Epilog
Vier Monate später
Die ersten Wochen nach der Schlacht waren ziemlich hart für mich. Ich hatte mir mehrere Rippen gebrochen und die Schulter ausgerenkt. Da so viele unserer Leute Auroras und Saras Heilkräfte benötigten, hatte ich mich geweigert, ihre Hilfe anzunehmen. Meine Verletzungen mussten auf die altmodische Art heilen.
Alle wiesen mich darauf hin, dass ich wegen meines Vittra-Blutes viel schneller heilen würde als normale Tryll, aber es machte trotzdem keinen Spaß. Ein Gutes hatte es jedoch, dass ich ans Bett gefesselt war. Loki bediente mich nach Strich und Faden und blieb immer in meiner Nähe.
Sobald es mir wieder einigermaßen gut ging, hielten wir die Trauerfeier für meine Mutter ab. Das gesamte Königreich erschien, und zu meiner Überraschung auch die Monarchen der Kanin und der Omte. Sie wollten Elora ihren Respekt erweisen und uns dafür danken, dass wir die Tyrannei der Vittra beendet hatten.
Oren hatte hauptsächlich die Tryll im Visier gehabt, aber seine Angriffe nicht nur auf uns beschränkt. Erst als bei der Beerdigung so viele Trauergäste kamen, dass nicht alle in den Saal passten, wurde mir wirklich klar, was wir erreicht hatten.
Ich hörte von anderen Tryll und sogar anderen Stämmen, was meine Mutter alles getan hatte, um sie zu schützen. Sie hatte Abkommen getroffen, Konzessionen gemacht und unglaublich hart für den Frieden gearbeitet. Elora hatte ihrem Volk unendlich viel gegeben, und es bewegte mich tief, dass ihre Untertanen es ihr endlich dankten.
Elora zu verlieren, hatte mir noch deutlicher gemacht, wie wichtig es für ein Kind war, eine Mutter zu haben, und was Rhys verloren hatte.
Meine Gastmutter Kim hatte mich zwar schrecklich behandelt, aber inzwischen wusste ich, dass sie es aus Liebe getan hatte. Aus Liebe zu einem Kind, das sie nicht einmal kennenlernen durfte.
Matt brachte Rhys zu der Klinik, in der Kim lebte. Matt hatte immer noch wenig Lust, sein Verhältnis zu Kim zu reparieren, aber dass er sich bereit erklärt hatte, sie mit Rhys zu besuchen, ist bereits ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung.
Rhys plant, im Herbst auf ein College in der Nähe der Klinik zu gehen, um sie besser kennenlernen zu können. Matt sagte, es gehe Kim ein bisschen besser, und falls sie weiterhin Fortschritte mache, werde sie eines Tages vielleicht sogar entlassen.
Matt ist wieder nach Förening zurückgekehrt. Er sagte, seine Heimat sei jetzt hier, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin jetzt zwar erwachsen und regiere über ein Königreich, aber es freut mich trotzdem, dass mein Bruder in meiner Nähe bleiben wird.
Der Wiederaufbau von Oslinna ist in vollem Gange und Matt engagiert sich sehr bei der Planung. Seine Entwürfe sind wunderschön, und es tut den Tryll gut, zu sehen, dass ein Mänks etwas richtig gut kann.
Wir sind immer noch dabei, alte Vorurteile abzubauen, und ich weiß, dass es noch eine Zeitlang dauern wird, bis die Tryll sich an den Gedanken gewöhnt haben, dass es okay ist, wenn Leute die Person heiraten, die sie lieben, egal ob Tryll oder nicht. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Bevor ich meine Krone an den Nagel hänge, will ich erreicht haben, dass Mischehen legal werden. Willa hofft natürlich, dass dies bald der Fall sein wird, aber sie sucht ja auch schon seit zehn Jahren nach dem perfekten Hochzeitskleid.
Sie nimmt inzwischen aktiv am politischen Geschehen teil. Da ich nach unserer Rückkehr das Bett hüten musste, kümmerte sie sich diskret mit Tove um die alltäglichen Geschäfte. Tove ist immer noch mein klügster und vertrauenswürdigster Berater.
Kurz nach der Beerdigung ließen Tove und ich unsere Ehe annullieren. Er bestand darauf, weil er sagte, das Strahlen von Lokis und meiner Aura hätte ihn sonst erblinden lassen. Es stellte sich heraus, dass dies ein ziemlich komplizierter Prozess war, aber da wir vor Kurzem unseren größten Feind besiegt hatten, zeigten sich die Tryll sehr großzügig und gewährten uns die Annullierung.
Tove fühlt sich offensichtlich viel wohler als während unserer Ehe. Dank seiner Bemühungen ist Bain zum Kanzler gewählt worden, eine viel bessere Wahl als unser letzter Kanzler. Tove und Bain arbeiten hart daran, unsere Gesellschaft zu verbessern.
Und Tove hat jemanden kennengelernt, verrät uns aber nicht, wer es ist. Aber ich habe da so eine Vermutung. Tove hat immer noch Angst davor, wie die Bürger auf seine Homosexualität reagieren werden, aber meiner Meinung nach wird es nicht mehr lange dauern, bis er sie offen leben kann.
Nachdem wir die Vittra besiegt hatten, verließ uns Thomas und folgte seiner Familie zu den Kanin. Ich glaube nicht, dass er zurückkommen wird.
Finn blieb bei uns und übernahm den Posten seines Vaters als Leiter der Tracker.
Es ist immer noch ein bisschen seltsam für mich, Finn im Palast zu begegnen. Ich liebe ihn nicht mehr so wie früher, aber ich werde wohl nie aufhören, mich um ihn zu sorgen. Er war meine erste Liebe und hat einen wichtigen Teil dazu beigetragen, mich zu der Königin zu machen, die ich heute bin.
Anfangs behandelte er mich noch kalt und distanziert, aber allmählich beginnt das Eis zu schmelzen. Wir sind auf dem Weg, wieder Freunde zu werden, und das macht mich sehr froh.
Ich habe gesehen, dass Finn oft mit Mia redet und viel Zeit mit ihr und ihrer kleinen Tochter verbringt. Wenn er bei ihr ist, wirkt er viel entspannter, als ich ihn je erlebt habe. Obwohl er mich geliebt hat, konnte er in meiner Gegenwart nie wirklich er selbst sein. Aber wenn er Hanna auf dem Arm hält und mit Mia lacht, dann wirkt er so glücklich wie noch nie.
Sie gibt ihm etwas, das ich ihm nie geben konnte, und dafür bin ich endlos dankbar. Finn verdient es, glücklich zu werden und jemanden aus ganzem Herzen zu lieben, der diese Liebe erwidert.
Und Loki … Nun, Loki ist mir seit unserer Rückkehr kaum von der Seite gewichen, aber in mein Bett wollte ich ihn erst lassen, wenn er eine anständige Frau aus mir gemacht hatte. Also beeilte er sich damit.
Vor zwei Wochen haben wir im Garten zwischen den Frühlingsblumen unsere kleine Hochzeit gefeiert, die ganz anders war als meine erste. Diesmal waren nur meine engsten Freunde und Angehörigen eingeladen, darunter auch meine Tante Maggie. Diesmal war ich an der Planung beteiligt gewesen und alles war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Aber der größte Unterschied war, dass ich diese Hochzeit herbeisehnte, weil ich diesmal den Mann heiraten würde, den ich über alles liebte.
Maggie ist seit ein paar Wochen bei uns zu Gast, und das ist wundervoll. Sie hat immer noch nicht ganz verinnerlicht, was hier vor sich geht, aber Rhys hat sie sofort ins Herz geschlossen. Glücklicherweise kümmert er sich seit einer Woche um sie, sodass Loki und ich ein bisschen Zeit miteinander verbringen können.
Leider haben wir nie genug Zeit. Die Nächte sind zu kurz, und die Sonne geht viel zu früh auf, wenn wir aneinandergekuschelt im Bett liegen. Normalerweise schläft er genauso gerne aus wie ich, aber heute ist ein besonderer Tag.
Er öffnet die Vorhänge und lässt das viel zu helle Morgenlicht ins Zimmer. Ich kneife die Augen zusammen und vergrabe mein Gesicht in den Kissen.
»Ach, Wendy.« Loki kniet sich neben mir auf den Boden und streicht mir das Haar aus dem Gesicht. »Du wusstest doch, dass dieser Tag kommen würde.«
»Ja, aber ich wollte nicht, dass er kommt.« Ich öffne die Augen und sehe, dass er lächelt, obwohl sein Blick wehmütig wirkt.
»Ich hätte niemals erlauben dürfen, dass du zusagst.«
Loki lacht. »Es mir erlauben? Ich bin der König. Mir hat niemand etwas vorzuschreiben.«
»Das glaubst auch nur du«, schnaube ich, und er muss noch mehr lachen.
»Aber jetzt mal im Ernst, meine Liebste. Willst du nicht aufstehen und mich verabschieden?«, fragt Loki. Er nimmt meine Hand und küsst sie. »Du musst natürlich nicht. Ich kann die Zeremonie auch alleine abhalten, und ich weiß ja, wie schwer du zurzeit aus dem Bett kommst.«
»Nein. Wenn du schon gehen musst, dann will ich dich wenigstens verabschieden«, seufze ich. »Aber komm bloß schnell zurück.«
»So schnell ich kann.« Er lächelt. »Nichts in der Welt kann mich von meiner Königin trennen.«
Ich werfe die Bettdecke ab und gehe an den Schrank, um mir etwas zum Anziehen zu suchen. Wir werden Loki mit einer Zeremonie verabschieden, also muss ich ein schönes Kleid und sogar meine Krone tragen. Das vermeide ich meistens, denn ich fühle mich wie eine Faschingskönigin damit, aber bei offiziellen Anlässen komme ich nicht darum herum.
Loki ist bereits angezogen. Ich habe ihn schon vor einer Stunde aufstehen hören, mich aber noch einmal umgedreht, weil ich in letzter Zeit ständig müde bin. Ich würde gerne sagen, dass es daran liegt, wie wir unsere Flitterwochen verbracht haben, aber das ist nicht der einzige Grund.
»Wie geht es dir heute Morgen?«, fragt Loki. Er lehnt sich gegen die Schranktür und sieht zu, wie ich mir ein Kleid in dunklem Smaragdgrün überziehe.
»Ich bin ein bisschen traurig, aber sonst geht’s mir gut.« Ich schlüpfe in das Kleid und drehe ihm den Rücken zu, damit er den Reißverschluss schließen kann. »Ich bräuchte ein bisschen Hilfe.«
»Du solltest dir wirklich eine Kammerzofe oder etwas Ähnliches zulegen«, sagt Loki, während er mit dem Reißverschluss kämpft. »Diese Dinger sind wirklich unmöglich.«
»Dafür habe ich doch dich«, necke ich ihn.
Er zerrt weiter an dem Reißverschluss und endlich geht er zu.
Ich weiß genau, woran es liegt, dass meine Kleider mir nicht mehr richtig passen.
Loki greift von hinten um mich herum und legt seine Hand auf mein kleines Bäuchlein. »Wir müssen es ihnen bald mitteilen«, sagt er und drückt mich an sich.
»Ich weiß«, seufze ich. »Sobald du zurück bist, okay? Ich will mich nicht allein den ganzen Fragen und Diskussionen aussetzen.« Ich drehe mich um und schaue ihn an. »Also beeil dich gefälligst.«
»Als ob ich noch einen Grund dafür bräuchte, mich zu beeilen.« Lächelnd zupft er an meiner silbernen Locke, die immer wieder vorwitzig nach vorne fällt.
Dann zieht er mich an sich und küsst mich leidenschaftlich. Mir werden immer noch die Knie weich. Ich warte darauf, dass dieses Gefühl nachlässt, aber es überwältigt mich jedes Mal, wenn er mich berührt.
Wir gehen in den Thronsaal, wo die Zeremonie stattfinden wird. Sara wartet bereits auf uns, zusammen mit Finn in seiner Funktion als oberste Palastwache und dem neuen Kanzler Bain. Auch Tove ist hier, hauptsächlich, um mich moralisch zu unterstützen. Sara ist gestern Abend gekommen, denn sie will als Zeichen der Solidarität gemeinsam mit Loki losfahren.
Loki und ich sitzen auf den Thronsesseln und warten darauf, dass die anderen eintreffen. Ich habe mich gestern Abend mit Kanzler Bain getroffen und mit ihm besprochen, was ich sagen werde. Es passiert zwar selten, dass zwei Königreiche vereinigt werden, aber offenbar gibt es dafür trotzdem ein Protokoll, dem ich folgen muss.
Als alle versammelt sind, stellen sich Loki und Sara vor mich. Ich stehe auf und wiederhole die Worte, die Bain mir beigebracht hat. Im Mittelteil verliere ich kurz den Faden, aber im Grunde genommen geht es nur darum, die Vittra und Tryll zu vereinigen und zu schwören, dass wir von nun an zusammenarbeiten werden.
Als Teil des Abkommens wird Loki zu den Vittra zurückkehren und ihnen beim Wiederaufbau ihrer Gesellschaft helfen, die seit dem Tod des Königs auseinanderzufallen droht. Sara hat zwar ihr Bestes getan, um die Risse zu kitten, aber ohne eine Intervention wird es ihr nicht gelingen.
»Da ihr beide euch bereit erklärt, respektvoll und in Frieden zusammenzuarbeiten, erkläre ich die Vereinigung für vollzogen«, sage ich abschließend. Damit ist die Zeremonie beendet. »Jetzt dürft ihr … zusammenarbeiten.«
»Danke.« Sara rafft ihre Röcke und knickst vor mir.
»Danke.« Loki verbeugt sich lächelnd.
»Und du bist wirklich in zwei Wochen wieder da?«, frage ich.
»Ich bin allerhöchstens zwei Wochen lang weg«, versichert Loki mir.
»Ich verspreche, ihn nur so lange festzuhalten wie nötig«, fügt Sara hinzu.
Ihre Augen strahlen Wärme aus, als sie mich anlächelt. Ich wollte ihr meinen Ehemann eigentlich nicht ausborgen, aber sie hat ihm schließlich das Leben gerettet. Und es ist wichtig, mit den Vittra eine Freundschaft aufzubauen.
Loki küsst mich, obwohl es gegen das Protokoll verstößt. König und Königin dürfen sich in der Öffentlichkeit nicht ihre Zuneigung zeigen, aber Loki bricht diese Regel, sooft er nur kann. Und ehrlich gesagt, lasse ich das nur zu gerne zu.
»Komm schnell wieder zu mir zurück«, flüstere ich.
»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Loki lächelt mich an.
Als er sich umdreht, um zu gehen, spüre ich das vertraute Flattern in meinem Bauch. Nicht die Schmetterlinge, die meine Liebe zu Loki in mir aufsteigen lässt, sondern ein anderes. Das Flattern eines Lebens in meinem Inneren. Ich lege mir die Hand schützend auf den Bauch, um mein Baby zu beruhigen.
Unsere gemeinsame Nacht in Oslinna hat überraschende Konsequenzen. Ich habe Loki schon vor Wochen eingeweiht, und obwohl wir beide Angst haben, freuen wir uns doch auch sehr auf unser Kind. Wir werden zum ersten Mal Eltern und sind gleichzeitig das erste Tryll-Königspaar, das sein Kind selbst großziehen wird. Ich werde nicht zulassen, dass unser Kind als Changeling aufwächst. Ich weiß, dass ich diese Tradition nicht über Nacht abschaffen kann. Unsere Gesellschaft muss erst umstrukturiert werden, bis wir nicht mehr auf das Geld angewiesen sein werden, das die Changelings uns einbringen.
Aber wir arbeiten jeden Tag daran. Loki und ich, Willa, Tove und sogar Finn. Wir werden die Tryll-Gesellschaft in ein großartiges System verwandeln, dessen Bürger sich und das Leben zu schätzen wissen.
Ich werde diese Welt verbessern, ob es meinen Untertanen nun gefällt oder nicht. Das ist das Schöne daran, eine Königin zu sein.