|179|Und wenn sie schmutzige Tricks anwenden?

Wie man zähe Verhandlungspartner zähmt

Sachbezogenes Verhandeln ist eine schöne Sache – was aber, wenn Ihr Verhandlungspartner Sie betrügt oder Sie aus dem Gleichgewicht bringen will? Oder wenn er neue Forderungen stellt, gerade in dem Moment, wo Sie eine Übereinkunft in Sichtweite haben?

Es gibt viele Taktiken und Tricks, die die Gegenseite verwenden kann, um einen Vorteil zu gewinnen. Jeder von uns kennt selbst welche. Das geht von Lügen und Missbrauch psychologischer Erkenntnisse bis zu den verschiedenen Formen von Druckausübung. Das alles mag illegal, unmoralisch und schlicht unerfreulich sein. Die Absicht dabei ist, in einem unsachlichen Willenskampf wesentliche Vorteile zu erzielen. Wir wollen solche Taktiken Verhandlungstricks nennen.

Zwei verschiedene Reaktionen herrschen hier vor, wenn Leute sich in solch trickreiche Verhandlungen verstrickt sehen. Die erste Standardreaktion besteht darin, solche Taktiken zu erdulden. Man will nicht noch Öl ins Feuer gießen. Man lässt die Gegenseite im Zweifelsfall gewähren oder man wird ärgerlich und nimmt sich vor, mit diesen Leuten nie wieder etwas anzufangen. Im gegenwärtigen Fall erhofft man sich das Beste und bleibt still. Viele Leute reagieren so. Ruhe bewahren, so hofft man, besänftigt auch die Gegenseite und hält sie von weiteren Forderungen an. Das mag manchmal zutreffen, in den meisten Fällen aber hilft das überhaupt nichts. Der britische Premierminister Neville Chamberlain zum Beispiel reagierte 1938 so auf Hitlers Verhandlungstaktiken. Kaum dachte Chamberlain, dass das Abkommen unter Dach und Fach war, da schraubte Hitler seine |180|Forderungen in die Höhe. Bei den Münchner Verhandlungen hoffte Chamberlain dann wieder, dass er einen Krieg vermeiden könnte, und stimmte allem zu. Ein Jahr später war der Zweite Weltkrieg da.

Die zweite übliche Reaktion besteht darin, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Wenn die anderen unverschämt hohe Forderungen stellen, setzt man selbst unverschämt niedrige Angebote dagegen. Täuschen einen die anderen, so täuscht man sie auch. Drohen sie, kontert man ebenfalls. Graben sie sich in ihrer Position ein, tut man das selbst auch, und zwar noch intensiver. Am Ende gibt eine Seite nach, oder – wie allzu oft – die Verhandlungen scheitern.

Derart trickreiche Taktiken sind illegitim, weil sie nicht umkehrbar sind: Ihr Wesen besteht ja gerade darin, dass nur eine Seite sie anwenden kann. Die Gegenseite sollte diese Taktiken gerade nicht kennen oder sie, selbst wenn sie davon weiß, tolerieren. Wir haben weiter oben schon ausgeführt, dass eine wirkungsvolle Antwort auf einen einseitigen inhaltlichen Vorschlag darin besteht, die dahinter liegenden Kriterien und deren Legitimität zu überprüfen. Verhandlungstricks sind tatsächlich immer einseitige Vorschläge über Verhandlungsverfahren (und nicht über die Inhalte), über das Spiel, das hier getrieben werden soll. Wenn Sie dem entgehen wollen, so müssen Sie nun sachbezogen über den Verhandlungsprozess verhandeln.

Wie verhandelt man über die Spielregeln?

Wenn die Gegenseite offenbar trickreiche Taktiken anwendet, handelt man die Spielregeln der Verhandlung am besten in drei Schritten aus: die Taktik erkennen, den Streitpunkt artikulieren und die Legitimität und Annehmbarkeit der Taktik hinterfragen. Darüber sollten Sie dann verhandeln.

Zuerst müssen Sie wissen, was da geschieht, und imstande sein, etwas dagegen zu unternehmen. Gewöhnen Sie sich bestimmte Erkenntnismethoden an, die Sie auf Betrugsmanöver hinweisen – auf solche, die am Ende die Gegenseite in ihrer Position einmauern. Zur |181|Ausschaltung einer Taktik genügt es oft schon, sie zu durchschauen. Wenn Sie zum Beispiel bemerken, dass die Gegenseite Sie persönlich angreift, um Ihre Urteilskraft zu mindern, wird alleine schon diese Erkenntnis den Versuch scheitern lassen.

Haben Sie die Taktik durchschaut, dann sprechen Sie mit der Gegenseite darüber. »Sagen Sie mal, Joe, kann sein, dass ich mich völlig irre; aber ich habe das Gefühl, dass ihr beide hier ein Spiel veranstaltet, in dem einer der ›Gute‹ und einer der ›Böse‹ sein muss. Wenn ihr eure Differenzen austragen wollt, können wir gerne eine Pause machen.« Wenn Sie die Taktik zur Sprache bringen, nehmen sie dieser nicht nur viel von ihrer Wirkung, sondern sorgen auch dafür, dass die Gegenseite befürchten muss, Sie total zu verärgern. Manchmal reicht es ganz einfach, die Frage nach der Taktik zu stellen, um ihre weitere Anwendung zu verhindern.

Die wichtigste Absicht bei der Artikulation der Taktikfrage besteht dabei darin, dass Sie eine Möglichkeit bekommen, die Spielregeln zum Verhandlungsgegenstand zu machen. Das ist der dritte Schritt. Diese Verhandlung bezieht sich auf die Verfahrensweise und nicht auf die Inhalte; aber das Ziel bleibt dabei, auf gütliche und doch wirkungsvolle Art ein vernünftiges Übereinkommen (hier über die Verfahrensweise) zustande zu bringen. Es wird wohl niemanden überraschen, dass die Methode dabei dieselbe ist.

Die Menschen von den Problemen trennen

Auch wenn Sie eine in Ihren Augen illegitime Taktik entdecken: Greifen Sie die Leute nicht persönlich an. Einmal in die Defensive gedrängt, wird es wohl wesentlich schwieriger für sie, die Taktik aufzugeben, und es bleibt ein Rest Ärger zurück, der dann im Inneren nagt und bei anderen Streitpunkten wieder auftaucht. Stellen Sie die Taktik infrage, nicht die persönliche Integrität der anderen. Sagen Sie nicht: »Sie haben mich absichtlich auf den Platz gesetzt, wo mir die Sonne voll ins Gesicht scheint.« Gehen Sie lieber das Problem |182|an: »Mich stört die Sonne, die mir da ins Gesicht scheint. Wenn wir das nicht abstellen können, muss ich mich bald zurückziehen und ausruhen. Sollen wir die Tagesordnung ändern?« Es ist leichter, den Verhandlungsprozess zu verändern als die Menschen, mit denen man es zu tun hat. Lassen Sie sich nicht von der Verhandlung selbst ablenken, nur weil es Sie reizt, die anderen zu belehren.

Konzentrieren Sie sich auf Interessen, nicht auf Positionen

»Warum binden Sie sich in der Presse öffentlich an eine derart extreme Position? Wollen Sie sich gegen Kritik absichern? Oder wollen Sie sich selbst davor bewahren, Ihre Position zu ändern? Wäre es in unser beider Interesse, wenn wir beide diese Taktik anwenden würden?«

Entwickeln Sie Optionen für beiderseitigen Nutzen

Schlagen Sie anderen Spielregeln vor. »Wie wäre es, wenn wir gegenüber der Presse keine Stellungnahmen mehr abgeben, bis wir ein Abkommen haben oder die Verhandlungen abbrechen?«

Bestehen Sie auf objektiven Kriterien

Seien Sie bei alledem im Grundsätzlichen hart. »Gibt’s einen Grund dafür, warum ich in dem tiefen Stuhl direkt vor der offenen Tür sitzen soll?« Machen Sie den Gegenseitigkeits-Test: »Ich nehme an, dass morgen Sie in diesem Stuhl sitzen wollen?« Suchen Sie jeweils hinter der Taktik einen Vorschlag für eine »Spielregel«. »Sollen wir uns abwechselnd gegenseitig jeden Tag mit Kaffee übergießen?«

Wenn alles nichts hilft, greifen Sie zu Ihrer Besten Alternative |183|und ziehen sich zurück. »Ich habe den Eindruck, dass Sie hier nicht an Verhandlungen interessiert sind, von denen wir beide ein Ergebnis erwarten können. Hier haben Sie meine Telefonnummer. Wenn ich mich geirrt habe: Ich bin jederzeit wieder zu Gesprächen bereit, wenn Sie das wollen. Bis dahin können wir ja die gerichtliche Auseinandersetzung weiterverfolgen.« Wenn Sie die Verhandlungen aus eindeutig berechtigten Gründen verlassen (etwa wenn die Gegenseite Sie absichtlich über Tatsachen auf ihrer Seite getäuscht hat), werden Sie wohl an den Verhandlungstisch zurückgeholt werden, wenn die anderen aufrichtig an einer Übereinkunft interessiert sind.

Ein paar übliche Verhandlungstricks

Man kann die taktischen Tricks in drei Kategorien einteilen: absichtlicher Betrug, psychologische Kriegsführung und Druck auf Positionen. Sie sollten sich darauf vorbereiten, mit allen Dreien zurechtzukommen. Wir geben im Folgenden eine Anzahl häufiger Grundtypen solcher Tricks an und zeigen dazu jeweils, wie man durch sachbezogenes Verhandeln kontern kann.

Absichtlicher Betrug

Die wohl häufigste Form schmutziger Tricks ist die Täuschung über Tatsachen, Zuständigkeiten und Absichten.

 

Gefälschte Fakten Die älteste Form von Verhandlungstricks besteht in der Behauptung bewusst falscher Angaben: »Dieses Auto hat eine alte Frau nur 10 000 km gefahren und immer nur mit höchstens 50 Stundenkilometern.« Die Gefahr, mit solchen falschen Informationen hereingelegt zu werden, ist groß. Was kann man dagegen tun?

Zuerst: Trennen Sie wieder die Menschen vom Problem. Solange Sie keine wirklich guten Gründe haben, jemandem zu trauen, sollten |184|Sie es lassen. Sie müssen ihn deshalb noch lange nicht als Lügner bezeichnen. Es bedeutet vielmehr, dass Sie den Verhandlungsprozess unabhängig von der Frage des Vertrauens vorantreiben sollten. Lassen Sie es auch nicht zu, dass jemand Ihre Zweifel als persönlichen Angriff wertet. Kein Verkäufer wird Ihnen wohl eine Uhr oder ein Auto nur deshalb überlassen, weil Sie behaupten, dass Sie Geld auf der Bank haben. Und wie der Verkäufer sich ganz routinemäßig über Ihre Kreditwürdigkeit informiert (»Sie glauben gar nicht, wie viele Leute es heute gibt, die die Bedingungen nicht erfüllen.«), können Sie ganz analog auch mit Ihrem Gegenüber umgehen. Überprüfen Sie, verifizieren Sie die Angaben der Gegenseite, das lässt die Neigung zum Betrug sinken und mindert auch Ihr Risiko, hereingelegt zu werden.

 

Unklare Vollmachten Manchmal lässt einen die Gegenseite im Glauben, sie habe – ebenso wie Sie – uneingeschränkte Verhandlungsvollmacht, obwohl das nicht zutrifft. Später, nachdem die anderen aus Ihnen alles herausgeholt haben und Sie im guten Glauben mitgemacht haben, dass das nun eine feste Abmachung sei, erklärt die Gegenseite, dass man da noch jemanden um Zustimmung fragen muss. Damit suchen die Partner sich sozusagen ein Hintertürchen offen zu halten.

Es ist unangenehm, in eine derartige Lage zu geraten. Denn wenn auf Ihrer Seite nur Sie die Vollmacht zu Konzessionen haben, werden Sie ja am Ende auch für Zugeständnisse verantwortlich sein.

Nehmen Sie deshalb sicherheitshalber an, dass Ihre Verhandlungspartner nicht unbedingt eine Entscheidungsbefugnis haben, nur weil sie bei der Verhandlung anwesend sind. Der Sachbearbeiter einer Versicherung, ein Rechtsanwalt, ein Verkäufer lässt Sie gerne im Glauben, dass Ihrer Flexibilität eine ebenso große der Gegenseite entspricht. Später bekommen Sie heraus, dass das, was Sie für ein Übereinkommen hielten, von der Gegenseite nur als Grundlage für weitere Verhandlungen betrachtet wird.

Ehe Sie also das Geben und Nehmen anfangen, suchen Sie zuerst einmal die Kompetenz der anderen zu ergründen. Es ist völlig legitim |185|nachzufragen: »Welche Vollmachten haben Sie denn in diesen Verhandlungen?« Erhalten Sie keine eindeutige Antwort, dann äußern Sie den Wunsch nach einem Gespräch mit jemandem, der wirklich entscheidungsbefugt ist, oder machen Sie klar, dass sonst auch Sie die Freiheit beanspruchen, jeden vereinbarten Punkt erneut infrage zu stellen.

Erklärt die Gegenseite unerwartet, dass sie das, was Sie für ein Übereinkommen gehalten haben, nur als Basis für weitere Verhandlungen ansieht, dann bestehen Sie auf Gegenseitigkeit. »Gut. Behandeln wir das Ganze als gemeinsamen Entwurf, an den keiner von uns gebunden ist. Sie besprechen das mit Ihrem Chef; ich überschlafe alles noch mal und sehe zu, ob ich noch etwas ändern will. Das würde ich dann morgen vorschlagen.« Oder: »Wenn Ihr Chef den Entwurf morgen billigt, gilt er auch für mich. Ansonsten kann jeder von uns Änderungen vorschlagen.«

 

Zweifelhafte Absichten Geht es darum, ob die Gegenseite sich wirklich an das Abkommen halten will oder wird, kann man entsprechende Klauseln in die Übereinkunft einbauen.

Ein Beispiel: Nehmen Sie an, Sie vertreten als Rechtsanwalt eine Frau in deren Scheidungsangelegenheit. Ihre Klientin glaubt nicht, dass ihr Mann für die Kinder aufkommen wird, auch wenn er eine solche Auflage akzeptiert. Sie hat Angst, die Alimente jeden Monat vor Gericht erstreiten zu müssen. Was können Sie da tun? Artikulieren Sie das Problem und nutzen den Protest der Gegenseite, Garantien zu erwirken.

Sagen Sie etwa zum Anwalt des Mannes: »Sehen Sie, meine

Klientin hat Angst, dass das mit der Unterstützung der Kinder nicht klappt. Wie wäre es, wenn man die monatlichen Zahlungen mithilfe einer Hypothek auf das Haus absichert?«

Der Gegenanwalt darauf in etwa: »Mein Klient ist absolut vertrauenswürdig. Wir nehmen die regelmäßige Zahlung der Alimente in den Vertrag auf, und er wird die Unterstützung pünktlich bezahlen.«

|186|Sie antworten nun: »Das ist nicht eine Frage des Vertrauens. Sind Sie sicher, dass Ihr Klient bezahlen wird?«

»Natürlich.«

»Hundertprozentig?«

»Hundertprozentig sicher.«

»Dann werden Sie nichts gegen folgendes Abkommen haben. Ihr Klient stimmt monatlichen Unterhaltszahlungen zu. Wir sehen aber im Vertrag vor: Für den Fall – den Sie für ausgeschlossen halten –, dass er zwei Monatszahlungen in Verzug kommt, wird die von uns vorgeschlagene Hypothek eingetragen.«

Der Gegenanwalt wird da wohl kaum Einwände geltend machen können.

 

Unvollständige Information ist nicht dasselbe wie Betrug Absichtlicher Betrug über Fakten oder Absichten ist etwas ganz anderes als das Verschweigen eigener Gedanken. Gutgläubiges Verhandeln erfordert keineswegs ständige Enthüllungen. Werden Sie zum Beispiel gefragt: »Wie viel würden Sie maximal bezahlen, wenn Sie in dieser Lage wären?«, dann antworten Sie am besten etwa so: »Wir sollten uns nicht selbst in Versuchung bringen und uns gegenseitig irreführen. Wenn Sie meinen, dass eine Einigung nicht möglich ist und wir nur unsere Zeit vergeuden, können wir unsere Vorstellungen vielleicht einer dritten Partei gegenüber entwickeln, die uns dann sagt, ob es Spielräume für mögliche Abkommen gibt.« Auf diese Weise bleibt man offen, ohne seine Gedanken enthüllen zu müssen.

Psychologische Kriegsführung

Derartige Taktiken dienen dazu, dass Ihnen unbehaglich zumute wird, sodass Sie den unbewussten Wunsch nach möglichst baldigem Ende der Verhandlungen bekommen.

 

|187|Stresssituationen Über die physischen Umstände, unter denen Verhandlungen geführt werden, ist schon viel geschrieben worden. Sie sollten durchaus auf so simple Fragen achten wie die, ob das Treffen bei Ihnen oder bei der Gegenseite oder auf neutralem Boden zustande kommt. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung kann es manchmal durchaus vorteilhaft sein, wenn man das Angebot zu einem Treffen bei der Gegenseite annimmt. Für die anderen ist das bequem und macht sie vielleicht offener gegenüber Ihren Vorschlägen. Wenn nötig, ist es für Sie auch leichter, wieder aufzubrechen. Wenn Sie übrigens der Gegenseite die Wahl des Ortes gestatten, passen Sie auf, wie diese Wahl aussieht und welche Konsequenzen sie hat.

Versuchen Sie sich darüber klar zu werden, ob Sie unter Stress stehen; und wenn ja, warum. Ist Ihnen der Raum zu laut, die Temperatur zu hoch oder zu niedrig, steht kein Raum für ein vorbereitendes Gespräch mit einem Kollegen zur Verfügung – dann sehen Sie zu, ob das nicht alles absichtlich so arrangiert wurde, damit Sie die Verhandlungen schnell beenden wollen und, wenn notwendig, auch an bestimmten Punkten nachgeben, um zu einem Ende zu kommen.

Finden Sie die Umgebung irgendwie schon so vor, dass bestimmte Entscheidungen vorweggenommen wurden, dann zögern Sie nicht, das auch zu sagen. Schlagen Sie vor, die Stühle zu tauschen, sorgen Sie für eine Unterbrechung, vertagen Sie sich auf einen anderen Ort oder eine andere Zeit. Sie müssen auf alle Fälle herausfinden, warum das alles so ist (auch gemeinsam mit der Gegenseite), und dann handeln Sie nach objektiven und sachlichen Gesichtspunkten bessere physische Begleitumstände aus.

 

Persönliche Angriffe Über die Manipulation der physischen Umgebung hinaus kann die Gegenseite Ihnen auch mithilfe verbaler und nonverbaler Kommunikation unbehagliche Gemütszustände verschaffen. Etwa durch Bemerkungen über Ihre Kleider oder Ihre Erscheinung. »Sie sehen übernächtigt aus. Läuft im Geschäft nicht alles nach Wunsch?« Oder indem man Ihre persönliche Stellung dadurch |188|mindert, dass man Sie warten lässt, oder indem man die Verhandlungen unterbricht und sich mit anderen Leuten befasst. Man kann Sie als inkompetent behandeln. Dann können die Leute auf der Gegenseite auch so tun, als würden sie nicht zuhören und Sie um Wiederholung bitten. Sie können ostentativ den Augenkontakt mit Ihnen meiden (einfache Experimente mit Studenten haben ergeben, wie ungut sich die meisten Menschen in solchen Situationen fühlen – ohne aber deshalb dieses Problem bewusst zu erfassen). Auf alle Fälle wird die Erkenntnis einer solchen Taktik schon helfen, ihre Wirkung zu mindern. Artikuliert man es ausdrücklich, so kommt es aller Wahrscheinlichkeit nach auch zu keiner Wiederholung.

 

Einer spielt den »Guten«, der andere den »Bösen« Dieses Spiel ist ebenfalls ein betrügerisches Manöver im Rahmen psychologischer Kriegsführung. Am deutlichsten kommt das in alten Kriminalfilmen zum Ausdruck. Der erste Polizist schüchtert den Verdächtigen mit dem Vorhalt unzähliger Verbrechen ein, strahlt mit einer starken Lampe direkt in sein Gesicht, beutelt ihn, bricht plötzlich ab und geht weg. Dann kommt der gute Mann und nimmt die Lampe weg, bietet dem Verdächtigen eine Zigarette an und entschuldigt sich für den bösen Polizisten. Er sagt, dass er den bösen Mann gerne in die Schranken weisen würde, aber solange der Verdächtige nicht kooperiere, gehe das eben nicht. Ergebnis: Der Verdächtige sagt alles, was er weiß.

Analog die Szene im Antiquariat. Die beiden Besitzer tun, als würden sie streiten. Der eine gibt sich hart: »Diese Bücher kosten zusammen 10 000 Euro und keinen Cent weniger.« Sein Kollege sieht etwas gequält und verlegen aus. Schließlich legt er los: »Frank, du bist unvernünftig. Schließlich sind die Bücher alle nicht sehr gut erhalten.« Dann dreht er sich zum Interessenten um: »Wären die Bücher Ihnen denn 9 500 Euro wert?« Das Zugeständnis ist kaum der Rede wert; aber es sieht aus wie ein großer Gefallen, den der Verkäufer dem Kunden tun will.

|189|Auch dieses Spiel ist eine Form psychologischer Manipulation. Wenn Sie es durchschauen, werden Sie kaum mehr darauf hereinfallen. Wenn der »Gute« mit seiner Darstellung beginnt, fragen Sie ihn dasselbe wie schon vorher den »Bösen«: »Freut mich, dass Sie vernünftig sein wollen, aber ich würde bei alledem gerne wissen, warum Sie nun ausgerechnet Ihren Preis für fair halten? Nach welchem Kriterium bemessen Sie ihn denn? Ich bin auch bereit, 10 000 Euro zu bezahlen, wenn Sie mich davon überzeugen, dass es ein angemessener, fairer Preis ist.«

 

Drohungen Drohungen gehören zu den meistverwendeten Taktiken bei Verhandlungen. Sie scheinen zunächst leicht anwendbar – viel leichter als ein Angebot. Man braucht nur ein paar Worte dazu, und wenn sie wirken, muss man die Drohung auch nicht verwirklichen. Aber Drohungen können Gegendrohungen provozieren und eine Spirale in Gang setzen, die die ganze Verhandlung aus dem Gleis bringt und sogar die persönlichen Beziehungen zerstören kann.

Drohungen sind eine Form von Druck. Und Druck bewirkt oft nur das Gegenteil von dem, was man damit beabsichtigt; er erzeugt Gegendruck. Die Entscheidung wird für die Gegenseite dadurch oft nicht leichter, sondern schwieriger. Gewerkschaften, Komitees, Gesellschaften, Regierungen rücken oft dichter zusammen, wenn Druck von außen kommt. Falken und Tauben schließen sich fester zusammen zum Widerstand gegen das, was sie als illegitimen Versuch zur Nötigung empfinden. Die Frage wendet sich ab vom »Sollen wir so entscheiden« hin zum »Sollen wir äußerem Druck nachgeben?«

Gute Verhandelnde nehmen selten zu Drohungen Zuflucht. Sie haben das nicht nötig. Es gibt andere Wege, dieselbe Information der anderen Seite zu vermitteln. Erscheint eine Darstellung der Konsequenzen, die aus den Handlungen der Gegenseite absehbar sind, angebracht, sollten Sie nur diejenigen Folgen ausmalen, die unabhängig von Ihrem Willen sind und nicht die, die Ihnen gerade einfallen. Warnungen sind viel legitimer als Drohungen und vor allem nicht |190|so anfällig gegenüber Gegendrohungen: »Sollten wir nicht zu einer Übereinkunft kommen, ist es meiner Ansicht nach sehr wahrscheinlich, dass die Presse die gesamte Story veröffentlichen will. Ich habe keine Ahnung, wie wir das legitimerweise unterdrücken können. Haben Sie eine Vorstellung?«

Wenn Drohungen wirken sollen, müssen sie auch glaubwürdig übermittelt werden. Darum kann man sie manchmal schon im Kommunikationsprozess abfangen. Sie können Drohungen dann einfach ignorieren. Sie können sie als unglaubwürdig, nur mal so hingesprochen oder schlicht als irrelevant betrachten. Sie können dafür sorgen, dass es für den Drohenden gefährlich wird, so weiterzumachen. In einem Bergwerk, in dem einer der Autoren dieses Buches zu tun hatte, wurden zahlreiche Bombendrohungen registriert. Sie verschwanden aber sofort, als die Telefonistin der Gesellschaft jeden Anruf mit den Worten einleitete: »Dieses Gespräch wird aufgezeichnet. Welche Nummer haben Sie gewählt?«

Manchmal kann man Drohungen auch in politische Vorteile verwandeln. Eine Gewerkschaft beipielsweise kann der Presse mitteilen: »Die Firmenleitung hat so wenig in der Hand, dass sie zu Drohungen Zuflucht nehmen muss.« Aber die beste Antwort auf Drohungen ist doch wohl die sachbezogene: »Wir haben eine Reihe von Gegenmaßnahmen gegen jede der üblichen Drohungen seitens der Firmenleitung vorbereitet. Wir werden aber vorläufig von solchen Aktionen absehen, bis wir uns darüber klar sind, ob wir uns mit dem Unternehmen darüber einigen können, dass Drohungen nicht gerade die konstruktivste Handlungsweise für uns alle sind.« Oder: »Ich verhandle nur über Inhalte. Ich bin bekannt dafür, dass ich niemals auf Drohungen reagiere.«

Druck auf Positionen

Diese Taktik zielt auf die Schaffung einer Situation, in der nur eine der beiden Seiten Zugeständnisse machen kann.

 

|191|Die Weigerung zu verhandeln Als die amerikanischen Diplomaten und das Botschaftspersonal im November 1979 in Teheran als Geiseln genommen wurden, verkündete die iranische Regierung ihre Forderungen und weigerte sich zu verhandeln. Rechtsanwälte verfahren oft ähnlich; sie sagen dem Gegenanwalt nur: »Wir sehen uns vor Gericht.« Was kann man nun tun, wenn sich die Gegenseite schlicht zu verhandeln weigert?

Seien Sie sich zuerst einmal darüber im Klaren, dass diese Taktik ein möglicher Verhandlungszug ist: ein Versuch, den Eintritt in die Verhandlungen schon als Teil des Ringens um Zugeständnisse zu nutzen. Eine Variante dieses Schachzugs besteht darin, bereits vor den Verhandlungen Bedingungen für diese zu stellen.

Dann sollten Sie über diese Weigerung selbst sprechen. Versuchen Sie das direkt mit der Gegenpartei oder auch über Dritte. Greifen Sie die anderen wegen dieser Verweigerung nicht an, versuchen Sie aber herauszufinden, welche Interessen die anderen zum Nichtverhandeln veranlassen. Vielleicht haben sie Sorge, dass Sie durch Verhandlungen aufgewertet werden? Haben die potenziellen Verhandlungspartner Angst, als zu »weich« kritisiert zu werden? Meinen sie, dass Verhandlungen ihre wertvolle internationale Solidarität zerstören könnten? Oder glauben sie einfach, dass ein Abkommen nicht möglich ist?

Schlagen Sie ein paar Wahlmöglichkeiten vor, etwa Verhandlungen über Dritte, briefliche Verhandlungen, oder ermuntern Sie nichtbetroffene Personen, wie etwa Journalisten, die Streitfrage zu diskutieren (wie das im Fall der Iran-Geiseln tatsächlich geschah).

Und schließlich: Achten Sie wiederum auf Grundprinzipien. Ist der vorgeschlagene Weg das, was die anderen von Ihnen wollen? Wollen sie lediglich Dritte aus den Verhandlungen heraushalten? Welche Grundprinzipien sind, von der Gegenseite her gesehen, der Lage wohl angemessen?

 

Extreme Forderungen Viele Verhandelnde beginnen mit ganz extremen Vorschlägen. Etwa wenn einer 120 000 Euro für Ihr Haus |192|bietet, das ganz offensichtlich 500 000 Euro wert ist. Damit sollen Ihre Erwartungen schon mal heruntergeschraubt werden. Manche meinen auch, dass eine extreme Eingangsforderung dann das Endresultat für sie verbessert. Das geht von der Vorstellung aus, dass am Schluss die Parteien doch die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage in der Mitte teilen. Dabei gibt es aber Kehrseiten der Medaille, selbst für trickreiche Verhandlungspartner. Wenn man nämlich extreme Forderungen stellt, die die anderen als überzogen durchschauen, so untergräbt man die eigene Glaubwürdigkeit. Eine solche Eröffnung der Verhandlung kann den ganzen Handel unmöglich machen. Wenn die Gegenseite zu wenig anbietet, könnte ja bei Ihnen der Eindruck entstehen, dass die Mühe gar nicht lohnt.

Auch hier ist es sinnvoll, diese Taktik aufzudecken und zu artikulieren. Fragen Sie nach sachbezogener Rechtfertigung für die vertretene Position – so lange, bis diese Position auch denen, die sie vertreten, lächerlich erscheint.

 

Nachgeschobene Forderungen Manche Verhandlungspartner schrauben ihre Forderungen als Gegenzüge zu jeder ihrer eigenen Konzessionen höher. Mitunter treten plötzlich Streitpunkte wieder auf, die Sie schon für beigelegt hielten. Das Ziel ist dabei, das gemachte Zugeständnis wieder einzuschränken, sowie der psychologische Effekt, dass Sie, um neue Forderungen der anderen zu vermeiden, zu einer schnellen Einigung bereit sind.

Der Premierminister von Malta benutzte diese Taktik 1971 bei seinen Verhandlungen über militärische Stützpunkte mit Großbritannien. Jedesmal wenn die Briten glaubten, dass man sich einig sei, kam der Premier mit Sätzen wie »Gut, einverstanden; aber da gibt es noch ein kleines Problem.« Und das »kleine Problem« wuchs sich alsbald aus zu einer Vorauszahlung von 10 Millionen Pfund Sterling in bar als Garantie für Arbeitsplätze auf den Docks und den Flugbasen während der gesamten Laufzeit des Vertrags.

Wenn Sie eine derartige Taktik erkennen, lassen Sie es die Gegenseite wissen und unterbrechen dann die Verhandlungen, um sich darüber |193|klar zu werden, ob und auf welcher Basis Sie überhaupt fortfahren wollen. Damit verhindern Sie eine impulsive Reaktion und machen die Gegenseite gleichzeitig darauf aufmerksam, wie ernst Sie das Ganze nehmen. Wiederum sollten Sie dann auf Grundprinzipien achten. Sie werden sehen, dass alle viel ernsthafter verhandeln, wenn Sie zurückkommen.

 

Die Taktik, sich festzulegen Thomas Schelling hat hierfür ein bezeichnendes Beispiel gegeben. Zwei mit Dynamit beladene Lastwagen begegnen sich auf einer einspurigen Straße. Einer von ihnen muss in den Straßengraben, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Während die beiden aufeinander zufahren, zieht der eine Fahrer das Steuerrad aus der Lenkstange und wirft es aus dem Fenster. Der andere sieht das und hat nun die Wahl zwischen einem Zusammenstoß mit Explosionsgefahr oder dem Weg in den Graben. In diesem Beispiel wird besonders extrem mit der Festlegungstaktik gearbeitet. Ein Nachgeben gibt es gewissermaßen gar nicht. Hier wird paradoxerweise Ihre Verhandlungsposition gestärkt, indem Sie die Entscheidungskontrolle über die Situation verlieren.

Bei Arbeitskämpfen und internationalen Verhandlungen wird diese Taktik vielfach angewandt. Ein Gewerkschaftsführer erklärt in einer mitreißenden Ansprache seinen Verbandsmitgliedern, dass er auf keinen Fall weniger als 15 Prozent Lohnerhöhung akzeptieren wird. Nun würde er Gesicht und Glaubwürdigkeit verlieren, wollte er sich mit weniger zufrieden geben und kann seine Forderung nach zusätzlichen 15 Prozent den Arbeitgebern gegenüber überzeugender vertreten.

Aber auf diese Art sich festzulegen ist zugleich auch immer ein Glücksspiel. Unter Umständen schüchtern Sie die Gegenseite wirklich ein, sie macht eine Konzession – und muss diese dann ihrem eigenen Auftraggeber erst einmal verständlich machen.

Auch hier ist die Art der Vermittlung wieder entscheidend. Sieht zum Beispiel der zweite Dynamitfahrer das aus dem Fenster fliegende Lenkrad nicht oder glaubt, das andere Fahrzeug habe irgendeine Ersatzlenkung, dann hat das Ganze keineswegs den erhofften Effekt. |194|Und dann stehen beide Fahrer unter dem Druck, den Zusammenstoß zu vermeiden.

Das heißt, Sie müssen als Antwort auf eine solche Taktik die Vermittlungswege (die Kommunikation ganz allgemein) unterbrechen. Oder Sie können die angeblich unveränderbar gewordene Position so interpretieren, als wäre sie gar nicht so unverrückbar. »Ach ja, ich sehe das. Sie haben der Presse mitgeteilt, dass Sie auf das Ziel eines Abkommens über 500 000 Euro hinarbeiten. Wir haben ja alle so unsere Vorstellungen, nehme ich an. Wollen Sie meine mal hören?« Oder Sie können einen Witz loslassen und die Festlegung der anderen Seite einfach nicht ernst nehmen.

Man kann solche Festlegungen auch sachbezogen zurückweisen: »Schön, Bob, ich verstehe, Sie haben diese Aussage veröffentlicht. Nun entspricht es aber meinen Grundsätzen, niemals Druck nachzugeben, sondern nur vernünftiger Argumentation. Wir wollen also nun über die Sachfragen sprechen.« Was immer Sie auch tun – vermeiden Sie jedenfalls, dass diese Festlegung zu einer zentralen Frage wird. Spielen Sie sie herunter, sodass die Gegenseite sich unauffälliger daraus zurückziehen kann.

 

Dickköpfige Partner Die wohl am meisten verbreitete Verhandlungstaktik zur Vermeidung eines Nachgebens besteht darin, dass Sie behaupten, Sie selbst würden keine Einwände gegen die Vorschläge haben. Aber der dickköpfige Partner wolle das einfach nicht. »Das ist ein wirklich vernünftiger Gedanke, ich bin ganz der Meinung. Aber meine Frau zieht hier absolut nicht mit mir mit.«

Durchschauen Sie die Taktik. Sie sollten sie jedoch nicht mit dem Verhandlungspartner diskutieren; sehen Sie zu, dass Sie stattdessen mit ihm über das dahinter stehende Grundprinzip einig werden – wenn es sein muss, schriftlich –, und dann sprechen Sie, wenn möglich, mit dem »dickköpfigen Partner«.

 

Verzögerungstaktik Häufig schieben Verhandlungspartner die Entscheidung auf, bis sie denken, es sei ein günstiger Zeitpunkt in |195|Sicht. Bei Arbeitskonflikten warten die beiden Seiten oft bis wenige Stunden vor Streikbeginn, wobei die Gewerkschafter vor allem darauf vertrauen, dass mit dem Herannahen des festgesetzten Zeitpunkts der Druck auf die Unternehmen zu mehr Nachgiebigkeit führt. Unglücklicherweise ist das aber oft eine Fehleinschätzung. Der Termin verstreicht und der Streik beginnt. Hat er aber eingesetzt, so wird nun die Unternehmerseite einen für sie günstigen Zeitpunkt abwarten, etwa wenn die Streikkassen leer sind. Das Warten auf den »günstigen Augenblick« kann sehr teuer werden.

Natürlich müssen Sie auch hier die Taktik einsehbar machen und darüber verhandeln. Außerdem sollten Sie aber auch der Gegenseite zeigen, dass deren Chancen schwinden. Nehmen wir an, Sie vertreten eine Gesellschaft bei Fusionsverhandlungen mit einer anderen. Beginnen Sie im Falle der Verzögerungstaktik Gespräche mit einer dritten Gesellschaft und erkunden Sie die Möglichkeiten einer Fusion mit dieser. Suchen Sie nach objektiven Bedingungen für die Festsetzung von Fristen und Stichtagen, etwa die jährlichen Steuertermine, die Jahresversammlung des Unternehmerverbandes, das Auslaufen von Verträgen, das Ende einer Legislaturperiode.

 

»Nehmen Sie an oder lassen Sie’s bleiben« Es ist nicht unredlich, die Gegenseite mit einem Katalog festgelegter Wahlmöglichkeiten zu konfrontieren. Tatsächlich verlaufen die meisten Geschäfte so. Wenn Sie im Supermarkt Butter für 2,50 Euro sehen, werden Sie kaum mit dem Geschäftsführer feilschen wollen. Solche Geschäfte laufen effizient, aber mit Verhandlungen haben sie nichts zu tun. Es gibt dabei keinen interaktiven Entscheidungsprozess. Es ist auch durchaus legitim, wenn man nach langen Verhandlungen mit der Formel abschließt: »Nehmen Sie an oder lassen Sie’s bleiben:«, wenngleich man dies sicherlich höflicher formulieren sollte. Wollen Sie diese Taktik nicht ausdrücklich anerkennen, so tun Sie zuerst am besten so, als hätten Sie nichts gehört. Wechseln Sie den Gesprächsstoff, bringen Sie möglicherweise andere Lösungen vor.

Wenn Sie das Ganze zum Thema machen, zeigen Sie der Gegenseite, |196|was diese zu verlieren hat, wenn es zu keiner Übereinkunft kommt, und halten Sie nach einem Weg Ausschau, der sie das Gesicht wahren lässt – etwa die Veränderung der Rahmenbedingungen. Wenn der Unternehmer zum Beispiel 3,5 Prozent Lohnerhöhung als »äußerste Grenze« angeboten hat, könnte die Gewerkschaft erwidern: »Ihr letztes Angebot wurde ja gemacht, ehe wir unseren gemeinsamen Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität vorgestellt hatten.«

Lassen Sie sich nicht zum Opfer machen

Oft lässt sich nicht genau klären, was es bedeutet, »in gutem Glauben« zu verhandeln. Es gibt da Unterschiede in der Bewertung. Fragen Sie sich deshalb etwa: Käme ich bei einem solchen Ansatz wohl mit einem Freund oder einem Familienmitglied zurande? Wäre ein solches Handeln in der Literatur einem Helden oder einem Schurken angemessen? Wenn alles, was ich gesagt habe, in der Zeitung stünde, käme ich da in Verlegenheit? Solche Fragen sollen Sie nicht etwa durch Dritte beantworten lassen, sondern Sie sollten Ihre eigenen inneren Wertvorstellungen klären. Sie müssen am Ende selbst entscheiden, ob Sie Taktiken anwenden wollen, die Sie selbst als Unrecht empfinden und die Ihnen als Vertrauensbruch erscheinen würden, wenn man sie gegen Sie verwenden würde.

Es ist sicherlich nützlich, wenn man bei Verhandlungsbeginn sagt: »Sehen Sie, ich weiß sehr gut, dass das unüblich ist, aber ich würde gerne die Spielregeln für unser Tun kennen. Wollen wir beide ein vernünftiges Übereinkommen so schnell und mit so geringem Aufwand wie möglich erreichen? Oder wollen wir hart darum feilschen, dass der Eigensinnigere von uns gewinnt?« Was immer Sie auch machen – schützen Sie sich gegen Tricks. Sie können immer mindestens so stark sein wie die Gegenseite – sogar stärker. Denn es ist immer leichter, Prinzipien und Sachgehalte zu verteidigen als zweifelhafte Winkelzüge.