|23|Teil 1

Das Problem

|25|Nicht um Positionen feilschen

Egal, ob es bei Verhandlungen um Verträge, Familienstreitigkeiten oder um Friedensgespräche zwischen Nationen geht, routinemäßig verfallen die Menschen in ein Feilschen um Positionen. Jede Seite nimmt einen bestimmten Standpunkt ein, kämpft dafür und macht dann Zugeständnisse, damit ein Kompromiss zustande kommt. Klassisches Beispiel für ein solches Spiel ist das Feilschen zwischen einem Käufer und dem Inhaber eines Trödelladens:

Und so geht es immer weiter. Vielleicht werden sie sich einigen, vielleicht auch nicht.

Jede Verhandlungsweise sollte man am besten aufgrund von drei Kriterien bewerten: Sie sollte eine vernünftige Übereinkunft zustande bringen – sofern Übereinkunft möglich ist. Sie sollte effizient sein. Und sie sollte das Verhältnis zwischen den Parteien verbessern oder zumindest nicht zerstören. (Eine vernünftige Übereinkunft kann man folgendermaßen definieren: die legitimen Interessen jeder Seite werden in höchstmöglichem Maße erfüllt; eine gerechte Lösung bei Interessenkonflikten; sie ist von Dauer und stellt Beteiligten auch die Interessen der Allgemeinheit in Rechnung.)

Die häufigste Verhandlungsform, wie das Beispiel von eben illustriert, besteht darin, dass in einer gewissen Abfolge Positionen eingenommen – und wieder aufgegeben – werden.

Die Einnahme von Positionen, die bei dem Käufer und dem Geschäftsinhaber, ist für manche Zwecke bei Verhandlungen durchaus nützlich. Sie zeigt der anderen Seite, was Sie wollen. Sie liefert einen Fixpunkt in einer ansonsten unsicheren und drängenden Situation; |27|und sie kann eventuell Bedingungen für eine annehmbare Übereinkunft setzen. Aber das alles ist auch auf andere Weise erreichbar. Feilschen um Positionen verfehlt die Grundkriterien einer klugen, effizienten und gütlichen Einigung.

Positionsgerangel provoziert unkluge Einigungen

Verhandelnde, die um Positionen feilschen, tendieren dazu, sich schließlich in dieser Position selbst zu fangen. Je deutlicher Sie Ihre Position machen und dann gegen Angriffe verteidigen, um so stärker sind Sie selbst daran gebunden. Je mehr Sie die Gegenseite davon überzeugen, dass Sie Ihre Ausgangsposition nicht ändern können, um so schwerer wird es dann, dies doch noch zu tun. Ihr Ego, Ihr Ich, identifiziert sich mit Ihrer Position. Und nun haben Sie ein Interesse daran, Ihr »Gesicht zu wahren« (indem Sie künftige Handlungen auf Ihre früheren Positionen abstimmen), und es wird immer unwahrscheinlicher, dass eine Übereinkunft dann noch die ursprünglichen Interessen der Parteien in vernünftigen Einklang bringen kann.

Wie das Gerangel um Positionen Verhandlungen behindern kann, zeigte sich deutlich beim Abbruch der Gespräche unter Präsident Kennedy über ein umfassendes Verbot von Atomversuchen. Es gab da eine kritische Frage: Wie viele Inspektionen auf dem jeweils gegnerischen Territorium sollten der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten gestattet sein, um Ermittlungen über verdächtige seismische Vorfälle anzustellen? Die Sowjetunion stimmte schließlich drei Inspektionen zu. Die Vereinigten Staaten beharrten auf mindestens zehn. Die Gespräche brachen ab, in der Auseinandersetzung um Positionen. Und das, obwohl noch keiner wusste, ob »Inspektion« bedeutete, dass eine Einzelperson sich einen Tag dort umsehen soll, oder ob hundert Leute einen ganzen Monat lang uneingeschränkt ihre Nase überall hineinstecken dürfen. Beide Parteien hatten kaum Versuche unternommen, einen Inspektionsablauf zu entwerfen, der das Interesse der Vereinigten Staaten, Nachprüfungen anzustellen, |28|abstimmte mit dem Wunsch beider Länder, die Einmischung so gering wie möglich zu halten.

Je mehr Aufmerksamkeit man den Positionen widmet, um so weniger dringt man zu den dahinter liegenden Problemen der Parteien vor. Übereinkunft wird immer unwahrscheinlicher. Jede erreichte Vereinbarung spiegelt dann eher eine mechanische Aufteilung unterschiedlicher End-Positionen wider als eine sorgfältig ausgetüftelte Lösung unter Berücksichtigung legitimer Interessen der Parteien. Das Ergebnis ist häufig eine Übereinkunft, die für beide Seiten weniger befriedigend ist, als es tatsächlich möglich wäre.

Feilschen um Positionen ist ineffizient

Mit der Standardmethode des Verhandelns mag man eine Übereinkunft erzielen (wie bei dem Preis für die Messingschüssel) oder einen Abbruch provozieren (wie bei der Zahl der gegenseitigen Inspektionen). In jedem Fall nimmt der Vorgang beträchtliche Zeit in Anspruch.

Das Feilschen um Positionen bringt Regungen hervor, die eine Klärung hinauszögern. Bei einem solchen Streit um Positionen trachten Sie danach, Chancen für Regelungen zu Ihren Gunsten dadurch zu verbessern, dass Sie mit einer extremen Position beginnen und eigensinnig daran festhalten, dass Sie die Gegenseite über Ihre wahre Position täuschen und kleine Zugeständnisse nur insoweit machen, als sie für den Fortgang der Verhandlungen notwendig sind. Die Gegenseite verfährt ebenso. All das behindert eine baldige Einigung. Je extremer die anfänglichen Positionen und je kleiner die Zugeständnisse, um so mehr Zeit und Mühe wird es kosten herauszufinden, ob eine Einigung überhaupt möglich ist.

Dieses Standardbeispiel erfordert auch eine große Zahl individueller Entscheidungen, da jeder Verhandlungspartner immer wieder neu bestimmen muss, was er anbietet, was er zurückweist, wie viele Zugeständnisse er machen muss. Entscheidungen zu fällen ist schwierig und in jeder Hinsicht zeitraubend. Nun bedeutet jede Entscheidung |29|nicht nur ein Zugeständnis der anderen Seite gegenüber, sondern bringt auch den Zwang zu künftigem Nachgeben mit sich; also hat der Verhandelnde wenig Anreiz zur Eile. Verschleppen, Drohen mit Abbruch, Mauern und andere derartige Taktiken werden daher ganz allgemein angewandt. Die Sache wird damit in die Länge gezogen; dabei aber wachsen die Kosten für eine Übereinkunft und das Risiko, dass man zu keiner Vereinbarung kommt.

Positionsgerangel birgt Gefahren für künftige Beziehungen

Das Feilschen um Positionen wird zum Willenskampf. Jeder Verhandelnde versichert, was er will und was er nicht will. Die Aufgabe, gemeinsam eine annehmbare Lösung zu suchen, wird leicht zum Gefecht. Jede Seite versucht, durch bloße Willenskraft die andere zur Änderung ihrer Positon zu veranlassen. »Ich gebe nicht nach. Wenn du mit mir ins Kino gehen willst, dann in den Malteser Falken – oder wir gehen gar nicht.« Ärger und Verstimmung kommen auf, weil sich die eine Seite ohne Berücksichtigung der eigenen legitimen Interessen dem unbeugsamen Willen der anderen unterworfen sieht. Das Feilschen um Positionen belastet so die Beziehung zwischen den Parteien und zerstört sie mitunter gar. Unternehmen, die jahrelang zusammengearbeitet haben, trennen sich, Nachbarn reden nicht mehr miteinander. Der bittere Nachgeschmack solcher Zusammenstöße kann ein Leben lang weiterwirken.

Sind mehr als zwei Parteien an Verhandlungen beteiligt, ist Feilschen um Positionen noch schlechter

Man kann Verhandlungsstile so untersuchen, als wären stets nur zwei Partner daran beteiligt. Sie und die »Gegenseite«. Das ist bequem; nur sind in Wirklichkeit eben meist mehr als nur zwei Personen |30|in die Verhandlungen verwickelt. Schon am Verhandlungstisch sind möglicherweise mehrere Parteien anwesend, außerdem kann jeder Partner auch Hintermänner, Vorgesetzte, Ausschüsse oder Komitees um sich haben, mit denen er auskommen muss. Je mehr Leute an einer Verhandlung beteiligt sind, um so mehr erschwert das Feilschen um Positionen eine Einigung.

Wenn, wie bei vielen Konferenzen der Vereinten Nationen, gar 150 und mehr Delegationen verhandeln, ist das Gerangel um Positionen nahezu unmöglich. Da können alle »ja« sagen – nur einer sagt nein, und das reicht. Gegenseitige Konzessionen sind schwierig: wem gegenüber macht man sie denn? Tausende von bilateralen Absprachen kommen bei einer multilateralen Übereinkunft zu kurz. In solchen Situationen treibt Positionsgerangel lediglich zur Bildung von Koalitionen zwischen Parteien mit partiell gemeinsamen Interessen, die aber wiederum oft eher symbolischer als substanzieller Art sind. In den Vereinten Nationen kommen dann Verhandlungen zwischen »dem« Norden und »dem« Süden oder »dem« Osten und »dem« Westen dabei heraus. Jede dieser Gruppen besteht aus vielen Mitgliedern, und da ist die Entwicklung einer gemeinsamen Position besonders schwer. Schlimmer noch: wenn in schmerzlichen Prozessen endlich eine gemeinsame Politik erarbeitet und abgesegnet wurde, kommt man noch schwerer davon wieder herunter. Die Änderung einer einmal eingenommenen Position wird noch problematischer, wenn die im Hintergrund Beteiligten die eigentlich Entscheidenden sind, die trotz ihrer Abwesenheit vom Verhandlungsort ihre Zustimmung geben müssen.

Nett sein ist auch keine Lösung

Vielen Menschen ist der hohe Preis bewusst, den hartes Streiten um Positionen erfordert. Die Konsequenzen, die es für die Parteien und ihre Beziehungen hat, hoffen sie durch einen freundlicheren Verhandlungsstil vermeiden zu können. Sie sehen in der Gegenseite nicht ihre Widersacher, sondern betrachten sie als Freunde. Statt Siegestore zu |31|bejubeln, betonen sie die Notwendigkeit, Übereinkünfte zu erzielen. Solch weiche Verhandlungsart besteht darin, schrittweise Angebote und Zugeständnisse zu unterbreiten, der anderen Seite zu trauen, nett zu sein und Konfrontationen zu vermeiden.

Die folgende Übersicht illustriert zwei Stilarten im Feilschen um Positionen, die weiche und die harte. Die meisten Menschen meinen, dass sie in ihrer Verhandlungsstrategie nur zwischen diesen beiden Stilarten wählen können. Wenn Sie die Übersicht ansehen, können Sie bestimmen, ob Sie eher zur harten oder weichen Art neigen, oder ob Sie vielleicht irgendwo einen Mittelweg suchen.

Der weiche Verhandlungsstil betont die Wichtigkeit des Aufbaus und der Pflege von Beziehungen. Das geschieht vor allem bei Verhandlungen innerhalb von Familien und zwischen Freunden. Oft zeitigt das auch tatsächlich schnelle und wirkungsvolle Ergebnisse. Wenn jeder mit dem anderen freundlich und zuvorkommend umgeht, wird eine Übereinkunft wahrscheinlicher, jedoch muss dies nicht unbedingt auch eine vernünftige Übereinkunft sein. Allerdings muss es auch nicht immer so tragisch ausgehen wie in der Geschichte eines armen Ehepaares, in der die liebende Frau ihr Haar verkauft, um für ihren Mann eine schöne Uhrkette zu besorgen, während der uneingeweihte Mann seine Uhr verkauft, um einen wunderbaren Kamm für die Haare seiner Frau zu erstehen. Dennoch droht jede Verhandlung, bei der den gegenseitigen Beziehungen ein hoher Rang eingeräumt wird, eine recht verschwommene Übereinkunft hervorzubringen.

Ernster noch ist eine andere Gefahr: durch weiches und freundliches Verhandeln werden Sie leichte Beute für jeden, der seinerseits hart um Positionen kämpft. Beim Streit um Positionen ist die harte Linie der weichen überlegen. Wenn der eine hart feilscht und auf Konzessionen besteht, gar zu Drohungen greift, und der weiche Verhandlungspartner Konfrontationen vermeiden will und auf Übereinkünfte hofft, entscheidet sich das Spiel zugunsten des harten Partners. Eine Übereinkunft wird dabei herauskommen, es wird jedoch keine vernünftige sein. Sie wird mit Sicherheit für den harten |33|Positionskämpfer vorteilhafter sein als für den weichen. Wenn Sie anhaltendem Positionsfeilschen mit sanftem Verhalten antworten, werden Sie wahrscheinlich auch noch Ihr letztes Hemd verlieren.

Es gibt eine Alternative

Wenn Ihnen die Wahl zwischen Hart und Weich beim Streit um Positionen nicht zusagt, können Sie den ganzen Vorgang verändern.

Verhandeln spielt sich auf zwei Ebenen ab. Einerseits bezieht es sich auf die Substanz, den Verhandlungsgegenstand. Auf der anderen Ebene rückt der Prozess des Umgehens mit dieser Substanz in den Brennpunkt des Verhandelns, die Verfahrensweise. Die erste Verhandlungsebene betrifft etwa Ihr Gehalt, Bedingungen eines Mietvertrags oder einen zu entrichtenden Preis. Die zweite Verhandlungsebene zielt auf die Art, wie Sie die Kernfrage behandeln wollen: weich oder hart um Positionen feilschen oder sonst auf irgendeine andere Weise. Diese zweite Verhandlungsebene ist gewissermaßen ein Spiel ums Spiel – ein »Meta-Spiel«. Jeder Zug innerhalb einer Verhandlung ist nicht nur ein Schritt, der die Miete, das Gehalt oder eine andere Kernfrage betrifft; er strukturiert auch gleichzeitig die Regeln Ihres Spiels mit. Man kann damit die Verhandlungen in der bisherigen Bahn halten; man kann aber damit auch einen Gegenzug auslösen, der das ganze Spiel ändert.

Diese zweite Verhandlungsebene entzieht sich weitgehend der Kenntnis, weil sie offenbar nicht im Bereich bewusster Entscheidungen liegt. Erst wenn man mit einem Ausländer verhandelt, der vielleicht noch dazu einen anderen kulturellen Hintergrund hat, steht man häufiger vor der Notwendigkeit, allgemein anerkannte Vorgehensweisen für die substanziellen Fragen zu erarbeiten. Bewusst oder nicht: mit jedem Zug, den Sie tun, verhandeln Sie auch über die Regeln des Verhandlungsablaufs bzw. der Verfahrensweise, auch wenn sich ein solcher Zug ausschließlich auf die Sache selbst zu beziehen scheint.

|34|Die Antwort auf die Frage, ob man lieber weich oder lieber hart um Positionen feilschen sollte, lautet: weder das eine noch das andere. Ändern Sie das Spiel. Im schon erwähnten Harvard Negotiation Project haben wir eine Alternative zum Feilschen um Positionen entwickelt, eine Verhandlungsmethode, die mit effizienten und gütlichen Verfahrensweisen ausdrücklich auf vernünftige Ergebnisse abzielt. Wir nennen dies sachbezogenes Verhandeln oder Verhandeln nach Sachlage (principled negotiation bzw. negotiation on the merits). Es beruht im Wesentlichen auf vier Grundaspekten.

Diese vier Punkte bestimmen eine, unter allen denkbaren Umständen anwendbare, offene und ehrliche Verhandlungsmethode. Jeder dieser vier Aspekte bezieht sich auf ein Grundelement des Verhandelns und zeigt deutlich, wie man damit umgehen soll.

Menschen:

Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln!

Interessen:

Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen!

Möglichkeiten:

Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln!

Kriterien:

Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen!

Der erste Punkt bezieht sich darauf, dass menschliche Wesen keine Roboter sind. Wir haben starke Emotionen, aber häufig sehr unterschiedliche Vorstellungen und haben Schwierigkeiten, uns klar zu verständigen. Üblicherweise werden Emotionen mit der objektiven Sachlage des Problems versponnen. Wenn dann noch Positionen eingenommen werden, verschlimmert das die Sache weiter, denn das Ich der Menschen identifiziert sich mit ihren Positionen. Vor jeder Erörterung der Sachlage sollte daher das »menschliche Problem« abgelöst und getrennt davon behandelt werden. Bildlich gesprochen sollten sich die Partner Seite an Seite sehen, wie sie gemeinsam das Problem angehen – und nicht, wie sie aufeinander losgehen. Erste Voraussetzung also: Menschen und Probleme getrennt behandeln.

|35|Der zweite Punkt soll die Beeinträchtigungen beseitigen, die durch Konzentration auf Positionen entstehen, damit bei der Verhandlung die jeweils dahinter stehenden Interessen befriedigt werden können. Verhandlungspositionen verdecken oft das, was Sie wirklich wollen. Ein Kompromiss zwischen Positionen berücksichtigt höchstwahrscheinlich nicht die menschlichen Bedürfnisse, die zu eben diesen Positionen geführt haben. Der zweite Grundaspekt heißt also: Konzentration auf Interessen, nicht auf Positionen.

Der dritte Punkt bezieht sich auf Möglichkeiten, optimale Lösungen selbst unter Druck zu erzielen. Wenn Ihr Gegner bei Ihrer Entscheidung anwesend ist, so schmälert das Ihre eigenen Aussichten. Grenzlinien und die Suche nach der einen richtigen Lösung behindern jegliche Kreativität. Entgehen Sie diesen Zwängen. Ziehen Sie sich eine bestimmte vereinbarte Zeit zurück und denken Sie über die ganze Palette möglicher Lösungen nach, die alle gemeinsamen Interessen berücksichtigen und unterschiedliche Anliegen miteinander in Einklang bringen. Daher Punkt drei: Vor dem Versuch, ein Übereinkommen abzuschließen, nach Möglichkeiten für gegenseitigen Nutzen suchen.

Wo Interessen einander unmittelbar widersprechen, erreicht möglicherweise ein Verhandlungspartner ein für ihn günstiges Ergebnis einfach durch Sturheit. Unzugänglichkeit wird damit belohnt, und willkürliche Ergebnisse kommen dabei heraus. Einem solchen Verhandlungspartner treten Sie am besten mit der Erklärung entgegen, dass sein einseitiges Gerede hier nicht genüge, und dass eine Übereinstimmung fairen Maßstäben entsprechen müsse, die wiederum unabhängig vom bloßen Willen der einen oder anderen Seite sind. Das heißt nicht, dass die Bedingungen nur auf Prinzipien beruhen müssen, die Sie auswählen, sondern nur, dass die Lösung von fairen Maßstäben bestimmt wird, etwa durch den Marktwert oder eine Expertenmeinung, durch Sitten, Rechtsnormen etc. Diskutiert man diese Kriterien (anstatt der Wünsche der Parteien), so muss am Ende keine von ihnen »nachgeben«: einer fairen Lösung können sich beide unterwerfen. Vierter Punkt daher: Auf der Anwendung neutraler Beurteilungskriterien bestehen.

|36|In der folgenden Tabelle ist das harte bzw. weiche Feilschen um Positionen der Methode des sachbezogenen Verhandelns gegenübergestellt. Darin sind die vier Punkte dieser Methode kursiv hervorgehoben.

Die vier Grundvoraussetzungen sachbezogenen Verhandelns sind relevant von dem Moment an, wo Sie über die Sache nachzudenken beginnen – bis hin zu dem Zeitpunkt, wo eine Übereinkunft erreicht ist oder Sie den Versuch aufgeben. Dieser gesamte Zeitraum teilt sich in drei Abschnitte ein: Analyse, Planung, Diskussion.

Während der Analyse versuchen Sie lediglich die Situation zu erkennen. Sie holen Informationen ein, ordnen sie und denken darüber nach. Sie sollten die menschlichen Probleme betrachten, die den parteiischen Vorstellungen, abweisenden Gefühlen und manch unklarer Verständigung zugrunde liegen: Darüber hinaus sollten Sie auch Ihre eigenen Interessen ebenso wie die der Gegenseite bestimmen. Am besten notieren Sie sich schon mal Ihre Wünsche und Möglichkeiten |38|und legen Kriterien fest, die sich als Basis für eine Übereinkunft eignen. Während der Planungsperiode haben Sie erneut mit denselben vier Elementen zu tun. Dabei sollten Sie nun Vorstellungen entwickeln und entscheiden, was zu tun ist. Auf welche Weise behandeln Sie die menschlichen Probleme am besten? Welche Ziele sind erreichbar? Am besten entwickeln Sie zusätzliche Wahlmöglichkeiten und Kriterien, zwischen denen Sie entscheiden können.

Auch während der Diskussion – wenn die Parteien miteinander verhandeln und auf eine Lösung hinarbeiten – eignen sich dieselben vier Elemente am besten als Verhandlungsgrundlage. Unterschiedliche Vorstellungen sowie Frustrationsgefühle, Ärger, Kommunikationsschwierigkeiten, all das kann man erkennen und artikulieren. Jede Seite sollte die Interessen der anderen verstehen lernen. Gemeinsam kann man dann Wahlmöglichkeiten entwickeln, die für beide Parteien vorteilhaft sind und Übereinkünfte auf der Grundlage objektiver Prinzipien suchen, um die entgegengesetzten Interessen zu versöhnen.

Alles in allem: Anders als beim Feilschen um Positionen bringt die Methode des sachbezogenen Verhandelns durch die Einbeziehung grundlegender Interessen, durch gegenseitig befriedigende Zielvorstellungen und faire Entscheidungsmaßstäbe eine vernünftige Übereinkunft hervor. Man erreicht damit einen steigenden Konsens gemeinsamer Entscheidung und zwar auf effiziente Art und Weise – ohne all die hohen Unkosten, die dadurch entstehen, dass man sich zuerst in einer Position eingräbt, um sich hernach wieder auszubuddeln. Trennt man die Behandlung der Menschen von der Behandlung des Problems, so kann man den Partner unmittelbar und ausdrücklich als menschliches Wesen angehen. Dadurch wird dann auch eine gütliche Übereinkunft möglich.

Die folgenden vier Kapitel behandeln jeweils einen dieser vier grundlegenden Punkte. Wenn Sie an irgendeiner Stelle skeptisch oder verwirrt werden, überschlagen Sie die nächsten Seiten und finden dann im dritten Teil Antworten auf Fragen, die jeweils am häufigsten zu diesen Problemen gestellt werden.