Krankenhaus, den 17.9.2003 um 23.15 Uhr

Warum?

Du warst doch meine Mutti!

Warum hast du mir nicht geholfen?

Hast du etwa gedacht, ich mag das, was die mit mir machen?

Hast du etwa gedacht, es ist mir egal, weil ich nichts gesagt habe?

Hast du etwa gedacht, es tut mir nicht weh, weil ich nie geweint habe?

Ich habe so oft geweint, wenn ich allein war, wenn es niemand gesehen hat.

Opa war es egal, wenn ich geweint habe oder schrie vor Schmerzen.

Vati hat gelacht, wenn ich weinte und sagte, ich mag das nicht.

Später habe ich nicht mehr soviel geweint, es sollte keiner merken, wie ich bin.

Ich habe mich geschämt und gehofft, du wirst mir helfen. Du wirst Opa sagen, er darf so etwas nicht mit mir tun.

Du wirst Vati sagen, er soll mich in Ruhe lassen. Er hat doch dich!

Du hast es gewusst! Gewusst und nichts getan!

Ich war allein und habe so auf Deine Hilfe gehofft – du hast mir nicht geholfen, hast mich einfach im Stich gelassen.

Was habe ich getan, weshalb du mir nicht geholfen hast?

Du sagtest doch, ich sei so ein liebes Mädchen gewesen – immer – warum hast du mir nicht geholfen?

Warum hasst du mich so, dass du mich verprügelst? Was habe ich getan?

Ich war Deine Tochter und ich war noch klein!

Heute ist der 6.12.2002

Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Gestern habe ich es endlich geschafft, zu sagen, dass ich nicht zu Frau E., der Therapeutin, bei der ich im August 2 x gewesen bin und wo es mir so schlecht ging, gehen werde. Ich dachte, danach, wenn ich es gesagt habe und Herr Dr. S. nicht sauer ist, weil ich die ganze Zeit gesagt hatte, dass ich wieder hingehen werde, würde es mir besser gehen. Es ging mir nicht besser. Ich möchte nächste Woche nach Hause gehen und es ist auch bereits so besprochen. Es steht nur noch nicht fest, ob Dienstag oder Donnerstag.

Zu Hause ist soweit weg, deswegen will ich am Wochenende unbedingt nach Hause und sehen, ob mir da auch noch alles so egal ist und ob ich dann immer noch weg sein will, nicht mehr leben will. Ich kann nicht sagen, warum ich mich so fühle, was los ist. Vielleicht ist es anders, wenn ich meine Tiere wieder sehe, sie sind auch gar nicht mehr richtig da bei mir. Außerdem muss am Samstag unser Auto in die Werkstatt, die Bremsen sind kaputt, bzw. die rechte Vorderbremse und deswegen müssen auch beide erneuert werden. Helmut schafft es nicht, den Wagen allein in die Werkstatt zu bringen, dass muss ich alles abklären und auch deswegen muss ich heim. Wir bekommen für die Zeit der Reparatur einen Leihwagen, das habe ich auch schon abgeklärt. Kostet nichts, wir sind im ADAC drin. Aber das Auto muss in die Werkstatt, Helmut kann nicht noch 2 x mit diesen Bremsen bis in die Klinik und zurückfahren. Ich will ja nächste Woche entlassen werden und da muss es wieder in Ordnung sein. Ich will am Wochenende wegen meinen Tieren heim und, um zu klären, dass das Auto wieder fahrsicher wird.

Vorhin habe ich versucht, bei Frau H. Prüm anzurufen, sie ist Psychotherapeutin und ich versuche, ob ich bei ihr zur Gesprächstherapie angenommen werde. Sie ist meine letzte Hoffnung. Ich habe nun sogar schon Angst, mein Computer könnte kaputtgehen und ich könnte nicht mehr schreiben, das wäre eine Katastrophe für mich. Na ja, zur Not könnte ich dann auch wieder mit der Hand in meinem Buch weiter schreiben. Die Tuschepatrone für den Drucker ist auch schon wieder fast leer und ich weiß nicht, wie Helmut für den Dezember finanziell gesorgt hat. So, wie er sagt, wird es kaum zum Leben reichen. Kohlen kann ich auch keine bestellen, es ist Gott sei dank immer noch etwas Holz im Keller. Gestern teilte mir Helmut mit, dass er nicht einmal das Geld für sein Einzelgespräch bei Herrn H. übrig hat. Nun muss ich noch mit Herrn H. sprechen, dass dieser Termin nicht stattfinden kann. Wir haben kein Geld und die Autoreparatur wird auch so mindesten 2000, - Euro mit allem drum und dran kosten Ich habe zwar schon mit der Werkstatt gesprochen, ob es möglich ist, die Rechnung dann in Absprache in Raten zu begleichen, da wir zur Zeit einfach nichts mehr haben. Helmut hat im November und im Dezember für jeweils ca. 300 bis 400 Euro Vogelfutter gekauft, das haben wir nun reichlich, aber sonst nichts.

Es ist Zeit, dass ich die Finanzen wieder in die Hand nehme, er hat uns total blank gemacht und, wenn ich noch was sagen würde, dann würde er, weil er weiß, dass er da Mist gebaut hat, vielleicht irgendwo dumm reagieren, er hat eh ein schlechtes Gewissen deswegen und zu ändern ist nichts mehr daran.

Das ist zwar viel Kram, aber ich denke, das bekomme ich alles geregelt. Ich habe das jetzt mal alles sortiert, um herauszufinden, warum es mir schlecht geht. Ich habe es nicht gefunden. Das sind keine Probleme, die ich nicht schaffen kann.

Gut, meine liebe Mutti wird am 27.12. auch noch 70 Jahre alt – ich wäre froh, da hätte ich schon das Telefonat hinter mir zum Gratulieren. Aber deswegen kann es mir auch nicht so schlecht gehen, dass ich nicht mehr leben will.

Was habe ich hier erreicht? Mir ging es vor kurzem eine ganze Woche spitzenmäßig gut, ich habe gedacht, jetzt habe ich es geschafft. Aber, ich hatte diese Woche fast gar nicht geschlafen und denke, die gute Stimmung hing sehr viel davon ab.

Ich war auch sehr glücklich, dass ich die Wut erleben durfte am 23.11. Damals habe ich mich so richtig lebendig gefühlt. Nun fühle ich mich wieder leer und möchte noch lieber tot sein. Habe ich einen Fehler gemacht? Hätte ich nach dieser guten Woche heimgehen sollen? Wäre es wenigstens ein bisschen so gut geblieben? Das lässt sich nun nicht mehr herausfinden und ich kann nur noch denken, ich habe es verkehrt gemacht. Nun geht es mir viel schlechter als vorher, aber ich werde trotzdem heimgehen. Wenn ich es nicht geschafft habe, zu erreichen, dass ich endlich normal fühle, normal leben kann, dann werde ich es nur zu Hause feststellen können und nicht hier. Ich werde aber nicht mehr in die Klinik gehen. Ich denke, wenn ich es nicht in den letzten 2 Jahren, bei dieser wirklich intensiven Betreuung schaffen konnte, dann wird sich nichts mehr ändern.

Es war schon nicht richtig, dass ich nicht am 26.11. heimgegangen bin. Ich tue sonst, immer das, was ich mir vornehme und hier war ich nicht konsequent. Dieses Mal werde ich aber konsequent sein und am Donnerstag nächste Woche heimgehen. Es ist mir egal, wie es mir dann geht. Ich werde heimgehen und es wird sich zeigen, ob ich leben will und leben kann.

Alles sortiert, alles durchdacht, aber nicht gefunden, was wirklich los ist.

Warum will ich nicht mehr?

Warum möchte ich tot sein?

Warum will ich mich am liebsten umbringen?

Am Donnerstag gehe ich für immer heim dann kann ich entscheiden.

11.12.2002

Ich weiß jetzt, ich werde nächste Woche nach Hause gehen und ich werde es geschafft haben. Ich habe ein gutes Gefühl. Am Freitag letzte Woche habe ich versucht, noch einmal, nach sehr vielen Versuchen, die Therapeutin zu erreichen, mit der ich vor ca. 1 ½ Jahren telefoniert hatte und, welche mir die Zusage gab, mich kurzfristig in die Therapie aufzunehmen, 1 1/2Jahre lang habe ich sie nicht mehr erreichen können, habe mich damals an eine andere Therapeutin in meiner Nähe gewandt und konnte dort mit meiner Gesprächstherapie beginnen. Es klappte da auch gut, ich konnte reden und hatte Vertrauen und das Gefühl, an der richtigen Stelle zu sein. Leider war ich dann zwischenzeitlich wieder stationär und nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, war meine Therapeutin krank, lange krank und später erfuhr ich dann, sie ist verstorben. Krebs.

Die erste Therapeutin habe ich nie wieder telefonisch erreicht. Mein Therapeut, zu dem ich dann ca. 6 Monate später nach einem weiteren Krankenhausaufenthalt gehen wollte, war nicht da, als ich meinen ersten vereinbarten Termin hatte. Ich versuchte noch Tage und Wochen, ihn zu erreichen, bis ich dann erfuhr, er hat sich das Leben genommen. Ich stand wieder ohne Therapeut da und rutschte wieder ab und musste in stationäre Behandlung. Immer wieder hatte ich die erste Telefonnummer probiert, es war die von der Therapeutin, deren Stimme mir schon (ohne dass ich die Frau gesehen habe) sagte, das wäre die Richtig für mich. Aber ich konnte sie nie erreichen, immer nur den Anrufbeantworter und ich gab auf.

Freitag letzte Woche versuchte ich es aus meiner großen Verzweiflung heraus noch einmal und ich erreichte sie. Es war nun fast 2 Jahre her, seit ich mit ihr gesprochen hatte und das nur telefonisch, aber ich erkannte sofort diese Stimme und ich sagte, dass ich vor langer Zeit versucht habe, bei ihr zur Einzeltherapie aufgenommen zu werden. Die Frau erinnerte sich, wusste sogar noch meinen Namen und teilte mir mit, dass sie mehrfach versucht hatte, mich zu erreichen, es jedoch nie geklappt habe. Ich erzählte ihr kurz, dass ich es auch mehrfach versucht habe, sie zu erreichen, aber die meiste Zeit der letzten 2 Jahre in stationärer Behandlung war und nun nächste Woche entlassen werde und ohne Therapeutin dastehe. Es war wie ein Wunder, sie sagte mir, dass ich immer noch zu ihr kommen könne, allerdings dieses Jahr nicht mehr, da sie jetzt gleich Urlaub hätte und der erste Termin leider erst am 20.1.2003 möglich sei. Ich konnte es nicht fassen, ich habe Glück und kann fast sofort nach meiner Entlassung mit Gesprächstherapie draußen anfangen und dann noch dort, wo ich eigentlich schon von Anfang an hin wollte, weil ich gemerkt habe, ich kann mit dieser Frau reden, nur weil mir ihre Stimme schon Sicherheit gibt.

Klingt verrückt – stimmt. Aber es war tatsächlich so, schon beim ersten Gespräch vor mehr als zwei Jahren konnte ich ihr bereits am Telefon sagen, warum ich Gesprächstherapie brauche und weshalb ich schon so lange und oft in stationärer Behandlung bin. Ich konnte also am Telefon schon ohne Scheu und Scham sagen, dass ich wegen Missbrauch in Behandlung bin. Ich hatte bereits am Telefon so ein Vertrauen, dass ich das sagen konnte, was ich sonst zu dieser Zeit nur hier im Krankenhaus sagen konnte und mich immer dafür geschämt habe. Am Freitag war es dann so, als hätte ich erst eine Woche vorher mit ihr gesprochen, ich hatte sofort wieder Vertrauen und wusste, hier kann ich reden, das ist die Richtige für mich und ich habe sie noch nie gesehen. Ich habe einfach nur ein gutes Gefühl und mein Gefühl ist immer sicher, denn eh ich mit jemand so reden kann, wie mit dieser Frau am Telefon, das dauert sonst Wochen oder Monate oder funktioniert gar nicht. Nun also hatte ich die Therapeutin, zu der ich schon vor zwei Jahren gehen wollte.

Zwischendurch hatte ich ja wirklich viel Pech mit meinen Versuchen eine Therapie außerhalb des Krankenhauses zu bekommen.

Zuerst die Therapeutin, die nach 5 Terminen leider krank wurde und kurze Zeit später verstorben ist. Später dann der Therapeut, der schon beim ersten Termin nicht da war und wo ich dann später erfuhr, dass er sich umgebracht hat. Das war mir schlimm. Ich war froh, endlich eine gute Therapeutin gefunden zu haben und das war sie wirklich. Ich denke heute noch oft an sie. Zwischendurch war ich dann immer wieder stationär in Behandlung und auf der Suche nach einer Therapeutin, weil wir umgezogen waren. Dann half mir mein behandelnder Psychologe, indem er mich bei einer Therapeutin die bei uns in der Nähe neu angefangen hat, vermittelte. Ich war froh, jetzt wieder eine Therapeutin zu haben und dann auch in der Nähe des Wohnortes (ca. 30 Min. Fahrt) und das ist schon wichtig bei den Entfernungen in der Eifel. Aber der Name der Therapeutin machte mir zu schaffen, Frau B., ich dachte, den Namen kenne ich doch, hoffentlich ist es nicht die Frau, die ich kenne. Im Krankenhaus in Gerolstein arbeitete sie, als ich zweimal dort gelegen habe. Ich kannte sie von den Gruppengesprächen her und hatte nicht das Gefühl, ich werde gut mit ihr reden können. Der erste Termin kam und ich konnte es nicht fassen, als ich nach der Praxis fragte, war es die gleiche Anschrift, die meine vorherige Therapeutin, die ich so vermisste, hatte. Ich dachte mir, ich habe ja nicht viele andere Möglichkeiten, ich muss schon versuchen, dass ich dort zurechtkomme, denn Therapeuten gibt es leider in unserer Ecke sehr wenige und ohne Therapie bin ich nicht lange daheim.

Also, was soll’s, ich muss hin und schauen, wie ich zurechtkomme. Es war wie ein Hammer für mich. Ich kam dort an, klingelte, die Tür geht auf und genau die Frau steht vor mir, die ich von G. her kannte. Na ja, dachte ich, es nützt nichts, ich werde es versuchen. Ich kam erst mal in den Warteraum und da traf mich fast der Schlag. Alles war noch genauso, wie bei meiner Therapeutin, die vorher hier praktiziert hatte. Das war ja nun schon etwas eigenartig. Ich hätte mir das schon anders eingerichtet, wenn ich eine Praxis eröffne, dachte ich. Aber das war ja noch nicht alles. Ich kam in den Praxisraum und dachte, ich bin im falschen Film. Es war einfach nach einem Jahr noch alles genauso, wie ich es kannte. Die Möbel standen noch da, genauso da, der Teppich, der Schreibtisch, die Gardine, ja sogar die Bilder an der Wand (Bücherregal und Bücher), alles übernommen und unverändert stehen gelassen. Es fehlte einfach nur noch meine vorherige Therapeutin. Ich dachte nur noch, das kann es doch nicht geben. Es tat mir weh und ich fand es nicht richtig. Aber eben genauso, wie mein Gefühl von der Therapeutin (klar, sachlich, gefühllos und unnahbar). Aber da dachte ich immer noch, hier muss ich eben durch.

Ich schaffe das schon.

Das Gespräch begann, indem ich gesagt bekam, dass sie mich noch vom Krankenhaus her kenne und ich doch so begeistert von dem Krankenhaus bei Koblenz sei und ja auch ständig dort sei. Klasse dachte ich. Jetzt kriege ich erst mal gesagt, dass ich es gewagt habe, zu sagen, dass die Therapie in dieser Klinik mir bedeutend mehr geholfen hat, wie die zwei Aufenthalte in Gerolstein.

Das war wie ein Vorwurf, ich habe mir das nicht eingebildet. Das weitere Gespräch kann ich leider nicht mehr nachvollziehen. Ich weiß nur, ich war froh, dass ich wieder draußen vor der Tür war und wusste, da kann ich nicht wieder hin. Da will ich nicht wieder hin. Ich war ja auch nur kurz zu Hause, kam ohne Therapie nicht klar und es ging mir schnell wieder schlechter. Es war sowieso nur eine Therapiepause geplant. Also, wieder ins Krankenhaus.

Im August startete ich den nächsten Versuch mit einer Therapeutin in der Praxis meines Arztes.

Ich war schon dankbar, dass mein Arzt mir durch einen Anruf von Herrn Dr. S. zu einem Termin bei dieser Therapeutin verhalf. Aber es lief alles total negativ ab. Das ist im Nachhinein für mich schlecht nachvollziehbar.

Mein Mann war im Krankenhaus und durch die Medikamente konnte ich selbst nicht Auto fahren und hatte auch niemand, der mich hätte fahren können. Es gab wieder Hilfe durch Herrn Dr. S.. Er klärte mit meinem behandelnden Arzt ab, dass die dringende Notwendigkeit der Therapie besteht und ich einen Taxischein für die Gespräche bekommen müsse, solange mein Mann mich nicht fahren kann. Ich bekam den Taxischein.

Der erste Termin kam und das Taxi kam. Es war kein Taxi. Es war ein grauer Kombiwagen, (für 6 oder 8 Personen). Der Fahrer war ein alter Mann. Ich wollte eigentlich hinten einsteigen. Der Fahrer hielt mir die Vordertür auf und ich stieg vorne ein. Ich saß vorne, in einem kastenartigen Fahrzeug und der Fahrer war ein alter Mann, den ich nicht kannte. Eigentlich eine normale Situation. Für mich nicht.

Nach kurzer Fahrzeit war ich schon total verkrampft, hatte Angst und mein Kopf ging zu (Wattegefühl und später dann sogar so schlimm, dass ich dachte, jetzt trete ich gleich weg). Es war einfach die Angst vor alten Männern. Die Angst von früher.

Seit 12 Jahren hat es keine Situation mehr gegeben, in der ich mit einem alten Mann in einem Raum allein war und dann jetzt diese Situation, so eng in einem Fahrzeug. Das Fahrzeug war in meinem Kopf inzwischen auch zu dem Fahrzeug von früher geworden (ähnlich wie ein Lieferwagen) nur das es halt hinten Sitze hatte, aber das nahm ich nicht mehr war. Ich hatte immer mehr ein ungutes Gefühl und mir ging es schon schlecht, als ich dann endlich zum Gesprächstermin ankam.

Das Gespräch war dann dadurch schon schwierig für mich, weil ich mich kaum noch konzentrieren konnte und es mir einfach schon nicht mehr gut ging durch die vorherige Situation. Ich versuchte mich krampfhaft auf das Gespräch zu konzentrieren, hatte aber schon deutliche Schwierigkeiten. Es ging eigentlich soweit ich mich erinnern kann am Anfang hauptsächlich darum, dass ich mich damit einverstanden erklären sollte, falls ich einen Termin, den ich nicht wahrnehmen kann, nicht 2 Tage vorher abmelde, bezahlen müsse. Kostenpunkt 52 Euro. Ich sagte, das sei kein Problem, wenn ich eine Erkältung hätte, aber was ist, wenn plötzlich Glatteis ist, dann kann ich doch nichts dafür und soll dafür noch bezahlen. Schlimmer noch, ich hatte zu dieser Zeit fast jeden Tag einen Flashback und den dann meist so, dass ich danach zu nichts mehr fähig war, weil ich einfach so ausgelaugt und erschöpft war. Was ist, wenn das passiert? Ich kann doch nicht 2 Tage vorher anrufen und den Termin absagen, das funktioniert wohl schlecht.

Ich dachte nur noch, als die Therapeutin trotzdem darauf bestand, dass ich dann die Kosten für den Termin zahlen müsse, dass das wohl sehr ungerecht ist, denn dann würde ich ja für meine Krankheit noch bestraft. Ich versuchte eine ganze Zeit zu erklären, dass ich das nicht richtig finde, es als ungerecht empfinde. Es hatte keinen Sinn. Ich gab die Diskussion darüber auf und sagte, dass ich es in diesem Falle, wenn ich dadurch verhindert wäre, nicht okay sei, dass ich bezahlen müsse, ich aber bezahlen werde, weil mir wohl nichts anderes übrig bliebe. An das weitere Gespräch kann ich mich nicht mehrt erinnern, ich weiß bloß noch, dass ich irgendwann so schlecht dran war, dass ich mir, um nicht ganz zusammenzubrechen und um die Heimfahrt einigermaßen zu schaffen, welche ja auch noch vor mir stand, eine Tavor Expedit aus der Handtasche nahm und schluckte. Natürlich kam sofort die Frage, was ich denn da eingenommen hätte. Jetzt dachte ich, na super, jetzt denkt sie vielleicht auch noch, ich bin abhängig von Medikamenten. Wie es weiterging, kann ich nicht mehr sagen, ich weiß dann nur noch, ich habe krampfhaft versucht, nicht zu heulen und habe aber doch während der gesamten Heimfahrt geheult. Es war mir peinlich. Der Fahrer sagte nichts und ich schämte mich, weil ich wie ein kleines Kind heulte und nicht aufhören konnte, obwohl ich nicht heulen wollte.

Endlich war ich zu Hause. Rein in die Wohnung und schnell zuschließen. Endlich allein, endlich sicher. Wovor? Vor der Scheiß-Vergangenheit! Ich bekam natürlich auch den nächsten Termin für ein Gespräch, er sollte gleich in der folgenden Woche sein. Ich wollte das nicht, ich wollte lieber einen späteren Termin, doch sie bestand auf dem Termin in der folgenden Woche, weil das wichtig für mich wäre und mein Zustand nicht sehr gut sei.

Der nächste Termin war vom Ablauf mit der Fahrt genauso, wie der erste Termin – gleiches Auto, gleicher Fahrer und mir ging es schon wieder bescheiden dadurch. Ich konnte das nicht beeinflussen, konnte nichts dagegen setzen. Vom zweiten Gespräch weiß ich gar nichts mehr. Ich kam erst wieder zu mir, als ich zu Hause war, dann konnte ich wieder meine Umgebung wahrnehmen. Ich war da und war nicht da während dieser Zeit. Nach dem zweiten Gespräch ging es mir dann so schlecht, dass ich nur noch funktionierte, ich war wie taub, konnte nicht mehr essen und aß dann, wenn ich wirklich so hungrig war, dass ich etwas essen musste, Süßigkeiten und alles, was mir so zwischen die Finger kam. Eine Scheibe Brot abschneiden, schaffte ich nicht. Wichtig war nur noch, dass die Tiere, also der Papagei, die Katzen und unser Hund richtig versorgt sind. Alles Andere klappte nicht mehr, ich saß nur noch da und war weg, bis ich dann merkte, es sind wieder Stunden vergangen und ich muss mit dem Hund raus, weil er mich schubste und bettelte, um Gassi zu gehen.

Den dritten Termin sagte ich dann ab, denn inzwischen kam mein Mann aus dem Krankenhaus und mir ging es so schlecht, dass ich wusste, ich kann keinen Tag länger ohne richtige Hilfe zurechtkommen. Ich habe mich geschnitten, um es auszuhalten. Habe nur geheult, nicht gewusst, warum. Ich war einfach nur am Ende – konnte nicht mehr und dachte wieder nur noch daran, Schluss zu machen, weil ich die Anspannung, die Schmerzen und meinen Kopf nicht mehr aushalten konnte.

Das war im August und nun ist schon wieder Dezember, Mitte Dezember und ich war die ganze Zeit im Krankenhaus.

Jetzt bin ich froh, dass ich endlich die erste Therapeutin wieder erreicht habe und dort weitermachen kann und das ohne zu denken, da muss ich eben durch, es geht eben nicht anders. Das ist schon seltsam, ehe ich Frau H., meine neue Therapeutin, wieder erreichte, musste ich erst diesen ganzen Weg gehen. In den letzten Wochen sprach Herr Dr. S. in den Einzelgesprächen immer und immer wieder das Thema an, wie es denn mit meiner Gesprächstherapie nach dem Aufenthalt hier weitergehen wird. Ich dachte immer, was soll das, ich bin doch bei Frau B. und ich muss eh wieder dahin, weil es kaum eine andere Möglichkeit geben wird. Doch je öfter das Thema angesprochen wurde, umso mehr fühlte ich, dass es nicht funktionieren würde.

Seit August sitze ich auch sehr oft am Computer und schreibe und ich dachte immer mehr, ich werde eben mit meinem Computer reden, indem ich schreibe und da versuchen, alles für mich zu erklären.

Es funktioniert gut. Ich habe ihn mit im Krankenhaus, hatte die Erlaubnis dazu und Herr Dr. S. forderte mich auch oft dazu auf, zu schreiben oder fragte, ob ich wieder geschrieben habe. Es war einfach so, dass ich durch die Einzelgespräche sehr oft wieder zum Kind wurde oder nur noch in der Vergangenheit fest hing. Durch das Schreiben musste ich mich auf etwas anderes konzentrieren, nämlich auf das Schreiben und zu gleicher Zeit bearbeitete ich auch das, was mich belastete – versuchte mir zu erklären, wieso es mir schlecht ging, ob ich richtig oder falsch dachte oder setzte mich mit den Inhalten der Einzelgespräche auseinander.

Das tat mir einfach gut, zu schreiben, ich kam wieder zu mir, wurde dadurch wieder erwachsen. Klingt schon komisch, aber es ist wahr. Die meiste Zeit der letzten zwei Jahre war ich zwischen 5 und 13 Jahren alt und reagierte auch oft so, was ich selbst allerdings kaum wahrnahm. Im letzten halben Jahr kam mir dann auch der Gedanke, dieses Buch zu schreiben und ich fing einfach damit an und ich hoffe einfach darauf, dass ich es schaffe, dieses Buch so zu schreiben, dass ich denen, die diesen Weg der Therapie noch vor sich haben helfen kann, indem ich selbst ehrlich und offen über meine Gedanken, Gefühle und mein Erleben während der Therapie und dem damit verbundenen Rückblick berichte.