­an ist wirk­lich nur die­se ver­damm­te Be­de­ckung schuld.«

»Soll das hei­ßen, daß ich als … als Thorn­tons As­sis­tent ar­bei­ten soll?«

Mac­Gui­re zuck­te un­be­hag­lich mit den Schul­tern.

»Hö­ren Sie, Bob, wir … wir müß­ten auch noch über et­was an­de­res re­den«, fuhr er zö­gernd fort.

Bob starr­te fins­ter ge­ra­de­aus.

»Wie Sie wis­sen, sind wir hier in man­cher Be­zie­hung recht nach­sich­tig«, sag­te Mac­Gui­re. »Wir drücken ein Au­ge zu, wenn sich je­mand einen antrinkt oder sei­ne Freun­din mit ins Ob­ser­va­to­ri­um bringt. Aber es gibt et­was, das man in ei­ner rein wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tu­ti­on auf kei­nen Fall tun darf: Astro­no­mie und Astro­lo­gie ver­men­gen.«

»Mei­nen Sie da­mit zu­fäl­lig mei­ne Frau?«

Mac­Gui­re nick­te trau­rig.

»Aber das ist doch nicht mei­ne Schuld, ver­dammt noch mal!« pro­tes­tier­te Bob. »Mac, ich bin ge­nau­so da­ge­gen wie …«

»Klar, Bob, das ha­be ich dem Ko­mi­tee auch ge­sagt. Und wenn Thorn­ton nicht ge­we­sen wä­re, hät­te es viel­leicht gar kei­ne Schwie­rig­kei­ten ge­ge­ben.«

»Thorn­ton?«

»Sie wis­sen doch, daß er ver­sucht hat, aus dem Aus­schuß für astro­no­mi­sche Pro­jek­te ein paar Mil­lio­nen für einen Schwer­kraft­wel­len­de­tek­tor her­aus­zu­lo­cken. Der AAP will von Jahr zu Jahr we­ni­ger Mit­tel be­wil­li­gen, aber Thorn­ton hat na­tür­lich gu­te Be­zie­hun­gen. Das Ren­nen schi­en be­reits ge­lau­fen zu sein, als be­kannt wur­de, daß Da­gny zur Staats­he­xe von Ka­li­for­ni­en er­nannt wor­den ist.

Nun, da­mit war al­les ver­lo­ren. Die Ab­ge­ord­ne­ten ha­ben uns aus­ge­lacht. Sie ha­ben be­haup­tet, wir sei­en auch nicht bes­ser als die­se an­de­ren Spin­ner.«

Bob run­zel­te die Stirn.

»Ei­ne Fra­ge, Mac. Hat Thorn­ton Da­gny na­ment­lich er­wähnt?«

»Hmmm, dar­an kann man sich nicht oh­ne wei­te­res er­in­nern …«

»Hat er von ihr ge­spro­chen?«

»Das möch­te ich nicht aus­schlie­ßen …«

Bob sprang auf.

»Die­ser Schwei­ne­hund! Da­für rei­ße ich ihm den Arsch auf!«

Aber Mac­Gui­re stieß ihn in sei­nen Ses­sel zu­rück.

»Nein, erst hö­ren Sie mir ganz ru­hig zu«, sag­te er streng. »Den­ken Sie ge­fäl­ligst erst ein­mal nach, be­vor Sie hier hand­greif­lich wer­den.«

Bobs Al­ko­hol­ka­ter mach­te sich plötz­lich doch noch be­merk­bar. Sei­ne Hän­de, sei­ne Ar­me be­gan­nen zu zit­tern. Er konn­te die­ses Zit­tern nicht un­ter­drücken.

»Ich kün­di­ge«, sag­te er be­nom­men.

Mac­Gui­re klopf­te ihm auf die Schul­ter.

»Un­sinn, Bob. Fah­ren Sie nach Hau­se. Trin­ken Sie einen. Ich glau­be, daß Sie einen an­stän­di­gen Drink nö­tig ha­ben.«

Bob gab kei­ne Ant­wort.

Da­gny und Mar­ga­ri­ta sa­ßen auf der Ve­ran­da, als Bob sich mit ei­nem Drink zu ih­nen ge­sell­te. Da­gny schlürf­te To­ma­ten­saft mit Eis­wür­feln. Mar­ga­ri­ta, die zu­sam­men­ge­rollt auf ih­rem Schoß lag, nahm Bobs An­we­sen­heit nur flüch­tig zur Kennt­nis und schlief dann wei­ter.

»Du hast al­so heu­te Är­ger im Bü­ro ge­habt?« er­kun­dig­te sich Da­gny.

Bob wünsch­te sich, ih­ren Ge­sichts­aus­druck zu er­ken­nen, aber auf der Ve­ran­da war es zu dun­kel.

»Ich glau­be, du bist tat­säch­lich ei­ne He­xe«, mur­mel­te er.

Da­gny lach­te.

»Es gibt Din­ge, die man weiß, oh­ne ei­ne He­xe zu sein. Manch­mal ge­nügt es schon, Ehe­frau zu sein.«

Bob mach­te sei­nem Her­zen Luft. Da­gny hör­te sich die gan­ze Ge­schich­te schwei­gend an.

»So sieht’s aus«, schloß er. »Thorn­ton ist zur Ju­pi­ter­be­ob­ach­tung auf Ha­waii, wäh­rend ich hier sei­ne gan­ze Ar­beit ma­che!«

»Ist das wirk­lich so schlimm?«

»Schlimm? Das ist ei­ne Schan­de!«

»Warum sprichst du nicht selbst mit Dok­tor Thorn­ton? Viel­leicht läßt er mit sich re­den.«

»Mit ei­nem Kerl wie Thorn­ton kann man nicht ver­nünf­tig re­den.«

»Ist er so ein Un­ge­heu­er?«

»Nein. In man­cher Be­zie­hung ist er gar nicht übel. Nur un­mensch­lich, das ist al­les.«

»Aus­ge­schlos­sen!« pro­tes­tier­te Da­gny.

»Frei­lich, er hat auch mensch­li­che Zü­ge. So­viel ich ge­hört ha­be, trinkt er manch­mal ein biß­chen zu­viel.« Bob starr­te in sein lee­res Glas.

Da­gny schwieg nach­denk­lich.

»Hast du dir schon ein­mal über­legt, daß dein Dok­tor Thorn­ton viel­leicht gar nicht so ist, wie er wirkt?« frag­te sie nach ei­ni­gen Mi­nu­ten. »Sei­ne Herrsch­sucht dient viel­leicht nur da­zu, et­was an­de­res zu tar­nen. Ich glau­be, daß er im Grun­de sei­nes We­sens sehr un­si­cher ist.«

Bob zuck­te mit den Schul­tern. Ihm war längst et­was an­de­res ein­ge­fal­len.

»Hör zu, du bist doch ei­ne He­xe, nicht wahr?« frag­te er.

Da­gny gab kei­ne Ant­wort.

»Und du hast doch noch Thorn­tons Bild?«

Sie mach­te ei­ne va­ge Hand­be­we­gung. »Ir­gend­wo.«

»Wor­auf war­test du dann noch?« frag­te Bob. »Komm, ich möch­te se­hen, was an der He­xe­rei dran ist.«

»Was schlägst du vor?«

»Das ist dei­ne Sa­che!« rief Bob un­ge­dul­dig. »Du sollst ihn ver­he­xen. Weißt du kei­nen wirk­sa­men Zau­ber?«

»Ich ver­ste­he nicht, was du …«

»Ich hab’ schon oft ge­le­sen, wie so was funk­tio­niert. Da ist al­so ein Kerl, den man nicht lei­den kann. Man be­sorgt sich sein Bild. Man sticht ei­ne Na­del …«

Er sprach be­geis­tert wei­ter, oh­ne zu mer­ken, daß sei­ne Frau ihr Ge­sicht in den Hän­den be­grub. Großer Gott, jetzt hat­te er’s wie­der ge­schafft!

Bob eil­te zu ihr und er­griff ih­re Hän­de. Da­gny schluchz­te … sie schluchz­te wirk­lich! Dies­mal spiel­te sie kei­ne Rol­le. Er fühl­te ih­re Trä­nen, die auf sei­ne Hän­de tropf­ten.

»Da­gny … Liebs­te … Das war nur Spaß. Ehr­lich! Ich dach­te, du wüß­test, daß das nicht mein Ernst ist.«

Die­se Frau in sei­nen Ar­men war nicht die Staats­he­xe von Ka­li­for­ni­en. Sie war Da­gny, sei­ne Frau, der Mensch, den er am meis­ten lieb­te.

»Du kannst ru­hig mit dei­ner He­xe­rei wei­ter­ma­chen«, sag­te er grim­mig. »Wenn ich’s mir über­le­ge, bist du auf dei­nem Ge­biet viel bes­ser als ich auf mei­nem.«

Er küß­te ihr die Trä­nen von den Wan­gen.

»Weißt du, was wir tun?« rief er. »Wir ver­brin­gen mei­ne drei Ta­ge auf dem Berg ge­mein­sam. Ich las­se uns gleich ein Zim­mer re­ser­vie­ren. Wenn ich Thorn­tons Ar­beit tun muß, ist es halb so schlimm, wenn du bei mir bist.«

Er sah sie be­sorgt an. »Ein­ver­stan­den?«

Da­gny nick­te.

»Wun­der­bar!«

Da­gny ging früh ins Bett. Bob ging in die Bi­blio­thek, ließ sich in einen Ses­sel fal­len und ver­such­te, sei­ne aus den Fu­gen ge­ra­te­ne Welt wie­der zu­recht­zu­rück­en. Viel­leicht noch ein Drink … nein, lie­ber nicht. Viel­leicht ein Buch.

Er nahm eins von Da­g­nys Bü­chern über Zau­be­rei aus dem Re­gal, blät­ter­te dar­in her­um und las den erst­bes­ten Ab­satz, der ihm ins Au­ge fiel. ASTRAL­FLUG: Das ei­gen­ar­ti­ge am As­tral­flug ist die Tat­sa­che, daß er von wis­sen­schaft­lich ge­schul­ten Men­schen in­tui­tiv ab­ge­lehnt wird, ob­wohl zahl­rei­che Be­wei­se für ihn spre­chen. Tat­säch­lich wür­den die vor­han­de­nen Be­wei­se als über­wäl­ti­gend gel­ten müs­sen, wenn die­ses Phä­no­men nicht so un­wahr­schein­lich wä­re. All­ge­mein läßt sich fest­stel­len, daß …

Wie konn­te ein so in­tel­li­gen­ter Mensch wie Da­gny sol­chen Blöd­sinn glau­ben?

Sein Blick fiel auf die Sonn­tags­aus­ga­be der Ti­mes, die mit Thorn­tons Bild nach oben auf dem Tisch lag. Quer über Thorn­tons Ge­sicht zeich­ne­te sich ein ei­gen­ar­tig ga­bel­för­mi­ger Schat­ten ab.

Das kam Bob ir­gend­wie be­kannt vor. Aber warum?

Jea­net­tes Hän­de! Da­gny hat­te ihm ver­spro­chen, einen an­de­ren Platz da­für zu su­chen, und hat­te Wort ge­hal­ten. Jetzt stan­den sie mit ge­spreiz­ten Fin­gern ne­ben der Tisch­lam­pe.

Bob schlug das Buch wie­der auf und las an ei­ner an­de­ren Stel­le wei­ter:

die Hand­hal­tung, bei der Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger ge­streckt sind, ver­kör­pert Gott und den ver­voll­komm­ne­ten Men­schen, die ih­ren Se­gen spen­den. Aber wie al­le Kräf­te der phy­si­schen Welt kann die­ser Se­gen auch zum Fluch wer­den. Wird die Hand näm­lich so ge­ho­ben, daß der Schat­ten der bei­den Fin­ger Kopf und Hör­ner der Zie­ge Ba­ph­ho­met dar­stellt, ist der Per­son, auf die die­ser Schat­ten fällt, ein schreck­li­ches Schick­sal ge­wiß.

 

Für Bob war die Fahrt auf der kur­ven­rei­chen Stra­ße zum Ob­ser­va­to­ri­um hin­auf nur noch ein Teil sei­ner Ar­beit. Der ers­te Blick auf die wei­ßen Kup­pen hoch über ih­nen jag­te ihm kei­nen er­war­tungs­vol­len Schau­er mehr über den Rücken. Aber daß Da­gny ihn dies­mal be­glei­te­te, war et­was Be­son­de­res, denn sie kam sel­ten mit, wenn er zum Mt. El­si­no­re fuhr. Für sie war Astro­no­mie kei­ne Wis­sen­schaft, son­dern ein Ge­heim­nis, ob­wohl sie sich durch ihr In­ter­es­se für Astro­lo­gie fun­dier­te astro­no­mi­sche Grund­kennt­nis­se hat­te an­eig­nen müs­sen. Sie wuß­te nicht nur über Ster­ne, Pla­ne­ten und Stern­bil­der Be­scheid, son­dern ver­stand auch Fach­aus­drücke wie Stun­den­win­kel, si­de­ri­sche Zeit, De­kli­nia­ti­on oder Spek­tral­typ.

Die Au­ßen­tem­pe­ra­tur nahm rasch ab, je hö­her sie ka­men. In 1500 Me­ter Hö­he er­schie­nen die ers­ten Ne­bel­strei­fen, und bei 2000 Me­ter war der Ne­bel so dicht ge­wor­den, daß Bob nur noch Schrit­tem­po fah­ren konn­te.

Da­gny war be­geis­tert. Hier im Ne­bel schie­nen sie von der rea­len Welt iso­liert zu sein. Ein­mal sa­hen sie ein wei­ßes Eich­hörn­chen auf ei­nem Ast am Stra­ßen­rand sit­zen.

Nach dem Mit­tages­sen im Berg­ho­tel er­klär­te Bob sei­ner Frau, er müs­se jetzt ins Ob­ser­va­to­ri­um, wo sei­ne Kol­le­gen, die für die­se Be­ob­ach­tungs­pe­ri­ode ein­ge­teilt wa­ren, sich auf­hiel­ten. Auch die Tech­ni­ker und As­sis­ten­ten, die stän­dig hier ar­bei­te­ten, wohn­ten im Ob­ser­va­to­ri­um.

»Warum gehst du über­haupt hin?« frag­te Da­gny, wäh­rend sie aus­pack­te. »Der Ne­bel ist so dicht, daß man vom Fens­ter aus kaum un­se­ren Wa­gen sieht.«

»Das ist ei­ne Fra­ge des Prin­zips«, er­klär­te Bob und zog sich um, weil er im Ob­ser­va­to­ri­um lie­ber be­que­me al­te Sa­chen an­hat­te. »Astro­no­men tref­fen ih­re Vor­be­rei­tun­gen un­ab­hän­gig vom Wet­ter. Der Ne­bel könn­te in ei­ner Vier­tel­stun­de auf­rei­ßen. Wo wä­re ich dann, wenn ich nichts vor­be­rei­tet hät­te?«

»Pein­lich«, mur­mel­te Da­gny.

Bob lach­te, als ihm et­was ein­fiel.

»Ich weiß noch, wie ich zur Be­ob­ach­tung ei­ner Son­nen­fins­ter­nis in Neu­gui­nea war«, sag­te er. »Da­mals war ich al­ler­dings noch Stu­dent. Am Mor­gen des ent­schei­den­den Ta­ges war die Wol­ken­de­cke so dicht, daß nicht ein­mal die Son­ne zu se­hen war. Ich hät­te am liebs­ten zu­sam­men­ge­packt. Der Ex­pe­di­ti­ons­lei­ter aber hat uns an­ge­fah­ren, wir soll­ten ge­fäl­ligst wei­ter­ma­chen. Wir ha­ben uns al­so an den aus­ge­ar­bei­te­ten Zeit­plan ge­hal­ten – und we­ni­ge Mi­nu­ten vor Ein­tritt der to­ta­len Son­nen­fins­ter­nis ist die Wol­ken­de­cke wie durch ein Wun­der auf­ge­ris­sen. Da­mit war das gan­ze Be­ob­ach­tungs­pro­gramm ge­ret­tet.«

Bob mach­te ei­ne Pau­se. Als Da­gny sich nicht da­zu äu­ßer­te, ging er ver­le­gen zur Tür.

Da­gny run­zel­te die Stirn, wäh­rend sie die auf dem Bett ver­streu­ten Toi­let­ten­ar­ti­kel und Klei­dungs­stücke be­trach­tete.

»Ich hab’ die Zahn­cre­me ver­ges­sen!« rief sie.

Bob fühl­te sich ge­de­mü­tigt und her­ab­ge­setzt, wenn er dar­an dach­te, daß er an Thorn­tons Pro­gramm mit­ar­bei­ten soll­te. Aber so­bald er ein­ge­wil­ligt hat­te, spiel­ten die Per­so­nen der Be­tei­lig­ten kei­ne Rol­le mehr. Bob nahm sich vor, die Be­ob­ach­tun­gen so gut wie ir­gend mög­lich durch­zu­füh­ren – ge­nau wie ein Chir­urg, der einen Feind so gut wie einen Freund ope­rier­te. Soll­te das Wet­ter je­doch die Be­ob­ach­tun­gen ver­hin­dern, war das nicht sei­ne Schuld.

Bei Son­nen­un­ter­gang lös­te sich der Ne­bel auf, und der Abend­him­mel wur­de kris­tall­klar. Bob war­te­te noch ei­ne Wei­le, be­vor er sei­nen Nachtas­sis­ten­ten im Ob­ser­va­to­ri­um an­rief und ihn an­wies, die Kup­pel des großen Spie­gel­te­le­skops zu öff­nen. Aber er hat­te kaum die hal­be Mei­le zum Ob­ser­va­to­ri­um zu­rück­ge­legt, als wie­der Ne­bel auf­stieg. Und so ging es die gan­ze Nacht wei­ter: Ne­bel, kla­rer Him­mel, wie­der Ne­bel, es ge­lang ihm kei­ne ein­zi­ge gut be­lich­te­te Auf­nah­me. Im Mor­gen­grau­en kam er mü­der und frus­trier­ter ins Ho­tel zu­rück, als wenn er die gan­ze Nacht an­ge­strengt ge­ar­bei­tet hät­te.

Er schlich sich so lei­se wie mög­lich ins Zim­mer, um Da­gny nicht zu we­cken. Seit Mit­ter­nacht hat­te er sich auf den Au­gen­blick ge­freut, in dem er in sei­ner Hälf­te des Dop­pel­betts un­ter die De­cke krie­chen und die Ster­ne ver­ges­sen konn­te. Aber wie schon so oft nach an­stren­gen­den Be­ob­ach­tungs­näch­ten war er in dem Mo­ment hell­wach, in dem sein Kopf das Kis­sen be­rühr­te. Manch­mal kam er sich ge­ra­de­zu schi­zo­phren vor: Sein wa­ches Ich lag ne­ben dem an­de­ren, das fried­lich träum­te. Schließ­lich ver­fiel er doch in un­ru­hi­gen Schlaf, aus dem er ge­gen Mit­tag er­wach­te. Da­gny war fort, und die Land­schaft sah so trost­los aus wie zu­vor.

Da­gny kam zu­rück, als er sich ra­sier­te. Sie war mun­ter und fröh­lich und brach­te Tan­nen­duft von drau­ßen mit.

Sie hat­te un­ten am Emp­fang An­sichts­kar­ten ge­kauft.

»Lau­ter Tier­fo­tos«, sag­te sie und brei­te­te die Kar­ten aus. »Füch­se, Re­he, Eich­hörn­chen – und Blu­men.«

»Ja, das se­he ich.«

»War’s schlimm heu­te nacht?«

Bob nick­te.

»Ei­ne schreck­li­che Nacht. Über­haupt kein Glück.«

Die zwei­te Nacht war ei­ne Wie­der­ho­lung der ers­ten. Bob setz­te ein ent­spre­chend trüb­se­li­ges Ge­sicht auf und be­dau­er­te sei­ne Kol­le­gen, die an den an­de­ren Te­le­sko­pen ar­bei­ten woll­ten. Aber in Wirk­lich­keit muß­te er sich be­herr­schen, um nicht lauthals zu la­chen. Noch ei­ne Nacht die­ser Art, dann war Thorn­tons Auf­trag er­le­digt, und er selbst konn­te mit rei­nem Ge­wis­sen ab­fah­ren. Au­ßer­dem schlief er in die­ser Nacht gut und war beim Es­sen bes­ter Lau­ne. (Früh­stück für Bob; Mit­tages­sen für Da­gny.)

Nach dem Abendes­sen am 31. rief er im Ob­ser­va­to­ri­um an. »Wir blei­ben bis zwei Uhr auf«, er­klär­te er sei­nem Nachtas­sis­ten­ten. »Wenn es dann nicht bes­ser aus­sieht, ma­chen wir für die­se Nacht Schluß.«

Da­gny und er setz­ten sich vor den al­ten Fern­se­her, den die Ho­tel­di­rek­ti­on ih­nen ins Zim­mer ge­stellt hat­te. Zu ih­rem Ent­zücken ent­deck­ten sie in ei­nem Pro­gramm einen al­ten Film aus ih­rer Flit­ter­wo­chen­zeit. Sie hiel­ten bald Händ­chen und wech­sel­ten weh­mü­ti­ge Bli­cke. Selbst die Wer­be­spots wa­ren ih­nen will­kom­men, weil sie Bob Ge­le­gen­heit ga­ben, nach dem Wet­ter zu se­hen. Zu sei­nem Ver­gnü­gen sah er sich je­des­mal ei­ner Ne­bel­wand vor dem Fens­ter kon­fron­tiert.

Nach dem Hap­py-End ge­gen elf Uhr fand er die Welt je­doch ver­wan­delt: Die Lich­ter im Tal wa­ren bis zum Ho­ri­zont sicht­bar, und über ih­nen die Stern­bil­der Schwan und Lei­er.

»Ju­pi­ter«, flüs­ter­te Da­gny und starr­te den rie­si­gen gel­ben Stern im Os­ten ehr­fürch­tig an.

»Rich­tig«, stimm­te Bob zu, »Ju­pi­ter steht im Stein­bock. Er ist auf­ge­gan­gen.«

»Was Dok­tor Thorn­ton jetzt wohl in Ha­waii tut?«

»Wahr­schein­lich nicht viel. Die Stern­be­de­ckung tritt erst ein, wenn es hier schon hell ist.«

Dann ver­schwan­den die Lich­ter im Tal plötz­lich. Auch Ju­pi­ter war nicht mehr zu se­hen. In­ner­halb we­ni­ger Se­kun­den war die Welt wie­der so grau und un­durch­sich­tig wie zu­vor.

Bob sah auf die Uhr. Noch drei Stun­den, dann war er wie­der frei. Er mix­te sich einen Drink; Da­gny blieb bei To­ma­ten­saft. Als Bob ihr das Glas brach­te, zog sie ihn zu sich her­ab und küß­te ihn.

Ei­ne schö­ne Nacht, dach­te Bob, als er Da­gny la­chend zum Bett trug. Ob Ne­bel oder nicht …

Bob wach­te müh­sam auf und kämpf­te sich durch ei­ne zä­he Mas­se vor­an, die ihn fest­hal­ten woll­te. Ir­gend­wo klin­gel­te et­was.

Er bil­de­te sich zu­nächst ein, das schril­le Klin­geln ge­hö­re zu ei­nem Traum, dann be­griff er, worum es sich han­del­te: das Te­le­fon.

Er tas­te­te nach dem Te­le­fon­hö­rer.

»Soll ich auf­ma­chen, Dok­tor Ar­cher?« frag­te der Nachtas­sis­tent des 250-Zoll-Te­le­skops.

»Ich dach­te, wir hät­ten wie­der Ne­bel.«

»Der ist seit mehr als ei­ner Stun­de weg.«

»Gut, fan­gen Sie bit­te mit der Ein­stel­lung an. Ich bin gleich drü­ben.«

Das war ei­ne leich­te Über­trei­bung. Bob hat­te nicht da­mit ge­rech­net, sich in al­ler Ei­le an­zie­hen zu müs­sen, und sei­ne Klei­dungs­stücke wa­ren im gan­zen Zim­mer ver­streut. Au­ßer­dem muß­te er lei­se sein, weil er Da­gny nicht we­cken woll­te. Ihr Haar be­deck­te fast ihr gan­zes Ge­sicht, so daß Bob nur das Pro­fil auf dem Kis­sen sah. Wie still sie dalag! Ih­re lan­gen dunklen Wim­pern so un­be­weg­lich wie die ei­ner Pup­pe. Die Bett­de­cke hob und senk­te sich nicht im ge­rings­ten, als ob Da­gny über­haupt nicht at­me­te.

Er be­schloß zu Fuß zu ge­hen, an­statt mit dem Au­to zu fah­ren. Ihr al­ter Wa­gen war oh­ne­hin viel zu laut. Und auf dem Fuß­weg zum Ob­ser­va­to­ri­um brauch­te er be­stimmt nicht viel län­ger.

Aber er hat­te nicht mit der dün­nen Hö­hen­luft ge­rech­net. Bis er die Kup­pel er­reich­te und die lan­ge Trep­pe zum Kon­troll­pult hin­ter sich brach­te, keuch­te er und rang nach Atem. Er hing über dem Ei­sen­ge­län­der, von dem das Spie­gel­te­le­skop um­ge­ben war, und kam sich wie ein Bo­xer vor, der grog­gy in den Sei­len hängt.

Die Kup­pel war of­fen, aber das Te­le­skop stand wie üb­lich senk­recht.

»Warum ha­ben Sie’s nicht ein­ge­stellt?« frag­te Bob, als er wie­der spre­chen konn­te.

Der Nachtas­sis­tent klopf­te sei­ne Pfei­fe aus. »Ich hat­te die Po­si­ti­on nicht.«

»Ich ha­be sie hier auf den Schreib­tisch ge­legt!«

»Tut mir leid, ich ha­be sie nir­gends ge­se­hen.«

Dann folg­ten auf­re­gen­de zehn Mi­nu­ten, in de­nen sie den gan­zen Schreib­tisch, den Fuß­bo­den um den Schreib­tisch her­um, die Schub­la­den, das Be­ob­ach­tungs­buch und dann auch noch die Dun­kel­kam­mer und das WC durch­such­ten. Aber die wich­ti­gen In­for­ma­tio­nen, oh­ne die man den win­zi­gen Licht­punkt weit au­ßer­halb der Wahr­neh­mungs­fä­hig­keit des mensch­li­chen Au­ges nicht an­vi­sie­ren konn­te, blie­ben ver­schwun­den. Das ließ nur einen Schluß zu: Bei sei­nem has­ti­gen Auf­bruch hat­te Bob die Ein­stel­lung und die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­kar­te im Ho­tel­zim­mer lie­gen­las­sen.

Was soll­ten sie tun?

Min­des­tens ei­ne Stun­de wür­de ver­ge­hen, wenn er die Un­ter­la­gen aus dem Ho­tel ho­len, das Spie­gel­te­le­skop ein­stel­len und die Auf­nah­me be­gin­nen woll­te – viel­leicht so­gar län­ger, weil er das be­tref­fen­de Stern­feld nicht kann­te und sein Ob­jekt un­ter Um­stän­den nicht so­fort wür­de iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Im Ju­li wird es früh hell. Er konn­te na­tür­lich an­ru­fen und Da­gny bit­ten, ihm die Wer­te durch­zu­ge­ben, aber die Po­si­ti­on des Stern­fel­des war prak­tisch wert­los, so­lan­ge die da­zu­ge­hö­ri­ge Iden­ti­fi­ka­ti­ons­kar­te fehl­te. Das ge­such­te Ob­jekt konn­te ir­gend­ei­ner von ei­nem Dut­zend Ster­ne sein.

Bob such­te eben zum drit­ten­mal sei­ne Ta­schen durch, als er die Eis­en­tür am Fuß der Trep­pe ins Schloß fal­len hör­te. Einen Au­gen­blick lang herrsch­te Stil­le, dann ka­men lang­sa­me Schrit­te die Trep­pe her­auf. Er und der Nachtas­sis­tent wech­sel­ten einen fra­gen­den Blick.

»Je­mand von den bei­den an­de­ren Te­le­sko­pen?« frag­te Bob.

Der As­sis­tent schüt­tel­te nach­drück­lich den Kopf. »Be­stimmt nicht. Die ha­ben schon Schluß ge­macht.«

»Es muß aber je­mand von hier sein. Wer hät­te sonst einen Schlüs­sel?«

»Kei­ne Ah­nung«, mur­mel­te der As­sis­tent. »Aber das wird sich gleich her­aus­stel­len.«

Er schal­te­te die Kup­pel­be­leuch­tung aus, so daß nur noch die In­stru­men­te schwachröt­lich leuch­te­ten. Bob hör­te ihn die ei­ser­ne Wen­del­trep­pe bis zum Ab­satz auf hal­ber Hö­he hin­un­terei­len. Dort wa­ren halb­lau­te Stim­men zu hö­ren, dann ent­fern­ten sich Schrit­te trepp­ab, wäh­rend der As­sis­tent zu­rück­kehr­te. Er gab Bob einen Um­schlag.

»Sind das die Un­ter­la­gen, die Sie brau­chen?«

Bob warf einen Blick in den Um­schlag.

»Al­les da!« rief er. »Aber wer …«

»Kei­ne Ah­nung. Ei­ne blon­de Da­me hat ihn mir ge­ge­ben.«

Das muß Da­gny ge­we­sen sein. Sie war ver­mut­lich auf­ge­wacht, hat­te den Um­schlag auf der Kom­mo­de ge­se­hen, Bobs Not­la­ge er­kannt und war mit dem Au­to her­über­ge­kom­men. Sie wuß­te, daß im Hand­schuh­fach ein Schlüs­sel zur Kup­pel lag.

Bob warf einen Blick auf die Stand­uhr. Fast 23 Uhr. Sie wür­den rasch ar­bei­ten müs­sen.

»Gut, hier ist sie al­so«, er­klär­te er dem As­sis­ten­ten und gab ihm die ge­naue Po­si­ti­on.

»Ste­phans Quin­tett, was?« frag­te der an­de­re.

»Ste­phans Quin­tett? – Nein! Un­ser Ob­jekt liegt viel wei­ter nörd­lich im Pe­ga­sus.«

»Die Ko­or­di­na­ten se­hen aber wie die von Ste­phans Quin­tett aus«, stell­te der As­sis­tent fest. »Ich ha­be sie schon oft ge­nug ein­ge­stellt.«

Bob run­zel­te die Stirn, wäh­rend er die Zah­len auf dem Pa­pier­strei­fen be­trach­te­te. »Das ist doch Thorn­tons Schrift, oder?«

Der As­sis­tent blät­ter­te im Be­ob­ach­tungs­buch.

»Das wird sich gleich her­aus­stel­len.«

Er zeig­te auf ei­ne von Thorn­ton ab­ge­zeich­ne­te Ein­tra­gung.

»Ja, das ist sei­ne Schrift«, sag­te er. »Die Zah­len sind ty­pisch für ihn – die ge­schlos­se­ne Vier schreibt nur er. Al­le an­de­ren las­sen sie oben of­fen.«

»Ich ha­be die Ein­stel­lung di­rekt von Mac­Gui­re be­kom­men«, er­klär­te ihm Bob, »und Mac­Gui­re hat­te sie di­rekt von Thorn­ton. Folg­lich bleibt uns nichts an­de­res üb­rig, als Ste­phans Quin­tett ein­zu­stel­len.«

Da­nach ka­men sie schnell vor­an. We­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter ver­glich Bob die Ster­ne im Blick­feld des Spie­gel­te­le­skops mit de­nen auf sei­nem Ne­ga­ti­v­ab­zug. Zum Glück war das Ob­jekt leicht zu iden­ti­fi­zie­ren. Er ma­nö­vrier­te das Ab­bild in den Spek­tro­gra­fen, such­te sich einen Leit­stern und schaff­te kurz vor Ta­ges­an­bruch noch zwei Auf­nah­men.

»Fer­tig!« rief Bob dem As­sis­ten­ten tri­um­phie­rend zu. »Sie kön­nen zu­ma­chen und nach Hau­se ge­hen!«

Bob blieb in der Dun­kel­kam­mer, um die Plat­ten zu ent­wi­ckeln und zu trock­nen. Auf die­se Wei­se wa­ren sie ge­gen Mit­tag tro­cken, so daß Da­gny und er gleich nach dem Mit­tages­sen zu­rück­fah­ren konn­ten. Ein Blick auf die dunklen Strei­fen auf den Glä­sern zeig­te ihm, daß er Be­lich­tung und Tie­fen­schär­fe ge­nau rich­tig ein­ge­stellt hat­te.

 

Bob setz­te Da­gny zu Hau­se ab, zog sich um und fuhr ins Bü­ro.

»Ich kom­me be­stimmt erst spät nach Hau­se«, er­klär­te er ihr. »Ich will mir die­se Auf­nah­men ge­nau an­se­hen.«

Es war gut, daß er Da­gny ge­warnt hat­te, denn er kam erst zu­rück, als es schon dun­kel wur­de. Nach der Küh­le auf Mt. El­si­no­re kam ihm das Tal wie ein Back­ofen vor. Bobs Hemd war völ­lig durch­ge­schwitzt. Da­gny, die ein leich­tes Kleid im Em­pi­re­stil trug, wirk­te kühl und hei­ter wie ei­ne an­ti­ke Göt­tin.

Sie sa­ßen ei­ni­ge Mi­nu­ten schwei­gend auf der Ve­ran­da. Bob trank einen Scotch mit So­da, Da­gny blieb wie üb­lich bei To­ma­ten­saft.

Bob sprach als ers­ter.

»In den ver­gan­ge­nen drei Ta­gen ist ei­ne Men­ge pas­siert«, sag­te er.

»So?« frag­te Da­gny und strei­chel­te Mar­ga­ri­tas sei­di­ges Fell.

»Hast du schon von Thorn­ton ge­hört?«

Da­gny schüt­tel­te den Kopf.

»Thorn­ton hat die Be­de­ckung nicht be­ob­ach­ten kön­nen.«

»Nein? War der Him­mel über Ha­waii auch be­wölkt?«

»Thorn­ton ist tot.«

Da­gny strei­chel­te Mar­ga­ri­tas Fell.

»Tot? – Aber wie …«

Bob zö­ger­te.

»Das steht noch nicht fest. Thorn­ton scheint ei­ne klei­ne Pau­se in der Bi­blio­thek des Ob­ser­va­to­ri­ums ge­macht zu ha­ben. Sei­ne Vor­be­rei­tun­gen wa­ren je­den­falls ab­ge­schlos­sen, und er hat­te noch ein paar Stun­den Zeit. Der Nachtas­sis­tent glaubt, Stim­men ge­hört zu ha­ben – dann ist ein Schuß ge­fal­len. Er ist so­fort in die Bi­blio­thek ge­eilt. Thorn­ton war tot. Ne­ben ihm lag ein Re­vol­ver.«

Bob wünsch­te sich, er könn­te Da­g­nys Ge­sicht se­hen, aber da­zu war es schon zu dun­kel.

»Thorn­ton ist of­fen­sicht­lich nicht al­lein ge­we­sen«, fuhr Bob fort. »Auf dem Tisch stan­den zwei Glä­ser. An bei­den wur­den Fin­ger­ab­drücke ge­fun­den. Die am ers­ten Glas stamm­ten von Thorn­ton. Am zwei­ten wa­ren eben­falls Ab­drücke von Fin­gern fest­zu­stel­len.«

»Die­se Fin­ger­ab­drücke … sind sie iden­ti­fi­ziert wor­den?« er­kun­dig­te sich Da­gny.

Bob schüt­tel­te den Kopf.

»Ich ha­be nicht Fin­ger­ab­drücke ge­sagt. Ich ha­be Ab­drücke von Fin­gern ge­sagt. Kei­ne ty­pi­schen Schlei­fen, glat­te Ab­drücke, kein Mus­ter.«

»Wahr­schein­lich Hand­schu­he.«

»Die Po­li­zei ist an­de­rer Mei­nung. An­schei­nend läßt sich das über­prü­fen. Im Au­gen­blick weiß die Po­li­zei noch nicht, was sie da­von hal­ten soll. Es kann fast al­les sein: Un­fall … Selbst­mord … Mord.«

»Ich glau­be, daß er Selbst­mord be­gan­gen hat«, sag­te Da­gny. »Er­in­nerst du dich dar­an, daß ich dir er­klärt ha­be, Thorn­ton sei im Grun­de sei­nes We­sens un­si­cher?«

»Rich­tig, das hast du ge­tan.«

Es folg­te ei­ne län­ge­re Pau­se.

»Viel­leicht ist ihm da­durch ei­ni­ges er­spart ge­blie­ben«, mein­te Bob schließ­lich. »Die Auf­nah­men, die ich ge­macht ha­be, wa­ren … nun, recht merk­wür­dig. Mac­Gui­re und ich sind uns in die­sem Punkt ei­nig. Sie ha­ben Thorn­tons Theo­rie mit ziem­li­cher Si­cher­heit wi­der­legt. Wahr­schein­lich hat er ir­gend et­was in die­ser Rich­tung ver­mu­tet. Je­den­falls hät­te er die Gold­me­dail­le der Kö­nig­li­chen Astro­no­mi­schen Ge­sell­schaft nicht mehr an­neh­men kön­nen, wenn er die­se Auf­nah­men ge­se­hen hät­te. Sie än­dern un­se­re gan­ze bis­he­ri­ge Vor­stel­lung vom Uni­ver­sum.«

Da­gny sah zu den Ster­nen auf. »Für mich se­hen sie noch im­mer gleich aus.«

Bob wisch­te die sicht­ba­ren Ster­ne mit ei­ner ver­ächt­li­chen Hand­be­we­gung bei­sei­te.

»Ach, die dort oben zäh­len doch gar nicht! Ich spre­che von wei­ter ent­fern­ten Ob­jek­ten. Von dem nicht mehr sicht­ba­ren Uni­ver­sum.«

»Wel­ches nicht mehr sicht­ba­re Uni­ver­sum meinst du?« frag­te Da­gny. »Zeit und Raum – für mich exis­tie­ren sie nicht …«

Sie lach­te.

»Die He­xen frü­he­rer Zei­ten!« fuhr sie fort. »Ih­re Fä­hig­kei­ten wa­ren sehr be­schränkt, weißt du. Me­dea – sie war kaum im­stan­de, das ägäi­sche Meer zu über­win­den. Aber Da­g­nys Macht er­streckt sich bis zum ent­fern­tes­ten Stern! Sie reicht bis zu den Gren­zen des Alls!«

 

Bob blieb bis lan­ge nach Mit­ter­nacht in der Bi­blio­thek sit­zen. Die Er­eig­nis­se der ver­gan­ge­nen 24 Stun­den hat­ten ihn ner­vös ge­macht. Er fand kei­ne Ru­he.

Wie­der griff er nach Da­g­nys Buch über Zau­be­rei und blät­ter­te dar­in her­um.

Es wä­re ein Irr­tum, zu glau­ben, daß He­xen un­wei­ger­lich alt und häß­lich sein müß­ten. Vie­le sind schö­ne jun­ge Frau­en; die meis­ten von ih­nen sind ver­hei­ra­tet. Um das Haus heim­lich ver­las­sen zu kön­nen, ver­zau­bern sie ih­re Ehe­män­ner und ver­hin­dern ei­ne zu­fäl­li­ge Ent­de­ckung mit Hil­fe ei­nes Sur­ro­gats.

»Sur­ro­gat«, mur­mel­te Bob vor sich hin. Da war das Wort wie­der. Er schlug hin­ten bei den Wort­er­klä­run­gen nach.

SUR­RO­GAT: Im ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch ein Er­satz­mit­tel oder Be­helf, aber auch ein Agent oder Stell­ver­tre­ter, der für je­man­den auf­tritt. In der Zau­be­rei ein Phan­tom­bild, das zu­rück­ge­las­sen wird, um an­de­re zu täu­schen.

Die Ti­mes mit Thorn­tons Bild nach oben lag noch im­mer auf dem Schreib­tisch. Aber es hat­te sich et­was ver­än­dert. Wo wa­ren die Schat­ten von Jea­net­tes Zei­ge- und Ring­fin­ger, die über das Bild ge­fal­len wa­ren? Jea­net­tes Hän­de mit den glat­ten, samt­wei­chen Fin­gern – oh­ne Mus­ter –. Fort … fort? –

Bob spür­te, wie Angst in ihm auf­stieg, ei­ne un­be­stimm­te Angst, die sich bis­her un­ter ei­ner dün­nen Schicht wis­sen­schaft­li­cher Über­zeu­gung und Ge­wiß­heit ver­bor­gen hat­te.

Aber jetzt drang sie un­auf­halt­sam an die Ober­flä­che.