12.09.05

Heute ist Montag. Am Wochenende war ich zu Hause. Es ging mir nicht gut. Ich hatte fürchterliche Schmerzen und konnte einfach nichts tun, so schwach und voller Schmerzen war ich. Heute Morgen war es mir nicht möglich, mich zu bewegen als ich munter geworden bin und ich bin in Panik geraten. Es war 9 Uhr und um 10 Uhr habe ich ein Einzel – wie soll ich das schaffen. Ich kann mich nicht bewegen, ich kann ja nicht einmal klingeln und sagen, dass ich mich nicht bewegen kann und so starke Schmerzen habe. Ich hatte Angst, was wird, wenn ich nicht aufstehen kann und nicht pünktlich bin. Ich bin immer pünktlich, das gehört sich so. Aber jetzt liege ich im Bett und kann mich nicht drehen und den Arm nach oben bis zur Klingel ausstrecken und klingeln. Ich fühle mich allein und ausgeliefert, kann nichts tun.

Nach einer ganzen Zeit geht es dann, dass ich mich langsam bewegen und fertig machen kann, aber das unter fürchterlichen Schmerzen.

Ich habe es pünktlich runter zum Einzel geschafft. Muss noch etwas warten, kann kaum stehen vor Schmerzen und Schwäche. Aber dann sitze ich auf dem Sessel und habe es bis dahin geschafft. Wie soll das weitergehen, wie soll ich das schaffen, wie soll ich die Schmerzen aushalten – wie lange noch. Ich kann nicht mehr und ich habe das auch alles so satt – das bin ich nicht. Ich hatte Kraft, ich hatte Energie, ich hatte keine Schmerzen – aber das ist Jahre her!

Ich kann die Schmerzen nicht mehr ertragen und wünsche mir wirklich, lieber gar nichts mehr zu spüren und tot zu sein, als mit diesen Schmerzen existieren zu müssen. Ich kann mich immer öfter nicht bewegen und dann bin ich meist allein, hilflos, kann nichts dagegen tun. ES IST WIE FRÜHER. ICH BIN ALLEIN, HILFLOS UND KANN NICHTS DAGEGEN TUN.

Aber ich möchte so nicht mehr existieren, kann das nicht mehr aushalten.

Das von letzter Woche und deswegen jetzt die Angst etwas falsch zu machen, das alles hat die Schmerzen noch verstärkt, glaube ich. Aber es ist nicht nur das, Ich liege mit den Schmerzen da und dann kommen noch die Erinnerungen. Ich konnte heute nicht alles sagen, was da ist. Ich konnte es nicht aussprechen. Aber ich werde es jetzt aufschreiben. Vielleicht hilft mir das, aber viel Hoffnung habe ich nicht. Ich habe schon soviel geschrieben und statt besser, geht es mir immer schlechter.

Es ist da, das mein Opa mich allein gelassen hat – mich nicht beschützt hat. Sein Sessel war leer – er ist rausgegangen und hat mich hier gelassen bei denen.

Ich habe Angst, was nun passieren wird. Es kann so viel passieren, was weh tut, was die mit mir machen können. Am meisten Angst habe ich vor den Hunden, die sind jetzt hier und sitzen ganz ruhig da und passen auf. Heute hat Rudolf vor, nur den zwei Männern zu zeigen, was die Hunde mit mir machen können, und ich darf mich nicht verkriechen oder wegkriechen vor den Hunden. Es ist das Schlimmste, was mir passiert ist, dass diese zwei Viecher mich so wie eine Hündin besteigen durften. Die Männer hatten viel Spaß und haben die Hunde gelobt und gestreichelt dabei. Es war so schlimm, die Krallen von den Hunden taten mir weh und ich konnte nichts dagegen tun, nur warten, bis es zu Ende ist. Die zwei Männer benutzten danach noch meinen Mund und so war ich vollkommen dreckig und eklig von oben bis unten. Tot zu sein, habe ich mir gewünscht. Ich habe gedacht, sie würden mich auch so behandeln, wie die Mädchen, dass ich dann tot bin, und hatte fürchterliche Angst. Heute wünschte ich mir, ich wäre damals genauso beseitigt worden, wie die Mädchen, ich bin doch genauso gewesen wie sie, nur dass eben mein Opa da war. Ich würde lieber zu den Mädchen gehören als zu meinem Opa. Aber es war mein Opa und die Mädchen sind tot und ich lebe noch – und kann es nicht mehr aushalten, diese Schmerzen, diese Starre. DAS IST KEIN LEBEN!

In den letzten Tagen sind die Schmerzen immer mehr geworden und auch die Momente, in denen ich völlig steif bin, werden mehr. Ich weiß zwar, dass das immer wieder weg geht und doch bekomme ich es langsam mit der Angst zu tun, ob es nicht doch mal so bleibt.

Wenn wenigstens die verdammten Schmerzen aufhören würden, aber trotz Tavor, Solian und Atosil – sie sind und bleiben schlimm und werden schlimmer. Ich habe gesagt, ich will versuchen, mich nicht mehr zu schneiden – es mit dem Stepper versuchen. Nur mit den Schmerzen kann ich gar nicht auf dem Stepper trainieren und mich müde machen, um mich nicht zu schneiden.

Jetzt habe ich wieder ein Problem, es wird erwartet, dass ich mich nicht mehr schneide, weil ich ja jetzt den Stepper habe – aber ich kann mir, wenn ich solche Schmerzen habe und mich nicht bewegen kann, mit dem Stepper nicht helfen.

Ich nehme mir so viel vor, rede mir soviel ein, dass es besser wird, aber stattdessen wird es immer schlechter.

Heute ist es wieder ganz schlimm, alles tut weh, schrecklich weh.

Wie und wofür soll ich das aushalten?

Es ist schon die fünfte Woche, dass ich hier bin und ... nichts ist besser.

25.10.2005

Ich habe sehr lange nicht geschrieben und es ist viel passiert, womit ich fertig werden musste. Ich bin nicht mehr auf Station B. Ich bin verlegt worden auf Station D, da war ich bis vor zwei Jahren in Behandlung und wurde damals auf B nach oben verlegt. Diese Verlegung kam für mich überraschend. Ich dachte, nach den ganzen Schwierigkeiten ist wieder Ruhe eingetreten und ich bin in die Gruppe gegangen (Gesprächsgruppe), damit ich nicht mehr so separat auf Station laufe. Die Gruppe hat mir gut getan. Zuerst hatte ich Angst, ich schaffe es nicht zu den täglichen Einzelgesprächen auch noch in die Gruppe zu gehen, ich dachte, es würde zu viel werden und ich würde diese zusätzliche Belastung nicht verkraften. Aber ich wollte in die Gruppe, damit ich im Stationsleben integriert bin und die Schwestern mit mir kein Problem mehr haben, ich habe 3 x an der Gesprächsgruppe teilgenommen und konnte so anfangen zu reden, auch die Anderen haben mit mir gesprochen. Das tat gut, nicht mehr so allein und isoliert zu sein. Auch habe ich durch die Gesprächsgruppe wieder andere Sichtweisen, andere Gedanken, als nur meine Geschichte im Kopf gehabt. Ich war erstaunt, wie gut es war, in der Gruppe zu sein. Hatte ich doch vorher so große Angst davor. Und nun bekomme ich im Einzel gesagt (es war Montag) dass ich verlegt werden soll auf D, damit die Schwestern von B mal eine Pause bekommen.

Ich war wie vor den Kopf geschlagen, konnte es nicht glauben. Ich war enttäuscht, es tat weh und ich fühlte mich wieder einmal weggestoßen, abgeschoben. Das Team brauchte eine Pause – also weg mit mir.

Was soll ich machen, wenn es mir zu viel, zu unaushaltbar wird? Weglaufen vor mir geht nicht. Ich muss es aushalten können und ich war wirklich der Überzeugung, dieses Mal habe ich die Schwestern nicht mit mir, meinen FB’s und wenn es mir schlecht ging, belastet, ich habe versucht, es nach Möglichkeit mit mir allein auszutragen, ohne jemand zu belasten.

Und nun? Wieder ist es verkehrt. Wieder werde ich auf eine andere Station verlegt und dann auch noch wieder auf D. Seit vor 2 Jahren. Als ich nach oben verlegt worden bin, habe ich mich nicht mehr auf D blicken lassen, bin dem Team von D aus dem Weg gegangen, weil ich mich schuldig gefühlt habe, weil ich sie zu sehr belastet habe und weil es mir so weh getan hat, als ich damals verlegt wurde. Ich habe mich abgeschoben und auch verraten gefühlt von denen, zu denen ich Vertrauen hatte und ich habe bereut, dass ich geredet habe und das sie jetzt das alles von mir wissen. Ja, ich habe mich wirklich schlimm gefühlt, verlassen, enttäuscht und auch verraten. Als ich damals auf B hoch kam habe ich 9 Wochen nicht gesprochen – mit niemand, nur im Einzelgespräch und sonst war ich allein in meinem Zimmer. Ich hatte einfach Angst, wenn ich reden würde, dann käme ich wieder woanders hin. Ich habe kaum gesprochen und bin wieder verlegt worden. Ich dachte daran, mich umzubringen, dann kann ich ja niemand mehr belasten, dann kann mich niemand mehr wegstoßen, enttäuschen. Mein Vertrauen mit Füßen treten.

Seit zwei Wochen bin ich nun auf Station D und habe wieder keine Kontakte mehr, fühl mich allein, isoliert und fliehe in mein Einzelzimmer.

Mich hat hier noch kein Patient angesprochen, mit mir spricht man eben nicht, ich habe es nicht verdient, ich bin der letzte Dreck. Oben auf B hatte ich in den letzten 2 Wochen das Gefühl, dazu zu gehören und das tat gut. Ich war nicht mehr allein, konnte mal mit jemand reden, wurde angesprochen, war nicht mehr so isoliert. Nun bin ich es wieder. Letzte Woche habe ich darum gebeten noch einmal in die Gruppe gehen zu dürfen, nur um für mich einen Abschluss zu finden, zu kapieren: Du gehörst nicht mehr dazu! Ich bin nur am Anfang kurz rein und habe mich dafür bedankt, weil diese dreimal Gruppe mir so gut getan hat und gesagt, dass es mir sehr schwer fällt, zu akzeptieren, nicht mehr dazu zu gehören.

Ich bin wieder draußen, wieder mit mir allein. Ist auch besser so, dann kann ich niemand mehr belasten. Es ist sowieso so, dass ich lieber tot, als lebendig wäre.

Am 2.11.2005 kann ich immer noch nicht sagen, dass ich in irgendeiner Weise auf der Station D angekommen bzw. von den Patienten angenommen worden bin. Gestern Abend, als ich von zu Hause kam und mich bei der Schwester zurückgemeldet habe und auf dem Weg in mein Zimmer war, saß die Sitzecke im Flur voller Patienten und ich musste den ganzen langen Flur auf sie zugehen und an ihnen vorbei. Je näher ich kam, umso mehr Köpfe drehten sich weg, alle waren miteinander beschäftigt und ich war Luft. Es war wie ein Spießrutenlauf, ehe ich in meinem Zimmer war. Ich machte schnell die Tür zu und dann habe ich geweint und kaum Luft bekommen, so erstickend war diese Situation für mich gewesen. Ich kam mir vor, als hätte ich alle beleidigt oder sonst etwas Schlimmes getan. Ich bin nun fast 3 Wochen hier unten und fühle mich so abgewiesen, ausgeschlossen, einfach wie aussätzig. Es hat sich nichts geändert bis heute. Nur ich kann es besser aushalten und wenn ich jetzt wieder jeden Tag ein Einzel habe, dann bin ich sowieso nicht mehr da, dann habe ich so mit mir zu tun und das ich mit dem, wie es mir nach dem Einzel, wenn ich dann allein bin geht, zurechtkomme, dass ich mein Umfeld eh kaum wahrnehme.

Ich wünschte mir so sehr, dass ich mich so fühle, dass ich es mir zutraue einfach heim zu gehen und nicht mehr hier sein zu müssen. Gerade war Herr Dr. S. da, um nach mir zu sehen, ich habe jetzt so damit zu kämpfen, mich nicht zu schneiden. Ich habe das alles nur noch im Kopf und es ist so stark da, dass ich denke, ich habe es verdient, ich muss es tun, damit ich die Schmerzen genauso spüre, wie damals dieses kleine Mädchen. Ich habe davon noch nichts geschrieben, weil ich mich so sehr schäme und weil es zu grausam und zu unerträglich ist. Mir ist das nicht passiert, ich lebe noch und das ist für mich das Schlimmste, was mir nach diesen Erinnerungen passieren kann – noch da zu sein, übrig zu sein und nicht auch tot.

Ich fühle mich einfach schon schuldig, weil ich noch lebe und nicht auch tot bin.

Tagesbericht 8.11.2005

Ich habe heute viel an die Mädchen gedacht, wie viel Leid ihr Verschwinden ausgelöst hat und ich habe heute besonders auf Kinder in diesem Alter geachtet. Lange habe ich allein in der Sonne auf der Bank gesessen und mir gewünscht, es wäre endlich vorbei.

Ich denke, ich lebe nur noch aus Rücksicht auf meinen Mann, die Tiere und das Versprechen, das ich Herrn Dr. S. gegeben habe, lässt es auch nicht zu.

Ich lebe nicht mehr, weil ich es noch will. Aus diesem Grund habe ich Sie (meinen Therapeuten) heute gebeten, sich auf meinen Stuhl zu setzen, an meine Stelle. Ich weiß, es war nicht in Ordnung, dass ich das wollte, dass Sie merken, wie es mir geht, damit weiter zu leben zu müssen.

Eigentlich möchte ich gar nicht, dass das hier jemand liest, aber ich schreibe es jetzt trotzdem noch (23 Uhr) mit PC, damit Sie sich nicht so mit meiner kleinen Schrift quälen müssen. Ich habe heute nämlich wieder sehr klein geschrieben, das passiert immer, wenn es mir nicht besonders geht und ich werde es nicht im Schwesternzimmer abgeben. Aber Sie sollen es lesen, damit Sie verstehen, wie schwer es mir fällt, mich an das Versprechen zu halten, das ich Ihnen gegeben habe. Es wäre besser gewesen, ich wäre damals auch verschwunden, so wie die Mädchen verschwunden sind – einfach weg. Tot. Ruhe.

Aber ich bin noch da und es ist wie eine Strafe, noch da zu sein. In der letzten Zeit bin ich manchmal wütend, weil da das Versprechen existiert, weil da mein Mann ist, den ich allein lasse und weil ich nicht einfach ausbrechen kann und das tun, was ich will. Ja – das was ich will und nicht das, was Andere möchten und erwarten.

Ich schleppe soviel Tod mit mir herum, in mir nun, dass ich sowieso nicht mehr richtig lebendig bin.

Es sind grauenvolle Morde an kleinen Mädchen, vor meinen Augen passiert. Ich stand dabei, daneben, habe gesehen, was da alles Schlimmes mit den Mädchen gemacht worden ist, was die Männer getan haben und wie es ihnen Spaß gemacht hat. Ich habe sie gehört und habe das Mädchen gehört, wenn es geweint und geschrieen hat. Sie haben soviel mit dem Mädchen getan, eh es nicht mehr geschrieen hat, eh es ganz still und tot war und ich habe das alles beobachten müssen, gespürt, gerochen, stand einfach nur da und wusste nicht, was da passiert. Warum, sie so still ist und sich nicht mehr bewegt. Der Kopf nach hinten runterhängt und die Hände schlaff daliegen. Ich habe sie statt sie streicheln zu dürfen, geschnitten – mit einem Rasiermesser. Ich habe sie dabei berührt, da war sie noch nicht tot. Sie hat mich angesehen und meine Hand hat geschnitten, tief und immer weiter, es hat geblutet und ich hatte das Blut an meiner Hand. Sie hat geschrieen und geweint und gesehen, was passiert. Später war sie dann auch tot. Es war immer eine lange Zeit, bis es vorbei war und ich stand dabei und mir passierte in dieser Zeit nichts – ich war sicher, ich wurde nicht umgebracht.

Wissen Sie, ich denke, als die Mädchen damals nicht mehr geschrieen und geweint haben, still und tot waren, da war es vorbei für sie. Tod – Ruhe. Für mich wird es nie vorbei sein!

Ich weiß ja nicht einmal, ob das Alles war, oder ob es noch weiter geht?

Jetzt traue ich mich nicht einmal mehr, mich zu schneiden um es den Schwestern nicht anzutun. Dabei tu ich es mir doch an und niemand anderem. Aber die Schwestern sagen mir ständig, ich soll mich melden und ich verspreche es dann, um sie zu beruhigen und so halte ich es kaum aus, aber tu es den Schwestern nicht an. Verdammt noch mal, das war meine Chance, mein Weg, es auszuhalten, mir zu helfen, wenn ich das Gefühl nicht aushalten kann in meinem Kopf, den Druck, wenn ich Angst habe durchzudrehen. Auch um mir zu helfen, mich nicht umzubringen, um es aushalten zu können, um schlafen zu können, um die Schmerzen wegschneiden zu können und zuletzt auch um mich zu bestrafen, mir den gleichen Schmerz zuzufügen, wie ich es damals (auch wenn ich es nicht wollte) tun musste.

Um mich zu bestrafen, dass ich noch da bin und nicht auch weg, damit ich nicht mehr zu meinem Opa gehöre, nicht mehr sicher sein will dank meines Opas.

Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe Angst davor, wie ich weiterleben soll – ja, SOLL! Ich bin müde und kann doch wieder nicht schlafen. Ich habe das alles so satt, die Nächte, die Schmerzen, die Qualen, es immer wieder zu erleben und wenn ich es nicht erlebe, dann weiß ich es doch – es ist da. Ich bin da, damit.

17.11.2005

Ich hatte mir Beurlaubung für heute Nachmittag bis 21.00 UHR geben lasse, weil es meinem Mann nicht sehr gut geht und ich dachte, vielleicht hilft es ihm, wenn ich mal für diese Zeit und nicht nur am Wochenende in seiner Nähe bin und er nicht allein ist.